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Die andere Seite des Schreibtischs

Im Dokument Gute Presse ist ein Grundrecht (Seite 54-60)

Von Andreas Möller

W

enn eine Mail aufpoppt oder das Telefon klingelt, versichern PR-Leute gern, muss es rasend schnell gehen. Dass die Public Relations (PR) dem Jour-nalismus zu Diensten seien, wird niemand bestreiten. Karriere wege verlaufen deshalb wie beim Verhältnis von Politik und Lobby is- mus zumeist in eine Richtung: vom Journalismus in die PR. Man könnte auch sagen: vom höheren Maß an Unabhängigkeit und symbolischem Kapital (mancher meint auch: Wahrheit) hin zum geringeren.

Es mag unserem Unternehmen oder auch unserer Branche, dem Maschinenbau, geschuldet sein, aber ich empfinde den Umgang mit Journalisten nicht als Getriebener. Es gibt Firmen, in denen man nachts womöglich nicht in den Schlaf findet als PR-Verantwortlicher. Doch nicht nur die Taktung, sondern auch die kommunikative Freiheit ist bei einem inhabergeführten Mittelständler wie Trumpf eine andere als bei einem Dax- Konzern.

Die nervtötenden Impulse gehen bei uns selten von Journa-listen aus – dafür zumeist von anderen PR-Leuten, Agenturen, Beratern oder ehemaligen Mandatsträgern, die mit viel Selbst-bewusstsein und Penetranz für ihre Initiativen werben oder einem etwas verkaufen wollen. Und sei es notfalls mit der subtilen Dro-hung, die Firmenleitung gut zu kennen.

53 Zerfereien mit Journalisten entstehen aus anderen Gründen.

Dass ein Zitat, für das man das Vorstandsbüro verrückt gemacht hat, gar nicht oder unter »ferner liefen« mitgeht, was dann im Vorstandsbüro wiederum für Kopfschütteln sorgt: geschenkt. Es ist das klassische Dilemma aus Nah- und Fernhorizont: Für einen selbst tut sich der Himmel auf, wenn man binnen zwei Stunden aus der Chefetage einen Satz zur Lage der Nation besorgt hat. Für das journalistische Gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches ist der O-Ton von ganz oben nur einer von vielen.

Journalisten fehlt nicht selten das Verständnis für die Abläufe in Unternehmen, was Prozesse, interne Recherchen und Freigaben angeht. Im Kalender eines CEO finden sich zwischen Vorstands-arbeit, Aufsichtsratsmandaten und sonstigen Gremien nur wenige freie Slots – Journalisten haben oft keine Vorstellung davon, wie der Alltag im Top-Management aussieht. Oder sie glauben, alles müsse stehen und liegen bleiben, sobald sie anrufen. Dass wirt-schaftliche oder technische Zusammenhänge falsch oder zumindest verkürzt dargestellt werden, kommt ebenfalls vor.

Was mich abseits der Unternehmensberichterstattung beun-ruhigt, ist das Vordringen des viel beklagten Meinungsjournalismus.

Die Liste der kampagnengeeigneten Themen wird immer länger:

Sie reicht mittlerweile von der Vermögens- und Erbschaftssteuer über die Energie- und Klimapolitik bis hin zur Mobilität und Landwirtschaft. Vielleicht wird man selbst ein sonderbarer Kauz, wenn man zu viel Zeit auf der anderen Seite des Schreibtisches verbringt. Aber ich bleibe oft sprachlos zurück, wenn ich, zumeist im Fernsehen, einen Kommentar mit Bezug zur Wirtschaftspolitik höre. Von der Unverblümtheit der Haltung mal abgesehen, fehlt mitunter die journalistische Empathie für jene Realität, wie sie sich für Unternehmen zwischen Weltmarkt und Gesellschaft darstellt.

Das ist bedauerlich.

Es ist wahr: Journalisten müssen berichten, was ist. Ihre Sicht auf die Dinge muss die Perspektive der Allgemeinheit widerspie-geln, wenngleich die gesellschaftliche Mitte nicht nur politisch heute so fragil ist wie selten zuvor. PR-Leute müssen hingegen vertreten, was ihrem Unternehmen nutzt. Und doch gibt es ein implizites Abhängigkeitsverhältnis. So kann die wirtschaftliche Situation vieler Verlage die PRler nicht kalt lassen – sondern muss sie ängstigen. Denn der Stellenabbau in den Redaktionen wirkt sich über kurz oder lang negativ auf die Qualität der Berichterstat-tung aus.

Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Journalismus und PR hat sich verändert, sondern auch die digitale Welt um diese beiden ehemals exklusiven Antipoden herum. Wenn Mathias Döpfner von einem »Prinzip Zeitung« spricht, das nicht »social« sei, meint er damit: Im Journalismus entscheidet nicht eine anonyme soziale Konstellation darüber, was wie oft geteilt und als »wahr« empfun-den werempfun-den soll, sondern ein klar iempfun-dentifizierbarer Absender:

ein Verlag. Eine Redaktion. Ein Redakteur oder eine Redakteurin.

Dieses Prinzip gilt auch in der Unternehmenskommunikation.

Ja, man könnte angesichts der vielen vergifteten Pfeile aus dem digitalen Raum sogar eine Parallele zum Journalismus ziehen und sagen: Es gibt nicht nur die Geburt des Prinzips Zeitung aus dem Geiste des Internets und der Kampagnen-Industrie, sondern auch das »Prinzip PR«, das den Grundsatz der Autorenschaft und Faktentreue, vor allem aber den der sprachlichen Verhältnismä-ßigkeit niemals verlassen darf.

Mir scheint deshalb, dass diejenigen, die über Wirtschaft schreiben, und diejenigen, die in den Pressestellen sitzen, eine doppelte Basis haben: Beide Berufsgruppen kreisen nicht nur um denselben Gegenstand, sondern gehören auch zu jenen arkanen Gattungen, die sich nicht nur einander, sondern

zuneh-mend auch vielen parajournalistischen Stimmen im Netz gegen-übersehen.

So betrachtet, ist es bei aller notwendigen Distanz in einem höheren kulturellen Sinne vielleicht angezeigt, sich als die zwei Teile einer gemeinsamen Geistes- und Arbeitshaltung zu betrach-ten, die von Fakbetrach-ten, Autorisierungen und Urheberrechten lebt.

Von Absendern mit realen Namen und ebensolchen Adressen.

Von Maß und Mitte statt Radikalismen in Inhalt und Sprache.

Ande renfalls hätten das Prinzip Zeitung und das Prinzip PR viel zu verlieren.

Dr. Andreas Möller leitet die Unternehmens-kommunikation beim schwäbischen Maschinenbau-unternehmen Trumpf. Der promovierte Historiker schreibt auch Bücher zum Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft.

rog.qxp_210x297 08.03.17 15:31 Seite 1

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