• Keine Ergebnisse gefunden

Sektion Familiensoziologie

Die Sektion war beim DGS-Kongress 2014 in Trier mit zwei Veranstaltun-gen vertreten.

In der ersten, von Matthias Pollmann-Schult (Berlin) und Johannes Stauder (Heidelberg) organisierten und inhaltlich offen gehaltenen Veranstaltung wurden aktuelle Projekte familiensoziologischer Forschung vorgestellt. Im ersten Vortrag berichtete Aleksandar Yankov (Düsseldorf) über eine Panel-untersuchung von Paaren in den ersten beiden Beziehungsjahren. Während für die Beziehungszufriedenheit von Frauen an erster Stelle die Vermittlung eines Gefühls der Sicherheit und Dauerhaftigkeit steht, hat bei Männern die physische Attraktivität ihrer Partnerin den stärksten Einfluss auf die Bezie-hungszufriedenheit. Ingmar Rapp (Heidelberg) analysierte die Verpartne-rungschance im mittleren und höheren Erwachsenenalter. Verpartnerungen sind auch im mittleren und höheren Erwachsenenalter nicht allzu selten. Im Ergebnis zeigten sich große Geschlechterunterschiede aber nur geringe Ko-hortenunterschiede der Verpartnerungschance; außerdem scheint das Bil-dungsniveau im höheren Erwachsenenalter wichtiger zu werden. Thordis Rei-mer und Björn Andernach (Bielefeld) untersuchten, ob das Elterngeld für Väter zu einer Aktivierung der Väter für die Kinderbetreuung geführt hat. Sie fan-den zwar keinen direkten Einfluss des Elterngeldes auf die mittleren väterli-chen Betreuungszeiten, wohl aber einen deutliväterli-chen Zusammenhang zwi-schen der Dauer genutzter Elternzeiten von Vätern und ihrer Zeit für Kin-der nach Ablauf Kin-der Elternmonate. Der Vortrag von Michael Grätz (Florenz) thematisierte die Investitionen von Eltern in ihre Kinder nach einer Tren-nung. Durch ein family-fixed-effects-Modell isolierte er dabei den Einfluss einer Trennung auf das elterliche Engagement in die Erziehung ihrer Kinder von Selektionseinflüssen, die sowohl zur Trennung der Eltern als auch zu geringen Investitionen geführt haben können. Er zeigte, dass (nur) die Tren-nung vom Vater in einer Reduktion des väterlichen Engagements resultiert.

Dies gilt aber nur für Familien mit einem niedrigen Bildungshintergrund der Eltern. Die Session schloss mit einer qualitativen Analyse von Matthias Eute-neuer und Frank Mücher (Dortmund) zu den Einflüssen familialer Übergänge auf die alltäglichen Familienkonzepte ihrer Befragten. Die Befragten reflek-tieren ihre Arbeitsteilung in der Partnerschaft nach dem Übergang in die Elternschaft überwiegend im Kontext kind- bzw. familienzentrierter Ge-samtentwürfe von Familie. Dabei scheinen eher Ideen von einer guten Kind-heit bzw. einem guten Familienleben im Vordergrund zu stehen und weniger

BE R I C H T E A U S D E N SE K T I O N E N 103 Vorstellungen von Geschlechtergerechtigkeit. Die Session endete mit einer Mitgliederversammlung der Sektion.

Johannes Stauder und Matthias Pollmann-Schult

Am Mittwochnachmittag folgte – in Kooperation mit der Sektion Soziolo-gische Netzwerkforschung – eine Veranstaltung zum Thema »Familie und Soziale Netzwerke«, die von Anja Steinbach (Duisburg-Essen) und Marina Hen-nig (Mainz) organisiert wurde. In einem ersten Vortrag stellte Tom Töpfer (Ham-burg) heraus, dass der Übergang in eine Partnerschaft eine zentrale Sta-tuspassage darstellt, die mit umfassenden Restrukturierungen der Lebenssi-tuation – auch der sozialen Einbettung – verbunden ist. Sein Vortrag fokus-sierte in diesem Zusammenhang auf zwei Fragen: a) Wie verändern sich so-ziale Netzwerke junger Erwachsener beim Übergang in Partnerschaft? b) Welche Mechanismen und Einflussfaktoren erklären intra- und interindivi-duell unterschiedliche Netzwerkdynamiken? Seine empirischen Analysen basierten auf qualitativen Längsschnittdaten von 24 Interviews des SFB 333

»Entwicklungsperspektiven von Arbeit«. Im Ergebnis zeigten sich vier zent-rale Muster der Netzwerkdynamik beim Übergang in eine Partnerschaft. Da-nach wurde auf einige Mechanismen eingegangen, die inter- und intraindivi-duelle Unterschiede von Netzwerkveränderungen erklären. Marc Szydlik, Bet-tina Insengard und Ronny König (Zürich) stellten in ihrem Vortrag die Frage, inwiefern Familien heutzutage als soziale Netzwerke begriffen werden kön-nen, insbesondere dann, wenn die Angehörigen nicht (mehr) im selben Haushalt leben. Die empirischen Befunde für 14 europäische Länder basier-ten auf dem Survey of Health, Ageing, and Retirement in Europe (SHARE). Sie belegen, dass auch jenseits von Haushaltsgrenzen ein großes Maß an sozialer Verbundenheit existiert. Vor allem Eltern und (erwachsene) Kinder über-nehmen Verantwortung füreinander und tauschen Hilfeleistungen in Form von Zeit und Geld. Andere Verwandtschaftsbeziehungen und Nichtver-wandte sind für soziale Unterstützungsleistungen ebenfalls relevant, aber im Vergleich zu den Familienmitgliedern weniger ausgeprägt. Im Vortrag von Christine Philippsen (Köln) ging es um Unterstützungsleistungen innerhalb der Gemeinschaft von Wohnprojekten als eine Form von Wahlverwandtschaft.

In einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt schließen sich ca. 20 bis 30 Haus-halte zu einer (Wohn-)Gruppe zusammen. Wichtige Motive für das gemein-schaftliche Wohnen sind gegenseitige Hilfeleistungen im Alltag, die Verhin-derung von Einsamkeit, das Erleben von Verbundenheit sowie gemeinsame Freizeitgestaltung. Wie gestaltet sich das Zusammenleben im Wohnprojekt?

Wie eng sind die sozialen Beziehungen unter den Bewohnern? Welche Arten sozialer Unterstützung werden ausgetauscht? Um diese Fragen zu beantwor-ten, wurden Gesamtnetzwerke in fünf Mehrgenerationenwohnprojekten er-hoben. Die Ergebnisse zeigen, dass sich zwar Freundschaften bilden; aber eher selektiv zu wenigen Bewohnern. Primär wird aufgrund der räumlichen Nähe instrumentelle Hilfe geleistet, wobei der emotionalen Bindung an die Gruppe größere Bedeutung zukommt. Auch im Vortrag von Julia Hahmann (Vechta) ging es um das Thema Wahlverwandtschaft. Anhand qualitativer Interviews mit Personen über 50 Jahren wurde gezeigt, dass Familien der Wahl in verschiedenen Ausprägungen gelebt werden, insbesondere dann, wenn Personen alleinlebend sind bzw. lange Phasen des Alleinlebens erlebt haben. Der Vortrag beleuchtete daher, inwiefern Sorgen um mögliche Ver-sorgungsengpässe bei derzeitig älteren Personen, die ohne oder in Entfer-nung von klassischen Familienformen leben, angemessen sind. Zudem machte er deutlich, dass die netzwerkanalytische Perspektive um familienso-ziologische Fragestellungen erweitert werden muss, um einerseits die Fami-lienkonstruktionen als diverse Formen der Vergemeinschaftung angemessen verstehen und erklären und andererseits die Auswirkungen auf soziale (Un-terstützungs-)Netzwerke abbilden zu können. Daniela Klaus (Berlin) und Se-bastian Schnettler (Konstanz) beschäftigten sich in ihrem Vortrag mit den in-dividuellen Folgen von Kinderlosigkeit für die Größe von Unterstützungs-netzwerken. Dazu wurde die Längsschnittstichprobe des Deutschen Alters-surverys (DEAS, 1996–2011) verwendet, die Personen ab dem 40. Lebens-jahr enthält. Erste Befunde bestätigen, dass die Netzwerke Kinderloser sig-nifikant kleiner sind als die Netzwerke der Befragten mit Kindern. Dabei geben Kinderlose signifikant mehr Freundschaftsbeziehungen sowie Bezie-hungen zu Seitenverwandten an. Damit deutet sich an, dass Kinderlose zu-mindest teilweise in der Lage sind, nicht existierende Kinder und damit auch Enkelkinder durch alternative Beziehungspersonen zu ersetzen. Weiterhin belegen die Analysen, dass die Größe der Netzwerke im Verlauf der zweiten Lebenshälfte bei Kinderlosen stärker abnimmt als bei Eltern. Relevant sind diese Befunde insbesondere deshalb, weil der Anteil älterer Menschen ohne Kinder in naher Zukunft ansteigen wird.

Anja Steinbach und Marina Hennig

BE R I C H T E A U S D E N SE K T I O N E N 105