Aus den Umfragen zu den Bedürfnissen der jungen Erwachsenen (Angebotsseite) und zu den Anforderungen der Gemeinden (Nachfra-geseite) lassen sich für die Rekrutierung und Besetzung von Gemeindebehörden insge-samt 18 allgemeine Stossrichtungen ableiten (vgl. Abbildung 19).
Die folgenden sechs Stossrichtungen kon-zentrieren sich auf die Rekrutierung:
− A1 Interesse für Gemeindepolitik bei jun-gen Erwachsenen wecken: Ein Grundinte-resse an politischen Themen ist bei jun-gen Erwachsenen grundsätzlich vorhan-den. Es mangelt aber an konkretem Erfah-rungswissen («learning by doing») und an Handlungsmotivation, sich auf kommu-naler Ebene zu engagieren und etwas ver-ändern zu wollen.
− A2 Aktive Nachwuchsförderung betrei-ben: Es gibt ein Potenzial an jungen Nach-wuchskräften, die sich in der Gemeinde-politik einbringen würden. Allerdings braucht es «niederschwellige» Partizipati-onsmöglichkeiten für junge Erwachsene, um erste Erfahrungen mit der Vorberei-tung und Umsetzung politischer Ge-schäfte zu ermöglichen und zu fördern.
− A3 Junge potenzielle Kandidierende wir-kungsvoll ansprechen: Selbst wenn sich junge Erwachsene ein politisches Enga-gement vorstellen können, ist eine ge-zielte und direkte Ansprache dieser Ziel-gruppe notwendig. Die psychologischen Hürden, sich aus Eigeninitiative für ein po-litisches Amt in der Gemeinde zu bewer-ben, sind zu hoch.
− A4 Kommunikation der Gemeinde ver-bessern: Viele Gemeinden bemühen sich, über aktuelle Projekte und Geschäfte re-gelmässig zu informieren. Trotzdem er-reichen sie die Zielgruppe der jungen Er-wachsenen nur bedingt.
− A5 Vorschlagsprozess offen und trans-parent gestalten: Aus Sicht der jungen Er-wachsenen ist der Weg vom Interesse zum Wahlvorschlag zu wenig transparent oder sogar unbekannt.
− A6 Stellenwert der Rekrutierung junger Erwachsener erhöhen: Die Rekrutierung junger Erwachsener für politische Ge-meindeämter erfolgt mehrheitlich zufällig und ist stark personen- und situationsab-hängig. Strategische und langfristige Überlegungen hin zu einer wirkungsvollen Rekrutierung fehlen seitens der Gemein-den. Entsprechend tief ist der Stellenwert der Rekrutierung.
Weitere Optionen, politische Gemeindeämter mit jungen Erwachsenen zu besetzen, liegen darin, ihre Wahlchancen mit den folgenden beiden Stossrichtungen zu erhöhen:
− A7 Junge Erwachsene im Rekrutierungs-resp. Wahlprozess begleiten: Viele poten-zielle Kandidierende haben grossen Res-pekt vor einem politischen Amt und benö-tigen für eine Kandidatur eine enge Beglei-tung. Es darf nicht vorausgesetzt werden, dass gerade junge Erwachsene den Ab-lauf einer Wahl im Detail kennen.
− A8 Junge Erwachsene an der Wahl
unter-stützen: Junge Erwachsene haben
oft-mals gegenüber «Kampfwahlen»
erhebli-che Vorbehalte – vor allem bei offenem
Ausgang. Zu wissen, dass anerkannte
Persönlichkeiten aus der Gemeinde und
Freunde/Bekannte aus ihrem Umfeld eine
Kandidatur unterstützen, fördert das
not-wendige Selbstbewusstsein.
Sowohl junge Erwachsene als auch die Ge-meinden selbst sehen durchaus Potenzial, politische Ämter in der Gemeinde attraktiver zu gestalten. Folgende Stossrichtungen zie-len darauf ab:
− A9 Einsatzort und -zeit flexibilisieren:
Eine selbstbestimmte Arbeitseinteilung wirkt auf junge Erwachsene motivierend.
Starre zeitliche und örtliche Verpflichtun-gen hingeVerpflichtun-gen lassen sich mit beruflichen und familiären Aufgaben nur schwer in Einklang bringen. Eine gewisse Flexibili-sierung der erwarteten Arbeitseinsätze werten politische Ämter auf.
− A10 Aufwand für Gemeindeexekutive be-grenzen: Ein Engagement in der Gemein-depolitik konkurriert mit anderen Tätigkei-ten in Beruf, Familie und Freizeit. Mass-nahmen zur zeitlichen Begrenzung des Arbeitsaufwandes erhöht die Attraktivität politischer Ämter.
− A11 Entschädigung verbessern: Für junge Erwachsene ist eine grosszügige fi-nanzielle Entschädigung für den Ent-scheid, im politischen Milizsystem zu kan-didieren, nicht ausschlaggebend. Trotz-dem wird erwartet, dass die Entschädi-gung der Verantwortung und dem Auf-wand entsprechend angemessen ist.
− A12 Sitzungen effizienter gestalten: Sit-zungen mit langwierigen Diskussionen ohne konkrete Entscheidungen wirken auf junge Erwachsene mit Gestaltungs-willen abschreckend. Sollen junge Er-wachsene nicht nur gewählt, sondern auch für eine längere Periode im Amt blei-ben, ist auf effiziente und zielgerichtet ge-führte Sitzungen zu achten.
− A13 Gestaltungsmöglichkeiten der Ge-meindeexekutive erweitern: Junge Er-wachsene erwarten, in einem politischen Amt in der Gemeinde aktiv mitgestalten
zu können. Dazu bedarf es eines «echten»
Gestaltungsspielraumes mit formellen und inhaltlichen Entscheidungs- und Mit-wirkungskompetenzen.
− A14 Gemeindeführungsstrukturen an-passen: Die inhaltlichen Anforderungen an die politische Gemeindeführung sind gestiegen. Für junge Erwachsene ist des-halb entscheidend, fachliche und persön-liche Unterstützung bei komplexen Aufga-ben zu erhalten. Gleichzeitig ist es moti-vierend, konkrete Lösungen für politische Sachfragen zu entwickeln, die den per-sönlichen Interessen entsprechen.
Neben der Rekrutierung, der Wahl und dem Amt zielen die letzten vier Stossrichtungen darauf ab, die übergeordneten Rahmenbedin-gungen zu verbessern. Dazu zählen:
− A15 Wissen über Gemeindepolitik ver-bessern: Die Bedeutung der Gemeinde als
«Zellkern» der Schweizer Demokratie ist jungen Erwachsenen generell zu wenig bewusst. Bildungsoffensiven sollten ver-stärkt aufzeigen, wie politische Entschei-dungen in der Gemeinde die Lebenswelt junger Erwachsener beeinflussen.
− A16 Pool an potenziellen (jungen) Ge-meindeexekutivmitgliedern vergrössern:
Reformvorschläge der politischen Mitwir-kungsrechte auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene setzen darauf, die Rekrutierungsschwierigkeiten strukturell zu lösen (z.B. Aufhebung der Wohnsitz-pflicht, verpflichtender Bürgerdienst). Al-len ist gemeinsam, den Pool an wählba-ren (jungen) Personen ausweiten zu wol-len.
− A17 Wertschätzung erhöhen: Das Image
der Gemeindebehörden hat in den letzten
Jahrzehnten gelitten. Für viele ist ein
poli-tisches Amt in der Gemeinde nicht mehr
erstrebenswert. Gezielte Massnahmen mit dem Ziel, die Wertschätzung der völkerung gegenüber ihren eigenen Be-hördenmitgliedern zu verbessern, sollen die Attraktivität von Gemeindeämtern wieder erhöhen.
− A18 Vereinbarkeit mit Beruf/Familie ver-bessern: Wer sich beruflich stark enga-giert und familiäre Betreuungspflichten übernimmt, hat heute für ein weiteres po-litisches Engagement zu wenig Zeit. Neue Arbeitszeitmodelle und Anreize für Arbeit-geber können die Vereinbarkeit von Beruf, Politik und Familie verbessern.
Exekutivamt Einsatzort A9:
und -zeit A10: Aufwand für
Gemeinde-exekutive begrenzen A7: Junge
Erwachsene im Rekrutierungs-/
Wahlprozess begleiten
Kommunikation A4:
der Gemeinde Vorschlags-prozess offen und
transparent
A15: Wissen über Gemeindepolitik
Abbildung 19: Stossrichtungen im Überblick
Im Dokument
PROMO 35
(Seite 25-28)