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Nach dem Beweis der Notwendigkeit von headcase in den Photorezeptoren der Retina, stellt sich die Frage, ob die hdc-Expression dort auch hinreichend ist, d.h. ob sie in den Photorezeptoren ausreichend ist, um in einem ansonsten homozygot mutanten Tier eine wildtypische Projektion der Photorezeptoraxone zu erlauben. Diese spezifische Rettung (engl.

rescue) des Phänotyps durch die ektopische Expression einer headcase-cDNA würde ferner

A B

69 beweisen, dass sämtliche in der hdc50-Nullmutante gestörten Funktionen in der Tat durch diese cDNA repräsentiert werden.

Die definierte ektopische Expression der hdc-cDNA war möglich durch die Anwendung des GAL4/UAS-Systems von Brand und Perrimon (1993). Diese Methode erlaubt es in Drosophila ein beliebiges Gen unter der Kontrolle eines Enhancer-Elements (UAS) der Hefe S. cerevisiae zu exprimieren, wenn gleichzeitig der entsprechende Transkriptionsaktivator (GAL4) vorhanden ist (Abb. 25).

Damit kann z.B. das Expressionsmuster studiert oder wie im Falle von headcase, das Gen spezifisch in bestimmten Geweben exprimiert werden. Hierzu wurde die hdc-cDNA zunächst gentechnisch unter die Kontrolle der upstream activated sequence (UAS) gebracht und dieses Konstrukt mittels P-Element induzierter Keimbahntransformation in Fliegen eingebracht (Steneberg et al., 1998). Zur ektopischen Expression gelangt headcase nur dann, wenn eine GAL4-Fliegenlinie (sog. Treiberlinie) mit dem UAS-hdc Stamm gekreuzt wird, so dass in den

Nachkommen GAL4 und UAS-hdc gemeinsam in einer Zelle vorliegen. In Drosophila sind eine Vielzahl dieser transgenen Treiberlinien erhältlich, welche GAL4 jeweils in definierten Zelltypen exprimieren und zwar entsprechend des vorgeschalteten Promotors eines bekannten Gens.

Für die ektopische headcase-Expression standen 4 verschiedene Treiberlinien zur Verfügung:

Die augenspezifische Linie GMR-GAL4 besitzt ein Konstrukt aus dem GAL4-Gen und der Promotorregion vom ninaE-Gen, welches aus 5 GLASS-Bindestellen besteht (Hay et al., 1997). So kann GAL4 und somit auch headcase in allen Photorezeptorzellen posterior der

Abb. 25: Schema der gerichteten Genexpression in Drosophila mit Hilfe des GAL4/UAS Systems.

Hierbei steht ein beliebiges Gen X (z.B. headcase) unter Kontrolle einer upstream activating sequence (UAS). Dessen Transkription kann gezielt aktiviert (getrieben) werden, falls der Transkriptionsfaktor GAL4 an die UAS-Sequenz bindet. Die Expression von GAL4 wird seinerseits kontrolliert von gewebe- oder zellspezifischen Enhancern. Durch Kreuzung einer GAL4-Treiberlinie mit einem UAS-Stamm kann das Gen X (z.B. hdc) somit in beliebigen Geweben- oder Zellen zur Expression gebracht werden. (Abbildung aus Brand und Perrimon, 1993)

Ergebnisse

Morphogenetischen Furche exprimiert werden (Freeman, 1996). Die ebenfalls augenspezifische eyeless-GAL4 Linie treibt die Expression in allen Zellen der Augenanlage (d.h. anterior der MF) bereits ab dem ersten Larvenstadium (Bonini et al., 1997). Des weiteren wurde mit loco-Gal4 eine gliaspezifische Treiberlinie eingesetzt, welche in lateralen Gliazellen des CNS und des optischen Lobus exprimiert (Granderath et al., 1999; Fischer, 2001). Für eine ubiquitäre Expression wurde schließlich die Linie actin-GAL4 gewählt, bei der GAL4 unter Kontrolle des actin-Promotors steht (Ito et al., 1997).

Wie unter Punkt 4.2 erwähnt, besitzt das headcase-Gen ein internes Stopp-Codon, welches zur Expression von zwei verschiedenen HDC-Proteinen unterschiedlicher Größe führt. Daher wurden die Rescue-Exprimente mit zwei verschiedenen UAS-hdc Fliegenstämmen durchgeführt, bei denen jeweils die kurze und die lange Form der headcase-cDNA unter UAS-Kontrolle steht. Um das lange Stück der hdc-mRNA zu erhalten wurde bei der langen hdc-cDNA das interne Stoppkodon TAA durch GCA ersetzt (Steneberg et al., 1998). Diese Fliegenlinien wurden freundlicherweise von der Arbeitsgruppe Samakovlis (Umea Universität, Schweden) zu Verfügung gestellt.

Die Auswertung der Rescue-Experimente erfolgte entsprechend der Mosaikanalyse larvaler Ganzhirnpräparate (siehe Punkt 4.4.1.1), d.h. das larvale, visuelle System der Rescuetiere wurde mit dem photorezeptorspezifischen Antikörper gefärbt und mittels einer semiquantitativen Analyse auf axonale Projektionsdefekte hin untersucht.

Dabei zeigte sich, dass nur die photorezeptorspezifische headcase-Expression durch die GMR-GAL4-Linie die axonale Projektion in Lamina und Medulla partiell retten kann. Die Expression von headcase durch die anderen Treiberlinien eyeless-GAL4 und actin-GAL4 führte zwar zu einer Abschwächung, aber nicht zur deutlichen Rettung des mutanten Phänotyps bezüglich Penetranz und Expressivität (Daten nicht gezeigt). Der Einsatz der gliaspezifischen Treiberlinie loco-Gal4 hatte eine erhöhte Letalität zufolge, so dass nur äußerst wenige Tiere des gewünschten Genotyps das 3. Larvenstadium erreichten, wodurch keine weitergehende Auswertung möglich war.

Abbildung 26 stellt den erfolgreichen Rescue-Versuch mit dem GMR-GAL4-Treiber im Detail dar. Dabei wurden die Auswirkungen der exprimierten UAS-headcase-cDNA in ihrer langen (hdclong) bzw. kurzen (hdcshort) Form und in der Kombination aus beiden (hdclong+short) gesondert analysiert, und der Lamina- und Medullaphänotyp wiederum getrennt betrachtet.

Bezüglich der Lamina (Abb. 26A) zeigen alle Larvenhirne nach GMR-GAL4 getriebener Expression der Konstrukte UAS-hdclong, UAS-hdcshort und UAS-hdclong+short einander gleichwertige Ergebnisse.

71 Abb. 26: Partielle Rettung des hdc50-Phänotyps durch eine photorezeptorspezifische Expression der hdc-cDNA.

Dargestellt ist eine semiquantitative Analyse (analog zur Mosaikanalyse unter Punkt 4.4.1.1, Abb. 12) der Experimente zur Rettung des mutanten hdc50-Phänotyps durch die spezifische Expression einer headcase-cDNA in den Photorezeptoren unter Zuhilfenahme des GAL4/UAS Systems. Dazu wurde der photorezeptorspezifische GMR-GAL4 Treiberstamm mit verschiedenen UAS-hdc Linien gekreuzt, bei welchen jeweils die lange oder die kurze Form der hdc-cDNA oder beide zusammen unter UAS-Kontrolle stehen. Das larvale, visuelle System der F1-Generation wurde immunhistochemisch mit dem 24B10-Antiköper gefärbt und der beobachtete Lamina- bzw. Medulla-Phänotyp anhand von Blindtests unterschiedlichen Defektklassen zugeordnet (siehe Abb.12A1-A6). Zur besseren Veranschaulichung ist die Phänotypklasse „ohne Lamina bzw.

Medulla“ unter die „schweren“ Defekte gezählt worden. Dabei zeigen Lamina (A) als auch Medulla (B) der hdc50-Mutanten mit GMR-getriebener hdc-cDNA-Expression im Vergleich den Kontrollen (ohne GMR-Treiber) deutlich geringere Anteile an „schweren“ Projektionsdefekten, jedoch mehr an „mittleren“ bis „leichten“ bzw. „ ~ wildtypischen“ Phänotypen.

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Ergebnisse

In allen drei Fällen können ca. 40 % an „leichten bis ~wt“ Phänotypen registriert werden, während die Kontrollen nur ca. 8 % optische Loben mit „leichten“ Defekten und keine „~wt“

Hirne aufwiesen. Bei den „mittleren bis schweren“ Projektionsdefekten zeigen alle UAS-hdc-Kontrukte einen Anteil von etwa 60 %, gegenüber 90-100 % bei den Kontrollen. Auffallend ist hierbei die starke Reduzierung des „schweren“ Phänotyps von über 80 % auf unter 30 %, sowie das Erscheinen von Larven mit nahezu wildtypischer Lamina.

Ähnlich drastische Veränderungen zeigen sich beim Medullaphänotyp (Abb. 26B), wobei auch hier alle drei hdc-Konstrukte einander gleichwertige Zahlen aufweisen. Bemerkenswert ist vor allem die anteilsmäßige Verschiebung innerhalb der Phänotypklassen „mittel bis schwer“, sowie das Auftreten von „leichten“ Phänotypen. Während bei den Kontrollen etwa 90 % „schwere“ und ca. 10 % „mittlere“ Defekte, jedoch keine „leichten“ gezählt wurden, zeigten alle drei hdc-Konstrukte nur ca. 30-35 % an „schweren“, um die 50 % an „mittleren“

Phänotypen und bei 17 % treten nur „leichte“ Medullafehler auf.

Somit kann von der klaren, partiellen Rettung eines Großteils der mutanten hdc50-Phänotypen bei allen Larven gesprochen werden, welche entweder die lange oder kurze Form der headcase-cDNA oder auch beide zusammen GMR-GAL4-getrieben exprimieren.

Eine Überexpression von hdclong mit dem GMR- bzw. eyeless-GAL4-Treiber im wildtypischen Hintergrund führt in 18 % bzw. 21 % der Fälle zu mittleren bis schweren Defekten in der Augenscheibe, dem optischen Stiel als auch dem optischen Lobus der Larve (Tab. 4). Dabei ist sowohl die generelle Morphologie, die Musterbildung, als auch die Topographie der betreffenden Strukturen fehlerhaft. Mit dem actin-GAL4-Treiber konnten nur sehr vereinzelte und schwache Störungen detektiert werden.

Genotyp Mutanter larvaler Phänotyp in % w;GMR-GAL4/UAS-hdclong;D3/TM6B 8(45)=18 %

w;eyeless-GAL4/UAS-hdclong;D3/TM6B 10(48)=21%

w;actin-GAL4/UAS-hdclong;D3/TM6B 2(12)=6 %

Tab. 4: Eine augenspezifische Überexpression von headcase verursacht Defekte im visuellen System von Larven.

Aufgelistet ist der prozentualer Anteil an Larven mit gestörtem, visuellen System nach Überexpression der hdclong-cDNA in Photorezeptoren (GMR-GAL4), im Auge (eyeless-GAL4) oder ubiquitär in allen Zellen (actin-GAL4). Hierzu wurden larvale Ganzhirnpräparate mit dem Antiköper 24B10 immunhistochemsich gefärbt und das optische System bewertet.

Eine GMR-getriebene hdclong-Überexpression adulter Tiere ruft gelegentlich rauhe Augen hervor. Tangentiale Semidünnschnitte durch rauhe und auch nicht rauhe GMR/hdclong-Augen

73 zeigen ein gestörtes Ommatidienmuster, während derartige Effekte mit dem eyeless- und dem actin-Treiber nicht bzw. in geringem Maße auftreten (Daten nicht gezeigt).

Diese Daten deuten ebenfalls auf eine Beteiligung von hdc in der frühen und späten Augenentwicklung.

Damit stimmen die Ergebnisse der Rescue-Experimente mit den Mosaikanalysen und den Expressionsdaten insofern überein, als dass headcase für den Aufbau eines wildtypischen, visuellen Systems nicht auf ein Gewebe allein beschränkt ist, sondern seine Funktion sowohl im Auge (Ausgangsgewebe) als auch im Hirn (Zielgewebe) ausüben muss. Diese Aussagen manifestieren sich in der weiteren Untersuchung des Zielgebiets retinaler Projektionen unter Punkt 4.7. Es zeichnet sich also vermehrt eine ubiquitäre Notwendigkeit von headcase in der Entwicklung des optischen Systems von Drosophila ab.