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Das Statut der Gesellschaft für Neuropathologie der DDR und seine Umsetzung

3. Ergebnisse

3.2 Die Gesellschaft für Neuropathologie der DDR

3.2.3 Das Statut der Gesellschaft für Neuropathologie der DDR und seine Umsetzung

Die GNPDDR hatte in ihrer Geschichte mehrere Statuten. Das erste und das zweite Statut waren noch von den Gründungsmitgliedern selbst verfasst worden. Eines der dort verzeichneten Ziele war die gleichberechtigte Mitarbeit in der Internationalen Gesellschaft für Neuropathologie. Weitere Inhalte in diesem Statut lauteten: Über Ehrenmitglieder und korrespondierende Mitglieder entscheidet der Vorstand, eine 2/3 Mehrheit der Mitglieder ist für den Ausschluss eines Mitgliedes notwendig, als

24 Vgl. Protokoll der G. für klin. Medizin vom 30.6.1967

25 Vgl. Registrierungsbescheinigung der GNPDDR

ausführende und entscheidungstreffende Organe der GNPDDR gab es den Vorstand und die Mitgliedervollversammlung.26

Das erste Statut, das nicht mehr auffindbar ist, musste zur Gründung der GNPDDR vorgelegen haben. Ein zweites Statut wurde am 10.10. 1968 verabschiedet, unterzeichnet vom 1. Vorsitzenden Professor Wünscher. Das dritte Statut, das am 01.

November 1971 unterzeichnet wurde und bis zum Ende der GNPDDR seine Gültigkeit behielt, wurde nach einer Vorgabe und einem Beispielstatut der Gesellschaft für klinische Medizin angepasst. Das vollständige Statut vom 1.11. 1971 findet sich im Anhang.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Statuten wurde als Organ der Gesellschaft in diesem Statut neben dem Vorstand und der Mitgliederversammlung noch die Revisionskommission eingeführt. Die Mitgliederversammlung ist das höchste Organ der Gesellschaft, sie entscheidet in allen grundsätzlichen Angelegenheiten und wählt alle 2 Jahre den Vorstand. Der Schatzmeister und der Sekretär werden für 4 Jahre gewählt.

Der Vorstand besteht aus einem ersten und zweiten Vorsitzenden, Schatzmeister, Sekretär und meist zwei weiteren Vorstandsmitgliedern ohne besondere Funktion. Der Vorstand hat sich gegenüber der Gesellschaft für klinische Medizin zu verantworten und verwaltet die finanziellen Mittel, die sich aus Mitgliederbeiträgen und Zuwendungen der Gesellschaft für Klinische Medizin zusammensetzen. Die Revisionskommission besteht aus mindestens drei Mitgliedern und wird von der Mitgliederversammlung für 2 Jahre gewählt. Sie hat eine Kontrollfunktion des Vorstandes inne, insbesondere kontrolliert sie die Verwendung der finanziellen Mittel. Die Mitglieder der Revisionskommission wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden, der in seiner Funktion auch bei den Vorstandssitzungen anwesend ist. Für die Mitglieder von Revisionskommissionen der verschiedenen medizinischen Gesellschaften ist es Pflicht, an speziellen Revisionskommissions-Sitzungen beim Koordinierungsrat der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften teilzunehmen. Auf diesen Sitzungen sollen die Mitglieder der Revisionskommissionen mehr über ihre Aufgaben und Pflichten lernen. In der Schriftenreihe 4 des Koordinierungsrates werden die Aufgaben der Revisionskommissionen spezifiziert:

26 Vgl. Statut der GNPDDR

„Den Revisionskommissionen als demokratisches Kontrollorgan der Gesellschaften obliegt dabei die Aufgabe, durch einen neuen Inhalt ihrer Tätigkeit dazu beizutragen, die gesteckten statutengemäßen Ziele der Gesellschaften zu verwirklichen. Die Revisionskommissionen unterstützen durch ihre Tätigkeit die Arbeit der Präsidien und Vorstände bei der Durchführung ihrer Aufgaben und helfen durch ihre Hinweise und Empfehlungen, eine wissenschaftliche Leitungstätigkeit in den Gesellschaften zu entwickeln und durchzusetzen und tragen damit zur Erhöhung der sozialistischen Demokratie bei…. Die Revisionskommission sind von den Mitgliedern gewählte Kontrollorgane… sind der Mitgliederversammlung gegenüber für ihre Tätigkeit rechenschaftspflichtig…. Die Revisionskommissionen arbeiten in eigener Verantwortung. Sie sind den Präsidien bzw. Vorständen nicht unterstellt. Die Präsidien bzw. Vorstände sind nicht berechtigt, Mitglieder der Revisionskommissionen von ihren Wahlfunktionen zu entbinden oder mit einer anderen Tätigkeit zu beauftragen.“ 27

Die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für klinische Medizin ist im Statut verankert.

Die Beschlüsse des Präsidiums der Gesellschaft für klinische Medizin waren für die GNPDDR verbindlich, die Anwesenheit von Vertretern der GNPDDR an von der Gesellschaft für klinische Medizin einberufenen Sitzungen und Konferenzen war Pflicht.

Die Mitglieder der GNPDDR wurden in diesem Statut außerdem verpflichtet, sich konsequent, insbesondere auch außerhalb der DDR, für das Ansehen der DDR einzusetzen.

Mitglied in der GNPDDR konnten Ärzte, interessierte Studenten und auch andere Personen mit abgeschlossener Hochschulbildung werden, wenn ihr Aufnahmeantrag von zwei Mitgliedern der Gesellschaft befürwortet wurde. Ehrenmitglieder und korrespondierende Mitglieder mussten, wenn sie nicht DDR-Bürger waren, zunächst vom Präsidium der Gesellschaft für klinische Medizin akzeptiert werden.

Die Bildung von Sektionen, Arbeitsgemeinschaften oder Arbeitsgruppen war zwar im Statut vorgesehen, wurde aber nie in die Realität umgesetzt, weil die GNPDDR zu klein war.

27 Vgl. Schriftenreihe 4 des Koordinierungsrates 1982

Das Statut legt auch den Mitgliederbeitrag fest, er betrug für ordentliche Mitglieder 25 Mark jährlich, für außerordentliche Mitglieder und Zweitmitgliedschaften 10 Mark. 12 % der Beiträge wurden an die Gesellschaft für klinische Medizin abgeführt. Diese teilte dann auf Antrag zu, was an finanziellen Mitteln benötigt wurde. Durch diese Regelung konnte die GNPDDR als sehr kleine Gesellschaft trotzdem regelmäßig Tagungen abhalten. Ohne die Zuschüsse durch die Gesellschaft für klinische Medizin wären Tagungen in einem entsprechend größeren Rahmen nicht möglich gewesen.28

Unter §2 des Statuts finden sich die „Aufgaben und Zielstellung“ der Gesellschaft für GNPDDR. Als den ersten Punkt findet sich die „Mitarbeit an der Planung und Lösung von Schwerpunktaufgaben der medizinischen Forschung und Überleitung der Ergebnisse in die Praxis des sozialistischen Gesundheitswesens“.29 Diese Schwerpunktaufgaben, auch als Hauptforschungsgebiete wurden vom Gesundheitsministerium in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerrat festgelegt und nach Wichtigkeit für den Staat ausgesucht. So war zum Beispiel in den 80er Jahren eines der Hauptforschungsgebiete AIDS, weil die Regierung eine AIDS-Epidemie in der DDR befürchtete. Die Hauptforschungsgebiete galten meist für ein Jahr. Alle medizinischen Forschungseinrichtungen waren angehalten, bevorzugt auf diesen Gebieten zu forschen. Als Anreiz gab es für Forschungen auf diesen Gebieten mehr Forschungsgelder. Spezielle neuropathologische Schwerpunktaufgaben waren allerdings nie dabei, was an der geringen Größe des Faches lag. Das bedeutete allerdings auch, dass die Neuropathologie in der DDR nie zusätzliche Forschungsgelder bekam.

Was in Punkt 2 der Ziele „Organisierung, Entwicklung und Förderung der Gemeinschaftsarbeit mit dem Ziel, auf dem Gebiet der medizinischen Forschung Höchstleistungen zu erreichen und ihre praktische Anwendung zu sichern“ so allgemein formuliert wird, führte in der Realität zu dem engen und eng vernetzten System aus den unterschiedlichen medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften, die in Gruppen zusammengefasst unter Dachgesellschaften vereinigt waren und so eine interdisziplinäre Zusammenarbeit förderten. Auf der anderen Seite wurde die Umsetzung der Ziele zum Zwecke einer besseren medizinischen Forschung ständig

28 Vgl. Statut der GNPDDR

29 Vgl. Statut der GNPDDR

von staatlicher Seite kontrolliert, indem alle Gesellschaften, auch die Gesellschaft für Neuropathologie der DDR, angehalten waren, über alles Berichte zu verfassen, Jahresziele zu erreichen und ständig selbst ihre Forschung im Kontext einer praktischen Anwendung zu bewerten, so zum Beispiel in den Berichten zu den Tagungen, wo jedes Mal die Forschungsergebnisse zusammengefasst und bewertet werden mussten.30

Eine „Mitarbeit an prognostischen Einschätzungen und der Herausarbeitung von Problemstellungen“, wie im 3. Ziel des Statuts beschrieben, fand für die Gesellschaft für Neuropathologie der DDR nicht statt, was wohl der geringen Größe des Faches und der damit verbundenen „Unwichtigkeit“ für die Hauptforschungsgebiete der DDR zuzuschreiben war.

Die „Mitarbeit am Aufbau eines modernen Informations- und Dokumentationsdienstes innerhalb der Einrichtungen des Gesundheitswesens “ und „Pflege eines breiten wissenschaftlichen Erfahrungsaustausches und Meinungsstreites, insbesondere durch Publikationen neuester Erkenntnisse in Wissenschaft und Praxis“ wurden zwar gefördert und gefordert, wie die wiederholten Hinweise zur Führung einer Chronik der Gesellschaft für Neuropathologie der DDR oder das Anhalten der Wissenschaftler zu Publikationen in den Zeitschriften der DDR31 zeigen, allerdings war der Aufbau eines

„modernen“ Informations- und Dokumentationssystems aufgrund der Ressourcenknappheit der DDR zunehmend immer schwieriger bis gar nicht möglich, und die Möglichkeiten zur Publikation aufgrund der Begrenzung auf die (wenigen) DDR-Publikationsorgane sehr eingeschränkt.

Eine „Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Gremien der Deutschen Demokratischen Republik“ fand aufgrund der doch sehr speziellen Ausrichtung vor allem mit den Neurologen und Psychiatern, und den Pathologen statt, wie man auch an den gemeinsam ausgerichteten Tagungen sehen kann (siehe Anhang „Auflistung aller Tagungen“).

Wie der „Wissenschaftliche Erfahrungsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene und Zusammenarbeit mit nationalen Gesellschaften anderer Länder,

30 Vgl. Bericht der 8. JT 1983

31 Vgl. Brief v. Prof. Arendt an GSEK 18.1. 78

insbesondere der sozialistischen Staaten“ und die „Gleichberechtigte Mitarbeit und Mitgliedschaft in internationalen Gesellschaften und Organisationen“ aussah, ist im Kapitel „Die Gesellschaft für Neuropathologie der DDR und die Internationale Gesellschaft für Neuropathologie“ beschrieben.

Als letztes Ziel wird die „Förderung von schöpferischer gemeinschaftlicher Tätigkeit der Ärzte und Wissenschaftler durch Anerkennung besonderer Dienste“ aufgeführt. Dies setzte die Gesellschaft für Neuropathologie um, indem sie den Max-Bielschowsky-Preis und die Max-Bielschowsky-Medaille vergab (siehe Kapitel: „Von der Gesellschaft vergebene Preise“).32

Erwähnenswert im Statut ist auch §7 „Rechte und Pflichten der Mitglieder“. Unter den Pflichten der Mitglieder wird unter anderem aufgeführt, „sich konsequent, insbesondere auch außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik, für die Interessen der Gesellschaft und das Ansehen der Deutschen Demokratischen Republik einzusetzen“.

Dies war nicht nur eine Floskel, sondern wurde von den Mitgliedern der Gesellschaft aktiv erwartet. Gerade wenn sie die Erlaubnis erhielten, auf ausländische Tagungen zu reisen. Vorher wurden sie darüber aufgeklärt, was von ihnen auf der Tagung erwartet wurde, dann reisten immer auch Mitglieder des Gesundheitsministeriums und meist auch Mitglieder der Staatssicherheit mit, um das Verhalten zu kontrollieren, und nach der Tagung musste ein ausführlicher Bericht abgegeben werden.33

Auch war im Statut verankert, dass ein Ausschluss eines Mitgliedes erfolgen konnte, wenn das betreffende Mitglied „in grober Weise gegen die Ziele und Aufgaben der Gesellschaft“ verstoßen hatte. Es gibt keinen dokumentierten Fall, in dem ein Mitglied der Gesellschaft für Neuropathologie der DDR nur aufgrund von Verstößen gegen die Ziele und Aufgaben der Gesellschaft ausgeschlossen wurde, wohl aber, wenn das Mitglied gegen die Ziele der DDR verstoßen hatte, und zum Beispiel Republikflucht begangen hat. So geschehen im Fall „Hackenberg“ . Dr. Hackenberg war sogar mehrmals im Vorstand der Gesellschaft, beging dann Republikflucht und wurde auf Anweisung des Generalsekretariates von der Gesellschaft für Neuropathologie der DDR ausgeschlossen.34

32 Vgl. Statut der GNPDDR

33 Vgl. Korrespondenzen und interne Formblätter des Gesundheitsministeriums

34 Vgl. Protokoll der Mitgliederversammlung 1981