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1.4 Selbstbezogene Fähigkeitseinschätzungen

Fähigkeitsselbstkonzept (zumindest in der vorliegenden Arbeit) ein domänenspezifisches Kon-strukt assoziiert, im Gegensatz zum Terminus Selbstkonzept. Wie werden Selbstwirksamkeitser-wartungen und Fähigkeitsselbstkonzepte definiert und welche Unterschiede sind zwischen beiden Konstrukten zu vermerken?

Selbstwirksamkeitserwartungen werden meist als subjektive Überzeugungen über eigene Be-fähigungen hinsichtlich eines konkreten Lern- oder Leistungsverhaltens definiert (Schunk & Paja-res, 2002, S. 15), mit anderen Worten, sie spiegeln die persönliche Ansicht wider, ob eine be-stimmte Aufgabe unter den jeweiligen Bedingungen durch die eigene Person erfolgreich bewältigt wird oder nicht. Demzufolge konstituieren sich Selbstwirksamkeitsüberzeugungen nicht nur aus relevanten Selbstreflektionen, sondern sie besitzen auch einen aufgaben- und situationsspezifi-schen Charakter, der zukunftsorientiert ist. Im Gegensatz dazu wird die Gesamtheit der Gedan-ken über die eigenen Fähigkeiten (in der jeweiligen Leistungsdomäne) als Fähigkeitsselbstkonzept definiert (z. B. Schöne, Dickhäuser, Spinath & Stiensmeier-Pelster, 2003, S. 4). Anders ausge-drückt, Fähigkeitsselbstkonzepte sind als generalisierte domänen-/fachspezifische Fähigkeitsein-schätzungen zu bezeichnen (Möller & Köller, 2004, S. 19). Im Unterschied zu Selbstwirksam-keitsüberzeugungen sind Fähigkeitsselbstkonzepte von einer konkreten Aufgabenkonstellation unabhängig, demzufolge stabiler und an vergangenen leistungsbezogenen Erfahrungen orientiert (für detailliertere Ausführungen siehe Bong & Skaalvik, 2003).

In Anlehnung an Dickhäuser, Schöne, Spinath & Stiensmeier-Pelster (2002, S. 394 f.) bzw.

Schöne et al. (2003, S. 4) wird in der vorliegenden Arbeit der Standpunkt vertreten, dass unter dem Konstrukt des Fähigkeitsselbstkonzeptes nur kognitive und keine affektiven Inhalte gefasst werden sollten, um Unschärfen zu anderen Konstrukten zu vermeiden (wie z. B. zum Selbstwert).

Es sei aber darauf verwiesen, dass andere Autoren selbstwertbezogene Gefühle in das Konstrukt des generellen Selbstkonzeptes und der domänenspezifischen (Fähigkeits-)Selbstkonzepte imple-mentieren (z. B. Schunk & Pajares, 2002, S. 17). Im Folgenden werden die Selbstwirksamkeitser-wartungen nicht mehr thematisiert, weil sie aus konzeptionellen Gründen keinen Eingang in die empirischen Untersuchungen der vorliegenden Arbeit gefunden haben, so dass nachfolgend nur die Fähigkeitsselbstkonzepte und deren Beziehungen zu anderen Variablen weitere Erörterung finden.

1.4.1 Fähigkeitsselbstkonzepte

Forschungen zu Fähigkeitsselbstkonzepten haben in den letzten Jahren in der Pädagogischen Psychologie sowie Sportpsychologie immens zugenommen, was sich beispielsweise in entspre-chenden Themen- bzw. Sonderheften verschiedener einschlägiger Zeitschriften widerspiegelt (z. B. das Heft 3 der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie von 2005 oder das Heft 4 der Zeit-schrift für Sportpsychologie von 2005). Wie bereits weiter oben ausgeführt, wird die Publikation von Shavelson et al. (1976) als zentraler Ausgangspunkt für entsprechend weiterführende For-schungen in beiden Disziplinen genutzt (Möller & Köller, 2004, S. 19 bzw. Stiller & Alfermann, 2005, S. 119). In der Folgezeit erhielten insbesondere die Arbeiten von H. W. Marsh viel Anklang.

Er führte zum Beispiel den Fischteich-Effekt (Big-Fish-Little-Pond Effekt; BFLPE) in die Selbstkonzeptforschung ein (Köller & Baumert, 2002, S. 772 f.). Diese Metapher soll Folgendes versinnbildlichen: Wenn zwei Schüler mit einer durchschnittlichen Begabung/Kompetenz in Klassen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus unterrichtet werden, bilden sie in der Folge un-terschiedlich hohe Fähigkeitsselbstkonzepte aus. In einer leistungsschwachen bzw. unterdurch-schnittlichen Klasse (^ little pond) entwickelt der eine Schüler (^ big fish) ein höheres Fähigkeits-selbstkonzept, als der andere (gleichkompetente) Schüler, der in einer leistungsstarken bzw.

überdurchschnittlichen Gruppe unterrichtet wird. Gelegentlich wird dieser Effekt in der ein-schlägigen Literatur auch aus der Sicht des Schülers beschrieben, welcher in der leistungsstarken Gruppe unterrichtet wird („small fish in a big pond effect“, SFBPE; Wheeler & Suls, 2005, S.

572). Nicht nur auf der individuellen Entwicklungslinie zeigt sich dieser Effekt, sondern auch auf der Schulebene. Demzufolge sind an Schulen mit hohem Gesamtleistungsniveau niedrigere Fä-higkeitsselbstkonzepte zu registrieren, als an Schulen mit geringerem Gesamtleistungsvermögen (z. B. Marsh, 2004, S. 17, Figure 2). Des Weiteren konnte der BFLPE auch im Bereich sportlicher Aktivität repliziert werden (Chanal, Marsh & Sarrazin, 2005).

In jüngster Zeit ist ein weiterer Effekt von Marsh diskutiert wurden, der konträr zum BFLPE verläuft: der Effekt der reflektierten Glorie („reflectet glory effect“; Marsh, Kong & Hau, 2000). Dabei handelt es sich um einen Assimilationseffekt von Eliteschülern, durch den die Schü-ler aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer besonders leistungsstarken Gruppe Stolz und Ehre empfinden, was wiederum zur persönlichen Aufwertung ihres Fähigkeitsselbstkonzeptes führt (vgl. auch Rindermann & Heller, 2005, S. 135). Marsh et al. (2008, S. 4) gehen davon aus, dass der BFLPE wesentlich stärker ausfällt als der beschriebene konträr verlaufende Assimilationseffekt.

Insgesamt ist der BFLPE als robustes Phänomen zu charakterisieren, der sich in verschiedenen Kulturen finden lässt. Ein gewisser Dissens besteht jedoch hinsichtlich der praktischen

Konse-1.4.1 Fähigkeitsselbstkonzepte

quenzen des BFLPE. Für entsprechend weiterführende Darstellungen und offene Forschungs-fragen sind die Publikationen von Marsh (2005a, 2005b) sowie Marsh et al. (2008) zu empfehlen.

Marsh (1986) hatte weiterhin erkannt, dass nicht nur interindividuelle bzw. „externale“ Ver-gleiche für das Fähigkeitsselbstkonzept wichtig sind („external frame of reference“), sondern auch „internale“ Vergleiche zwischen den eigenen Leistungen in verschiedenen Domänen be-deutsam sein können („internal frame of reference“), was er durch sein Bezugsrahmenmodell (Internal/External Frame of Reference-Model; I/E-Modell) zum Ausdruck bringt. Am Beispiel der Schulfächer Mathematik und Deutsch lässt sich der internale (interdimensionale) Vergleichs-rahmen wie folgt erläutern: Zwei Schüler erreichen im Fach Mathematik vorwiegend befriedigen-de Noten (sie besitzen befriedigen-demnach ähnliche mathematische Kompetenzen). Ein Schüler erzielt im Fach Deutsch vorwiegend gute Zensuren, hingegen erhält der andere Schüler nur ausreichende Prädikate im Deutschunterricht. Haben nun beide Schüler ein gleich hohes mathematisches Fä-higkeitsselbstkonzept?

Nein, der entsprechende „internale“ Vergleich zwischen den beiden Leistungsdomänen bleibt nicht ohne Wirkung. Der Schüler mit den schlechten Deutschleistungen zeigt ein signifi-kant höheres mathematisches Fähigkeitsselbstkonzept, im Vergleich zu dem anderen Schüler, mit den guten Zensuren im Fach Deutsch. Demzufolge wirken sich gute Leistungen in einer anderen Leistungsdomäne negativ auf die Höhe des Fähigkeitsselbstkonzeptes in der eigentlich betrachte-ten Domäne aus. Dieser Effekt gilt in der einschlägigen Literatur als gesichert und konnte bei-spielsweise auch im Rahmen der PISA-Studie (inklusive des Fischteich-Effektes) nachgewiesen werden (Lüdtke, Köller, Artelt, Stanat & Baumert, 2002). Zusammenfassende Darstellungen für den schulischen/akademischen Bereich geben Möller und Köller (2004). Außerdem konnte das I/E-Modell im experimentellen Setting (z. B. Dickhäuser, Seidler & Kölzer, 2005) und im sport-psychologischen Bereich größtenteils bestätigt werden (Pohlmann & Möller, 2002; Tietjens &

Möller, 2002 sowie Tietjens, Möller & Pohlmann, 2005). Weil in der vorliegenden Arbeit weder der Effekt der reflektierten Glorie, der Fischteich-Effekt noch das Bezugsrahmenmodell von Marsh geprüft werden, soll an dieser Stelle lediglich darauf hingewiesen sein, dass für Fähigkeits-selbstkonzepte Bezugsrahmen von zentraler Bedeutung sind (Bong & Skaalvik, 2003, S. 3).

Dickhäuser et al. (2002) sowie Schöne, Dickhäuser, Spinath und Stiensmeier-Pelster (2002) haben für die Erfassung des Fähigkeitsselbstkonzeptes noch andere/weitere Bezugsrahmen ver-wendet, die an das Konzept der Bezugsnormorientierung (Bno) gekoppelt sind (siehe Abschnitt 1.1.3, S. 62). Danach gibt es die Möglichkeit, dass die eigene Fähigkeit mit (1) vergangenen eige-nen Leistungen (^ individuelle Bn), (2) sachlichen Maßstäben/Normen (^ sachliche oder

kriteria-le Bn) oder (3) Leistungen anderer Personen (^ soziakriteria-le Bn) verglichen wird (Schöne et al., 2002, S.

8). Folgerichtig haben die Autorengruppen Instrumente entwickelt (SASK = Skalen zum akade-mischen Selbstkonzept, Dickhäuser et al., 2002; SESSKO = Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzeptes, Schöne et al., 2002), im Rahmen derer die Fähigkeitsselbstkonzepte für jede Bezugsnorm separat erfasst werden können. Daneben bieten diese Instrumentarien noch die Möglichkeit an, das Fähigkeitsselbstkonzept ohne explizit genannte Bn zu erheben, was von den Autorengruppen als „absolutes“ Fähigkeitsselbstkonzept bezeichnet wird. Im Vergleich zu älteren deutschsprachigen Instrumenten zur Erfassung des (Fähigkeits-)Selbstkonzeptes erfolgt eine strikte Fokussierung auf kognitive Inhalte (Exklusion rein affektiver Inhalte), eine domänenspezi-fische Erfassung und die Ankopplung an Forschungen zur Bno. Meist haben die genannten In-strumente vorwiegend positive Kritiken erhalten (bez. der SESSKO siehe Sirsch, 2003 sowie Daseking & Lemcke, 2006). Jedoch konnte von Sparfeldt, Schilling, Rost und Müller (2003) an-hand einer relativ großen Stichprobe von 907 Gymnasiasten die postulierte interne Struktur der SESSKO hinsichtlich der unterschiedlichen Bezugsnormen durch eine Hauptkomponentenanaly-se nicht verifiziert werden. Mit Ausnahme des individuellen FähigkeitsHauptkomponentenanaly-selbstkonzeptes luden die restlichen Fähigkeitsselbstkonzepte (sozial, kriterial und absolut) auf einer Komponente (siehe Sparfeldt et al., 2003, S. 330, Tabelle 2). Folglich scheint sich nur das individuelle Fähigkeitsselbst-konzept von den anderen Typen von FähigkeitsselbstFähigkeitsselbst-konzepten eindeutig differenzieren zu las-sen. Weiterhin konnten die Autoren zu relevanten Konstrukten der vier verschiedenen bezugs-normorientierten Fähigkeitsselbstkonzepte keine differentiellen Beziehungsmuster (im Sinne von diskriminanten Validitäten) feststellen. Somit sind noch Folgeuntersuchungen notwendig, um die ambivalente Forschungslage zu bereinigen.

Für die vorliegende Arbeit, bzw. deren theoretischen Fokus auf 2 × 2 kompetenzbezogene Ziele, sind besonders das individuelle Fähigkeitsselbstkonzept (IFSK) und das soziale Fähigkeits-selbstkonzept (SFSK) interessant, aufgrund der Parallelen zur Subdimension Bezugsnorm (defini-tion) der 2 × 2 kompetenzbezogenen Ziele (vgl. Abbildung 1, S. 21; im Rahmen eines 2 × 3 Mo-dells wäre außerdem das kriteriale Fähigkeitsselbstkonzept relevant). Aus den entsprechenden konzeptionellen Parallelitäten lässt sich hypothetisieren, dass das IFSK insbesondere für kompe-tenzbezogene Ziele mit intraindividueller Bn (MAP & MAV) von Bedeutung ist und dass das SFSK für kompetenzbezogene Ziele mit interindividueller Bn (PAP & PAV) eine besondere Rele-vanz besitzt. Bei der Konzeption der vorliegenden Arbeit (Ende 2003 bis Anfang 2004) war keine Untersuchung zu finden, im Kontext derer die beschriebenen Hypothesen geprüft wurden. Bevor die Beziehungen von Fähigkeitsselbstkonzepten zu Leistungsindikatoren erörtert werden, wird

1.4.2 Fähigkeitsselbstkonzepte und Leistungsindikatoren

noch kurz aufgeführt, welche vier weiteren Antezedenzien (außer dem Bezugsrahmen) Bong und Skaalvik (2003, S. 3) für (Fähigkeits-)Selbstkonzepte als wichtig erachten. Das sind: (I) individuelle Kausalattributionen über eigene erbrachte Leistungen, (II) reflektierte Einschätzungen der eige-nen Leistungen durch andere wichtige Persoeige-nen (z. B. einem Lehrer oder Trainer), (III) Erfah-rungen von Aufgabenbeherrschung („mastery“) sowie (IV) der zentrale Selbstwert, der sich in eigenen Fähigkeitseinschätzungen über verschiedene Domänen niederschlage26.

1.4.2 Fähigkeitsselbstkonzepte und Leistungsindikatoren

Bislang wurde noch nicht erläutert, warum den Fähigkeitsselbstkonzepten so viel Aufmerk-samkeit in den einschlägigen Disziplinen geschenkt wurde. Dieser Sachverhalt liegt in der Tatsa-che begründet, dass sich bei entspreTatsa-chenden Untersuchungen und Metaanalysen meist robuste positive Zusammenhänge von Fähigkeitsselbstkonzepten zu Leistungsindikatoren sowohl im akademischen Bereich (Schöne et al., 2003, S. 5) als auch im sportlichen Sektor gezeigt haben (Tietjens et al., 2005, S. 141). Demzufolge scheinen die jeweiligen Fähigkeitsselbstkonzepte für erreichte Leistungen/Kompetenzen relevant zu sein. Die Frage, die sich aus diesen Befunden stellt, ist die der Kausalität: Sind die Fähigkeitsselbstkonzepte bloße Resultate der Selbstwahr-nehmung der eigenen Leistungen oder können auch Leistungen Folge von Fähigkeitsselbstkon-zepten sein?

Diese Problematik ist in der einschlägigen Literatur unter der Kontrastierung des Selbst-Steigerungs-Modells („self-enhancement model“) und des Fertigkeits-Entwicklungs-Modells („skill development model“) diskutiert worden (Köller & Baumert, 2002, S. 779). Beide Modelle gehen auf die Taxonomie von Calsyn und Kenny (1977) zurück. In Bezug auf das Selbst-Steigerungs-Modell wird angenommen, dass ein positives Fähigkeitsselbstkonzept zu guten Leis-tungen führt und umgekehrt ein negatives Fähigkeitsselbstkonzept schlechte LeisLeis-tungen zur Fol-ge hat. HinFol-geFol-gen besteht beim Fertigkeits-Entwicklungs-Modell die Annahme, dass die Fähig-keitsselbstkonzepte Folge der eigenen Leistungswahrnehmungen sind (schlechte Leistungen → negatives FSK sowie vice versa: gute Leistungen → positives FSK). Insbesondere aus entwick-lungspsychologischer Perspektive ist letzteres Modell für jüngere Schulkinder recht plausibel. Wie bereits im Rahmen der theoretischen Perspektive von Dweck ausgeführt wurde (siehe Abschnitt

26 Bei diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass die (Fähigkeits-)Selbstkonzepte so konzipiert und operati-onalisiert sind, dass sie den Selbstwert explizit ausschließen (was wie bereits berichtet nicht immer der Fall ist, z. B.

Schunk & Pajares, 2002, S. 17), um eine Tautologie zu vermeiden.

1.1.2.2), spielen soziale Vergleichsprozesse, erreichte Leistungsergebnisse sowie verschiedene Bezugsnormen bei Kindern ab ca. 10 Jahren eine wichtige Rolle. Erst ab diesem Alter entwickelt sich ein ausreichendes abstraktes Verständnis von den Konzepten Zufall, Anstrengung und Fä-higkeit. Infolgedessen steigt die Veridikalität der Selbsteinschätzung eigener Fähigkeiten (Dweck, 2002, S. 63). Demzufolge sind bei Vorschul- und Grundschulkindern positiv überzogene (unrea-listische) Fähigkeitsselbstkonzepte zu finden. Erst durch die späteren abstrakten kognitiven Vor-aussetzungen und die systematisch angestellten Vergleiche der eigenen Leistungen mit den Leis-tungen anderer relevanter Akteure (interindividuelle Bn) sowie mit eigenen vergangenen Leistungsergebnissen (intraindividuelle Bn) entwickelt sich ein weniger positiv gefärbtes (realisti-scheres) Fähigkeitsselbstkonzept. Diese globale Abwärtsentwicklung des Fähigkeitsselbstkonzep-tes vom Kindergarten bis zur sechsten Klassenstufe ist beispielsweise bei Helmke (1998) be-schrieben. Demnach passt sich das Fähigkeitsselbstkonzept den erreichten Leistungen an (zumindest in dieser Altersspanne). Jedoch berichten Guay, Marsh und Boivin (2003, S. 126 f.) auch von vergleichbaren Studien in diesem Altersbereich, die das Fertigkeits-Entwicklungs-Modell weniger gut bestätigen konnten.

Stützende Befunde in Bezug auf das Selbst-Steigerungs-Modell ließen sich beispielsweise in Interventionsstudien finden, im Rahmen derer systematisch das Fähigkeitsselbstkonzept gestärkt bzw. erhöht wurde, so dass in der Folge höhere Leistungen zu registrieren waren (Green, Nelson, Martin & Marsh, 2006, S. 536). Auch bei Schülern der oberen Klassenstufen und Studierenden gibt es zunehmende Hinweise darauf, dass die Fähigkeitsselbstkonzepte die später erbrachten Schulleistungen beeinflussen (Guay et al., 2003, S. 134). Wie Marsh, Byrne und Yeung (1999) feststellen, sind einschlägige Studien zur Kausalität zwischen Fähigkeitsselbstkonzepten und ent-sprechenden Leistungen teilweise schwer vergleichbar (durch unterschiedliche Konzeptionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes, differierende Leistungsindikatoren sowie Leistungsdomänen). Weiter-hin weisen einige Studien nicht die methodische Qualität auf, um die entsprechende Frage nach der Verursachungsrichtung zu beantworten (Green et al., 2006, S. 536).

Jüngst hat die Arbeitsgruppe um Marsh ein Modell reziproker Effekte vorgeschlagen („re-ciprocal-effects model“, Guay et al., 2003, S. 124 f.), was eine Synthese der beiden diskutierten Modelle (Fertigkeits-Entwicklungs-Modell sowie Selbst-Steigerungs-Modell) darstellt. Danach wird angenommen, dass die vergangene Leistung das Fähigkeitsselbstkonzept beeinflusst und dass das Fähigkeitsselbstkonzept auf die zukünftige Leistung einwirkt. Derartige Befunde werden beispielsweise auch von Köller und Baumert (2002, S. 779) berichtet. Stützung für dieses Modell reziproker Effekte ließ sich auch im Bereich sportlicher Betätigung verzeichnen. Marsh, Chanal

1.4.3 Fähigkeitsselbstkonzepte und kompetenzbezogene Ziele

und Sarrazin (2006) konnten an einer Stichprobe von 376 Erwachsenen signifikante reziproke Effekte zwischen physischem Selbst-Konzept und gymnastischen Leistungen feststellen.

Im Rahmen eines Kohorten-Sequenz-Designs prüften Guay et al. (2003) an Schülern der zweiten, dritten und vierten Klassenstufe (mit drei Messzeitpunkten im jährlichen Abstand), ob (1) für jüngere Schüler das Fertigkeits-Entwicklungs-Modell zutrifft und ob (2) sich für ältere Schüler das Selbst-Steigerungs-Modell oder zumindest das Modell reziproker Effekte als zutref-fender erweist, als das Fertigkeits-Entwicklungs-Modell. Erstaunlicherweise konnten die Autoren keine derartigen entwicklungspsychologischen Muster in ihren Daten finden. In Bezug auf das Fähigkeitsselbstkonzept zeigten sich zwar mit zunehmendem Alter der Kinder eine Reliabilitäts- erhöhung, eine vergrößerte Stabilität und stärkere Zusammenhänge zur Leistung (was hypothe-senkonform für eine Erhöhung der Veridikalität des Fähigkeitsselbstkonzeptes spricht), jedoch fiel das Muster der diagonalen (reziproken) Pfade in den drei Kohorten sehr ähnlich aus (siehe Guay et al., 2003, S. 132, Figure 2). Demzufolge waren auch für jüngere Schulkinder signifikante Effekte des Fähigkeitsselbstkonzeptes auf die Leistung zu registrieren. Insgesamt wies das Modell reziproker Effekte für alle untersuchten Alters- bzw. Klassenstufen die beste Passung auf (ob-wohl bei jeder Kohorte für den diagonalen Pfad „Leistung → FSK“ vom MZP 2 zum MZP 3 Insignifikanzen zu registrieren waren). Abschließend bleibt zur Beziehung von Fähigkeitsselbst-konzepten zu Leistungsindikatoren festzuhalten, dass noch mehr längsschnittliche Forschungen (möglichst an verschiedenen Kohorten) notwendig sind, um entsprechende Fragen zur Kausalität zu klären und um vermittelnde psychologische Prozesse/Konstrukte herauszustellen, die bislang noch nicht angesprochen wurden (Vorschläge für zukünftige einschlägige Forschungsdesigns unterbreiten z. B. Green et al., 2006).

1.4.3 Fähigkeitsselbstkonzepte und kompetenzbezogene Ziele

Eine mögliche vermittelnde Variable zwischen Fähigkeitsselbstkonzepten und entsprechen-den Leistungen können kompetenzbezogene Ziele darstellen. In Bezug auf die Verhältnisse von Fähigkeitsselbsteinschätzungen, Zielorientierungen und entsprechenden Leistungen existiert ein beträchtlicher Umfang an Untersuchungen sowohl im akademischen Bereich (Kaplan & Maehr, 2007) als auch im sportlichen Sektor (Duda, 2005), deren Erörterung aus Kapazitätsgründen an dieser Stelle nicht möglich ist. Weil in der vorliegenden Arbeit das 2 × 2 Modell kompetenzbezo-gener Ziele in Verbindung mit dem hierarchischen Modell der Annäherungs- und Vermeidungs-leistungsmotivation (sensu Elliot) das theoretische Grundgerüst bildet, werden nachfolgend nur einschlägige theoretische Positionen und empirische Befunde erläutert. Diesbezüglich ist jedoch

zu betonen, dass die Forschungsgruppe um Elliot bislang nicht explizit zwischen Selbstwirksam-keitserwartungen und Fähigkeitsselbstkonzepten differenziert hat. Stattdessen geht die Forscher-gruppe diesbezüglich von einem globalen Konstrukt der wahrgenommenen Kompetenz („percei-ved competence“) aus. Sie definieren es als subjektive Überzeugungen hinsichtlich des eigenen Leistungsvermögens bezüglich kompetenzrelevanter Settings (z. B. Cury et al., 2006, S. 666).

Durch diese recht allgemein gehaltene Definition ist es möglich, darunter sowohl Selbstwirksam-keitserwartungen als auch Fähigkeitsselbstkonzepte zu subsumieren. Letztlich hängt eine entspre-chende Zuordnung davon ab, ob die Wahrnehmung eigener Kompetenz mit einer konkreten und zukünftigen Leistungsanforderung in Verbindung gebracht wird (entspräche eher dem Konzept der Selbstwirksamkeitserwartungen), oder ob damit mentale Repräsentationen über eigene Fähig-keiten auf einem abstrakten Niveau für eine spezielle Leistungsdomäne (unabhängig von konkre-ten Aufgaben) verbunden sind (was dem Konstrukt des Fähigkeitsselbstkonzeptes gleich käme).

Elliot ist gemäß seiner theoretischen Modellvorstellungen der Überzeugung, dass die wahr-genommene eigene Kompetenz als unabhängige Antezedens von kompetenzbezogenen Zielen aufzufassen ist und sich insbesondere auf die entsprechende Subdimension „Valenz“ auswirke.

Demzufolge sollte die wahrgenommene eigene Kompetenz als positiver Prädiktor für Zielkatego-rien mit positiver Valenz (MAP & PAP) fungieren und für ZielkategoZielkatego-rien mit negativer Valenz (MAV & PAV) als negative Antezedens wirken. Im Unterschied zu Dweck ist Elliot der Ansicht, dass die wahrgenommene eigene Kompetenz keine moderierende Funktion in Bezug auf den Zusammenhang zwischen subjektiven Theorien und entsprechenden Leistungen ausübt (Moller

& Elliot, 2006, S. 316 f.). Zur kurzen Rekapitulation: Dweck ist der Ansicht, dass eine Unverän-derbarkeitsüberzeugung (entity theory) zur Aufnahme von Leistungszielen (performance goals) prädisponiert und es dann maßgeblich von der wahrgenommenen eigenen Fähigkeit abhängt, ob unter dieser Zielperspektive ein positives Bewältigungsverhalten bzw. positive Leistungsergebnis-se zu registrieren sind.

Im Rahmen der Studie von Cury et al. (2006), die bereits im Abschnitt 1.2.2 etwas ausführli-cher beschrieben wurde, fand ebenfalls eine direkte Überprüfung der Rolle der wahrgenomme-nen eigewahrgenomme-nen Kompetenz im Hinblick auf die Beziehungen zur Leistung und zu den subjektiven Theorien statt. Zur Erfassung der wahrgenommenen eigenen Kompetenz kam eine Fragebogen-skala von Dweck zur Anwendung (Studie 1: bez. Mathematik; Studie 2: hinsichtlich der Intelli-genz), die aufgrund ihrer Abstraktheit und Unabhängigkeit von konkreten Aufgaben als Skala zur Erfassung des Fähigkeitsselbstkonzeptes zu taxonomieren ist (Beispiel-Item der Studie 1:

„Nor-1.4.3 Fähigkeitsselbstkonzepte und kompetenzbezogene Ziele

malerweise denke ich, dass ich gut in Mathe bin.“; vgl. Cury et al., 2006, S. 669). Welche Ergeb-nisse ließen sich diesbezüglich vermerken?

Es zeigte sich, dass das Fähigkeitsselbstkonzept weder die Beziehung zwischen subjektiven Theorien zur Leistung noch den Zusammenhang zwischen kompetenzbezogenen Zielen zur Leistung moderiert. Demzufolge wurden Elliots Annahmen über die Funktion der wahrgenom-menen eigenen Kompetenz bekräftigt, so dass letztlich Fähigkeitsselbstkonzepte als unabhängige Antezedenzien von 2 × 2 kompetenzbezogenen Zielen aufgefasst werden können. Weiterhin konnte weitestgehend die Annahme verifiziert werden, dass die wahrgenommene eigene Kompe-tenz die Subdimension Valenz der kompeKompe-tenzbezogenen Ziele beeinflusst. Ähnliche bzw. ver-gleichbare Untersuchungen ließen sich bis dato nicht recherchieren (geschweige denn für den Sportbereich), was auch der Tatsache geschuldet ist, dass die zu Grunde liegenden theoretischen Konzeptionen von Elliot, bzw. die entsprechenden Publikationen, noch jüngeren Datums sind.