• Keine Ergebnisse gefunden

Sorgen und Unterstützungsbedarf der Eltern

2. Mädchen und Jungen in Unterstützungsangeboten –

4.3 Sorgen und Unterstützungsbedarf der Eltern

Mit der Frage „Was macht Ihnen jetzt noch Sorgen?“ schloss der Teil des Fragebogens, der sich auf die Unterstützung der Kinder bezog. Die Mütter und der Vater listeten trotz der so positiv ein-geschätzten Unterstützung für ihr Kind eine Fülle von Sorgen auf.

Einige bezogen sich auf das Verhalten der Tochter oder des Sohnes: Sie waren zu aggressiv, zu verschlossen (vgl. Frau E), rasteten aus, weinten noch viel oder verweigerten sich, hatten Alp-träume. Einige sprachen von Problemen in der Schule (vgl. Frau B), andere bedrückten ganz kon-krete Sorgen, die die Konsequenz der Gewalt und der Trennung waren: Ihnen stand ein Umzug bevor, vor dem ihnen graute, sie waren mit unüberwindlich scheinenden finanziellen Problemen konfrontiert, hatten Angst vor der Zukunft. Zwei Mütter äußerten die Sorge, dass die Tochter bzw.

der Sohn dem Beispiel des Vaters folgen, die Gewalt bagatellisieren und später möglicherweise selbst gewalttätig werden könnte (vgl. Frau E). Andere fragten sich, ob sie im Moment so belastet seien, dass sie den Kindern nicht ausreichend Zuwendung, Zeit und Liebe geben könnten.

Belastungen durch Umgangsrecht

Das Warten auf eine gerichtliche Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht wurde als belas-tend erlebt. Drei Mütter nannten ganz konkret die Umgangsregelung selbst als Anlass zur Sorge (vgl. Frau B und Frau E). Wir fragten danach, wie sie es erleben, wenn Kinder Kontakt zum Vater haben. Einige antworteten geradeaus mit „gut“, oder „o.k.“ (vgl. Frau D), andere ebenso eindeutig mit „schlecht“ oder „schwierig“. Die Mehrheit äußerte sich sehr differenziert und teilweise ambi-valent. So sind viele Mütter und auch der Vater der Ansicht, dass es gut ist, wenn die Kinder Kon-takt zum getrennt lebenden Elternteil haben. Einige nannten diffuse Angst, auch wenn sie den Kontakt wünschten, oder empfanden den Kontakt als schwierig, obwohl sie zugestehen mussten, dass der Ex-Partner sich sehr bemühte, alles richtig zu machen. Eine Mutter wünschte, dass die Tochter Kontakt hat, fürchtete aber, der Vater könne sie durch seine Unzuverlässigkeit ent-täuschen. Andere kritisierten das Verhalten des Ex-Partners, der die Kinder bei den Großeltern

abstellte und sich nicht kümmerte oder der den Kindern viel versprechen und nichts davon halten würde.

Eine Mutter drückte die ganze Ambivalenz ihrer Trennungssituation aufgrund von Gewalt aus: „Es ist schwer, weil ich es ihm nicht verzeihen kann und auch Eifersucht, dass meine Tochter so einen Mann lieben kann.“

Brauchen auch die Eltern Unterstützung?

Die Befragten von Gewalt betroffenen Mütter und der Vater sahen ihre eigene Unterstützungs-bedürftigkeit. Bis auf eine waren alle an ein Beratungsangebot angebunden, mehrheitlich in der gleichen Einrichtung, in die auch ihr Kind ging (vgl. alle Fallbeispiele). Die Weiterführung dieser Beratung war der häufigste Wunsch, an zweiter Stelle stand der Wunsch nach einer Therapie, also einer intensiveren Auseinandersetzung mit sich selbst und den Problemen. Andere sahen als hilfreich für ihren weiteren Weg zum Beispiel einen neuen Freundeskreis aufbauen zu können, endlich wirkliche Sicherheit herstellen zu können, Arbeit bzw. einen Ausbildungsplatz zu finden oder einfach „Sprechen“.

Dieses Maß an Belastung der Mütter und des Vaters spricht eine deutliche Sprache. Ohne eine parallele Unterstützung für sie würde die Unterstützung der Mädchen und Jungen zu kurz greifen.

Die Tatsache, dass die gewalttätigen Väter und die Mutter in sehr viel geringerer Anzahl in ein Beratungsangebot eingebunden waren (vgl. Kapitel 2) gibt zu denken. Hier besteht Bedarf an kon-zeptioneller Weiterentwicklung und am Ausbau der lokalen und regionalen Kooperation. Es müssen keine Parteilichkeitskonflikte befürchtet werden. Neuere Forschung zum Unterstüt-zungsbedarf von Gewalt durch den Partner betroffener Frauen (Helfferich, Kavemann und Lehmann 2005) zeigt, dass ein Angebot für den gewalttätigen Partner erklärter Wunsch vieler Frauen ist, und nicht nur von Frauen, die weiterhin mit dem Mann zusammenleben wollen. Töchter und Söhne setzen sich in der Regel sehr mit dem Vater und seinem Verhalten auseinander unab-hängig davon, ob die Mutter sich getrennt hat oder nicht (vgl. Kapitel 3). Unterstützungsangebote sollten diesen Bedarf an Begleitung im Konflikt aufgreifen.

In Baden-Württemberg wurde in den vergangenen Jahren die Täterarbeit bei häuslicher Gewalt durch die Landesstiftung in Form von Pilotprojekten gefördert. Es gibt inzwischen etwas mehr Angebote als es früher der Fall war. Auch nehmen Berater/innen der Täterarbeit inzwischen mehrheitlich gezielt die Problematik väterlicher Verantwortung in ihre Gruppenarbeit auf (vgl.

Hainbach und Liel 2006). Die 2006 gegründete Bundesarbeitsgemeinschaft der Einrichtungen, die Täterarbeit bei häuslicher Gewalt anbieten, nimmt diese Thematik in die Diskussion ihrer Stan-dards für gute Praxis auf. Vor allem dann, wenn unklar ist, ob Gewalt beendet wurde, wenn es zu anhaltender Verfolgung von Frau und Kind kommt bzw. wenn die Frage des Umgangsrechts nach einer Trennung wegen häuslicher Gewalt umstritten ist, kann Täterarbeit im Sinne der Sicherheit von Frauen und Kindern einen zusätzlichen Ansatzpunkt bieten. Es wäre zu wünschen, dass Töchter und Söhne zukünftig mehr als bislang von Täterarbeit profitieren können.

4.4 Fazit

Die befragten Mütter und der Vater schrieben die positiven Veränderungen im Verhalten und der Befindlichkeit ihrer Kinder sowie in der Möglichkeit, mit ihnen zu kommunizieren und in Beziehung zu treten, der Teilnahme am Kinderprojekt zu. Sie sahen hier einen unmittelbaren Zusammen-hang.

Eltern bewerteten die Angebote oftmals dann als hilfreich, wenn es ihren Kindern besser ging und sie fröhlicher wurden und begeistert an den kreativen Angeboten teilnahmen. Dies sollte für die Konzeption weiterer Unterstützung nicht dazu verleiten, hier den Schwerpunkt der Arbeit mit den Kindern zu sehen. Die Befragungsergebnisse verweisen auch hier wieder auf die Bedeutung der Auseinandersetzung mit der erlebten Gewalt. Eltern verweigerten das Gespräch mit den Kindern nicht, waren aber oft sehr unsicher, wie es zu führen ist. Die Tatsache, dass die Kinder einen Ort hatten, an dem sie professionelle Hilfe erhielten, entlastete die Eltern und nahm Druck von ihnen, was sie angesichts der aktuellen Überforderung sehr zu schätzen wussten. Diese Entlastung wirkte sich in vielen Fällen auch positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung aus.

Es ist den Pilotprojekten gelungen, die von Gewalt betroffenen Eltern vom Nutzen des Unter-stützungsangebots für ihre Kinder zu überzeugen, und selbst in Beratung einzubinden. Es erwies sich als konzeptionell unerlässlich, die von Gewalt betroffenen Eltern zu gewinnen, da sie einer-seits hauptsächlich die Teilnahme der Kinder organisiert haben und anderereiner-seits die Teilnahme hätten jederzeit verhindern können, wenn sie nicht den Bedarf der Kinder gesehen und ernst ge-nommen hätten und von der Qualität des Angebots überzeugt gewesen wären. Beratungskontakte können nur dann gelingen, wenn sich das Angebot mit den subjektiven Theorien der Klient/innen deckt und ihre Vorstellung davon, was ihnen helfen könnte, angesprochen wird (vgl. Heynen 2002).

Gewalttätige Eltern konnten nur im Einzelfall und andere Familienangehörige verhältnismäßig selten einbezogen werden. Dies ist sicherlich eine Frage der personellen Ressourcen in den Pro-jekten, aber auch eine Frage der Kooperation mit den Einrichtungen, die mit gewalttätigen Männern in Baden-Württemberg arbeiten. In dem Maße, wie diese väterliche Verantwortung zu ihrem Thema machen und mit den Schutz- und Beratungseinrichtungen für Frauen sowie für Kin-der kooperieren, könnte es zunehmend gelingen, auch seitens Kin-der KinKin-derprojekte das Gespräch mit den gewalttätigen Vätern zu führen, was im Interesse vieler Kinder sein wird .

5. Unterstützungsangebote für Kinder - konzeptionelle,