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Zum Standort von Edellaubwäldern im Bereich des südlichen borealen Nadelwaldes

4 Zur Stellung der Edellaubwälder im Rahmen der Sommergrünen Laubwälder

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Standörtlich gesehen lassen sich die wichtigeren Edellaubwälder also grob in drei Gruppen gliedern:

Eine erste Gruppe findet sich auf eher trockenen bis frischen Standorten mit hohem bis sehr hohem Stickstoff- und Phosphat-Kapital sowie hohen Werten für austauschbare Kationen (S*- und H*-Wert): Polygonato-Ulmetum, Pulmonario­

Tilietum {Einheit I, II). Eine mittlere Gruppe stockt auf eher feuchten Stand­

orten mit mittlerem Stickstoff- und Phosphat-Angebot sowie hohen S*- und H*­

Werten: Ranunculo-Vlmetum (III). Eine letzte Gruppe schließlich, die nur sehr geringe Flächen einnimmt, besiedelt frische Block-Standorte mit mittlerem Stick­

stoff- und niederem Phosphat-Kapital und mittleren bis niedrigen S*- und H*­

Werten: V accinio-Tilietum.

Für den Mitteleuropäer ist es nun aufschlußreich, der Frage nachzugehen, ob es auch bei uns direkt vergleichbare Standorte und Waldgesellschaften gibt. Auf den ersten · Blick scheint die Übereinstimmung auf feuchten Standorten zwingend zu sein: Denn viele unserer typischen Eschen-(Ulmen-)Wälder - innerhalb des Buchenareals - stocken im Alluvialbereich auf doch sehr ähnlichen Standorten

wie im Gebiet der Großen Seen Südschwede-ns.

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Aber bei der Betrachtung der Bodenchemie fällt auf, daß ein Großteil unserer Edellaubwälder auf Standorten steht, die teils kalkreich bis zum Oberboden sind oder dann doch sehr hohe pH-Werte noch im Humushorizont zeigen (pH

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6).

Solche Standortverhältnisse erscheinen dann auch noch außerhalb der Alluvionen, nämlich ziemlich regelmäßig auf Hangterrassen oder in Mulden niederer Lagen mit Braunerde- oder Mull-Gleyen kalkreicherer Moränen, Jura- oder Molasse­

schichten. Auf· diese Gruppen feuchterer Standorte werden sie durch die Konkur­

renz der alles beschattenden Buche verdrängt.

Nun stehen ja zwar auch die nördlichen Edellaubwälder auf sehr basenreichen Gleyen oder Pseudogleyen, aber gerade kalkreiche Standorte wie bei uns können sie mangels Gelegenheit recht selten einnehmen, zumal dort schon die Unterböden oft kaum mehr kalkhaltig sind. Außerdem besiedeln sie auch Standorte mit basen­

reicheren Rankem und mit schwach entwickelten Braunerden, ähnlich wie im west­

lichsten Europa, mit Austauschwerten, die als sehr hoch bezeichnet werden müs­

sen. (S*-Wert um 175, H*:..Wert um 50; auf Humus [Glühverlust] bezogen, V% um 75; über die -Entwicklung von Braunerden siehe z. B. RICHARD, 1949.) Die Besied­

lung dieser trockeneren Standorte ist aber nur möglich, weil die Buche fehlt.

Sobald bei uns jedoch Böden knapp buchenfähiger, feuchter Hanglagen ver­

gleichsweise verarmt sind, tragen sie kaum mehr vergleichbare Waldgesellschaften. -Sie sind zwar _noch eschen- und bergahornreich, aber vor allem die anspruchsvol­

leren Arten der Krautschicht fehlen. Floristisch noch ärmer sind dann natürlich unsere Waldgesellschaften der ganz entbasten feuchten Standorte mit Pseudo- und Stagnogleyen, die bestenfalls noch von schwarzerlenreicheµ Wäldern, oder dann Eichen-Birkenwäldern, im feuchten Schweizer Mittelland aber von Tannenwäldern mit Eiche und Birke bestanden sind.

Gerade diese Gruppe von Wäldern zeigt nun wieder standörtliche Gemeinsam­

keiten mit den feuchten Edellaubwäldern des ·Nordens, und gerade diese Gruppe von Standorten wurde bei uns besonders gut untersucht. N a�entlich die staubleh­

migen armen Rißmoräneböden zeigen eine Reihe ausgefallener, z. T. von der Be­

stockung abhängiger Eigenschaften, auf die vor allem RICHARD (1949, 1953) hin­

gewiesen hat. Ihre Grobporenverteilung im Profil ist kontinuierlich, was periodi­

schen Wasserstau bedingt, und ihr Unterboden hat ein Primitivgefüge (vgl. z. B.

Profil «Aspi» mit Stau im A2 bei 70-80 cm u. F. sowie Profil «Murgenthal» ).

Aber all dies sind nun freilich gerade Eigenschaften des Wasserhaushaltes, die die Pseudogleye der stark tonig-schluffigen Grundmoränen des Boreo-Nemorals auch aufweisen. Während die Eiche und die Edellaubhölzer sich auf solchen Böden - von der Bodenphysik her · gesehen . - recht gut durchsetzen und unter Umständen auch den Anteil der Grobporen günstig verändern können, hat die Fichte · bereits Mühe, . sich bei dieser ausgeprägten Wechselfeuchtigkeit als Keim­

ling zu entwickeln und genügend Feinwurzeln anzusetzen (RICHARD, 1953, 1959).

Vermutlich fördert · dann auch der hohe Basengehalt die Entstehung bestimmter Fichtenkrankheiten, so daß die Fichte fast zur Gänze aus den Eschen-Ulmenwäl­

dern entfernt wird. Entsprechendes dürfte auch für den Standort der

Ulmen-Berg-ahornwälder der fichtenreichen Hochlagen gelten (MAYER, 1974; ELLENBERG und KLÖTZLI, 1972). Im übrigen schiebt sich auch am Alpenrand eine Zone mit gehäuf­

tem Auftreten von Edellaubwäldern zwischen Eichen-Buchen- und Hagebuchen­

wälder11 und die nadelbaumreichen Wälder der Hochlagen (vgl. auch PFADENHAUER, 1969; SEIBERT, 1969).

Eschen-ulmenreiche Wälder erscheinen des weiteren auch im nahezu perozeani­

schen Insubrien, worauf schon SEIBERT (1969) hinweist, und zwar in fast «briti­

scher» Ausbildungsform (KLÖTZLI, 1 970). Sie besiedeln dort feuchte, z. T. durch Hangwasser neutralisierte·. «insubrische Braunerden» hoher Basensättigung und mit 40-60 cm mächtigem, relativ humosem Ai-Horizont (GV% 8, pH 6,2, S = 22 mVal/

100 g TB, V% 75). Stellenweise stocken sie auch auf Liastonen, die oberflächlich entkalkt sind (ANTONIETTI, 1968). - Außergewöhnlich bleibt indessen in der Rück­

schau über den europäischen Verbreitungsraum dieser Wälder die Besiedlung von Felsstandorten durch Eschen-Ulmenwälder im Boreo-Nemoral.

Am· Rande des Edellaubareals werden diese Waldgesellschaften von· solchen mit Salicaceen, Betulaceen sowie Sorbus (und Juniperus) abgelöst, und zwar nicht nur in Skandinavien, sondern auch am Alpenrand (z. B. mit Weißerle) oder in West­

europa (Schottland, Birke). I n n er h a 1 b des Buchenareals werden ähnliche Stand­

·orte überall noch von der Buche eingenommen oder mitbeherrscht, da sie die vor-wüchsige Esche fast überall einholt und unterdrückt (ETTER, 1949). Diese Tatsache gilt auch für das «potentielle Buchenareal» , d. h. für das Gebiet, wo sie noch keine

«Gelegenheit» hatte einzuwandern, .. aber, einmal .angepflanzt, sich zu geschlossenen und dabei sich selbständig verjüngenden Beständen zusammenschließt. (Beispiele sind bekannt aus Ost-Irland, Ost-Schottland, aus dem Gebiet der Großen Seen in Schweden bis nördlich des Mälaren [Fanö] ; zudem steht eine große Buche beim Linne-Denkmal in Uppsala auf fast 60 °NB).

Somit haben Edellaubwälder nur dort eine Chance, sich zu Klimax(nahen)­

Wäldern zu entwickeln, wo aus dem einen oder anderen Grunde die Buche fehlt (z. B. Spätfrost, Einwanderungsschwierigkeiten, Wasserstau). Es gilt also generell, daß im ozeanischen Europa bis an den Rand des subkontinentalen . Baltikums Buchenwälder auf zusagenden Standorten (Wärme, Basen, Ausschaltung der Kon­

kurrenz von Fagaceen oder Nadelhölzern} von meist ahornreichen Edellaubwäl­

dern - Ulmeten, Fraxineten - abgelöst werden. Zunächst erscheinen sie innerhalb des Buchenareals eher auf feuchten Standorten. Außerhalb des Buchenareals über­

nehmen sie dann auch die Standorte der Buche, außerhalb des Traubeneichen­

areals sogar teilweise deren Standorte. (Vgl. auch ELLENBERG, 1963, .Seite 249 f.

In Osteuropa wird neben Quercus robur und Carpinus betulus u. a. Tilia cordata häufiger bei sonst buchenwaldartiger Krautschicht; siehe id. Seite 192, 256.)

An der nördlichen Kältegrenze werden die Edellaubwälder ihrerseits auf ent:..

sprechenden Standorten durch Pionierholz· oder durch Pinaceen (Pinus silvestris, Juniperus communis) abgelöst. Entsprechendes gilt in Nordamerika mit der Ein­

schränkung, daß die Buche dort nie die überragende Rolle einnimmt, sondern in wärmeren Zonen von anderen Fagaceen sowie von J uglandaceen, Liriodendron 62

usw., ersetzt wird (WALTER, 1968, Seite 411; vgl. auch WILDE, 1962). Anklänge an eine solche Verteilung sind in ähnlicher Form an der Nordgrenze der Fagaceen in Ostasien ersichtlich (WALTER, 1968, Seite 290 f., nördliche Laubwälder mit Ahorn, Linde, Birke).

Wie flir den Fall -pinusreicher Wälder in Grenzgebieten des Laubwaldareals zeigen sich also auch hier globale Gesetzmäßigkeiten, die sich aus strategischen Ursachen heraus erklären lassen (KLÖTZLI, in Vorbereitung).

Zusammenfassung

1. Edellaubwälder mit Esche, Bergulme, Winterlinde, Spitzahorn und Stieleiche im Kontaktbereich zu den südlicheri borealen Nadelwäldern werden begrenzt durch basenreiche Standorte (Durchschnittswerte: S-Wert 175 mVal, H-Wert 50 mVal/

100 g Humus, V% um 75-85) innerhalb eines Gebietes mit ausreichend warmen Herbsttagen bei genügend langer Vegetationsperiode (Förderung der Knospenent­

wicklung). (Abbildungen 1-3, Tabelle 1 a, b.)

2. Im -Bereich des Sommergrünen Laubwaldes Europas erscheinen Edellaub­

wälder bei ausreichender Wärme und Basensättigung des Substrats überall am Rande der Buchenwälder im Übergangsfeld zu den Nadelwäldern vom perozeani­

schen bis zum subkontinentalen Klimagebiet. Aber auch am Alpenrand sind diese Wälder häufiger, so zwischen Eichen-Buchen-(Hagebuchen-)Wäldern und Gebirgs­

nadelwäldern sowie im insubrischen Übergangsfeld zum submediterranen Gebiet.

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