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Spiel im Kontext der Familie

Im Dokument Wir spielen mit unseren Kindern (Seite 19-24)

2. Das Spiel und die Bedeutung für die kindliche Entwicklung

2.4. Spiel im Kontext der Familie

2.4.1. Die Rolle der Familie bei der Spielentwicklung

In diesem Kapitel ist die Frage zu beantworten welche Rolle die Familie bei der Spielentwicklung spielt und worin ihre Funktion für das kindliche Spiel besteht. Dies soll anhand der Entwicklung einiger Hauptspielarten in der Familie, wie das Funktions-, das Konstruktions-, das Rollen- und das Regelspiel etwas näher betrachtet werden.

Wie schon im vorangegangen Kapitel erklärt wurde, ist das Funktionsspiel das erste Spiel des Kindes. Vor allem beim objektbezogenen Funktionsspiel, ist es wichtig, dass dem Kind geeignete Objekte zur Verfügung gestellt werden. Die Familienmitglieder spielen dabei schon eine große Rolle, wenn die Präsenz ihrerseits gewährleistet ist. Durch das Anbieten von entsprechenden Gegenständen, werden diese zu indirekten Spielpartnern und unterstützen so die frühe Spielentwicklung.

Das Konstruktionsspiel zeigt im Gegenzug zum Funktionsspiel, wo bestimmte Gegenstände die Voraussetzung sind, eine bestimmte selbst gesetzte Anforderungsstruktur. In diesem Spiel ist das Spielziel in der Selbstgestaltung eines Werkes. Dabei kann vor allem älteren Familienmitgliedern eine große Bedeutung zugemessen werden, indem sie sich als sensible Spielpartner des Kindes erweisen. Die Familienmitglieder übernehmen eine helfende Funktion wenn es dem Kind nicht gelingt ein selbstgestecktes Konstruktionsziel zu erreichen.

Misserfolgserlebnisse können an dieser Stelle von der Familie aufgefangen werden. Weiters kann die Familie in solchen Situationen als Sicherheits- und Geborgenheitssystem dienen.

Im Rollenspiel werden oft typische Familien-Interaktionsmuster möglichst realitätsgerecht nachgestaltet, wodurch spielerisch bestimmte familiäre Lebensformen erlebt werden die den Kindern in der Wirklichkeit des Nichtspielens verwehrt bleiben. In dieser Art des Spiels wird dem Kind ermöglicht Verhaltensweisen real zu erleben, die sonst nur erwachsenen Familienmitgliedern vorbehalten sind. In diesem Fall sollte sich die Beteiligung der Familienmitglieder auf ein Gewähren-Lassen beschränken. Wenn keine anderen Kinder zur Verfügung stehen, werden oft Eltern als Spielpartner gewählt, die dann aber meist dem Kind gegenüber eine unterlegene Position zugeteilt bekommen.

Das Regelspiel ist oftmals durch den Kampf mit dem Zufall und mit den Spielpartnern gekennzeichnet. Dabei wird immer wieder der Schmerz des Verlierens besonders deutlich,

wodurch Wut und Verzweiflung ausgelöst wird. In solchen Situationen können Eltern mit Hilfe von Empathie unterstützende Partner werden (Mogel, 2008).

Die Familie ist nicht nur für das körperliche und psychische Wohlbefinden eine der wichtigsten Organisationsformen des Kindes. Sie dient auch der Entwicklung des kindlichen Spielverhaltens.

2.4.2. Mütterliche und Väterliche Beeinflussung

Die Teilnahme der Eltern am Spiel beeinflusst nicht nur das Spielverhalten selbst sondern hat auch Einfluss auf die Eltern-Kind Beziehung und beeinflusst die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Kindes. Das ist deshalb, weil das Eltern-Kindspiel als Teil der Eltern-Kindbeziehung gesehen werden kann welche einen fortlaufenden Dialog zwischen Eltern und Kind darstellt.

Nach Levine (1988) tritt Spiel entweder durch angeborene Tendenzen des Kindes auf oder durch die soziale Vermittlung bzw. durch die Bezugspersonen. In seinem Artikel wird vor allem auf die Spielinteraktion mit den Müttern eingegangen. Das mütterliche Verhalten ist zwar nicht ausschließlich der beeinflussende Charakter in der Spielentwicklung, es rundet aber vor allem den Anfang des Spiels ab. Es wird sogar das Einzelspiel von Kindern auf die vorangegangenen Mutter-Kind-Interaktionen zurückgeführt.

Die Rolle des Vaters scheint bei der allgegenwärtigen Rolle der Mutter unklar zu sein.

Verschiedene Forscher haben aber den wichtigen Anteil der Zeit, die Väter mit ihren Kleinkindern spielen, dokumentiert. Dabei ging es vor allem um positive Beziehung zwischen Vater und Kind bzw. um die Ergänzung zum Mutterspiel und die daraus resultierende kognitive Entwicklung des Kindes. Clarke-Steward, Lamb und Power & Parke haben herausgefunden, dass Väter mehr soziale und körperliche Spiele anregen, während Mütter mehr beobachtend spielen und die verbale Stimulation beachten. Es ist daher möglich, dass die Entwicklung von grobem und wildem Spiel mehr vom Vater beeinflusst wird, wohingegen soziales und sinnvolles Spiel mehr durch mütterliche Interaktion gekennzeichnet ist. Auch Power (1985) schreibt in seinem Artikel über die signifikanten Unterschiede zwischen Müttern und Vätern. Beim Versuch das Kleinkindverhalten zu beeinflussen folgen Mütter meist der natürlichen Neugierde ihres Kleinkindes indem sie die Kleinkinder das Spielobjekt selbst auswählen lassen. Wohingegen Väter das Interesse und die Aufmerksamkeit missachten und oft direkt in das laufende Kleinkindverhalten einschreiten.

Spielforscher haben weiters die bedeutende mütterliche Beteiligung in der Entwicklung von symbolischem Spiel bei jüngeren Kindern dokumentiert. Eine der wichtigsten Funktionen die Mütter im Mutter-Kleinkind Rollenspiel verrichten ist die Interpretation der Aktionen des Kindes. Dies ist besonders wichtig für die jüngeren Kinder (2 Jahre); ältere Kinder sind zunehmend fähig ihre eigene Auslegungsform der Bedeutung der symbolischen Aktionen bereitzustellen. Die mütterliche Einbindung im Rollenspiel gestattet dem Kind zum Beispiel das Baby, das durch die Mutter gespielt wird, zu bemuttern. Diese porträtierten Rollen im Rollenspiel dienen dem Identifizierungsprozess, sodass sich das Kind vorstellen kann selbst jemand so mächtiger zu sein wie Mutter oder Vater. Die elterliche Einbindung in diese Art von Spiel suggeriert dem Kind das seine Höherstellung gegenüber den Eltern, auch wenn sie nur kurzzeitig ist, möglich ist und auch zukünftig erlaubt ist (Levine, 1988; Power, 1985).

Weiters ist zu bemerken, dass es Studien zum sozioökonomischen Status und der mütterlichen Einstellung zum kindlichen Fantasiespiel gibt. Dabei wurden soziale Klassenunterschiede im Bezug auf die Eltern-Kind-Interaktion festgestellt. Arbeiterklassemütter zeigten signifikant weniger gemeinsame Aufmerksamkeit und Teilnahme im Spiel als Mütter der mittleren Klasse. Eine Unterscheidung in der elterlichen Einstellung zur Fantasie wurde daher als wichtig erkannt um die Unterschiede im Verhalten dieser beider Gruppen zu verstehen. Denn je positiver die Einstellung zur Fantasie war desto kreativer war das Spiel der Kinder (Levine, 1988).

Auch fanden Bishop und Chance 1971 bei einer Studie zum einzelnen Spielverhalten von 22 neun bis zwölf jährigen Kindern heraus, dass elterliches Verhalten und die Einstellung zum Spiel im Zusammenhang mit der kindlichen Kreativität steht. Es wurde die Menge und die Qualität der Verspieltheit des Kindes mit den Eltern bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass Eltern von 9-12 Jahre alten Kindern glauben, dass Kindern jede Hilfe und Gelegenheiten angeboten werden sollte um zu spielen. In der Praxis aber setzen sie Grenzen zu diesen Gelegenheiten und zu ihrem eigenen Engagement dem kindlichen Spiel gegenüber.

In Slade’s Studie (1987) wurden 15 Mutter-Kleinkind Zweiergruppen beobachtet wovon die Hälfte als ängstlich die andere Hälfte als sicher eingestuft wurde. Die beiden Gruppen unterschieden sich ein wenig wenn sie alleine spielten, jedoch waren die sicheren Kinder in der Lage länger und höherwertige Rollenspiele zu spielen als die ängstlichen Kinder, wenn sie mit ihren Müttern spielten.

Slade ist der Meinung, dass die mütterliche Einbindung für die Entwicklung des symbolischen Spielverhaltens nicht so kritisch gesehen werden soll, sondern mehr die Qualität der Eltern-Kindbeziehung reflektiert werden sollte.

Als ebenso wichtig erachtet wird das Ergebnis der Studie von Power (1985) welches zeigt dass Kleinkinder (13 Monate) unterschiedlich auf die Einflussversuche der Mutter bzw. des Vaters reagieren. Mit diesem Alter reagieren Kinder eher nicht auf die Versuche ihrer Väter und meist erfolgreich auf die Versuche ihrer Mütter. Obwohl Mütter und Väter mit dem Alter ihrer Kinder erfahrener werden scheint es, dass die Mütter die Väter nach 13 Monaten überbieten, welches eine Konsequenz der größeren mütterlichen Erfahrung im Spielzeug sein könnte.

Weiters wurde in mehreren Studien herausgefunden dass Mütter eher das Spiel von Mädchen lenken als das von Buben. Eltern verbringen mehr Zeit damit das Verhalten ihres Mädchens zu lenken wohingegen Eltern von Buben weniger steuernd eingreifen.

Außerdem wurde in der Studie von Stuckey1, McGhee und Bell 1982 erwähnt, dass Söhne mehr Aufmerksamkeit in Familien mit Müttern die Zuhause sind erhalten, während Töchter mehr Aufmerksamkeit bekommen in Familien mit berufstätigen Müttern. Weiters haben Eltern aus Familien mit berufstätigen Müttern eine positivere Einstellung zu der zweifachen Rolle der Frau. Wohingegen höhere negative Emotionen in Familien wahrzunehmen waren bei denen die elterliche Einstellung mit dem mütterlichen Berufsstatus nicht übereinstimmten.

2.4.3. Scaffolding

Ein weiterer Begriff, der zwar nicht im direkten Zusammenhang mit dem Spiel steht aber dafür die Bedeutung der Interaktion zwischen Eltern und Kind hervorhebt, sollte in dieser Arbeit erwähnt werden, nämlich der des Scaffolding. Mit Scaffolding wird ein besonderes, durch die soziale Umwelt des Kindes geschaffenes, Unterstützungssystem umschrieben, welches sich in sensibler und optimaler Weise den kindlichen Bedürfnissen nach Hilfe und Unterstützung anpasst. Der Erwachsene bietet dem Kind in der Zusammenarbeit die notwendige Assistenz, um eine Aufgabe zu lösen, indem er diese klar strukturiert beziehungsweise vereinfacht und dem Kind Wege und Möglichkeiten aufzeigt, wie ein Problem gelöst werden kann. Mit dem Begriff Scaffolding werden nicht nur Verhaltensweisen und Strategien beschrieben, die eine Mutter dazu verwendet, um das Kind bei seiner Aufgabenbewältigung zu unterstützen, sondern beschreibt insgesamt einen sozialen, interaktiven Prozess, der sowohl durch das Kind als auch durch die Mutter mitgestaltet und

geformt wird und sich somit wesentlich durch Gegenseitigkeit auszeichnet. Der Prozess des Aufgabenlösens wird nicht nur durch die Interventionen der Mutter bestimmt, sondern wird vielmehr durch beide Interaktionspartner gemeinsam reguliert.

Nach Berk und Winsler (1995) wird das Kind als ein Gebäude gesehen, welches sich selbst immer wieder neu aufbaut. Die soziale Umwelt ist das dafür notwendige Gerüst um sich immer weiter entwickeln zu können, bzw. um unter anderem auch neue soziale Fähigkeiten aufzubauen. Sie wirkt somit scaffoldend auf das Kind ein, damit es weitere Schritte zur Entwicklung neuer Kompetenzen setzen kann.

Ein wichtiger Bestandteil des Scaffolding ist das Engagement des Kindes während einer interessanten Problemlösungstätigkeit mit einer anderen Person. Ausschlaggebend ist hierbei nicht, ob es sich um eine Eltern-Kind oder eine Kind-Kind-Interaktion handelt, sondern, dass gemeinsam an einer Lösung gearbeitet und ein gemeinsames Ziel erreicht wird. Besonders hervorzuheben ist, dass beide Teilnehmer aktiv sein müssen, da das Lernen immer in Verbindung mit einer Tätigkeit steht.

Intersubjektivität ist ein weiteres Element eines guten Scaffoldings. Es wird darunter ein Prozess verstanden, bei dem die beiden Beteiligten eine Aufgabe mit unterschiedlichem Wissen beginnen, diese jedoch am Ende mit gleichem Verstehen beenden. Das gemeinsame Arbeiten und die stetige Kommunikation sind besonders wichtig, damit beide Partner auf dasselbe Ziel hinarbeiten. Die Intersubjektivität schafft einen gleichen Ausgangspunkt für die Kommunikation, wenn sich jeder Partner an die Perspektive des anderen anpasst, beispielsweise versuchen Eltern ihre Kinder zu fördern, indem sie ihre eigenen Erkenntnisse kindgerecht an sie weitergeben.

Ein weiterer Teil des Scaffolding ist der emotionale Aspekt in der Interaktion. Mit welchem Engagement ein Kind eine Aufgabe löst, hängt von der Zusammenarbeit mit dem Erwachsenen ab. Die Bereitschaft alles zu geben, um auf eine Lösung zu kommen ist höher, wenn die Interaktion mit dem Erwachsenen angenehm und freundlich ist.

Ein weiterer nützlicher Aspekt beim Scaffolding ist das Tauschen der Rollen. Hierbei wird die Mutter zum Kind und umgekehrt. Das Kind kann dem Erwachsenen Anweisungen geben, die er befolgen soll. Wenn das Kind einmal nicht weiter weiß oder vom Weg abweicht, dann bietet ihm der Erwachsene freundlich seine Hilfestellung an.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass unter Scaffolding die freundliche Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kind bei einem gemeinsamen Problemlösungsprozess

verstanden wird. Während dieser Interaktion unterstützt der Erwachsene, indem er seine Hilfe anbietet, die Selbstständigkeit der Kinder und deren Denken. Noch dazu animiert er die Kinder dazu mehr Verantwortung für die Aufgaben zu übernehmen und somit deren Fähigkeiten zu erweitern.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nun auf die Aspekte der personenzentrierten Spieltherapie eingegangen um eine Brücke zur Filialtherapie zu schaffen.

Im Dokument Wir spielen mit unseren Kindern (Seite 19-24)