• Keine Ergebnisse gefunden

TijjjFijjXijij, (3) wobeij das entsprechende Land undiden einzelnen Schüler bezeichnet. Tij steht dem-zufolge für die Testleistung des Schülersiin Landj.αj ist die Konstante der Regression und wird für jedes Land getrennt berechnet. Diese Konstante macht eine Aussage über den durchschnittlichen Unterschied zwischen den Ländern bei gleichzeitiger Kontrolle der individuellen Einflussfaktoren Fi undXi. Sie kann demzufolge genutzt werden, um die Leistungen nationaler Durchschnittsschüler miteinander zu vergleichen.Fi ist der fa-miliäre Hintergrund des Schülersiund Xi ist ein Vektor zusätzlicher Kontrollvariablen.

Der Regressionskoeffizientβj und der Vektor der Regressionskoeffizientenγj zeigen die Stärke des Einflusses der individuellen MerkmaleFi undXi für jedes untersuchte Land.

εij ist der Fehlerterm.

Auf der zweiten Ebene wird der Steigungsparameter βj selbst als abhängige Variable verwendet, um eine Erklärung für die zwischen den Ländern bestehenden Unterschiede in der Stärke des familiären Einflusses zu finden. Entlang der Erläuterungen des Kapitels 5 wird ein Zusammenhang zwischen sozialer Selektivitätβj, GesellschaftsmerkmalenGj, Merkmalen der PolitkPj und des SchulsystemsSj vermutet:

βj =δ+θ Gj +z Pj+ηSjj. (4) Dieses Modell wird allerdings nicht als Ganzes geschätzt werden können, da der Daten-satz nicht genügend Beobachtungen enthält, um ein Erklärungsmodell mit einer großen Anzahl von Variablen zu testen. Stattdessen werden in Abschnitt 6.4 verschiedene Mo-delle einzeln getestet.

6.2 Schätzungen der ersten Ebene

6.2.1 TIMSS-Datensatz

Da die TIMSS Studien von 1995 und 1999 mit der gleichen Zielsetzung und der gleichen Methode durchgeführt wurden, können beide Studien gemeinsam betrachtet werden. Da-durch ergibt sich eine Stichprobe mit 54 Ländern.

Innerhalb der Datensätze der TIMSS Studien von 1995 und 1999 sind nicht für alle Teil-nehmerstaaten die gleichen Informationen für den familiären Hintergrund der Schüler verfügbar. Für die TIMSS Untersuchung von 1995 fehlen sowohl in England als auch in Japan Angaben zum höchsten erreichten Bildungsniveau der Eltern (Beaton, Mullis, Martin, Gonzalez, Kelly, and Smith 1996, S. 103). Auch in der Untersuchung von 1999 sind manche Informationen zum familiären Hintergrund der Schüler und den ihnen zu Hause zugänglichen Bildungsressourcen für einige Länder nicht erhoben worden (Mullis,

6.2 Schätzungen der ersten Ebene 37 Martin, Gonzalez, Gregory, Garden, O’Connor, Chrostowski, and Smith 2000, S. 118).

Der Beruf der Eltern wurde in beiden Studien generell nicht erfasst. Dies führt dazu, dass weder der Treiman Index, noch der ISEI oder das EGP Modell (vgl. Abschnitt 4.1) zur Bestimmung des sozioökonomischen Status verwendet werden können. Stattdessen bie-tet sich die Anzahl der zu Hause verfügbaren Bücher als Indikator für den familiären Hintergrund an. Die Schüler wurden gebeten, Angaben über die Anzahl der bei ihnen zu Hause vorhandenen Bücher zu machen, ohne dabei Zeitungen, Schulbücher oder Maga-zine mit zu zählen. Ein Vorteil dieses Indikators besteht unter anderem darin, dass die meisten Schüler hierfür auch tatsächlich Angaben gemacht haben. Fehlende Werte haben normalerweise zur Folge, dass diese Beobachtung - bzw. der Schüler - in der Analyse nicht berücksichtigt werden kann. Dadurch gehen unweigerlich Informationen verloren, was oftmals auch insofern problematisch ist, als dass Fragen wahrscheinlich nicht zufäl-lig unbeantwortet bleiben. Das Ergebnis einer Regression wäre also automatisch verzerrt.

Anstatt Beobachtungen mit fehlenden Werten einfach nicht zu berücksichtigen, hat sich die Praxis durchgesetzt, fehlende Werte auf der Grundlage ausgefeilter Algorithmen zu imputieren. Dabei werden die fehlenden Werte auf der Grundlage von sogenannten Fun-damentaldaten, die für alle Beobachtungen verfügbar sind, geschätzt (Wößmann 2003).

Aber auch trotz hoher Zuverlässigkeit und Qualität des Verfahrens der Imputation ist es immer besser, die tatsächlichen Aussagen der Schüler benutzen zu können.

Die Anzahl der zu Hause verfügbaren Bücher kann nach Wößmann (2003) als ein Proxy für den sozialen, wirtschaftlichen und den Bildungshintergrund der Familien gelten. Ent-lang der Theorie von Bourdieu handelt es sich bei Büchern um objektiviertes kulturelles Kapital. Der Besitz von Büchern setzt nicht nur das für den Kauf notwendige Vermögen oder Einkommen voraus, sondern auch bestimmte kulturelle Fähigkeiten (inkorporiertes kulturelles Kapital), die es dem Käufer ermöglichen, aus ihrem Besitz einen Nutzen zu ziehen (Bourdieu 1983, S. 188).

Konkret wurde anhand der Daten der TIMSS Studien folgendes Modell geschätzt:

TijjjFijjXijij, (5) Sofern ein Land j sowohl an der Studie von 1995 und an der von 1999 teilgenommen hatte, wurden die beiden Stichproben gepoolt und die Regression für die Beobachtungen der beiden Studien gemeinsam durchgeführt. Die Interpretation von Tij, αj und εij ist wie bereits oben beschrieben. Das Maß für den familiären Hintergrund eines Schülers, Fi, ist hier die Variable „Anzahl der zu Hause verfügbaren Bücher“. Diese Variable hat die folgenden Ausprägungen:

1: keine oder sehr wenige (0-10 Bücher)

2: genug, um ein Regalbrett zu füllen (11-25 Bücher)

6.2 Schätzungen der ersten Ebene 38 3: genug, um ein Bücherregal zu füllen (26-100 Bücher)

4: genug, um zwei Bücherregale zu füllen (101-200 Bücher)

5: genug, um drei oder mehr Bücherregale zu füllen (mehr als 200 Bücher)

Damit geht die Schätzung von der Annahme aus, dass der Leistungsunterschied von Schü-lern zwischen diesen Kategorien jeweils in etwa der gleiche ist. Diese Annahme wurde aufgrund erster Ergebnisse getroffen, die zeigten, dass sie die internationalen Daten ziem-lich gut trifft (Wößmann 2003).

Der Vektor zusätzlicher Kontrollvariablen, Xi, enthält für jeden Schüler Informationen über sein Alter und sein Geschlecht. Außerdem beinhaltetXiverschiedene Dummies: ob das Kind im Land geboren wurde, ob der Vater im Land geboren wurde, ob die Mutter im Land geboren wurde und ob das Kind mit beiden Eltern zusammenlebt sowie einen Dummy für das Jahr der TIMSS Studie. Weiterhin werden die folgenden Interaktionster-me berücksichtigt: Kind im Land geboren und verfügbare Bücher, Vater im Land geboren und verfügbare Bücher sowie Mutter im Land geboren und verfügbare Bücher.

Die Schätzer für die Stärke des Einflusses des familiären Hintergrundes in den verschie-denen Ländernβj, j = 1, ...54, sind ein Maß für die Ungleichheit der Bildungschancen in den verschiedenen Ländern. Sie werdem im folgenden auch als FBE Schätzer (aus dem Englischen für Family Background Effect) bezeichnet werden.βj gibt an, um wieviel sich die Testleistung eines Schülers in dem Landj im Durchschnitt verbessert, wenn sich die Ausprägung der Variable „zu Hause verfügbare Bücher“ um eine Stufe erhöht. Da die Leistungen als standardisierte Testpunktzahl gemessen wurden, die für alle Länder insge-samt eine Standardabweichung von 100 aufweist, kann der Koeffizient auch interpretiert werden als der Prozentsatz einer internationalen Standardabweichung um den die Testlei-stung bei einer Erhöhung der Ausprägung der Variable „zu Hause verfügbare Bücher“ um eine Stufe steigt.

Tabelle 10 im Anhang zeigt die Schätzer für die Stärke des Familieneinflusses. Ein erster Vergleich offenbart das gleiche Muster, das anhand der TIMSS Daten schon einmal fest-gestellt wurde (Wößmann 2003). Unter den westeuropäischen Ländern weisen England, Schottland und Deutschland die größte Ungleichheit auf, Frankreich, Flämisch-Belgien und Portugal dagegen die geringste. Interessant ist außerdem, dass der Einfluss des fami-liären Hintergrundes auf die Schülerleistung im flämischen und im französischen Schulsy-stem in Belgien ganz unterschiedlich stark ist. Während das SchulsySchulsy-stem der flämischen Gemeinschaft sehr wenig von sozialer Ungleichheit geprägt zu sein scheint, rangiert die französische Gemeinschaft im internationalen Vergleich eher im Mittelfeld.

Bei dieser Regression sollte beachtet werden, dass die transkulturelle Vergleichbarkeit des hier verwendeten Maßes für den Familienhintergrund (Anzahl der zu Hause verfügbaren

6.2 Schätzungen der ersten Ebene 39 Bücher) bislang in keiner Studie untersucht oder validiert wurde. Zwar kann für jedes Land angenommen werden, dass der sozioökonomische Status einer Familie umso höher ist, je mehr Bücher sie besitzt, aber der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Anzahl der Bücher könnte für die einzelnen Länder unterschiedlich stark sein, da der Stellenwert von Büchern zwischen den Kulturen variieren kann (vgl. dazu auch Baumert and Schümer (2001), S. 380). Man müsste deshalb wissen, ob in allen 54 Län-dern der sozioökonomische Status der Familie in etwa gleich stark mit der Anzahl der im Besitz der Familie befindlichen Bücher korreliert ist. Bei einem Vergleich von TIMSS 1995 und 1999 ist außerdem ein Trend zu weniger Büchern bemerkbar, der vielleicht auch mit der Zunahme von Haushalten mit Computern und mit einer verstärkten Nutzung des Internets als Informationsquelle zusammenhängt (Mullis, Martin, Gonzalez, Gregory, Garden, O’Connor, Chrostowski, and Smith 2000, S. 117).

6.2.2 PISA-Datensatz

Das Konzept des sozialen Gradienten wurde bereits in Abschnitt 4.4.3 kurz erläutert. Um die internationale Vergleichbarkeit zu erleichtern und einen Bezugspunkt zu Deutsch-land zu finden, haben Baumer und Schümer (Baumert and Schümer 2001) den Index für den höchsten sozioökonomischen Index der Familie (HISEI) am deutschen Mittelwert z-standardisiert (Durchschnittlicher HISEI für Deutschland: 48,6). Dadurch ist die Einheit des Maßes für den Sozialstatus jetzt die Standardabweichung des HISEI in Deutschland und beträgt 15,7 Punkte. Wenn man den sozialen Gradient für jedes Teilnehmerland der PISA Studie getrennt schätzt, erhält man einen Eindruck davon, wie stark in dem jeweili-gen Land die Lesekompetenz der Schüler von dem sozialen Status der Eltern abhängt. Die Steigung des sozialen Gradienten beschreibt die Veränderung der Lesekompetenz, wenn sich die Sozialschicht um eine (deutsche) Standardabweichung (15,7 Punkte) verändert.

Dabei kann man unter Beibehaltung der obigen Standardisierung des HISEI am deutschen Mittelwert außerdem Informationen darüber erhalten, welches mittlere Leistungsniveau die Schüler dieses Landes erreichen, wenn ihre soziale Herkunft der mittelern sozialen Herkunft in Deutschland entspricht.

Analog zu Gleichung (3) lautet die hierbei verwendete Regressionsgleichung:

TijjjFijij, (6)

wobeiFij hier für den am deutschen Mittelwert standardisiertten HISEI des Schülersiin Land j steht. Der Regressionskoeffizientαj ist die in Land j durchschnittlich erreichte Testleistung für Schüler, dessen HISEI dem deutschen Mittelwert entsprechen. Vor allem istβj, die Steigung des sozialen Gradienten in Landj, das gesuchte Maß für die Stärke des Familieneinflusses auf die Schülerleistung in dem entsprechenden Land.

Ein Vergleich des sozialen Gradienten für Deutschland und Finnland zeigt deutlich, wie

6.2 Schätzungen der ersten Ebene 40 stark dieser zwischen den Ländern variiert. In Finnland liegt die mittlere Lesekompetenz von Schülern deren soziale Herkunft der mittleren sozialen Herkunft deutscher Schü-ler entspricht bei 545 Punkten. In Deutschland selbst beträgt dieser Wert lediglich 484 Punkte. Bei gleicher sozialer Herkunft liegt das Leistungsniveau finnischer Schüler also deutlich über dem der deutschen Schüler. Gleichzeitig ist die Steigung des sozialen Gra-dienten in Finnland weniger als halb so groß wie in Deutschland: Auf einer Veränderung der sozioökonomischen Herkunft um eine Standardabweichung folgt die Leseleistung der Schüler in Finnland mit einer Veränderung um 20 Punkte. In Deutschland verändert sich die Leseleistung jedoch um 45 Punkte. Kann durch die soziale Herkunft der Schüler in Finnland nur 5,3 Prozent der Varianz der Leseleistung(R2 = 0.0529)erklärt werden, liegt das Bestimmtheitsmaß der Regression für Deutschland bei 16,8 Prozent(R2 = 0.1681).

Betrachtet man die sozialen Gradienten verschiedener Länder in einer gemeinsamen Ab-bildung (siehe AbAb-bildung 3), so fällt auf, dass sich im oberen Bereich der sozialen Her-kunft der Schüler die Leistungsunterschiede zwischen den Ländern verringern, während sie im unteren Bereich der Sozialstruktur sehr groß sind.

Abbildung 3: Soziale Gradienten verschiedener Länder

Quelle: Baumert and Schümer (2001), S. 388

Aus dieser Beobachtung wird deutlich, dass das Erreichen eines hohen durchschnittlichen Niveaus an Lesekompetenz der Schüler gleichzeitig mit einer Entkoppelung von sozialer Herkunft und Leseleistung möglich ist. Weiterhin kann eine Erhöhung der durchschnitt-lichen Leseleistung am besten dadurch erreicht werden, dass man den Kompetenzerwerb der Angehörigen der unteren sozialen Schichten verbessert.

Tabelle 12 auf Seite VI im Anhang enthält die Schätzungen für die Steigung des Sozia-len Gradienten für alle Teilnehmerstaaten der PISA Studie sowie die in diesem

durch-6.3 Vergleich der Ergebnisse der beiden Schätzungen 41