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Staatlicher und gesellschaftlicher Umgang mit Rassismus: Leugnung,

Im Dokument „Schwarze Schwester Angela“ (Seite 25-28)

2. Forschungsstand: Rassismus in der DDR

2.2 Rassismus in der DDR – Begriff, Forschung und Debatten

2.2.5 Staatlicher und gesellschaftlicher Umgang mit Rassismus: Leugnung,

Rassistische Äußerungen, Übergriffe und andere Gewalttaten zogen laut Waibel nur in seltenen Fällen strafrechtliche Konsequenzen für die Täter*innen nach sich (vgl. Waibel 2014, S. 93-100).

Zwar gab es im Strafgesetzbuch der DDR den Paragraphen § 220 („Staatsverleumdung“/

„Öffentliche Herabwürdigung“), der rassistische Äußerungen unter Strafe stellte25, dennoch wurde – wenn es überhaupt eine Strafverfolgung gab – öfter der Paragraph § 215 StGB („Rowdytum“)26 herangezogen (vgl. ebd.).

Waibel sieht eine mögliche Erklärung darin, dass es schwerer zu vertuschen gewesen wäre, wie virulent der Rassismus in der DDR war, hätte man viel mehr Menschen deswegen belangt (vgl.

ebd., S. 97-100). Auch im Ausland, besonders in den Ländern, die ,Vertragsarbeiter*innen‘

25 StGB ab 1968: „§ 220. Staatsverleumdung. [...](2) Ebenso wird bestraft, wer in der Öffentlichkeit Äußerungen faschistischen oder militaristischen Charakters kundtut.“ StGB ab 1979: „§ 220. Öffentliche Herabwürdigung. [...]

(3) Ebenso wird bestraft; wer in der Öffentlichkeit Äußerungen faschistischen, rassistischen, militaristischen oder revanchistischen Charakters kundtut, oder Symbole dieses Charakters verwendet, verbreitet oder anbringt.“ StGB ab 1990: „§ 220. Äußerungen nationalsozialistischen, rassistischen, militaristischen und revanchistischen Charakters. Wer in der Öffentlichkeit Äußerungen nationalsozialistischen, rassistischen, militaristischen oder revanchistischen Charakters kundtut oder Symbole, Gegenstände, Schriftstücke oder Aufzeichnungen dieses Charakters verwendet, verbreitet oder anbringt oder zu diesem Zwecke herstellt oder einführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe oder mit Geldstrafe bestraft.“ Online abrufbar unter: http://www.verfassungen.de/de/ddr/strafgesetzbuch74.htm (zuletzt aufgerufen am 30.05.2017).

26 StGB ab 1968:„§ 215. Rowdytum. (1) Wer sich an einer Gruppe beteiligt, die aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens Gewalttätigkeiten, Drohungen oder grobe Belästigungen gegenüber Personen oder böswillige Beschädigungen von Sachen oder Einrichtungen begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Haftstrafe bestraft.“ Online abrufbar unter:

http://www.verfassungen.de/de/ddr/strafgesetzbuch74.htm (zuletzt aufgerufen am 30.05.2017).

entsandten, sollte ihm zufolge davon möglichst wenig Notiz genommen werden. Als besonders erschreckendes Beispiel dafür nennt er, dass nach einer rassistischen Hetzjagd 1979 in Merseburg, bei der zwei kubanische ,Vertragsarbeiter‘ zu Tode gekommen waren, die Strafverfolgung der Täter*innen mit Verweis auf die guten Beziehungen zu Kuba fallengelassen wurde (vgl. Waibel 2014, S. 129).

Außerdem könne eine Motivation für die nachlässige strafrechtliche Verfolgung rassistischer Übergriffe gewesen sein, die Stimmung der weißen deutschen Dominanzbevölkerung nicht gegen die Regierung aufbringen zu wollen. Zudem gab es in allen Schichten der DDR mindestens eine Akzeptanz für Rassismus (vgl. ebd., S. 13).

Aus der Literatur wird außerdem deutlich, dass in vielen Fällen rassistische Vorkommnisse bagatellisiert wurden oder den Betroffenen selbst die Schuld für die Anfeindungen gegeben wurde (vgl. Mende 2010, S. 86-107 und S. 159 -161; Uladh 2005b, S. 212-218; Waibel 2014, S. 95).

Mende stellt dies zum Beispiel als Reaktionen auf Beschwerden von moçambiquanischen Arbeitsmigrant*innen über Rassismus im Betrieb fest:

„Die Arbeitsmigrant_innen – und genau darin artikuliert sich das spezifische Verhältnis sozialer Ungleichheit bzw. der Rassismus – wurden nicht gehört bzw. nicht ,ernst‘ genommen. [...] Ihre Beweggründe und Ansichten werden [in den von Mende analysierten Dokumenten] – wenn überhaupt – nur verzerrt wieder gegeben und gelten zugleich als Beleg dafür, dass nicht das Verhalten des Betriebes bzw. die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR, sondern die ,fehlerhafte‘ Persönlichkeit der jeweiligen Arbeitsmigrant_innen Ursache des ,Problems‘ sei.“ (Mende 2010, S. 95)

In den Reaktionen auf Beschwerden über rassistische Verhältnisse und Angriffe wurden dabei oft selbst rassistische Bilder über die sich Beschwerenden genutzt, um ihr Anliegen zu delegitimieren:

„Die ,auffallenden‘ Arbeitsmigrant_innen werden als übersensible und undisziplinierte Provokateure dargestellt, von denen ungerechtfertigte Vorwürfe und ,unbeherrschbare‘ Bedrohung ausgingen. Dabei konnten die betrieblichen Argumentationsmuster – im Gegensatz zur Sanktionierung von protestierenden

DDR-Arbeiter_innen diskursiv an kolonial-rassistische Bilder

des ,unterentwickelten‘, ,unzivilisierten‘, ,unberechenbaren‘ und ,bedrohlichen‘ ,Wilden‘ anknüpfen und stießen anscheinend nicht selten auf ,Verständnis‘ bei den übergeordneten DDR-Instanzen des Arbeitsmigrationsregimes.“ (Mende 2010, S. 95f)

Die Konsequenzen seien in der Regel eher Sanktionierungen der Arbeitsmigrant*innen, die Rassismuserfahrungen thematisierten, gewesen – bis hin zu deren Abschiebung – als Sanktionierungen gegen die Ausübenden von Rassismus. (vgl. ebd., S. 87-97; vgl. ähnlich zu Exilant*innen Poutrus 2009, S. 146).

Ähnliche Erfahrungen machten laut Uladh auch Studierende aus der „Union afrikanischer Studenten“, die sich 1965 über von Einzelpersonen oder Gruppen ausgeübte rassistische gewalttätige Übergriffe sowie über rassistische Ausgrenzungen durch Restaurantpersonal,

Taxifahrer*innen und andere beschwerten. In ihren Ausführungen wurde auch die zur Hilfe gerufene Volkspolizei als in der Regel parteilich für die Seite der Angreifer*innen beschrieben. In ihrer Stellungnahme dazu bediente sich die Volkspolizei rassistischer Zuschreibungen an die afrikanischen Studierenden, mit denen sie deren Verhalten schließlich als Auslöser für die Gewalt umdeutete (vgl. Uladh 2005b, S. 211f). Uladh schreibt über weitere Fälle in denen eine Thematisierung von Rassismus durch Studierende Sanktionierungen gegen die Betroffenen nach sich zog (Uladh 2005b, S. 213).

Umdeutungen und Vorwürfe an Betroffene, die Rassismus thematisierten, waren auch in der Dominanzgesellschaft eine Strategie, einer Auseinandersetzung mit Rassismus auszuweichen. Die Schwierigkeit, Rassismus in einer sich als antirassistisch verstehenden Gesellschaft zu thematisieren, beschreibt unter anderem die afrodeutsche DDR-Bürgerin Katherina Birkenwald in einem 1986 veröffentlichten Gespräch:

„Ich sagte den Leuten [...]: ,Ich bin nicht euer schwarzes Schaf‘, da ich ihr Verhalten schon als rassistisch empfand. Ihre Reaktion war: ,Wir sind keine Rassisten‘. Das Thema Hautfarbe war im Internat ebenso tabu wie in der Schule und während der Lehrzeit. Im Internat sagten sie mir einfach: ,Wir diskriminieren dich nicht, wenn du von Hautfarbe redest, ist das dein Problem.‘“ (Birkenwald 1991, S. 218)

Mehrere Autor*innen weisen darauf hin, dass der mediale Umgang mit Rassismus in der DDR vor allem aus Leugnung und Verschweigen bestand, selbst Übergriffe fanden bis in die späten 1980er Jahre keine Erwähnung (vgl. Haack 2011, S. 257, 260f; Poutrus 2009, S. 146; Waibel 2014, S. 13, 89; 93-100). Krüger-Potratz stellt außerdem für die 1987 anhand zunehmender Ausmaße rassistischer und neonazistischer Gewalt einsetzende Berichterstattung in Medien der DDR ein Bemühen um Relativierungen fest (vgl. Krüger-Potratz 1991, S. 62f).

Aus der Literatur wird deutlich, dass Rassismusthematisierungen delegitimiert und dabei verschiedene Strategien genutzt wurden: rassistische Taten und Äußerungen wurden auf der einen Seite geleugnet, bagatellisiert oder als Einzelfälle dargestellt, auf der einen Seite wurden die Betroffenen pathologisiert und für unglaubwürdig erklärt, bis hin zur Verschiebung der Verantwortung auf die Betroffenen durch eine Täter-Opfer-Umkehr. Dabei wurden wiederum oft rassistische Bilder genutzt, um die Betroffenen als schuldig, überempfindlich oder unglaubwürdig darzustellen und sie – anstatt der Täter*innen – zu sanktionieren. Diese Strategien finden sich sowohl als staatliche Umgangsweise mit Rassismus, wie auch von Angehörigen der weißen Dominanzbevölkerung.

Nur eine der von mir vorgestellten Publikationen thematisiert eine – teilweise organisierte – Selbstverteidigung von Schwarzen und PoC gegen rassistische Übergriffe, weil das Vertrauen in die staatlichen Stellen gering gewesen sei (vgl. Uladh 2005a, S. 60f).

Im Dokument „Schwarze Schwester Angela“ (Seite 25-28)