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Isotopenexperimente erlauben es, den Reaktionspfad einzelner Atome zu verfolgen. Eine besondere Form der Isotopenaustauschexperimente ist die SSITKA.

Das Akronym SSITKA steht für steady state isotopic transient kinetic analysis und bezeichnet eine Isotopenaustauschtechnik, bei der im stationären Zustand ein Edukt sprunghaft gegen sein isotopenmarkiertes Äquivalent ausgetauscht wird. Die Antwort des Systems wird massenspektrometrisch verfolgt. In einer Vielzahl von Reaktionen hat die SSITKA zur Aufklärung mechanistischer und kinetischer Details beigetragen, wobei verschiedene Isotope bzw. Isotopomere eingesetzt wurden. Die Dissertationen von Kampe und Ott beinhalten jeweils eine detaillierte Übersicht über die entsprechende Primärliteratur [Kam2007b, Ott2004]. Zur Untersuchung des Einflusses von Wasser bieten sich der Austausch von Gasphasensauerstoff 16O2 gegen sein Isotop 18O2 in Gegenwart und Abwesenheit von Wasser an sowie der Austausch von H216O gegen H218O und H2O gegen D2O, um die Reaktionswege von aus dem zugesetzten Wasser stammenden Sauerstoff und Wasserstoff zu verfolgen. Aus Isotopenexperimenten mit H218O von Novakova [Nov1976] geht hervor, dass Wasser mit dem Festkörpersauerstoff tauscht und bei der Propanoxidation in Acrolein eingebaut wird. Kampe konnte keinen Isotopentausch des Wassers bei der Dosierung von 18O2 und Wasser feststellen [Kam2007]. Interessante Fragen sind z. B., ob Wasser auch am vorliegenden Katalysator tauscht, und wenn ja, ob der aus dem Wasser stammende Sauerstoff nur in bestimmte

Produkte eingebaut wird. Aus der SSITKA lassen sich aber nicht nur mechanistische sondern auch kinetische Details ableiten. Im Folgenden wird in die Technik der Methode eingeführt und aufgezeigt, welche Informationen im Allgemeinen direkt aus der SSITKA zugänglich sind.

Abb. 4-2: Schematische Darstellung der SSITKA. Links im Bild ist die Stellung des 4-Wegeventils, über das zwischen markiertem und unmarkiertem Sauerstoff gewechselt werden kann. Rechts im Bild ist schematisch das massenspektrometrisch erfasste Konzentrationsprofil am Reaktorausgang abgebildet.

Am Beispiel des Isotopenaustauschs 16O2 gegen 18O2 in der Gasphase erläutert die Abb.

4-2 schematisch das Prinzip der SSITKA. Zunächst wird der Katalysator über einen längeren Zeitraum isotherm und unter Reaktionsbedingungen eingefahren, so dass sich ein stationärer Zustand einstellt. Zum Zeitpunkt t = t0 wird 16O2 in der Gasphase sprunghaft gegen 18O2 ersetzt. Die Antwort des Systems, der Einbau des Isotops in die Reaktionsprodukte, wird zeitaufgelöst verfolgt. Die Konzentration der unmarkierten Spezies R-16O klingt ab, die Konzentration der isotopenmarkierten Spezies R-18O steigt an. Die Konzentration der Komponente R, die keinen Sauerstoff trägt, bleibt konstant.

Abgas

16O2 Kat

InertgasAcr,

18O2

ϕ

16O2 18O2

R-16O R-18O

t R

t

ϕ

16O2

R-16O R

16O2 Abgas

InertgasAcr,

18O2 a) Einfahren (stationär)

b) Isotopenwechsel (SSITKA) Kat

In der SSITKA wird die Katalysatoroberfläche betrachtet, als wäre sie aus untereinander verbunden Pools aufgebaut [Sha1995]. Für jede adsorbierte Reaktionsspezies existiert ein separater Pool. Ausgehend von diesem Modell kann bereits aus der Form der abfallenden Konzentrationskurve der unmarkierten Spezies (auch Relaxationskurve genannt) auf mechanistische Details der Oberflächenreaktion geschlossen werden. Die Relaxationskurve von Produkten, die nur eine adsorbierte Zwischenstufe durchlaufen, fällt sofort nach dem Sprung exponentiell ab. Entsteht ein Produkt parallel aus mehreren Zwischenstufen, ist der Konzentrationsverlauf die Summe mehrerer Exponentialkurven.

Eine S-förmige Kurve zeigen Produkte, die zwei „hintereinander geschaltete“ Pools durchlaufen. Wenn der Katalysator die einzige 16O-Quelle während des Experiments darstellt, laufen alle Konzentrationen der unmarkierten Spezies gegen null [Sha1995].

Aus den Isotopenverteilungen in den verschiedenen Produkten kann auf weitere Details des Reaktionsnetzes geschlossen werden. Wird z. B. in verschiedenen Produkten dieselbe Isotopenverteilung gefunden, ist das ein Hinweis darauf, dass beide Produkte aus demselben Intermediat bzw. an demselben Aktivzentrum gebildet werden. Wichtig sind hierbei Experimente zum sekundären Isotopenaustausch der Produkte, d. h. die Beantwortung der Frage, ob das isotopenmarkierte Element nur durch die Reaktion eingebaut wird oder auch durch Readsorption des Produkts an der Katalysatoroberfläche.

Durch Auswertung der sogenannten Relaxationskurven, der Antwort des Systems auf den Sprung, können kinetische Parameter ermittelt werden.

Aus herkömmlichen Experimenten unter stationären Bedingungen kann die Reaktionsgeschwindigkeit nur als Produkt aus der Geschwindigkeitskonstante k und der Oberflächenbedeckung Θ ermittelt werden:

Θ

=k

TOF 4-1

TOF: Turnover Frequency / s-1 k: Geschwindigkeitskonstante / s-1 Θ: Oberflächenbedeckung.

Die SSITKA erlaubt die Bestimmung der einzelnen Größen: Stellt sich der neue stationäre Wert nach dem Sprung schnell ein, deutet dies auf eine hohe

Geschwindigkeitskonstante und eine kleine Oberflächenbedeckung hin, stellt sich der neue stationäre Wert langsam ein, resultiert der Wert der TOF aus einer hohen Oberflächenbedeckung und einer kleinen Geschwindigkeitskonstante. Es können Konzentrationen von Festkörperspezies bzw. an die Katalysatoroberfläche gebundener Zwischenstufen, die mittlere Verweilzeit von Zwischenstufen an der Oberfläche und die Geschwindigkeitskonstante getrennt voneinander bestimmt werden [Sha1995].

Diffusions-, Chromatographie- und Adsorptionseffekte, die sich auf die mittlere Verweilzeit der Intermediate an der Oberfläche auswirken können, sind weitere Phänomene, die bei der Auswertung von SSITKA-Experimenten beachtet werden müssen. Besonders die Readsorption von Produktspezies ist schwierig zu behandeln.

Findet die Readsorption von Produkten oder anderer Spezies an Aktivzentren statt, führt dies zu einer Abnahme der Reaktivität. Werden diese Spezies an unreaktiven Zentren adsorbiert, bleibt die Aktivität zwar erhalten, die ermittelte Oberflächenkonzentration ist aber die Summe der an reaktiven und unreaktiven Zentren adsorbierten Spezies. Die Verweilzeit der Intermediate an der Oberfläche wird somit überbestimmt, die Reaktivität unterbestimmt [Sha1995].

Die Acroleinoxidation an den vorliegenden Mischoxiden stellt ein hochkomplexes System dar und die Auswertung der SSITKA gestaltet sich in diesem Fall äußerst kompliziert. Wie in Kapitel 3.2 beschrieben, ist Acrolein in der Lage, seinen Carbonylsauerstoff gegen Sauerstoff aus dem Festkörper auszutauschen [Ott2004, Dro2005]. Auch Acrylsäure ist in der Lage einen oder beide Carboxylsauerstoffatome gegen Sauerstoff aus dem Katalysator zu tauschen. Außerdem wird Sauerstoff aus dem Inneren des Katalysators in einer langsamen Austauschreaktion an die Oberfläche gefördert [Kam2007a, Kam2007b, End2007].

Somit existieren während der Dosierung von 18O2 weitere Quellen für unmarkierten Sauerstoff (Acrolein und Bulk des Katalysators). Die Konzentrationen der unmarkierten Oxidationsprodukte nehmen nicht auf null ab und die Relaxationskurven entsprechen nicht der reinen Verweilzeit der Zwischenstufen auf der Festkörperoberfläche.

Auf Basis eines zugrunde gelegten Reaktionsmodells lassen sich durch kinetische Modellierung und Anpassung an die experimentellen Daten weitere kinetische Größen berechnen. Der postulierte Mechanismus kann bei Übereinstimmung der simulierten Daten mit den experimentell bestimmten Daten bestätigt werden [Ott2004].

SSITKA mit 16O2 - 18O2

Aus den transienten Antwortkurven einer SSITKA, bei der in Anwesenheit und Abwesenheit von Wasser im Feed 16O2 gegen 18O2 getauscht wird, kann die Verweilzeit der einzelnen Komponenten auf der Oberfläche berechnet und im Vergleich der Messungen mit und ohne Wasser beurteilt werden, ob Wasser zu einer kürzeren Verweilzeit von Acrylsäure auf der Oberfläche führt, was ein Hinweis auf die in der Literatur diskutierte Verdrängung von Acrylsäure von der Oberfläche durch Wasser ist [Nov2002, Ai1998, Kad1999, Ved1996, Med2000, Sup2005, Lin2001]. Die Bestimmung der Oberflächenbedeckung zeigt, ob die Anwesenheit von Wasser z. B. zur Ausbildung von weiteren Aktivzentren auf der Oberfläche und somit zu einer höheren Bedeckung an Acrylsäure oder durch z. B. konkurrierende Adsorption [Sal1996] zu einer kleineren Oberflächenbedeckung führt.

Die Bestimmung der Isotopenverhältnisse in den Reaktionsprodukten führt zu ersten Hinweisen auf die direkte Beteiligung von Wasser am Reaktionsgeschehen, da es neben Acrolein eine zusätzliche 16O-Quelle während der Dosierung von 18O2 darstellt.

SSITKA mit H216O - H218O

Die SSITKA, in der H216O gegen H218O getauscht wird, erlaubt es, direkt und ausschließlich den Sauerstoff zu verfolgen, der aus dem zudosierten Wasser stammt, wobei besonders eine unterschiedliche Isotopenverteilung in den verschiedenen Komponenten z. B. Acrylsäure und den Totaloxidationsprodukten detaillierte Informationen über die Beteiligung von Wasser am Mechanismus geben kann.

SSITKA mit H2O - D2O

Die Experimente, in denen H2O gegen D2O getauscht wird, geben außer über die Reaktionswege der Protonen aus dem zudosierten Wasser Aufschluss über einen möglichen kinetischen Isotopeneffekt, der die Beteiligung von Wasser an einem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt im Reaktionsnetz der Acroleinoxidation bedeuten würde.

Referenzexperimente

Zur Auswertung der SSITKA ist außerdem die Durchführung geeigneter Referenzexperimente wichtig. So müssen mit jedem Isotop 18O2, H218O und D2O Leerrohrexperimente durchgeführt werden, um zu überprüfen, welche Effekte dem Katalysator oder Reaktionen in der Gasphase bzw. an Reaktorteilen zuzuschreiben sind.

Die geplanten Isotopenexperimente sind in Tab. 4-4 zusammengefasst und dem verfolgten Ziel gegenübergestellt.

Tab. 4-4: Übersicht über die Isotopenaustauschexperimente zur Untersuchung mechanistischer Details zum Einfluss von Wasser. Die genaue Versuchsdurchführung ist in Abschnitt 5.3.3 beschrieben.

Experiment Ziel SSITKA mit Acr und 16O2 - 18O2 mit und ohne

Wasser

Bestimmung der Verweilzeit und Anzahl von Oberflächenintermediaten, Quanti-fizierung der vom Katalysator bereitge-stellten Sauerstoffmenge

SSITKA mit Acr, O2 und H216O - H218O Verfolgung des Reaktionsweges von Sauerstoff aus Wasser

SSITKA mit Acr, O2 und H2O - D2O

Verfolgung des Reaktionsweges von Wasserstoff aus Wasser, Identifizierung eines möglichen Isotopeneffekts jeweils mindestens eine SSITKA mit 18O2, H218O

bzw. D2O im Leerrohr

Beurteilung, ob auftretende Effekte dem Katalysator zuzuschreiben sind

SSITKA mit

Acs und 16O2 - 18O2 mit und ohne Wasser Acs, O2 und H216O - H218O

Acs, O2 und H2O - D2O

Informationen zum sekundären Isotopen-tausch der Acrylsäure, Einfluss von Wasser auf die unerwünschte Folgeoxidation von Acrylsäure

Bei der Auswertung von Isotopenverteilungen muss auch die Möglichkeit eines sekundären Isotopentauschs der Produkte berücksichtigt werden. Dazu dienen SSITKA-Experimente mit den verschiedenen isotopenmarkierten Reaktanten und Acrylsäure als Edukt. Diese Reaktionen geben auch weitere Auskünfte über den Einfluss von Wasser auf die unerwünschte Folgeoxidation der Acrylsäure.