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IV. Zwei Kindermedienprojekte im Vergleich

3. Das Kinderhilfswerk „Plan International“

3.1.2. Struktur und Aufbau der Video-Workshops

Die ersten drei Tage des Workshops begannen mit der Identifikation und Herausar-beitung einer Situation, eines Interessenkonfliktes oder eines anderen Anliegens.

Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen diskutierten, zeichneten und schrieben über ihre Ängste und Befürchtungen. Die Themen wurden nicht vorgegeben, son-dern von den jungen Teilnehmern selbst ausgewählt. Shonu Chandra, der Projektlei-ter von „CHSTS“ nannte im InProjektlei-terview eine simple Vorgehensweise, welche die Kin-der und Jugendlichen fast immer dazu brachte, ihre Vorstellungen konkret zu äu-ßern: „There is a simple exercise that normally works. We tell them that God has given you two hands. Now with your left hand tell us the things that you will like to do to help people. They normally come up with the regular stuff of helping the nee-dy, protecting the weak, etc. Subsequently we ask them what are the things that you would not do with your other hand. They normally repeat the same points but from a different perspective i.e. I will not hurt anyone, I will not beg, I will not steal, etc.

Zwei Kindermedienprojekte im Vergleich

76 Then when the points are listed out we ask the question – What is stopping people from doing the right things and what is putting pressure on them to do the wrong things. This normally takes the discussion into the area of poverty, power dynamics, illiteracy, etc. from here, to reach your destination, you just have to ask the impact of these issues on children.” (s. Interview Chandra 2009)

Wenn nun einige Themen ausgemacht wurden, vergaben die jugendlichen Teilneh-mer im Rahmen von Präsentationen, Diskussionen und einer Abstimmung, ihre Prio-ritäten und entschieden so, welche vorgebrachten Belange ihrer Gruppe am wich-tigsten waren und ihre Gemeinden am ehesten betrafen. Schließlich wurden zwei Themen ausgewählt, die den Teilnehmern nicht nur am Herzen lagen, sondern auch durch das Medium Video effektiv transportiert und vermittelt werden konnten (vgl.

Chandra 2002).

2. bis 5. Tag

Der nächste Schritt stellte die Recherche dar. Die teilnehmenden Kinder und Ju-gendlichen teilten sich selbst in zwei gleich große Gruppen auf und ihnen wurde das sie interessierende Thema zugewiesen. Jede Gruppe ging anschließend in die be-troffenen Gemeinden, um die Anfänge, die Entwicklung, die Gründe und die Aus-wirkungen der identifizierten Schwierigkeiten herauszufinden und zu untersuchen.

Darüber hinaus sollten von den Kindern mögliche Lösungsansätze für die Probleme erarbeitet werden. Die Kinder und Jugendlichen führten die Recherchen selbststän-dig durch und referierten ihre Ergebnisse anschließend im Workshop, in dem die Resultate diskutiert und ausgewählt wurden oder entschieden wurde, ob weitere Nachforschungen notwendig sind (vgl. Chandra 2002).

Beschlossen wurde in dieser Projektphase auch, welches Format für die Dokumen-tation gewählt werden solle: Die Kinder und Jugendlichen konnten zwischen den Filmvarianten Dokumentarfilm/ Reportage, Trickfilm oder dem sog. „Dokudrama“

(Kombination aus Dokumentation und dramatischen Filmelementen) auswählen (vgl. Brazeau/ McNeill 2003, S. 27).

Zwei bis vier Teilnehmer der beiden Gruppen, die ein besonderes Interesse an Technik hatten oder bei denen außerordentliches Geschick dafür festzustellen war,

Zwei Kindermedienprojekte im Vergleich

77 wurden in „Nonlinearem Videoschnitt“ geschult. Bei diesem Verfahren, wird das Video-Rohmaterial auf eine Festplatte übertragen (digitalisiert) und ungeordnet (nonlinear in beliebiger Reihenfolge) bearbeitet (vgl. Wikipedia 2009, Nonlinearer Videoschnitt). Diese Kinder durften zwar auch weiterhin die allgemeinen Workshop-sequenzen besuchen, jedoch nahmen sie nicht mehr am Prozess der Inhaltserstel-lung teil, sondern wurden überwiegend in der technischen Bearbeitung des Video-materials geschult. Dieser Schulungsprozess, nahm etwa 6 bis 16 Tage in Anspruch, in dem zwei technische Assistenten der Projektleitung die Unterweisung übernah-men. In einigen Fällen mussten die Kinder und Jugendlichen aber auch den Umgang mit einem Computer von Grund auf neu lernen, da sie keine vorherigen Erfahrun-gen mit derartiErfahrun-gen Geräten machen konnten (vgl. Brazeau/ McNeill 2003, S. 27).

4. bis 6. Tag

Auf die ausführliche Recherche folgte das Erarbeiten einer Storyline (a. d. Engl.

„Handlung“). Die Kinder vergaben Schwerpunktthemen und versuchten die Fakten in eine logische und interessante Handlung einzubinden (vgl. Chandra 2002).

7. und 8. Tag

Nach der Erstellung und Ausarbeitung der Storyline wurden Filmcrews zusammen-gestellt. Jede Gruppe wählte selbst einen Regisseur, Personen für die Kamera, einen Tonmann und seine Assistenten (Tontechniker), den Sprecher und Moderator, ei-nen Protokollanten (Dokumentar), Cutter und eiei-nen Produzenten. Die Aufgabenzu-weisung geschah anhand von simplen praktischen Übungen, bei denen die Teil-nehmer erkennen sollten, welche ihrer Gruppenmitglieder sich für die genannten Positionen am besten eignen, um sie anschließend dafür auszuwählen (vgl. Bra-zeau/ McNeill 2003, S. 28).

8. bis 10. Tag

War die Filmcrew festgelegt, mussten die Gruppen ihr Drehbuch erarbeiten. Die Geschichten wurden in einzelne Szenen aufgeteilt und beispielsweise durch Story-boards optisch aufbereitet. In dieser Projektphase bekamen die Crewmitglieder

Zwei Kindermedienprojekte im Vergleich

78 zudem die wichtigsten technischen Verfahren durch praktisches Training vermittelt, um ihre zugewiesenen Aufgaben effektiv bewältigen zu können (vgl. Chandra 2002).

9. bis 11. Tag

Anschließend wurden die Drehtage für die Filmproduktion festgelegt und ein ent-sprechender Terminkalender erstellt. So konnten die Szenen einzelnen Aufnahme-sequenzen zugeteilt und die Aufnahmeorte festgelegt werden. Den Terminkalender für die Aufnahmen erstellten die Workshopteilnehmer gemeinsam mit dem Projekt-leiter Chandra auf Grundlage der einzelnen Aufnahmesequenzen. Zudem übte jede Gruppe an kurzen, praktischen Aufgabenstellungen, um routinierter zu werden, mehr Selbstvertrauen zu schöpfen und auf die Teamarbeit eingestimmt zu werden (vgl. Chandra 2002).

12. bis 14. Tag

Am 12. Tag begann im Regelfall das Shooting. Die Gruppen filmten ihre Geschichten nach den festgelegten Aufnahmeterminen. Die erwachsenen Mitarbeiter begleite-ten die Kinder und Jugendlichen bei jedem Dreh zur technischen Unterstützung, aber auch, um den Schutz der Kinder zu gewährleisten, wenn ihr ausgewähltes Thema besonders umstritten und tabuisiert war (z.B. beim Film „Victims of the Gar-bage dump“, s. Kap. IV, Abschn. 3.1.4.) (vgl. Brazeau/ McNeill 2003, S. 28).

14. bis 18. Tag

Nach dem Dreh folgte die technische Bearbeitung der Aufnahmen. Die jugendlichen Teilnehmer, die im „nonlinearen Videoschnitt“ geschult wurden, digitalisierten nun das Filmmaterial und ordneten die Aufnahmen entsprechend dem Drehbuch. An-schließend wurden der Film vertont und graphische Darstellungen manuell wie auch digital generiert und hinzugefügt. Ähnlich wie beim deutschen Projekt übernahmen die technischen Assistenten des Projektleiters oder er selbst schließlich den Fein-schnitt des Filmmaterials (vgl. Brazeau/ McNeill 2003, S.29).

Besondere Beachtung im Produktionsprozess verdient die Vertonung und Überset-zung der Filme (17. bis 19. Tag). Um sie einem möglichst großen Publikum

präsen-Zwei Kindermedienprojekte im Vergleich

79 tieren zu können, wurden die Dokumentationen, die ursprünglich im regionalen Dialekt der Gemeinden gedreht wurden, von den Kindern auf Hindi synchronisiert und anschließend von den erwachsenen Projektmitarbeitern mit englischen Unterti-teln versehen. Dies sollte eine weite Verbreitung der Filme in der Presse, bei ähn-lich-arbeitenden NGOs, Regierungsstellen, internationalen Entwicklungsorganisa-tionen, Plan Partnern und nationalen Plan Organisationen gewährleisten (vgl.

Chandra 2002).

Zum Ende des Workshops intervenierten die erwachsenen Projektbetreuer und übernahmen den finalen Schnitt der Filme, da trotz ausführlicher Schulungen der jungen Teilnehmer, diese Arbeit sehr langwierig ist und sie auch an ihre Kapazitäten stießen (vgl. Brazeau/ McNeill 2003, S.29).

20. Tag

Am 20. Tag wurden schließlich die von den Kindern produzierten Filme vor ihren Gemeinden, einschließlich den Dorfältesten, regionalen „Führern“ (z.B. Bürgermeis-ter, Gemeinderat etc.), lokalen Regierungsbeamten und den Plan-Mitarbeitern vor Ort, ausgestrahlt. Teil der öffentlichen Vorführung war auch die Vorstellung einer jeden Filmcrew, in der sie ihre eigenen Filme präsentieren durften, Hintergrundin-formationen erläuterten und ihre Themenauswahl begründeten. Darüber hinaus erklärten die Kinder und Jugendlichen ihren Zuhörern den Entstehungsprozess ihrer Medienproduktionen (vgl. Chandra 2002).

Nach der Vorführung befassten sich die medienproduzierenden Kinder und Jugend-lichen mit den Fragen des Publikums. Auch die Kinder bekamen anschließend die Chance, den Dorfältesten und lokalen Führern ihrer Gemeinde, wie auch den Pro-jekt-Mitarbeitern gezielte Fragen zum behandelten Thema zu stellen. Die Diskussion ermöglichte es, die folgenden Bereiche abzudecken: das Problem, mögliche Lösun-gen und Interventionsmaßnahmen, in die die Kinder miteinbezoLösun-gen werden können (vgl. Chandra 2002).

Das Planen der Interventionen stellte den letzten Part eines jeden Workshops dar.

Hieran hatten die Kinder jedoch nur wenig Anteil. Nach der Vorführung trafen sich

Zwei Kindermedienprojekte im Vergleich

80 die Filmcrew, Gemeindevertreter, nationale und regionale Mitarbeiter von Plan India und die Video-Projekt-Betreuer, um über rehabilitierende Maßnahmen für die angesprochenen Probleme der Kinder und Erwachsenen der Gemeinde zu diskutie-ren. Darüber hinaus wurde besprochen, wie die Kinder in die Interventionsmaß-nahmen eingebunden werden können. Die Projektbetreuer beteiligten sich sowohl an der Aufführung, wie auch am anschließenden Gespräch mit dem Plan-Länderbüro in Indien, bei dem die Projektergebnisse mit der laufenden Programm-planung und der kindorientrierten Gemeindehilfe der Organisation abgestimmt wurden (vgl. Chandra 2002).