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2. Literaturübersicht

2.4 Schmierschicht

2.4.1 Entstehung und Definition der Schmierschicht im Wurzelkanal

Während der Wurzelkanalaufbereitung entsteht sowohl bei der manuellen als auch bei der maschinellen Technik, hier allerdings in etwas geringerer Menge, an der Kanalwandoberfläche eine Schmierschicht aus organischen und anorganischen Komponenten.

Man unterscheidet einen circa 0,5-2,0 µm dicken äußeren Anteil und einen inneren Anteil, der die Dentinkanälchen bis in eine Tiefe von etwa 40 µm penetriert. Beide Schichten setzen sich annähernd gleich zusammen, nämlich aus einer Mischung von anorganischen Dentinpartikeln, organischen Resten von nekrotischem oder vitalem Pulpagewebe, Fragmenten von Odontoblastenfortsätzen, Mikroorganismen und Blutzellen. Mikroskopisch besteht die Schmierschicht typischerweise aus einer ungeordneten Mischung von Kollagen, dem amorphen Anteil der Schmierschicht, und Mineralien als granulären Anteil [1,14,66,91,179,182,183,189,192].

2.4.2 Eigenschaften und Funktion der Schmierschicht

Über die Belassung oder Entfernung der Schmierschicht wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert. Der Vorteil einer Schmierschicht besteht sicherlich darin, die Anheftung der Bakterien an der Dentinoberfläche und deren anschließendes Eindringen in die Dentinkanälchen physikalisch weitgehend zu verhindern. Allerdings muss diesbezüglich auch erwähnt werden, dass eine vorhandene Schmierschicht die Bakterieninvasion lediglich verzögert, indem sie die Dentinpermeabilität um bis zu 78,5 % herabsetzt [91], sie aber nicht völlig unterbinden kann [89,95,99]. Auch der Durchtritt von Stoffwechselprodukten der Bakterien wird vermutlich zwar eingeschränkt, die ausgeschiedenen Säuren können aber die Schmierschicht auflösen und die Dentinkanälchen auf diese Weise wieder für die Bakterieneinwanderung öffnen. Dennoch leistet die Schmierschicht, die bei jeder Art der Präparation von Zahnhartsubstanz entsteht, bei vitalen Zähnen auch eine gewisse Schutzfunktion gegenüber Flüssigkeitsbewegungen durch das Dentin hindurch zur Pulpa, auf

der Wurzelkanalbehandlung ist jedoch zu sehen, dass gleichzeitig das Eindringen von antibakteriellen Desinfektionsmitteln in tiefere Wurzeldentinschichten erschwert und dadurch die Elimination bereits in die Dentinkanälchen eingewanderter Bakterien verschlechtert wird.

Außerdem steht eine Schmierschicht der dichten Anlagerung von Sealer und Wurzelfüllmaterial an die Wurzelkanalwand im Wege, da sie die Diffusion von kleinen und großen Molekülen in die oberflächlichen Dentinareale nicht erlaubt [26,106]. Daher ist es ratsam, die Schmierschicht nach der Aufbereitung des Wurzelkanals zu entfernen, um die Diffusionsfähigkeit der Desinfektionsmittel in die Dentinkanälchen zu verbessern, zumal diese häufig auch selbst mit Bakterien infiziert ist [8,14,21,58,78,132,179,204].

2.4.3 Entfernung der Schmierschicht

Derzeit werden zur Entfernung der Schmierschicht sowohl chemische als auch mechanische Verfahren, ER:YAG-Laser (Verdampfung von Gewebe) und Ultraschalltechniken angewandt.

Als Reinigungslösungen werden dabei Säuren bevorzugt, weil sich die kleinen Partikel der Schmierschicht mit ihr gut von der Kanalwand lösen lassen [14,183]. Am häufigsten im klinischen Alltag eingesetzt werden Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) oder Zitronensäure und Natriumhypochlorit (NaOCl). Die Zitronensäure entfernt die Schmierschicht und spült Bakterientoxine aus dem infizierten Dentin aus. EDTA löst vor allem anorganische Auflagerungen auf. NaOCl zersetzt nekrotisches und vitales Gewebe, vor allem das Kollagen, besitzt antimikrobielle Eigenschaften und dient als Gleitmittel bei der Instrumentierung [70].

Durch den Ätzvorgang der Dentinoberfläche bei der Schmierschichtentfernung werden die Schmierschichtplugs aus den Dentinkanälchenöffnungen herausgelöst und das Kollagennetzwerk freigelegt, so dass die Dentinkanälcheneingänge größtenteils geöffnet sind.

Durch die Säureeinwirkung verliert das Kollagen seine Faserstruktur und wird denaturiert, wobei auch die geordnete Helixstruktur der Kollagenfibrillen verloren geht. Nur teilweise denaturiertes Kollagen kann ebenso wie die Mineralien nicht vollständig entfernt werden, so dass sich das dann ungeordnete Kollagen als eine gelartige Matrix um die zurückgebliebenen Mineralien lagert und die intertubuläre Dentinoberfläche dadurch weich erscheint. Der Mineraliengehalt des Dentins nimmt jedoch durch die Säurebehandlung beträchtlich ab, wodurch wiederum auch die physikalischen und mechanischen Eigenschaften des Dentins verändert werden. Der mittlere Durchmesser der Dentintubulieingänge erhöht sich dabei von

1,5 µm auf 4,0 µm. Gleichzeitig nimmt die Dentinpermeabilität um das Fünffache zu und erleichtert zusätzlich sämtliche Diffusionsvorgänge [134,179,192].

Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass 20 % der infizierten Zähne nach einer Spülung mit Zitronensäure und NaOCl immer noch Bakterienkolonien enthalten. Als Grund dafür wird eine mangelhafte Benetzung der Kanalwände angenommen, bedingt durch die relativ hohe Oberflächenspannung dieser Substanzen [16]. Während im zervikalen und medialen Wurzelkanaldrittel die vollständige Schmierschichtentfernung von der Kanalwand meist problemlos gelingt, wird im apikalen Drittel teilweise noch eine Schmierschicht zurückgelassen, wobei unterschiedliche Einwirkzeiten von einer, drei und fünf Minuten dabei keine größere Rolle zu spielen scheinen. Was die Applikationform der Spüllösung anbelangt, eignet sich die Spritzentechnik meist besser als niedrige Ultraschallenergie, da die Spritzentechnik verglichen mit der Ultraschalltechnik eine bessere taktile Kontrolle der Injektionstiefe und -volumina erlaubt [188]. Im Gegensatz dazu verbessert eine zusätzliche passive Ultraschallaktivierung nach einer Handaufbereitung des Wurzelkanals die Entfernung von Debris deutlich, so dass gegenüber der rein manuellen Spül- und Aufbereitungstechnik statt rund 30 % Debris nur noch circa 15 % im Wurzelkanal zurückbleiben [26]. Durch die mechanischen Ultraschallbewegungen, die unter Aufwendung von hohen Energiemengen mittels dünner, frei schwingender Feilen der Größe ISO 15 im Wurzelkanal erzeugt werden, entsteht Wärme, die die Wirksamkeit des NaOCl nochmals in etwa um den Faktor 100 verbessert, da die Lösung bei 40 °C in ihre verschiedenen Spaltprodukte dissoziiert [162,188,204]. Außerdem bewirken die oszillierenden Bewegungen bei der Ultraschallspülung ein Zu- und Abnehmen des hydrostatischen Druckes im Wurzelkanal.

Dabei bilden sich Gasblasen, die das Chlorid aufnehmen und verteilen und gleichzeitig den Debris in Richtung Wurzelkanalausgang treiben [108].

Die Wirkungsweise des EDTA beruht auf einer Chelatreaktion mit den anorganischen Bestandteilen des Dentins, also den Kalziumionen im Hydroxylapatit, und ist damit vor allem abhängig von der Kontaktzeit mit dem Dentin. Diese Reaktion führt zu einer Freisetzung von Wasserstoffprotonen, wodurch der pH-Wert in der Umgebung in den stark sauren Bereich absinkt und die Chelationen in einem selbst-limitierenden Effekt verbraucht werden.

Innerhalb von sieben Stunden stellt sich bereits mit bis zu 73 % der verfügbaren anorganischen Dentinkomponenten ein Gleichgewicht ein [26,59,99]. Auch die Dentindemineralisation limitiert sich selbst, indem sich während der fortlaufenden Demineralisation die zurückbleibende organische Matrix auf der Kanalwandoberfläche

ablagert und somit eine weitere Auflösung der anorganischen Dentinkomponenten verhindert.

Da EDTA jedoch auch die Makrophagen des wirtseigenen Abwehrsystems inhibiert und im Zuge dessen die Entzündungsmechanismen bei periradikulären Läsionen verändert, sollte ein Überpressen der Spüllösung in das periapikale Gewebe vermieden werden, um dessen Ausheilung nicht zu gefährden, beziehungsweise dieses durch gewebetoxische Reaktionsprodukte des EDTA erst gar nicht zu schädigen [14,26,52,99,183].

Crumpton et al. [26] führten quantitative Analysen zur benötigten Menge an 17 % EDTA für eine effektive Entfernung der Schmierschicht nach maschineller Wurzelkanalaufbereitung durch und sprachen sich für eine Kombination aus EDTA und NaOCl aus. Sie empfehlen zuerst eine Spülung mit 1 ml 17 % EDTA, das für ein bis drei Minuten im Wurzelkanallumen belassen werden sollte, und danach eine Abschlussspülung mit 3 ml 5,25 % NaOCl. Bereits eine Einwirkzeit von zehn Minuten verursacht nämlich sowohl bei Verwendung von EDTA als auch bei Zitronensäure, Tetracyclin und Phosphorsäure ausgeprägte Erosionen, die infolge einer Demineralisation des peritubulären und intertubulären Dentins zum Bruch von intertubulären Septen führen. Deshalb sind ihrer Meinung nach drei Minuten Einwirkzeit völlig ausreichend, zumal auch berücksichtigt werden sollte, dass durch die Anwendung von 5 % NaOCl als Abschlussspülung weitere Veränderungen des Kollagens hervorgerufen werden können. Außerdem führt die Oxidationsreaktion zwischen NaOCl und EDTA zu einem sehr langsam fortschreitenden Abbau der EDTA-Verbindungen. Die Komplexierungseigenschaften des EDTA werden dadurch jedoch in einer klinisch relevanten Zeit nicht eingeschränkt [52].

Nakashima und Terata [99] fanden heraus, dass die Permeablität des Wurzeldentins nach Behandlung mit EDTA-Lösungen von 3 % und 15 % in gleichem Maße ansteigt, so dass angenommen werden kann, dass die Permeabilität nicht wesentlich durch die Beschaffenheit des erweichten, demineralisierten peri- und intertubulären Dentins und den Grad der Dentinkanälchenöffnung beeinträchtigt wird. Daher erscheint für die klinische Anwendung eine 3 % EDTA-Lösung als ausreichend und sinnvoll, da EDTA mit einer Konzentration von 15 % das benachbarte Dentin erheblich stärker demineralisiert und erweicht [143].

Bis heute steht allerdings noch keine Spüllösung zur Verfügung, die sowohl die organischen als auch die anorganischen Bestandteile der Schmierschicht sicher entfernen kann. Sowohl ein neu entwickelter Medikamentenmix, der unter dem Namen MTAD gehandelt wird, als auch EDTA lassen geringe Mengen an organischem Material an der Wurzelkanaloberfläche

zurück [14]. Deshalb wird in der Praxis meist eine Kombination aus EDTA, welches das Dentin demineralisiert, und NaOCl, das hauptsächlich die organischen Pulpareste auflöst, eingesetzt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Qualität der Schmierschichtentfernung von der verwendeten Spüllösung, deren pH-Wert und der Einwirkzeit, weniger jedoch vom applizierten Spülvolumen abhängt. Für eine Spülung mit 17 % EDTA ist ein Applikationsvolumen von 1 ml und eine Einwirkzeit von einer Minute ausreichend [26,52,188].