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Schiitische Gruppierung: „Hizb Allah“ („Partei Gottes“)

B. ISLAMISTISCHER EXTREMISMUS UND

3. ISLAMISTISCHER EXTREMISMUS

3.2 Schiitische Gruppierung: „Hizb Allah“ („Partei Gottes“)

„HIZB ALLAH“ („PARTEI GOTTES“)

GRÜNDUNG: 1982 im Libanon

SITZ: Libanon, weltweite Verbreitung

„Hizb-Allah“-naher „Gemeinden“

GENERALSEKRETÄR: Hassan NASRALLAH

MITGLIEDER: ca. 90 Baden-Württemberg (2015: ca. 90) (Deutschland 2015: ca. 950)

INTERNETPORTAL: „al-Ahed“ („Das Versprechen“)

RADIO: „an-Nur“ („Das Licht“)

Die „Hizb Allah“ ist die bedeutendste schiitisch-islamistische Organisation im Libanon. Seit ihrer Gründung im Jahr 1982 unterhält sie sehr enge Verbindungen zu staatlichen und religiösen Institutionen Irans. Sie strebt eine theokratische Herr -schaftsform an („Wilayat al-Faqih“: „die Herrschaft der islamischen Rechtsgelehrten“), in der die durch Islamgelehrte ausgelegte Religion über allem steht. Volkssouve-ränität ist nicht vorgesehen. Wichtige Bestandteile der „Hizb-Allah“-Ideologie sind der Hass auf den Staat Israel und das Ziel, ihn zu zerstören.

Anlass für die Entstehung der „Hizb Allah“ war der Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon zu Beginn der 1980er Jahre. Mit starkem iranischem Einfluss wurde eine Miliz der Organisation gegründet, die „al-Muqawama al-Islamiya“ („Islamischer

9 Vgl. hierzu den Abschnitt „Die Einstellung der MB zur Gewalt“.

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73 PROPAGANDAINSTRUMENTE

„AL-MANAR“ UND DAS INTERNET

Der „Hizb-Allah“-Fernsehsender „al-Manar“ („Der Leuchtturm“) ist eine ef-fektive Plattform für die Propaganda der Organisation. Seit 1991 ist er im Li-banon lokal auf Sendung, im Jahr 2000 begann die weltweite Ausstrahlung des Programms über Satellit rund um die Uhr. Am 29. Oktober 2008 erließ das Bundesministerium des Innern eine Verbotsverfügung gegen den Sender.

Sie wurde damit begründet, dass sich

„al-Manar“ u. a. gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte und das friedliche Zusammenleben von Deut-schen und Ausländern gefährde. Den-noch ist der Sender in Europa weiter-hin über verschiedene Satellitenbe-treiber zu empfangen. Mit professionell produzierten Videoclips wird auf dem Sender das „Märtyrertum“ gepriesen und zu Spenden für „Hizb-Allah“-nahe

Organisationen aufgerufen. In gen und Videoclips wird Israel das Exis -tenzrecht abgesprochen.

Es gibt auch zahlreiche Internetseiten, die der „Hizb Allah“ nahestehen und auf Arabisch, Englisch und vereinzelt auch Französisch ihre Botschaften ver-breiten. Diese Medien dienen ebenfalls als Plattform für die Helden- und Mär-tyrerverehrung.

NASRALLAHS REDEN 2016

Alle Reden des Generalsekretärs NAS-RALLAH werden auf „al-Manar“ aus-gestrahlt und über das „Hizb-Allah“-Propagandaorgan „al-Ahed“ im Inter-net verbreitet. Ein wesentliches Thema war im Jahr 2016 die Rechtfertigung des militärischen Engagements der „Hizb Allah“ in Syrien. In diesem Zusammenhang betonte NASRALLAH nachdrück -lich, dass die „Hizb Allah“ dort keine eigenen Interessen vertrete, sondern übergeordnete humanitäre Werte ver-teidige.

Am 6. Mai 2016 konfrontierte NAS-RALLAH die syrische Opposition, die in Genf an den Friedensverhandlungen teilnimmt, mit Vorhaltungen, sie reprä -sentiere nicht das syrische Volk und habe keine Armee in Syrien; er

bezeich-I S L A M bezeich-I S T bezeich-I S C H E R E X T R E M bezeich-I S M U S U N D T E R R O R bezeich-I S M U S

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Widerstand“). Ihr erklärtes Bestreben war zu dieser Zeit unter anderem die Ver-treibung der Israelis aus dem Südlibanon.

Seit 1992 ist die „Hizb Allah“ durch ihre Mandatsträger auch als politische Partei fest etabliert. Derzeit stellt sie zwölf von 128 Parlamentsabgeordneten und drei Minister in der libanesischen Regierung.

Mit großzügiger finanzieller Unterstützung durch Iran betreibt die „Hizb Allah“

in ihren Hochburgen karitative Infrastrukturprojekte wie Schulen, Kranken- und Waisenhäuser. So erzielt sie vor allem bei der schiitischen Bevölkerungsgruppe Rückhalt.

Weltweit verübte die „Hizb Allah“ in den 1980er und 1990er Jahren Attentate gegen US-amerikanische und jüdische Einrichtungen. Außerdem gehört Geisel-nahme zu ihren Methoden. Sie schreckt nicht davor zurück, ihren Willen mit Gewalt gegen innenpolitische Gegner durchzusetzen. Die Organisation verherr-licht das Märtyrertum. Auf diese Weise kann sie ihre Anhänger leichter zu Selbst-mordattentaten und zur Teilnahme an militärischen Handlungen motivieren.

2013 wurde der militärische Flügel der „Hizb Allah“ in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen.

Am 25. Mai 2013 verkündete „Hizb-Allah“-Generalsekretär Hassan NASRALLAH offiziell das militärische Engagement der „Hizb Allah“ in Syrien. Seither kämpfen tausende „Hizb-Allah“-Anhänger auf Seiten des diktatorischen Assad-Regimes.

„Hizb-Allah“-nahe „Gemeinden“ sind weltweit verbreitet. In Baden-Württemberg werden der Organisation etwa 90 Anhänger zugerechnet.

Am 2. Juli 2016 fanden in Berlin, Frankfurt am Main und Nürnberg Demonstrationen zum „al-Quds-Tag“10statt. Zumindest in Ber-lin wurden israelfeindliche Parolen skandiert.

EREIGNISSE IM JAHR 2016:

10 Siehe hierzu S. 76 f.

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Libanonkrieges im Jahr 2006 weiterhin bewaffnet zu bleiben. Damit widersetzt sie sich der Durchsetzung der UN-Re-solution 1701 vom 11. August 2006, die eine Entwaffnung aller Gruppierungen außer der libanesischen Armee verlangt.

Dass die Bewaffnung der „Hizb Allah“

jedoch in erster Linie zum Machterhalt und zur Durchsetzung ihrer eigenen Belange dient, zeigte sich im Mai 2008:

Damals sah sie ihre Interessen im Li-banon gefährdet und erhob die Waffen gegen die eigenen Landsleute.

NASRALLAH übte auch 2016 fortge-setzt Kritik an der Takfir-Ideologie12von jihadistischen Gruppierungen wie dem

„Islamischen Staat“. Diese sind aktuell die mächtigsten Gegner des Regimes in Syrien – ein Sturz Assads würde die

„Hizb Allah“ deutlich schwächen. Zu -dem sind die Schiiten in den Augen der Jihadisten Ungläubige und hätten im Falle eines Sieges des IS das Schlimms te zu erwarten. In einer Rede vom 6. März 2016 bezeichnete NASRALLAH die Takfiristen als Bedrohung für alle Mus-lime und Christen. Von der „Hizb Allah“

gehe hingegen keine Gefahr für die Chris ten im Libanon aus, was sie be-reits während des Bosnienkriegs in den 1990er Jahren bewiesen habe: Seinerzeit seien zwar an libanesischen Chris

-ten Racheakte für das Leid der bosni-schen Muslime verübt worden, die

„Hizb Allah“ selbst habe aber zu dieser Zeit in Bosnien an der Seite der „sunni -tisch-muslimischen Brüder“ gekämpft.

Die Glorifizierung der Märtyrer, die Pro -pagierung des Märtyrertums generell und die Gewaltanwendung als Wesens kern der Ideologie der „Hizb Allah“ for -cierte NASRALLAH auch 2016. Vier von zwölf seiner Reden dienten dem Geden-ken an Märtyrer des laufenden Jahres.

Kanada, die USA, Frankreich, die Nie-derlande und Israel sowie seit März 2016 der Golf-Kooperationsrat und die Ara-bische Liga stufen die „Hizb Allah“ als Terrororganisation ein. Ihr militärischer Flügel wurde 2010 von Neuseeland und 2013 von der EU zur Terrororganisation erklärt. Australien klassifizierte die „Ex -ternal Security Organisation“ (ESO)13 der „Hizb Allah“ 2003 als terroristisch.

Von den US-Sanktionen gegen die „Hizb Allah“ und deren Finanziers sowie von den Einstufungen als Terrororganisation gibt sich NASRALLAH allerdings un-beeindruckt. Am 24. Juni 2016 erklärte er, die Unterstützung durch Iran mache die „Hizb Allah“ immun gegen solche Sanktionen:

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nete die Oppositionellen als „Söldner“

(im Sinne von Vasallen ausländischer Mächte). Damit versuchte er offenbar da von abzulenken, dass die „Hizb Allah“, die als libanesische Gruppierung das syrische Regime gegen die Opposition militärisch unterstützt, selbst kaum durch die Mehrheit der syrischen Be-völkerung legitimiert ist.

Durch ihr militärisches Engagement in Syrien hat die „Hizb Allah“ Terroran-schlägen auf libanesischem Boden den Weg bereitet. Folglich stehen die „Hizb-Allah“-Führung und damit auch NASRALLAH im eigenen Land unter Recht -fertigungsdruck, was seine Reden der letzten Jahre immer deutlicher zeigten.

NASRALLAH versuchte in einer Rede am 1. Juli 2016, die einheimische Bevöl kerung von der angeblich guten Sicher -heitslage im Libanon zu überzeugen.

Damit wollte er vermutlich den Vorwurf entkräften, die „Hizb Allah“ habe mit

ihrem militärischen Eingreifen in Syrien auch den Libanon in Gefahr gebracht.

Charakteristisch für NASRALLAHs Re -den sind nach wie vor seine hasserfüll-ten Ausfälle gegen Israel. Seit Jahren äußert er sich sehr häufig zum „Jihad“

und den „Märtyrern“ in „Palästina“. An -lässlich des „al-Quds-Tags“ am 2. Juli 2016 sprach er – zum wiederholten Mal – dem Staat Israel das Existenz-recht ab:

Es muss mit aller Bestimmt-heit ausgesprochen werden, dass Palästina vom Meer bis zum Fluss reicht11. Sein Territorium ist besetzt, wurde widerrechtlich angeeignet und gestohlen von seinem legitimen Volk und Besitzern. Es muss eben-falls bekräftigt werden, dass der Faktor Zeit das widerrechtlich Angeeignete und Geraubte nicht zum rechtmäßigen Eigentum des Räubers und Plünderers macht, selbst wenn die ganze Welt es als solches anerkennt. (…) Es ist ver-boten, dieses Gebilde [d. h. Israel]

anzuerkennen, ihm nachzugeben und ihm Zugeständnisse zu machen.

Stattdessen muss es ausgelöscht werden und den Besitzern müssen wieder die vollen Rechte zuerkannt werden.

Die Gegnerschaft zum israelischen Staat dient der „Hizb Allah“ nicht zuletzt als Vorwand, um auch nach dem Rückzug von dessen Armee aus dem Südlibanon im Mai 2000 und nach Beendigung des

Hassan NASRALLAH

11 Gemeint ist ein palästinensischer Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan, den die palästinen-sische HAMAS bis heute anstrebt.

12 „Takfir“ bedeutet, andere Muslime zu Ungläubigen erklären. Vor allem jihadistische Gruppie -rungen greifen exzessiv auf diese Vorgehensweise zur Delegitimierung ihrer Gegner zurück.

Diese sind definitionsgemäß Feinde, die bekämpft werden müssen und ihre Rechte als Muslime verwirkt haben.

13 Die ESO plant, koordiniert und führt Terrorattentate außerhalb des Libanons durch.

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77 Dieselbe Parole war in Sana, Teheran,

Bagdad, Beirut und Damaskus zu hören. Trotz allem gaben sie nicht auf. Die Botschaft ist klar. Man kann die Völker und Regierungen dieser Achse – selbst mit der Macht von Eisen, Feuer, Mord, Massakern, Kriegen, Medienmanipulation, sektiererischer Hetze und Anschul-digungen – nicht dazu bringen, Palästina aufzugeben (…)

Das Verhältnis zwischen „Hizb Allah“

und Israel bezeichnete er als „offenen Krieg“.

Auch in Berlin findet jährlich am Sams -tag nach dem „al-Quds-Tag“ eine De-monstration statt, die unter anderem von „Hizb-Allah“-Anhängern organisiert wird. Bei dieser Veranstaltung werden oftmals antiamerikanische und antiisrae lische Parolen gerufen und auf Spruch -bändern gezeigt.

Am 2. Juli 2016 versammelten sich ca.

800 Personen zu einer Kundgebung mit anschließendem Protestzug. Das Spek-trum israelfeindlicher Parolen reichte von „Zionisten sind Faschisten“ über

„Kindermörder Israel“ bis zu „Tod Is-rael“. Seitens der Versammlungsbehörde hatte es zwar genaue Auflagen bezüg-lich der zulässigen Symbole und Parolen gegeben, diese wurden jedoch teilweise

nicht eingehalten. Trotz Verbots wurden in einigen Fällen auch „Hizb-Allah“-Flaggen gezeigt bzw. Kleidungsstücke mit entsprechender Symbolik getragen.

Neben libanesischen, iranischen und palästinensischen Flaggen waren bei der Demonstration Bilder des früheren iranischen Revolutionsführers Kho-meini, des Kommandanten der „Quds-Einheit“14, Qasim SOLEIMANI, und des

„Hizb-Allah“-Generalsekretärs Hassan NASRALLAH zu sehen.

Bei der Abschlusskundgebung wurden die Koranverse 4 und 5 der 17. Sure15 auf Arabisch rezitiert, was im Kontext des „al-Quds-Tags“ als eine religiös begründete Legitimation von Gewalt ge -gen Israel zu verstehen ist.

In Frankfurt am Main fand am 2. Juli 2016 ebenfalls eine Veranstaltung anlässlich des „alQudsTags“ statt. 350 Per -sonen nahmen daran teil.

Am 1. Juli 2016 trafen sich zum „alQudsTag“ in Nürnberg ca. 20 bis 50 Demons -trationsteilnehmer. In der türkischspra-chigen Aufforderung zur Kundgebung wurde verlangt, „alle Abkommen mit dem zionistischen Israel zu zerreißen“.

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Ich sage frei weg, dass die Gehälter, Ausgaben, das Budget, die Waffen und die Raketen der Hizb Allah von der Islamischen Republik Iran sind. (…) Solange Iran Geld hat, bedeutet das, dass auch wir Geld haben. (…) Das für uns bestimmte Geld erreicht uns nicht über Banken.

Es erreicht uns auf demselben Weg, wie uns auch unsere Raketen, mit denen wir Israel bedrohen, erreichen.

Kein Gesetz kann es verhindern, dass uns dieses Geld zugeführt wird.

Passend dazu bezeichnete er den irani -schen Revolutionsführer KHAMENEI in einer Rede vom 6. Mai 2016 als „liebenden Vater“, „unseren Führer“, „Meis -ter“ und „Imam“.

„HIZB ALLAH“: TERRORORGA -NISATION UND MILITÄRMACHT

Nach Auffassung der „HizbAllah“Füh -rung ist der syrische Bürgerkrieg ein

„Beispiel für eine ausländische Intervention“. Mit dieser Begründung unter -stützt sie die Seite des Regimes. Der wirkliche Grund für ihr militärisches Eingreifen liegt allerdings darin, dass die Organisation in vielerlei Hinsicht von Syrien abhängig ist und daher ein Interesse daran hat, dass der syrische Staatschef Assad an der Macht bleibt.

An der Unterstützung für das Assad-Regime zeigt sich, dass das Recht auf Selbstbestimmung eines Volkes und demokratische Grundprinzipien für die

„Hizb Allah“ keine Rolle spielen. Mo-mentan sind in Syrien ca. 6.000 bis 8.000

„HizbAllah“Kämpfer im Einsatz. Kon -servativen Schätzungen zufolge wurden seit 2013 gut 1.500 von ihnen getötet, darunter auch ausgebildete Kämpfer der libanesischen Organisation sowie Dutzende hochrangiger Kommandeure.

DER „AL-QUDS-TAG“ UND DIE VERNICHTUNG ISRAELS

Der von Ayatollah Ruhollah Khomeini 1979 ins Leben gerufene „al-Quds-Tag“

(„Jerusalem-Tag“) ist in Iran ein gesetz-licher Feiertag. Am letzten Freitag im Monat Ramadan wird zur internatio-nalen Solidarität der Muslime mit dem palästinensischen Volk aufgerufen. Seit 1979 wird der „al-Quds-Tag“ weltweit begangen; 2016 fiel er auf den 1. Juli.

NASRALLAH hielt anlässlich des „al-Quds-Tags“ eine Rede, in der er Israel als „abnormes Gebilde“, „Fäulnisbakte-rie“ und „Krebsdrüse“ bezeichnete und ihm keine Zukunft in der Region zuge -stand. Er pries die Haltung der „Wider-stands-Achse“ gegen Israel, die nach sei ner Definition neben der „Hizb Allah“

in erster Linie Iran und Syrien umfasst:

(…) Sie [Mitstreiter der

„Widerstands-Achse“] organisierten Demonstrationen am al-Quds-Tag

und riefen: ‚Tod Amerika! Tod Israel!‘ 14 Eine Division der iranischen Revolutionsgarde, die Spezialeinsätze im Ausland durchführt.

15 „4. Und wir bestimmten für die Kinder Israel in der Schrift: ‚Wahrlich, zweimal werdet ihr auf der Erde Verderben anstiften und werdet euch in großer Hoffart erheben.‘ 5. Und wenn die Drohung für das erste Mal eintrifft, da entsenden wir wider euch unsere Diener, begabt mit gewaltiger Macht, und sie werden das Innerste eurer Wohnungen durchsuchen, und es wird die Drohung vollzogen.“ (Übersetzung: „Der Koran“, Reclam, Leipzig 1989, S. 260.)

In Deutschland leben mehr als drei Millionen Menschen türkischer Her-kunft, von denen rund die Hälfte die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Die -se Bevölkerungsgruppe ist ethnisch und religiös heterogen und entfaltet unterschiedlichste politische Aktivi-täten. Das Spektrum reicht von reli-gionsfernen und weitgehend säkulari-sierten Menschen über solche, die ihre Identität in starkem Maß aus dem mus -limischen Glauben beziehen, bis hin zu Personen, die sich von extremistischem Gedankengut beeinflussen oder gar leiten lassen. Ein entsprechendes

Um-feld bietet letzteren die Möglichkeit, sich nicht nur in einschlägigen Organi -sationen, sondern auch in unterschied-lichen islamistischen Strömungen zu betätigen. Türkeistämmige Muslime sind daher im gesamten Spektrum des isla-mistischen Extremismus vertreten – in legalistischen Organisationen ebenso wie in teilweise gewaltgeneigten salafistischen Strukturen oder auch in jiha distischen Netzwerken, wobei die Über -gänge fließend sein können.

Die in den 1980er Jahren gegründete Organisation „Kalifatsstaat“ ist ein

Bei-spiel für ein Umfeld, in dem sich eine Radikalisierung von Jugendlichen bis hin zur Gewaltorientierung vollziehen kann. Ihr Gedankengut folgt in seiner Ausrichtung dem Vorbild der islami-schen Revolution in Iran 1979; sie lehnt Demokratie und weltliche Gesetzge-bung ab. Seit 2001 ist der „Kalifatsstaat“

in Deutschland verboten. Bei einem Teil seines Anhängerkreises war in den Jahren nach dem Verbot eine Hinwen-dung zu den multiethnischen salafisti-schen und jihadistisalafisti-schen Strömungen festzustellen. Ungeachtet des Verbots der Organisation ist ihr verfassungs-feindliches Gedankengut nach wie vor präsent, insbesondere virtuell. Die ver-bliebenen Anhänger in Deutschland sind untereinander zwar teilweise zer-stritten, bleiben aber dem Gedanken-gut des „Kalifatsstaats“ weiterhin ver-bunden.

„Kalif“ Metin KAPLAN, Sohn und Nach folger des Organisationsgründers Cemalettin KAPLAN, wurde im No-vember 2016 nach zwölfjähriger Haft in der Türkei auf freien Fuß gesetzt.

Die Entlassung ging auf eine Entschei-dung des Europäischen Gerichtshofs für Men schenrechte zurück, der einen fairen Prozess gegen KAPLAN in der Türkei nicht gewährleistet sah. Ein neu er Prozess wegen Bildung einer terroris

-tischen Vereinigung steht dort noch bevor.

Auch Netzwerke von islamistischen Kurden, die aus der Türkei stammen, sind in Deutschland aktiv. Sie treten vor wiegend mit Spendensammlungen für ihnen nahestehende Hilfsorganisa-tionen und der Ausrichtung religiöser Feierlichkeiten, aber auch mit religiösen Schulungsangeboten in Erscheinung.

Nach dem vereitelten Putschversuch vom 15. Juli 2016 nahm die Politik der türkischen Regierung immer repres si ve -re Züge an und brachte frühe-re F-reund- Feind-Schemata ins Wanken. Die Krise innerhalb des sunnitischen Lagers in der Türkei – auf der einen Seite die Regierungspartei Partei für Gerechtig-keit und Aufschwung (Adalet ve Kal-kinma Partisi, AKP) und de ren Unter-stützerumfeld, auf der anderen die von Regierungsseite als „FETÖ“ („FethullahTerrororganisation“) bezeichneten Gü -len-Bewegung16– hatte sich spätestens seit Ende des Jahres 2013 angekündigt.

In der derzeitigen Situation scheint nur noch eine Positionierung entweder im Lager der Regierungstreuen oder aber der Regierungsgegner möglich. Dementsprechend hat sich auch in Deutsch -land die Polarisierung zwischen den Anhängern regierungstreuer und

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„HIZB ALLAH“ IN DEUTSCHLAND UND BADEN-WÜRTTEMBERG

Die „Hizb Allah“ hat sich im europäi-schen Ausland, aber speziell auch in Deutschland, in den vergangenen Jahren weiter organisiert und eine überreg i o -nale Struktur aufgebaut. Allerdings treten die hier lebenden Anhänger der Bewegung nur selten in der Öffent-lichkeit auf und verschleiern die Akti-vitäten, mit denen sie Finanzmittel be-schaffen. Die Verbindung zur „Hizb

Allah“ im Heimatland wird unter anderem durch den in der Bundesrepub -lik verbotenen TV-Sender „al-Manar“

und durch Internetseiten von Organi-sationen gehalten, die der „Hizb Allah“

nahestehen.

In Baden-Württemberg verteilen sich die meisten der ca. 90 Anhänger auf die Regionen Freiburg, Mannheim und Stuttgart.

16 Die AKP und die Gülen-Bewegung werden von den Verfassungsschutzbehörden nicht beobachtet.