• Keine Ergebnisse gefunden

20 Seenotkreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrü- Schiffbrü-chiger (DGzRS) sollen mit Telemedizin leistungsfähiger werden

B

ilder von Seenotrettern aus dem vergangenen Jahrhundert las-sen bei heutigen Betrachtern die Frage aufkommen, wie die mu-tigen Männer damals überhaupt Menschen aus schwerer See ber-gen konnten. Als die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchi-ger (DGzRS) am 29. Mai 1865 in Kiel ge-gründet wurde, standen den Helfern nur schlichte Ruderboote zur Verfügung.

Wenn sie Überlebende in ihr Boot zie-hen konnten, wurde diesen ein Stück Brot angeboten, damit sie sich erholen konnten.

Irgendwie gelang es ihnen trotz der bescheidenen Hilfsmittel, Men-schen zu retten. Im Laufe der Jahre wur-den die Retter immer besser ausgestat-tet. Das konnte nicht verhindern, dass es zwischendurch zu schweren Unglü-cken kam, denen auch Retter zum Opfer fielen. Eines der schlimmsten ereigne-te sich vor genau 50 Jahren, als der See-notkreuzer Adolph Bermpohl im Ein-satz vor Helgoland in einen Orkan ge-riet. Erst 16 Monate zuvor war das Schiff in Dienst gestellt worden, es galt seiner-zeit als eine der modernsten Einheiten der Seenotretter. Der vierköpfigen Be-satzung des Kreuzers gelang es zunächst, drei niederländische Fischer des Krab-benkutters „Burgemeester van Kampen“

zu retten. Aber der Kreuzer schaffte es nicht mehr in den Helgoländer Hafen, alle sieben Menschen an Bord der Adol-ph Barmpohl kamen in dieser Nacht ums Leben. In der Orkannacht vom 1.

auf den 2. Januar 1995 wurde der Seenot-kreuzer Alfried Krupp bei der Rückkehr von einem Einsatz von einer Grund-see erfasst. Zwei der vier Rettungsmän-ner blieben damals auf See. Fälle wie die-se zeigen, dass die-selbst modernste Ausrüs-tung an Bord nicht jedes Unglück ver-hindern kann. Aber sie hilft, das Risiko zu minimieren.

Seit 1980 ist die medizinische Aus-rüstung an Bord mit der von Rettungs-wagen an Land vergleichbar. Auf dem Foto links, wo Seenotretter bei einer Übung der Besatzung eines Kutters ers-te Hilfe leisers-ten, ist nur ein Bruchers-teil die-ser Ausstattung zu sehen. Fest steht, dass sich die Retter eine noch bessere Aus-stattung wünschen, um den Geretteten noch wirksamer helfen zu können. Ka-pitän Ralf Krogmann berichtete kürzlich auf dem Jahresempfang der Stiftung Ge-sundheit in Hamburg, dass dabei Tele-medizin auf Seenotkreuzern ganz oben auf dem Wunschzettel steht.

Krogmann ist der Repräsentant der DGzRS in der Hansestadt. Die DGzRS ist an zahlreichen Küstenorten in Schles-wig-Holstein, Niedersachsen und Meck-lenburg-Vorpommern präsent. Insge-samt sind an der Küste 59 modern ausge-stattete Rettungsschiffe – 20 Kreuzer und 39 Seenot-Rettungsboote – stationiert,

Foto: Di

„Wir wollen den virtuellen Notarzt auf See haben. Das ermöglicht die Überwachung der Patienten nach der akuten Phase und steigert die Sicherheit für die Patienten und für die Crew auf den Seenotkreuzern.“

um im Ernstfall in See stechen zu kön-nen. Und das passiert immer häufiger, weil immer mehr Menschen auf Nord- und Ostsee in ihrer Freizeit oder beruf-lich unterwegs sind: mit dem privaten Segelboot, als Besatzung auf den zahlrei-chen Frachtern, als Beschäftigte der Off-shore-Parks. Intensive Schlechtwetter-perioden mit anhaltenden Starkwind- und Sturmphasen lassen für all diese Be-reiche das Risiko steigen. Damit nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass Menschen von der erhofften Telemedi-zin an Bord einmal profitieren werden.

Derzeit stehen die Boote und Kreu-zer der DGzRS an 54 Stationen rund um die deutsche Nord- und Ostseeküste be-reit. An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gibt es Retter in List, Hör-num, auf Amrum, Nordstrand, Eider-damm, Büsum und Brunsbüttel. An der

Ostsee in Langballigau, Gelting, Maas-holm, Damp, Schleswig, Eckernför-de, Schilksee, Laboe (hier ist auch das Landes-Informationszentrum ange-siedelt), Lippe/Weißenhaus, Heiligen-hafen, Großenbrode, Puttgarden, Grö-mitz, Neustadt, Travemünde und Tim-mendorf.

180 haupt- und 800 ehrenamtliche Seenotretter sind im Einsatz, um rund um die Uhr und bei jedem Wetter in See stechen zu können und Hilfe zu leisten.

So konnten im Laufe der Jahre seit Grün-dung der Gesellschaft mehr als 84.000 Menschen aus Seenot gerettet werden.

Allein im vergangenen Jahr gab es über 2.000 Einsätze auf Nord- und Ostsee, die 368 Kranken- und Verletztentransporte erforderten.

Darunter sind manchmal auch un-gewöhnliche Fälle wie der vor der Feh-marnsundbrücke, wo im vergange-nen Jahr zwei Angler von einem giftigen Fisch gestochen wurden. Oder die Segel-yacht zwischen Borkum und Norderney, auf der drei Kinder mit Medikamenten-vergiftung geborgen werden mussten. In solchen Fällen ist oft der sofortige ärztli-che Einsatz notwendig. Aus einem Pool von ehrenamtlichen Ärzten wird je nach Standort und Situation ausgewählt, wer helfen könnte. Mal sind die Ärzte schon ab Auslaufen des Schiffes aus dem Hei-mathafen an Bord, mal werden sie per

Hubschrauber direkt zur Unglücksstel-le auf See gebracht. Damit die medizini-sche Hilfe noch wirksamer wird, will die DGzRS ihre 20 Kreuzer nun mit moder-ner Telemedizin ausstatten. „Das kostet je Kreuzer rund 20.000 Euro“, berichtete Krogmann auf dem Jahresempfang der Stiftung Gesundheit. Der Kapitän mach-te auch deutlich, woher das Geld kom-men muss: „Wir finanzieren uns über Spenden.“

Telemedizin könnte die Hilfe für die Geretteten an Bord noch einmal deutlich effektiver machen. Krogmann zählte auf, warum das wichtig wäre: „Die Distan-zen sind größer und die Transporte dau-ern länger.“ Hinzu kämen Erschwdau-ernis- Erschwernis-se durch Wind und Wetter. Bergung und der Transport von Patienten bei Seegang bleiben zwar trotz aller Technik eine be-sondere Herausforderung, die Arbeit an Bord könnte aber erleichtert werden.

So könnte etwa eine telemedizini-sche Beratung durch Notärzte erfolgen, wenn es nicht gelungen ist, einen Arzt an Bord zu holen. Die Telemedizin wür-de die Übertragung von Vitalparametern an ein medizinisches Zentrum und die Beurteilung durch einen Arzt erlauben, EKG-Befundungen bei Herzinfarktver-dacht oder bei Herzrhythmusstörungen könnten fernmündlich und -bildlich er-folgen, Bildmaterial von Verletzungen, Verbrennungen oder Allergien könnte

an Experten verschickt und Laienreani-mationen von Ärzten aus der Ferne ge-leitet werden.

Der „virtuelle Notarzt“, den sich Krogmann und seine Kollegen durch Te-lemedizin erhoffen, ist aus ihrer Sicht unerlässlich, um schnell auf die Heraus-forderungen reagieren zu können. Ei-nen wichtigen Schritt in diese Richtung hat die Charité-Tochter Global Health Care (GHC) schon vor einigen Jahren mit dem von ihr entwickelten System

„Aesculink“ getan. Die DGzRS hat mit der Charité und dem Unfallkrankenhaus Berlin vereinbart, dass die Ärzte dieser Häuser für eine telemedizinische Betreu-ung bereitstehen, wenn die Seenotkreu-zer entsprechend ausgerüstet sind.

Die Telemedizin ist allerdings bei Weitem nicht die einzige Technik an Bord der Seenotkreuzer, die viel Geld kostet. Allein ein Suchscheinwerfer, der für den Einsatz bei schlechtem Wet-ter und nachts unerlässlich ist, schlägt mit 12.000 Euro zu Buche. Die Moto-ren kosten 150.000 Euro, das Bugstrahl-ruder und ein Kreiselkompass jeweils 25.000 Euro. Wie auch die Telemedi-zin muss diese Ausrüstung, wie Krog-mann in Hamburg betonte, über Spen-den finanziert werSpen-den. Insgesamt konn-te die Gesellschaft im Jahr 2015 zwar 38,6 Millionen Euro Spenden für die Ar-beit der Retter einsammeln. Dieses Geld war aber schon deshalb notwendig, weil nicht ein Euro aus Steuergeldern an die Gesellschaft fließt. Sollte die Spenden-sammlung für die Telemedizin gelingen, könnte dies die Überlebenschance für die Geretteten also erhöhen. Eines aber wird sich trotz aller Technik auch künf-tig nicht von den Anfängen der DGzRS und den Männern im Ruderboot unter-scheiden: Seenotrettung bliebt auch wei-terhin abhängig von den Menschen, die bereit sind, bei Wind und Wetter ihr Le-ben zu riskieren, um Schiffbrüchigen zu helfen. Dirk Schnack Kapitän Ralf

Krog-mann, Repräsentant der DGzRS in Ham-burg, wünscht sich künftig Telemedi-zin an Bord der See-notkreuzer. Die Kos-ten liegen bei rund 20.000 Euro je Kreu-zer – das Geld müsste die Gesellschaft aus-schließlich über den sammeln. Spen-denkonto: Sparkasse Bremen IBAN: DE36 2905 0101 0001 0720 16 BIC: SBREDE22 Info: www.seenotret-ter.de

N I E D E R L A S S U N G

Praxiskonzept