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Storytelling als Grundlage für Lehrvideos

[Geschichten statt Definitionen] LeFever, der Miterfinder der Legetechnik-Lehrvideos von Common Craft beschreibt, was gute Lehrvideos bzw. eher, was gute Erklärungen sind. Ihm zufolge gilt: Eine gute Erklärung ist eine gute Geschichte (LEFEVER 2012). Er würde

beispielsweise nicht einen neuen Begriff definieren, sondern ihn in einer Geschichte erklären.

Eine Geschichte zu erzählen, dauert dabei gar nicht unbedingt länger.

Ein Beispiel für eine – traditionelle – Definition:

„Offene Bildungsressourcen nennt man auch im deutschsprachigen Raum wie im

englischsprachigen Raum „Open Educational Resources“ oder kurz OER. Damit werden Lern- und Lehrmaterialien bezeichnet, die so lizensiert wurden, dass sie frei verfügbar und einsetzbar sind, im besten Falle sogar auch modifiziert wiederveröffentlicht werden dürfen.“

Die „Geschichte“ dazu lautet dann zum Beispiel:

„Die Trainerin Theresa sucht für ihren Sportclub Lernvideos, die sie im Unterricht einsetzen darf. Sie recherchiert daher gezielt nach Videos, die entsprechend lizensiert wurden, und deren Nutzung erlaubt ist. Bei manchen Videos sind sogar Veränderungen erlaubt. Solche Materialien heißen „offene Bildungsressourcen“ oder „Open Educational Resources“ bzw. kurz OER.“

4.3 Lern- und Lehrvideos als didaktische Herausforderung

In der Literatur zur (didaktischen) Gestaltung von Lernmaterialien werden Lern- und Lehrvideos kaum behandelt. Zu den Ausnahmen zählt das Werk „Studientext Didaktisches Design“ von Gabi Reinmann (2012). Sie fordert u. a., dass die Videos handwerklich gut gestaltet sein sollten und dass die Darstellung und Sprache den Sehgewohnheiten der Zielgruppe

angepasst ist.

[Drehbucherstellung] In dem Werk „L3T - Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien“

(Zorn/Auwärter/Seehagen-Marx 2011) findet sich in dem Kapitel zum Thema Educasting eine Liste mit Fragen, die bei der Drehbucherstellung grundsätzlich beachtet werden sollten:

• Welche Zielgruppe möchte ich erreichen?

• Welche Lernziele sollen erreicht werden?

• Welches technische Educast-Format (zum Beispiel Audiocast, Screencast) soll zum Einsatz kommen?

• Welche Ressourcen (technisch, personell) sind vorhanden?

• Wie kann ich das Informationsmaterial auf das Wesentliche eingrenzen, strukturieren?

• Wie gestalte ich die Lerninhalte?

• Wie sichere und fördere ich die Motivation (Rekapitulieren, Feedback)?

4.4 Kritische Reflexion des didaktischen Mehrwerts

[Breiter didaktischer Spielraum] Es gibt ein breites Spektrum an Lern- und Lehrvideos und unzählige Möglichkeiten, sie im Präsenzunterricht oder beim Online-Lernen einzusetzen.

Während für die selbstgesteuerten Lerner/innen Qualität und Korrektheit des Videos entscheidend sind, ist der didaktische Spielraum für den Einsatz von Videos für Lehrende weitaus breiter: Auch fehlerhafte Videos können anregend im Unterricht eingesetzt werden – z.

B. unter der Überschrift „Finde den Fehler!“.

Auch die richtig guten Lern- und Lehrvideos, denen es gelingt, komplizierte Sachverhalte gut zu illustrieren und zu erklären, können darüber hinaus ein Problem bergen: Lernende erkennen u.

U. gar nicht, dass ein Thema komplex oder schwierig ist und man mehr Zeit investieren müsste, um es zu erfassen, weil das Video beschwingt und mit Leichtigkeit den Sachverhalt beschrieben hat. Unterhaltende Elemente bergen die Gefahr von den eigentlichen Inhalten abzulenken.

5 Lern- und Lehrvideo-Erstellung: Tipps zur Planung

Zur Erstellung der Lernvideos gibt es unzählige Werkzeuge. Angefangen von professionellen Videoschnittprogrammen, bis hin zu einer nahezu unüberschaubaren Menge an Apps für Smartphones und Tablets, die zur Erstellung genutzt werden können, wie z. B. Clips, Explain Everything u. v. m. Und die Entwicklungen nehmen weiterhin zu, so bieten ja nun auch bereits alle großen Social-Media-Plattformen die Möglichkeit, nicht nur Bilder, sondern auch Videos live zu teilen. Somit werden (Lern-) Videos Bestandteil unseres Alltags.

Bei der Erstellung von Lern- und Lehrvideos muss man aus Perspektive von Anfänger/innen vieles beachten und dies ist vor allem zu Beginn durchaus eine Herausforderung für Lehrende, die üblicherweise nicht die Fachexpertise mitbringen. Für diesen Zweck haben wir einen Canvas entwickelt, der diesen Prozess begleiten soll (Abbildung 2).

Abb. 2: Lernvideo-Canvas.

[Der Lernvideo-Canvas]Bei unserer Arbeit rund um die Erstellung von Lern- und Lehrvideos mussten wir vor allen in Gesprächen mit interessierten Lehrenden feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, ein Konzept oder gar Drehbuch für ein Lern- und Lehrvideo zu erstellen. Speziell für Neulinge auf dem Gebiet stellen die notwendigen Überlegungen im Vorfeld, sowie die letztendliche Umsetzung eine enorme Herausforderung dar. Basierend auf verschiedenen Studien (GEIER et al. 2013; SCHÖN/EBNER 2014) und auch auf unserem Booklet zu „Gute Lernvideos“ (SCHÖN/EBNER 2013) haben wir einen Lernvideo-Canvas entwickelt, um schnell einen Überblick über ein zu erstellendes Video zu gewinnen und dieses strukturiert aufzubauen:

• Zunächst ist zu klären, an wen sich das Video richten soll (Zielgruppe), wie diese Zielgruppe angesprochen werden soll, an welches Vorwissen man anknüpfen kann und wie letztendlich mit dem Video gelernt werden soll.

• Danach widmet man sich der Zielsetzung: Was sollen die Lernenden im Anschluss können/wissen/machen?

• Ist die Zielsetzung geklärt, geht es darum im Einzelnen zu bestimmen, was gesagt (geschrieben) oder gezeigt wird.

• Im Anschluss erfolgen noch Überlegungen zur Veröffentlichung, zur Video-Machart, dem Produktionsort, notwendigen Zusatzmaterialien und welche technischen Hilfsmittel man braucht.

• Und erst jetzt geht es in die eigentliche Erstellung des unumgänglichen Storyboards.

Der Lernvideo-Canvas wurde so konzipiert, dass er auf eine A3-Seite passt und einen Überblick zu den Ideen rund um ein Lern- bzw. Lehrvideoprojekt gibt. Für Lehrende und Seminare drucken wir die Unterlage jeweils als Block mit ca. 20 Seiten. Die Vorlage ist offen mit einer CC-BY-Lizenz versehen, sodass sie gerne weiterverwendet werden kann. Mehr dazu finden Sie im Medienpädagogikpraxis-Blog: https://www.medienpaedagogik-praxis.de/2016/07/18/vorlage-zur-ideensammlung-rund-um-lernvideos-und-andere-zugaengliche-vorlagen/.

6 Trend: 360-Grad-Videos

[Neue Spielräume für das Lernen] Mit der 360-Grad- sowie der 3D-Technologie ergeben sich neue Spielräume für das Lernen mit Videos und die Gestaltung von Lern- und Lehrvideos.

Insbesondere die Integration der Filme in YouTube bzw. die Apps für einfache Brillen aus Pappe machen hier vieles möglich. Wenn sich eine Vierjährige mit einer Pappschachtelbrille mit dem

Smartphone vor den Augen staunend um sich dreht, weil sie die Räume von Versailles bestaunen kann, erahnt man, was hier noch auf uns zu kommt.

Die Kosten von 400 Euro für eine 360-Grad-Kamera bewegen sich in einem finanziellen Rahmen, der die Produktion solcher neuartigen Videos für Lehrzwecke durchaus realistisch macht?

Im Rahmen eines Online-Kurses wurde auch der Einsatz eine 360-Grad-Kamera für die Sportart Klettern (GÄNSLUCKNER et al. 2017) erfolgreich getestet. Die Rückmeldung der Lernenden war sehr positiv, da so erstmals Blickwinkel eingenommen werden konnten, die sonst nur der/die Kletter/in selbst hat.

Aus didaktischer Sicht ist die Möglichkeit eines 360-Grad-Videos eine gänzlich neue, denn erstmals entscheidet nicht der/die Regisseur/in was der Lernende betrachtet, sondern er/sie selbst betrachtet aus seiner/ihrer Perspektive die Inhalte und kann in weiterer Folge mit entsprechenden Virtual-Reality-Equipment selbst in das Geschehen eintauchen.

7 Zusammenfassung und Ausblick - Herausforderungen an Bildung und Forschung

[Vielfältiges Angebot und permanente Verfügbarkeit] Mit diesem Beitrag haben wir

versucht das Thema Lern- und Lehrvideo systematisch aufzuarbeiten. Dieser Forschungsbereich ist ein noch relativ junger, auch wenn es, wie schon eingangs erwähnt, mit dem

Bildungsfernsehen frühe Erfahrungen gibt. Mit dem Aufkommen von Lern- und Lehrvideos, die über das Internet verbreitet werden, haben sich das Angebot und die Verfügbarkeit innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches vermehrt. Durch die rasante Entwicklung der technischen Endgeräte und der praktisch flächendeckenden Verfügbarkeit von Aufnahmegeräten

(Smartphones), ist man heute nahezu immer und überall in der Lage Kurzvideos zu erstellen.

Die Gesellschaft wird als vom Konsumenten zum Produzenten.

Neben der Veränderung, Zunahme und Verbreitung des Angebots von Lern- und Lehrvideos gibt es mit den Möglichkeiten der Erfassung von Nutzer/innen auch zahlreiche neuartige

Erhebungsmethoden zum Umgang und zum Lernen und Lehren mit Videos. Im Themenfeld des technologiegestützten Lernens ist hier z. B. das Spezialgebiet Learning Analytics zu nennen, das sich (auch) um neue Erkenntnisse zum Lernen mit Videos bemüht. Lern- und Lehrvideo ist nicht gleich Lern- und Lehrvideo und es gilt didaktischen Grundprinzipien einzuhalten und eben auch zu prüfen, in welchen Kontexten sich welcher Einsatz eignet und mit welcher Machart das Video oder das Lernsetting zu erstellen und gestalten ist, um eine möglichst große Lernwirkung zu erzielen.

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SCHÖN, S./EBNER, M.: Gute Lernvideos … so gelingen Web-Videos zum Lernen! Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2013. Online zugänglich unter: http://bimsev.de/

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