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3 Kenntnisstand über den Einsatz von Lipasen

3.2 Selektivität

3.2.1 Stereospezifische Katalysen

stereospezifischen Katalyse können mit Hilfe von Lipasen auch optisch reine Produkte hergestellt werden, die synthetisch nur unter erheblich grösserem Aufwand hergestellt werden könnten, z. B. enatiomerenreine sekundäre Alkohole.

Die Mehrzahl von Pharmazeutika und Agrochemikalien, die chirale Zentren enthalten, werden heute als racemische Gemische verkauft(Bommarius, Schwarm &

Drauz, 1998). Lipasen können aufgrund ihrer Stereospezifität in Verfahren eingesetzt werden, die dann nur die gewünschten Enantiomere liefern (Mochizuki et al., 1993).

Die Entwicklung in diesem Bereich ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass Lipasen inzwischen zu einem beliebten, häufig verwendetem Werkzeug in vielen organisch-chemischen Laboratorien geworden sind.

Folglich werden lipasekatalysierte Reaktionsschritte, insbesondere in organischen Lösungsmitteln, immer mehr in Syntheserouten eingebaut, vor allem dann, wenn die optische Reinheit des Produktes von

3.2.1.1 Kinetische Racematspaltung

Eine der Hauptanwendungen von Lipasen die Trennung von Enantiomerengemischen.

Typische Substrate für lipasekatalysierte Racematspaltungen sind Ester oder Amide unverzweigter Carbonsäuren mit stereogenem Zentrum oder Carbonsäureester gebildet mit chiralen primären oder sekundären Alkoholen.

Weiterhin wird sogar die Hydrolyse von Carbonsäureamiden zu Aminen durchgeführt (Balkenhohl et al., 1997; Gotor, 1999; Reetz &

Dreisbach, 1994).

Das Enzym ist als enantiomerenreiner Katalysator in der Lage, mit den spiegelsymmetrischen Formen eines chiralen Substrates zueinander diastereomere Enzym-Substrat-Komplexe auszubilden. Wenn die Bildung dieser Komplexe dem geschwindigkeitsbestimmenden Übergangs-zustand der enzymkatalysierten Reaktion entspricht, werden die beiden Substratenantiomere mit unterschiedlicher Geschwindigkeit umgesetzt. Die Differenz der freien Enthalpie DDG* der diastereomeren Übergangszustände und das daraus resultierende Verhältnis der Geschwindigkeits-konstanten k1/k2 ist ein Maß für die Stereoselektivität dieser Reaktion.

Das Racemat eines Esters mit einem stereoge-nen Zentrum im Alkoholteil kann enzymatisch hydrolysiert werden. Unter der Voraussetzung,

Kapitel 3 Kenntnisstand

oisomeres des Racemats vollständig zum Al-kohol hydrolysiert; das andere Enantiomer bleibt unverändert als Ester zurück. Der enatio-merenreine freie Alkohol kann dann mit physi-kalischen Methoden vom Ester abgetrennt werden.

Kapitel 3 Kenntnisstand

æ DDG ö R R

k ( ) Kkat ( ) *

Als Kenngröße der Enantioselektivität einer Reaktion kann dann der sogenannte ee-Wert (Enantiomerenüberschuss, enantiomeric ex-cess, % ee) der Produkte bestimmt werden. Er ist ein Maß für das Enantiomerenverhältnis in einer Mischung zweier Enantiomere. Definiert ist er als:

ee des Produkts: %ee A B

A B

P X X

X X

=

-+ ´100

XA, XB: molare Fraktionen der Produkt-Enantiomer (Chen & Tsai, 2000; Xie, Liu & Chen, 1998).

Beide Enantiomere können in einer Ausbeute von maximal 50 % und mit einem ee von 100 % anfallen, wenn der Umsatz des langsa-meren Enatiomers praktisch gleich null ist und das schnellere Enantiomer vollständig hydroly-siert wird. In der Realität wird dieser Idealfall selten erreicht, da auch das weniger reaktive Enantiomer teilweise hydrolysiert wird und die Reaktion abgebrochen wird, bevor das schnelle Enantiomer vollständig umgesetzt ist. Die E-nantiomerenreinheit der Produkte und der verbleibenden Edukte ist daher auch vom Um-satz der Reaktion zum Zeitpunkt des Abbruchs abhängig.

Um Reaktionen ohne Angabe von kinetischen Parametern vergleichen zu können, wurde von Sih der E-Wert (enatiomeric ratio) eingeführt.

Dieser Wert gibt das Verhältnis der Anfangs-geschwindigkeiten beider Enantiomere an. Er ist für jede biochemische Reaktion eine Kon-stante für die gewählten

Reaktionsbedingun-Kennt man den E-Wert einer Reaktion, kann man den Enantiomerenüberschuss zu einem bestimmten Zeitpunkt bei gegebenem Umsatz c theoretisch berechnen. Umgekehrt ist es möglich, aus dem gemessenen Umsatz und dem experimentell bestimmten Enantiomere-nüberschuss des Produkts P oder des verblie-benen Substrates S den E-Wert zu bestimmen.

)]

1 ( 1 [ ln

)]

1 ( 1 [ ln ) (

) (

P P K

K K K

ee c

ee c

S E R

m kat

m kat

-+

=

-=

P S

S

ee ee c ee

= +

Ein Beispiel für die technische Anwendung und Optimierung im Rahmen der Synthese eines Arzneistoffes ist die durch Candida an-tarctica Lipase B (NOVOZYM 435, Novo Nordisk A/S) katalysierte Racematspaltung von (R,S)-Ibuprofen-2-Chlorethylester

(Mustranta, 1992)

. Im Laufe der Entwicklung

konnte die Stereoselektivität durch geeignete Lösungsmittel mit definiertem Wassergehalt auf über 98% ee S(-)-Ibuprofen erhöht werden.

Eine weitere Optimierung des Verfahrens ge-lang durch den Einsatz einer Lipase aus Can-dida rugosa und durch Verwendung des Butyl-esters in Hexan unter Zusatz von Phosphorpen-toxid als Trocknungsmittel, um das bei der Esterhydrolyse entstehende Reaktionswasser aus dem Gleichgewicht zu entfernen (Lakshmi et al., 2000). Dadurch konnte die Ausbeute an (S)-Ibuprofen aus dem Racemat auf 49 %

ge-Kapitel 3 Kenntnisstand

3.2.1.2 Stereospezifität für sekundäre Alkohole

Zur Vorhersage der bevorzugt umgesetzten Form eines chiralen Substrates hat Kazlauska eine empirische Regel für sekundärer Alkohole aufgestellt, die für viele Lipasen und Esterasen gilt (Cygler et al., 1994). Später wurde sie auf a-substituierte, chirale Carbonsäuren erweitert (Ahmed et al., 1994).

Diese Regel besagt, dass das in Abbildung 3.1 abgebildete Enantiomer bevorzugt umgesetzt wird, wenn M ein Substituent mittlerer Größe ist und L ein größerer Substituent, der typi-scherweise mindestens fünf Kohlenstoffatome umfaßt, und dabei auch verzweigt sein kann.

Eine Erklärung dieser Regel durch Kazlauska et al. basiert auf der relativen Größe der Sub-stituenten am Stereozentrum.

Eine Teil der untersuchten Enzyme und Sub-strate läßt sich nicht nach dieser Regel klassifi-zieren. Dies führt oft zu einer falschen Vorher-sage der Enantiopräferenz. Insbesondere die in dieser Arbeit untersuchten Stereopräferenzen von Candida antarctica Lipase B gegenüber sekundären Aminen und Alkoholen folgen nicht der Kazlauskas-Regel.

Cygler et al. erklären die Substratselektivität anhand der räumlichen Geometrie der Enzym-Substrat-Komplexe. Sie benutzten dazu die Kristallstrukturen der Lipase von Candida rugosa mit kovalent gebundenen Inhibitoren, die als Substratanaloga den Übergangszustand imitieren. Die Inhibitoren wurden von beiden enantiomeren Formen des chiralen Menthol abgeleitet, um die Gültigkeit der Kazlauska-Regel für die kinetischen Racematspaltung strukturell zu untersuchen. (Cygler et al., 1994)

Wie aus der Abbildung 3.2 hervorgeht, ist die Raumstruktur des langsamer reagierende (1S)-Enantiomers durch eine Störung der Wasser-stoffbrückenbindungen zwischen dem Histidin des aktiven Zentrums und dem Substrat im tetraedrischen Übergangszustand gekennzeich-net, womit die geringe katalytische Aktivität in Verbindung gebracht wird. Die Enantiopräfe-renz wird in diesem Modell nicht durch eine vom katalytischen Zentrum getrennte Bin-dungsstelle für sekundäre Alkohole erklärt, sondern durch die Interaktion mit den essen-tiellen Teile des katalytischen Apparates. Da die räumliche Anordnung der katalytischen Reste für viele Lipasen und Esterasen sehr ähnlich ist, lässt sich eine allgemeine Gültig-keit der Kazlauskas-Regel ableiten (Kazlauskas, 1994). Warum sie in manchen Fällen nicht anwendbar ist, ist aus diesem Mo-dell heraus nicht zu verstehen.

H OH

M L

Abb. 3.1: Kazlauskas Regel zur Enantioprä-ferenz von sekundären Alkoholen mit

Lipa-Kapitel 3 Kenntnisstand

Ser O P O

O S

R

Ser O P O

O

N N His449

H H

O O

Glu341

N N His449

H H

O O

Glu341

O P O

O

Ser209 O P

O O

Ser209

Abb. 3.2 : Kristallstruktur der Bindetasche von Candida Rugosa Lipase mit gebundenem R-Mentyl-Phosophonat-Inhibitor (gelb, schnelleres Enantiomer). Zusätzlich ist der S-Mentyl-R-Mentyl-Phosophonat-Inhibitor (rot, langsameres Enantiomer) aus einer zweiten Röntgenstruktur überlagert. Die Oberfläche des Enzyms wurde aus der Struktur mit gebundenem R-Menthyl berechnet. Es ist deutlich zu erkennen, wie die Isopropylgruppe des S-Mentyl-Restes mit dem Enzym in seiner aktiven Konformation kollidieren würde. Unten rechts ist der Unterschied der beiden Röntgenstrukturen als Schema wiedergegeben. Um die oben verdeutlichte Kollision zu vermeiden, liegt Histidin 449 in der Raumstruktur mit dem S-Mentyl Inhibitor in einer vom Substrat weggedreh-ten Konformation vor und verliert so die Wasserstoffbrücke zum Ester-Sauerstoff. Dies wird mit der geringeren katalytische Aktivität bei der Esterspaltung in Verbindung gebracht. (Cygler et al., 1994)

Kapitel 3 Kenntnisstand

3.3 Computergestützte