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2.3 Brackets

2.3.5 Selbstligierende Brackets

Mit der Einführung der sogenannten Russell-Attachements im Jahr 1935 durch Stolzen-berg aus New York wurde das Interesse an selbstligierenden Brackets geweckt (Stolzen-berg, 1935; Harradine, 2001; Byloff, 2003). Durch sie sollte die Behandlungseffektivität verbessert und die Behandlungszeit durch den Wegfall aufwendiger Ligierungs-techniken um die Hälfte gesenkt werden (Turnbull und Birnie, 2007). Nach einigen ge-scheiterten Versuchen, ein optimales System zu kreieren, führte Hanson (Cambridge, Ontario, Kanada) 1980 das sogenannte „Speed-Bracket“ ein, mit dem, aufgrund der er-folgreichen Vermarktung und Verbreitung, eine rasante Entwicklung in diesem Bereich begann. Zahlreiche Konzepte folgten v.a. in den letzten Jahren, was als Beweis für das große Interesse an dieser Technik gewertet werden kann. Selbstligierende Brackets kommen auch im lingualen Bereich zum Tragen (Ludwig und Glasl, 2010).

2.3.5.1 Definition

Selbstligierende Brackets (SL-Brackets) sind Attachments, die über einen integrierten Verschlussmechanismus verfügen, der den Bogen im Bracket-Slot hält und den Einsatz von Ligaturen überflüssig macht (Ludwig und Glasl, 2010).

2.3.5.2 Selbstligierende und konventionelle Brackets im Vergleich: Vor- und Nachteile dieser „neuen“ Systeme

„Es ist alles ganz einfach und man spart an allem!“ (Williams et al., 2000). So lautet der Werbeslogan einiger Hersteller für ihre SL-Brackets.

Das Ausmaß der Zahnbewegung hängt allgemein von verschiedenen Faktoren ab. So bestimmen die Art des Brackets, des Drahtbogens oder der Ligatur die Dauer und letzt-endlich den Erfolg der kieferorthopädischen Behandlung.

Hinsichtlich des Aufbaus unterscheidet selbstligierende und konventionelle Brackets die Tatsache, dass zum Verschließen anstelle der sonst üblichen Ligaturen eine integrierte Verschlussklappe Anwendung findet (Abb. 21).

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(A) (B)

Abb. 21 (A) Das konventionelle und (B) selbstligierende Bracket im Vergleich.

Bezüglich der Reibung bzw. der Friktion kommen viele Studien zu dem Ergebnis, dass mit SL-Brackets Zahnbewegungen friktionsärmer durchgeführt werden können (Vou-douris, 1997; Pizzoni et al., 1998; Thorstenson und Kusy, 2002; Byloff, 2003; Northrup et al., 2007). Durch die Friktion, die an der Berührungsstelle von Bracket und Bogen auftritt, kann beim Führen von Zähnen bis zur Hälfte der Kraft verloren gehen (Dre-scher et al., 1989). In der Nivellierungsphase hingegen sind niedrige Kräfte erwünscht (Thorstenson und Kusy, 2002). Durch sie garantieren selbstligierenden Brackets eine bessere Effizienz der Bögen (Matarese et al., 2008). Diese reduzierten Kräfte führen zu einer direkten Knochenresorption und folglich zu schnelleren Zahnbewegungen. Außer-dem vermindern sie die Gefahr von Wurzelresorptionen und auch der Patientenkomfort wird – durch biologisch optimale Zahnbewegungen und infolgedessen geringeren Druckschmerzen – erhöht (Berger, 1990; Matarese et al., 2008). Konventionelle Brackets weisen bedingt durch die Ligaturen, die den Bogen gegen die Bracketbasis drücken, sehr hohe Friktionswerte auf (Kusy, 2000). Die Friktion hängt allerdings nicht allein vom Bracket, sondern auch vom verwendeten Bracketmaterial ab (Bednar und Gruenemann, 1993; Pizzoni et al., 1998; Loftus et al., 1999; Cacciafesta et al., 2003a;

Henao und Kusy, 2004).

Selbstligierende Brackets bieten noch weitere Vorteile: Dazu zählt der beschleunigte Einligierungsprozess, der der eigentliche Grund für die Entwicklung dieser Brackets war. Durch ihn lassen sich die Behandlungszeiten deutlich reduzieren (Maijer und Smith, 1990). Die gesamte Behandlungsdauer kann sogar, gerade bei Fällen mit sehr starken Engständen, dank einer Verkürzung der Nivellierungsphase, herabgesetzt wer-den. Auf der anderen Seite ist es möglich, die Intervalle zwischen den einzelnen Kont-rollsitzungen größer anzusetzen, da kein Ligaturenwechsel mehr stattfinden muss.

Durch das Fehlen der Ligaturen zeigen sich aber auch Vorteile hinsichtlich nicht mehr

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vorhandener Prädilektionsstellen für bakterielle Plaque – Aspekte, die den Patienten-komfort erhöhen.

SL-Brackets weisen schließlich meist ein kleineres und abgerundetes Bracketdesign auf.

Dies vereinfacht zum einen die Reinigung mittels einer Zahnbürste, zum anderen sinkt dadurch das Demineralisationsrisiko (Shivapuja und Berger, 1994; Harradine, 2003).

Ihre Form macht es aber auch möglich, weniger auffallende Apparaturen anzufertigen, was ästhetisch positiver ist und zudem die Compliance des Patienten begünstigt (Byloff, 2003). Außerdem können mögliche Adaptionsprobleme verringert werden, was den Tragekomfort auf Patientenseite erhöht.

Tabelle 6 fasst wesentliche positive Aspekte noch einmal zusammen:

Tab. 6. Vorteile von SL-Brackets (nach J. K. Williams et al., 2000).

Vorteile

Anwenderkomfort

Einfach zu öffnen und zu schließen

Stark verminderte Reibung und schneller Behandlungserfolg

Hoher Tragekomfort

Kürzere Stuhlzeiten

Therapie-Effizienz

Zeitersparnis und einfache Handhabung

Hinsichtlich des Behandlungserfolges geht aus der derzeit vorherrschenden wissen-schaftlichen Literatur keine schlüssige Antwort hervor (O'Brien und Sandler, 2010), sodass auf klinische Erfahrungen und Expertenmeinungen zurückgegriffen werden muss. Da jedoch etliche Behandlungen mittels SL-Brackets erfolgreich abgeschlossen wurden, lässt sich die Vermutung äußern, dass mit ihnen mindestens ebenso gute Ergeb-nisse erzielt werden können wie mit konventionellen Befestigungselementen (Baumgär-tel, 2011).

SL-Brackets zeigen aber auch Nachteile: So kann es passieren, dass sich, infolge von sich anlagerndem Zahnstein, der Verschlussmechanismus immer schwerer betätigen lässt. Um dies zu vermeiden, müssen bei jeder Kontrollsitzung alle Clips kurz geöffnet und wieder verschlossen werden (Weiland, 2011). Allerdings konnte bislang, u.a. auch

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aufgrund des Speichelflusses, keine vermehrte Zahnsteinbildung, v.a. an den Unterkie-ferfrontzähnen nachgewiesen werden, wodurch gute Voraussetzungen für ein dauerhaf-tes Funktionieren dieser Clips gegeben sind (Weiland, 2011). Da es sich jedoch um ei-nen feinmechanischen Verschluss handelt, kann ein Versagen seinerseits nicht völlig ausgeschlossen werden. Eine unsachgemäße Handhabung, z.B. durch forciertes Ein-gliedern von Bögen, oder allgemeiner ausgedrückt Anwendungsfehler bei der Bedie-nung des Verschlusssystems, sowie die Verwendung falscher Instrumente, sind potenti-elle Ursachen dafür. Einmal verbogene Clips lassen sich nicht mehr in ihre alte Form bringen. Auch beim Klebevorgang eindringender Kunststoff kann diesen Feinmecha-nismus schädigen (Ludwig und Glasl, 2009).

Die Verschlussgröße kann ebenfalls Nachteile mit sich bringen: So ist es gerade bei kur-zen klinischen Kronen, wie es beim zweiten Oberkieferprämolaren der Fall sein kann, oft unmöglich, Brackets exakt zu positionieren. Die Clips konnten hier früher zudem dem Okklusionskontakt nicht standhalten. Die Folge war deren Bruch. Dieses Problem konnte jedoch mittlerweile beseitigt werden (Weiland, 2011).

Nicht außer Acht zu lassen sind allerdings die höheren Kosten dieser Brackets im Ver-gleich zu den konventionellen (Weiland, 2011).

Ansonsten kann es bei dieser Art von Befestigungselement wie bei jeder anderen auch zu Problemen hinsichtlich der Passfähigkeit der Basis oder der Präzision des Slots kommen, was zum einen auf fast gleiche bis identische Herstellungsverfahren, zum an-deren aber auch auf die Materialien zurückzuführen ist.

Trotz aller aufgelisteten Vor- und Nachteile lautet die Devise beim Einsatz von selbstli-gierenden Brackets: „Jede Bewegung braucht Verankerung, Raum und Zeit“ (Ludwig und Glasl, 2009). Nur bei Übereinstimmung dieser Kriterien ist eine erfolgreiche Be-handlung mit zufriedenstellendem Ergebnis das Resultat.

2.3.5.3 Bracket-Körper

Bei den Bracketkörpern lassen sich zwei Formen unterscheiden: das Flügel- und das Blockdesign.

Bei der ersten Variante handelt es sich um das typische Zwillingsbracket mit einem zu-sätzlichen Verschluss. Die vier Flügel erleichtern das Anbringen von Hilfselementen.

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Beim Blockdesign ist der Körper nur „Träger“ des Verschlusses. Hier können Hilfsmo-dule nur eingeschränkt befestigt werden (Ludwig und Glasl, 2009).

Der Clip verwehrt oft den Blick auf den horizontalen und den vertikalen Slot, deren Positionen aber durchaus relevant sind, da sie die nötigen Informationen bezüglich der Bogenauslenkung auf den Zahn übertragen. Aus diesem Grund haben SL-Brackets zu-sätzliche Markierungen in Form von Farbcodierungen oder Lasergravuren, die das Aus-richten des Brackets beim Kleben erleichtern sollen (Ludwig und Glasl, 2009).

2.3.5.4 Aktive und passive SL-Brackets

SL-Brackets lassen sich, abhängig vom Aufbau des Verschlussmechanismus und der Dimension des verwendeten Drahtes, in zwei Gruppen unterteilen: es gibt aktive (z.B.

In-Ovation, Speed, Time,…) und passive Systeme (z.B. Damon, Twinlock, Opal,…).

Bei den aktiven Formen berühren sich Verschluss und Bogen ab einer bestimmten Bo-gendimension. Der Bogen wird hier aktiv durch einen Clip in den Slot hineingedrückt, wodurch Torque und Rotation übertragen werden, d.h. durch einen derartigen Mecha-nismus können Führung, Rotation und Kippung unter kontrollierten Bedingungen ab-laufen. Als typisches Charakteristikum findet man bei einem aktiven System eine elasti-sche Feder, die gegen den Bogen drückt. Es liegt somit ein federnder Verschluss vor.

Beim passiven Bracket hingegen ist das nicht der Fall. Hier wird der Slot durch einen starren Riegel, in Form einer Klappe oder eines Schiebers, verschlossen und beinahe alle Bogendimensionen können sich darin frei bewegen. Es wird keine aktive Kraft auf den Bogen ausgeübt (Ludwig und Glasl, 2010).

Zum Mechanismus und dadurch besseren Verständnis erfolgt eine kurze Erläuterung:

bei passiven Systemen findet meist keine ligaturbedingte Friktion statt, da bis zum Ein-bringen eines vollständig den Slot füllenden Bogens kein Kontakt zwischen Verschluss und Draht besteht, was Vorteile in der Phase der Nivellierung hat (Schumacher et al., 1990). Bei den aktiven Systemen jedoch berührt der Bogen bereits schon bei geringen Dimensionen den Verschluss, sodass diese Elemente aktiv am mechanischen Geschehen teilnehmen.

Außerdem gibt es – der Vollständigkeit halber – semi- bzw. interaktive Verschluss-systeme. Der Bogen wird hier erst ab einer bestimmten Dimensionierung vom Ver-schlussmechanismus aktiv in den Bracketslot hineingedrückt.

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Einige Studien konnten belegen, dass aktive Systeme eine etwas höhere Friktion auf-weisen als passive (Voudouris et al., 2003; Fuck et al., 2007; Byloff, 2003; Bourauel et al., 2007). Allerdings erlauben sie eine gereingfügig bessere Rotations- und Torque-kontrolle (Thorstenson und Kusy, 2002; Voudouris et al., 2003). Um den vorherrschen-den Problemen bei passiven Systemen entgegenzutreten, entwickelten die Hersteller für sie neue Bogendimensionierungen (Ludwig und Glasl, 2010).

Passive Brackets haben jedoch auch Vorteile bei der Nivellierung (Rinchuse und Miles, 2007). Dadurch, dass die Zähne entlang eines bestimmten Bogens gleiten, kann dieser besser kontrolliert werden. Allerdings macht es das Spiel zwischen Draht und Bogen-verschluss schwierig, die resultierende Zahnposition exakt zu kontrollieren. Auch die Feineinstellung am Ende der Behandlung kann zu einem Problem werden (Weiland, 2011). Mögliche Folgen wären Korrekturbiegungen, die z.B. den Verschluss der Klappe behindern können.

2.3.5.5 Bracketpositionierung

Auch bei SL-Brackets wird für das Positionieren auf der Schmelzoberfläche und an-schließendes Andrücken eine Setzpinzette verwendet. Bei konventionellen Zwillings-brackets dienen als Ansatzpunkt für das Andrücken der Slot und die vertikale Vertie-fung zwischen den Flügeln. Die vertikale Ausrichtung erfolgt nach demselben Prinzip wie bei den konventionellen Brackets (siehe 1.2.3.). Beim horizontalen Andrücken muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Clip geöffnet ist. Die Einlagerung eines Spatels in den Slot ermöglicht eine kippfreie Druckausübung (Ludwig und Glasl, 2010).