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DIE SEPULKRALKULTUR IN DER DDR UND IHR RÄUMLICHER AUSDRUCK Eine Annäherung an das Krematorium des Erfurtuter Hauptfriedhofs

Carolin Schmidt

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Die ehemalige DDR erfuhr die Feuerbestattung durch eine starke Förderung aus ideologischen Gründen bestärkt durch die Ablehnung der Kirche. Dies zeigen allein schon die Zahlen der Kremierungen: Zwischen 1960 und 1980 erhöhten sich die Feuerbestattungen um 50 % auf 140.000 Menschen pro Jahr. (Hübner 2013: 27-28) Im Jahr 1960 gründete sich das Institut für Kommunalwirtschaft in Dresden, wel-ches das Ziel verfolgte, die Sepulkralkultur für eine sozialistische Gesellschaft zu transformieren. Dies drückte sich beispielsweise in der Zuweisung der Friedhöfe als öffentliche Räume oder der Bemühung um eine einheitliche Grabgestaltung aus.

(Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal 2002: 171-183)

Ebenso wurde der Aufbau eines dichten Netzes an Krematorien angestrebt. Alle 50 km sollte ein Krematorium entstehen, in Städten mit mehr als 20.000 Einwohner:in-nen sogar je 30km. Die Realität stellte sich jedoch anders dar, von den vielen geplan-ten Instandsetzungen und Neubauvorhaben wurden nur wenige umgesetzt. Die ein-zigen beiden neugebauten Krematorien befinden sich in Erfurt und Schmalkalden.

Meist werden die bereits bestehenden Krematorien weiter genutzt trotz schlechter baulicher und sicherlich auch technischer Zustände. (Hübner 2013: 27-28)

Um einen Überblick der Krematorien in der DDR zu erlangen, werden die nach Be-zirk gegliederten Bände der Architekturführer der DDR auf die Erwähnung von Kre-matorien hin untersucht. Diese sind alle beim VEB Verlag für Bauwesen erschienen unter der Herausgeber:innenschaft der Bauakademie der DDR (Institut für Städtebau und Architektur), Bund der Architekten der DDR und dem Institut für Denkmalpfle-ge in der DDR zwischen 1974 und 1991 erschienen. Die Erarbeitung der Inhalte auf Bezirksebene erfolgte durch lokale Verantwortliche. In der Regel werden hier die Objekte stichpunkthaft erwähnt und erläutert, wichtige Gebäude werden mit Abbildungen dargestellt. Die Analyse zeigt, dass sowohl Bestandgebäude als auch Neubauten verzeichnet sind. Insgesamt werden 11 Krematorien erwähnt, teils mit ausführlicherer Beschreibung und Bebilderung, wie beispielsweise die Neubauten in Erfurt und Schmalkalden. Ein Krematorium wird als in Planung befindlich ange-führt. Des Weiteren werden 9 Trauerhallen genannt, welche alle zu DDR-Zeit errich-tet wurden. Wie die Verbindung von Architektur und Sepulkralkultur ausgesehen hat lässt sich mit dieser Analyse nicht beantworten. Die Objekte, die aufgezeigt werden, erfahren jedoch eine Würdigung, da in den Architekturführern nur eine Auswahl an Objekten angeführt wird. Wenn auch die Mehrheit der geplanten Krematorien nicht umgesetzt wurden, werden die Bestandsgebäude weitergenutzt und nicht er-setzt. Die Vermutung liegt nahe, dass der technische Aufwand von Krematorien im Vergleich zu Trauerhallen relativ hoch war und sich im Preis der Baukosten nieder-schlug, weshalb diese deutlich öfter errichtet wurden.

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Der räumliche Ausdruck der von der DDR forcierten Sepulkralkultur zeigt sich in den Neubauten der Krematorien. Anhand der Baubeschreibung des Krematoriums auf dem Erfurter Hauptfriedhof sollen diese Bestrebungen einmal beleuchtet werden.

Baubeschreibung

Das Krematorium liegt auf dem Erfurter Hauptfriedhof in der Nähe des Hauptein-gangs und wurde 1973 bis 1976 nach den Entwürfen des ungarischen Architekten Janos Szabo errichtet. Das Gebäudeensembles ist rückseitig zur Straße gelegen und zeigt nach Nord/ Nordwest, der Haupteingang bzw. die Repräsentationsseite richtet sich nach Süd/Südost und ist der Friedhofsanlage zugewandt. Das Bauwerk ist in die von West nach Ost verlaufende Hanglage integriert und steht fast am höchsten Punkt des großen Friedhofgeländes, welches in südliche Richtung hangabwärts ver-läuft. Dabei fügt es sich in die bestehende topografische Lage ein, so erscheint es bei fußläufiger Erkundung zunächst zwischen zahlreichen Bäumen hervorzutreten, womit das Bauwerk geschickt in die Grünanlage des Parkfriedhofs eingebettet ist.

Vor der südlichen Schauseite erstreckt sich ein Vorplatz aus großen Betonplatten in schwarz-weißem Raster. An den Seiten finden sich jeweils Sitzgelegenheiten, sowie einzelne Bronzestatuen aus DDR-Zeit. Das Ensemble zeichnet sich durch eine sehr klare und schlichte architektonische Formensprache aus und wirkt durch die weiße Farbigkeit der Fassaden, eine einladende Freitreppe und den großen Vorplatz erha-ben und modern.

Der Gebäudekomplex besteht aus mehreren zusammenhängenden Baukörpern, welche sich in vordere, dreigeschossige und exponierte als auch in rückgelagerte, flachere Teile gliedern lassen.

Die Ansicht des vorderen Baukörpers ist durch Versprünge gekennzeichnet, womit in der Erscheinung zwei Kuben entstehen. In diesem Gebäudeteil befinden sich zwei große Trauerhallen. Die Fassadengestaltung der Frontseite ist horizontal geprägt mit dreiteiliger Zonierung: Einem Sockelgeschoss, einer raumhohen Fensterzone sowie einer großen auf Stützen stehenden fensterlosen Zone.

Die weiß verputzten Kuben gehen durch eine raumeinnehmende Freitreppe eine Verbindung miteinander ein, während die etwas asymmetrisch vor den beiden Ku-ben platzierte Freitreppe der Fassade die gleichförmige Strenge nimmt. Die Treppe führt zunächst auf eine großzügige Terrasse, von der sich einerseits der Blick über das Tal eröffnet und andererseits der Gebäudeeingang zwischen den Kuben liegt.

Mittig zwischen den beiden Baukörpern befindet sich über der Eingangstür in der obersten Etage ein Fenster, welches durch seine Position etwas eingekeilt wirkt. Die Ein- bzw. Ausgänge sitzen rechts und links unter der Treppenanlage, wobei der linke Eingang durch drei Treppenhohe Betonwandelemente verdeckt wird. Der rechte

–43– Abb. 2: Luftbild des Krematoriums vom Juni 2006 Abb. 1: Das Krematorium in den 1980er Jahren

Abb. 4: Seitenansicht Krematium 2021 –44–

Abb. 3: Ansicht Krematorium 2021

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Eingang befindet sich im rechten Winkel zur Gebäudefront an der Treppe und ist in einem Betonrahmen gefasst.

Die rechte vordere Gebäudekante wird durch drei terassenförmige Stufen, die bis knapp unter die Terrasse und mit hochwachsenden Gräsern bepflanzt sind, in ihrer Klarheit aufgebrochen. Linkerhand der Freitreppe befindet sich ein großmaßstäbli-ches bronzenes Wandrelief in abstrakter, wellenförmiger Gestaltung von Günter Rei-chert mit dem Titel „Das Leben“ (Wieler 2001: 159). Die Gestaltungselemente der bepflanzten Stufen als auch das Relief erden das sonst mit der Treppenlinie empor-ragende Gebäude scheinbar. Auf Höhe der Terrasse befindet sich eine in den Kubus zurückversetzte regelmäßige Stützenreihung, die relativ unscheinbar bleibt. Hinter dieser befindet sich eine Glasfront, die sich über die gesamte Länge der Frontseite bis auf die Seiten zieht.

An der Seite des hinteren Gebäudeteils erscheint ein weiterer Gebäudezugang. Vor diesem befindet sich eine kleine Gartenanlage im japanischen Stil. In diesem hin-teren Gebäudeteil sind zum einen die Verbrennungsöfen und zwei kleinere Trauer-hallen als auch die Verwaltung untergebracht. Auf der Gebäuderückseite befindet sich die zweckmäßige Erschließung für den Betrieb des Krematoriums. Der hintere Gebäudekomplex kann als architektonisch zurückhaltend beschrieben werden.

Der Innenraum konnte aufgrund von Trauerfeiern leider nicht besichtigt werden.

Die Sanierungsmaßnahmen von 2007 bis 2010 betrafen sowohl den Innenraum als auch die Gebäudehülle selbst (Landeshauptstadt Erfurt o.J.). Die Eingriffe können anhand der Abbildung aus den 1980er Jahren verglichen werden.

Dabei wurde in der Erscheinung der Frontseite des Gebäudeensembles stark inter-veniert. Ursprünglich wurde das Gebäude mit zwei großen Freitreppen jeweils an den Außenseiten erschlossen, sodass mittig im Erdgeschoss ein weiterer Eingang saß.

Über diesem war das Bronzerelief mittig angebracht. Die heute fast mittig sitzen-de Treppe, nimmt jedoch das bauzeitliche Motiv wiesitzen-der auf. Die Betonwänsitzen-de für die heutige Erschließung des Erdgeschosses, wie auch das terrassenförmige Stufen-element auch der rechten Gebäudekante sind Teil der Sanierungsmaßnahmen. Das Raster des Vorplatzes wurde ebenso erneuert, dabei lassen sich jedoch kaum Unter-schiede zum vorherigen bemerken.

Bei der Sanierung des Baukörpers selbst wurde die Gebäudekubatur selbst erhalten.

Das kubische Attikageschoss bestand ursprünglich aus vertikalen, unverputzten Plat-tenelementen mit einem den oberen Abschluss umlaufenden Ring. Der vordere Teil mit den Treppenanalgen wurde dagegen maßgeblich verändert. Die zentrale Trep-penanlage fügt sich dabei jedoch in das Gebäude ein, ohne fremd zu wirken. Die Betonwände der neuen Erschließung erscheinen allerdings durch ihre grobe Mate-rialität und deren Wetter bedingte Verunreinigung im Gegensatz zu der schlichten

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Kubatur und heute weißen Fassade wenig eingliedernd und eher unpassend.

Aussagen über den Sanierungsstand Innen können leider abermals nicht getroffen werden.

Die Gebäudegestaltung hinsichtlich der Funktion als Krematorium und Ort der Trauer im Kontext der Sepulkralkultur der DDR erfolgt über eine schlichte, abstrakte nahezu klinische Formgestaltung. Anklänge an religiöse Motive lassen sich hingegen nicht finden. Die großzügige Treppenanalge strahlt eine gewisse aufwärtsstrebende Dyna-mik aus. Dennoch bleibt dem Bauwerk mit der horizontalen Ausrichtung eine ge-wisse Ruhe und Unaufgeregtheit erhalten, wobei es durch den Verpsrung der Kuben keineswegs monumental wirkt. Die beiden gegensätzlichen Charakteristika Ruhe und Bewegung könnten als Methapher für das Leben gedeutet werden. Schließlich wirkt das Ensemble weltlich und modern und gilt nicht zuletzt als ein besonders ge-lungenes Bauwerk der neuen Moderne in der DDR (Hübner 2013: 27-28).

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LITERATUR

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal 2002. Vom Reichsausschuss zur Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal : Kolloquium am 8. und 9. November 1996 / veranst. vom Zentralinstitut für Sepulkralkultur, Kassel. Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. [Red.: Barbara Leisner ; Wolfgang Neumann]. Kassel: Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal.

Hübner, U. 2013. Kunst und Architektur der deutschen Feuerbestattungsanlagen im historischen Kontext. Unter besonderer Berücksichtigung der Krematorien in Sachsen. Dresden. Verfügbar unter:

https://d-nb.info/1068153806/34.

Landeshauptstadt Erfurt o.J. Bestattungswesen: Feierhallen. Verfügbar unter: https://www.erfurt.de/

ef/de/erleben/sehenswertes/friedhoefe/bestattungswesen/108161.html.

Wieler, U. Hrsg. 2001. Architekturführer Thüringen: vom Bauhaus bis zum Jahr 2000. 2. verb. u.

korr. Aufl. Weimar: Bauhaus-Universität, Universitätsverlag.

ABBILDUNGEN

Abb. 1: Untere Denkmalschutzbehörde Thüringen o.J.

Abb. 2: Google Earth 2006.

Abb. 3: Eigene Aufnahme 2021.

Abb. 4: Eigene Aufnahme 2021.