• Keine Ergebnisse gefunden

Professor Felix Richard

3. Simulation für die Planung

Im prozeßorientierten Simulationsmodell bietet sich ein Werkzeug an, in ver­

schiedensten Systemen Lösungen zu ermitteln. Im folgenden wird auf zwei in der Hydrologie wichtige Anwendungsgebiete hingewiesen.

3.1. Hydrologische Aspekte in der Landnutzungsplanung

Integrierte Landnutzungsplanung wird in Zukunft immer bedeutsamer werden.

Ihr Erfolg hängt vor allem davon ab, in welchem Maße geplante Veränderungen in der Landnutzung in ihrer Wirkung vorausgesehen werden können. Die hydro­

logischen Konsequenzen sind nur ein Teil davon, sind aber vielerorts von großer 136

Bedeutung. Was für Folgen sind zu erwarten bei einer Alpmelioration mit Entwäs­

serung, Düngung, Bodenverbesserung? Wie wirkt sich eine Aufforstung aus, die mit einer Flächenentwässerung eingeleitet wird? Was für Veränderungen der Abfluß­

menge, deren zeitliche Verteilung, deren Qualität in physikalischer, chemischer, biologischer Hinsicht, sind zu erwarten? Dies sind Beispiele, die noch beliebig ver­

mehrt werden können. Mit dem prozeßorientierten idealen Simulationsmodell kön­

nen Alternativen studiert, d. h. die Auswirkungen verschiedener, gestufter Eingriffe im Hinblick auf kritische hydrologische Komponenten abgeschätzt werden. Der Idealfall wird aber in naher Zukunft kaum erarbeitet sein, weil fehlende Erkennt­

nis sowie Ökonomie Grenzen setzen. Deshalb werden auch prozeßorientierte Modelle noch einer mindestens teilweisen Kalibrierung unterworfen werden müs­

sen. Es werden, nebst der Ermittlung der äußeren Bedingungen, Untersuchungen im zu beurteilenden Gebiet notwendig, um ein anwendbares Simulationsmodell zu formulieren.

Voraussetzung zur Anwendung von Simulationsmodellen in der Landnutzungs­

planung ist aber nicht nur die mindestens bedingte Übertragbarkeit, sondern eben­

sosehr deren Form_ und Ausstattung als Publikation. Die Veröffentlichung des Com­

puterprogramms genügt nicht. Der verantwortliche Planer ist nur selten in der Lage, anhand einer wissenschaftlichen Publikation die notwendigen Schritte zur Anwendung des Simulationsmodelles zu unternehmen. Es gehört mit zur Aufgabe des Wissenschafters, Schritt für Schritt die Anweisungen zur Benützung eines Simu­

lationsmodelles zu geben. Dies kann entweder in getrennten Instruktionen für den Benützer und den Computerprogrammierer oder in einem umfassenden Manual geschehen (z. B. STRIFFLER, 1973; PATTERSON et al., 1974).

Die gegenseitige Abschätzung von Alternativlösungen in der Landnutzungspla­

nung und deren Auswirkungen auf hydrologische Aspek;te wird in Zukunft ein bedeutendes Feld- der Anwendung prozeßorientierter hydrologischer Simulations­

modelle sein.

3.2. Hydrologische Forschung

Kein hydrologisches prozeßorientiertes Simulationsmodell ist vollständig und all­

gemein anwendbar. Je nach Anwendungsbereich werden gewisse Prozesse ausführ­

licher eingebaut, andere werden nur summarisch und vereinfacht oder gar nicht berücksichtigt. In jedem Fall aber wird es notwendig, die Empfindlichkeit des Modelles auf Veränderungen der äußeren Bedingungen sowie der im Rechnungs­

gang verwendeten Koeffizienten und Beziehungen zu testen.

Aus einer Empfindlichkeitsstudie kann abgeleitet werden, mit welcher Genauig­

keit die Anfangs- und Außenbedingungen für eine Simulationsrechnung erfaßt wer­

den müssen, um die gewünschte Genauigkeit der Modellrechnung zu erzielen. Wer­

den ökonomische Faktoren einbezogen, wird gleichzeitig für die Forschung eine praktische Grundlage der Durchführbarkeit erarbeitet. übertriebene Genauigkeit am einen Ort und ungenügende Daten am andern Ort können vermieden werden.

In manchen Phasen eines Modelles müssen Vereinfachungen getroffen werden, weil die Grundlagen fehlen. Empfindlichkeitsstudien, die die Variation solcher An­

nahmen und Auswirkungen auf das Simulationsergebnis untersuchen, sind wichtige Entscheidungshilfen für Prioritäten weiterer Teilprojekte und Prozeßstudien. Wo die Simulationsrechnung auf Schätzungen beruht, ist es wichtig herauszufinden, welche Schätzungen äußerst empfindlich und welche weniger empfindlich und dem­

nach weniger kritisch für das Simulationsergebnis werden. Empfindlichkeitsunter­

suchungen innerer Modellannahmen können deshalb zur Erarbeitung von Priori­

täten für nachfolgende Teilprojekte verwendet werden.

4. Verifizierung

Simulationsmodelle entstehen nicht über Nacht, sie können auch nicht für Pla­

nung in Forschung und Landnutzung herangezogen werden, bevor sie einer sorg­

fältigen Verifizierung unterworfen worden sind. Representati\:en und vor allem experimentellen Einzugsgebieten kam in ihrem Wert nicht immer volle Geltung zu, weil die Übertragbarkeit der Resultate in Frage gestellt wurde. Trotz Anfechtun­

gen haben sie als einzige Forschungsmethode für den gewählten Ort handgreifliche Beweise erbracht (HEWLETT et al., 1969). Mit der Verifizierung von Simulations­

modellen kommt ihnen eine wichtige Aufgabe zu. Sie sind die am eingehendsten, genauesten und am besten dokumentierten hydrologischen Systeme. Als Objekte für Bilanzierungen sind sie prädestiniert, zeitabhängige Veränderungen des hydro­

logischen Zustandes. sowie innere Zusammenhänge kennenzulernen. Zusammen mit gezielten Prozeßstudien in Versuchsflächen und Laboratorien ergeben sie die beste Grundlage, Simulationsmodelle zu verifizieren. Nicht jede Phase und Station im prozeßorientierten Simulationsmodell kann in Versuchsflächen oder Experimental­

gebieten direkt beobachtet und somit verifiziert werden. Dies wird auch nicht ge­

fordert. Hingegen scheint es wichtig, daß jene Zustände und Veränderungen in der Natur durch das Simulationsmodell so nachvollzogen werden, daß sie bei einer Veränderung der äußeren Bedingungen (Bewirtschaftung, Landnutzung usw.) im Experimentalgebiet bzw. in der Versuchsfläche beobachtet werden können.

Während bei stochastischen und parametrischen Modellen meist die Endgröße (z. B. Abfluß) verifiziert wird, gilt es beim prozeßorientierten deterministischen Modell die einzelnen Prozesse und Zwischenstationen zu verifizieren. Sie fordern Datenmaterial und Beobachtungen in Experimentalgebieten und integrierten Ver­

suchsflächen, die über die Erfassung von Niederschlag und Abfluß weit hinaus­

gehen.

Hydrologische Simulationsmodelle beschränken sich heute nicht mehr auf quan­

titative, zeitabhängige Erfassung der Volumina im Wasserkreislauf; auch die Was­

serqualität wird in neuester Zeit von der Wissenschaft stark forciert (LOMBARDO, 1973; DUTT et al., 1972).

138

5. Ausblick

Das prozeßorientierte Simulationsmodell ist ein Werkzeug, das auch ohne Per­

fektion einen hohen Wert besitzt. In seiner Konzeption mögen sogar Lücken und grobe Vereinfachungen enthalten sein. Ist es erfolgreich verifiziert, kann es bereits in Forschung und Praxis angewendet werden. Mit vielen Lücken und groben Ver­

einfachungen sind ihm anfangs noch enge Grenzen in der Anwendbarkeit gesetzt, mit zunehmender Vervollständigung und genauerer Erfassung der Prozesse hin­

gegen wird auch dessen Gültigkeit erweitert, im Bestreben, ein ideales, allgemein gültiges Modell zu erarbeiten. Darin liegt der wesentliche Wert eines prozeßorien­

tierten Simulationsmodelles: In jeder Stufe seiner Entwicklung hat es bereits seinen nicht zu unterschätzenden Wert für Forschung und Praxis.