• Keine Ergebnisse gefunden

4.4 M OSAIKANALYSE ZUR L OKALISATION DER HDC -F UNKTION

4.4.1 EGUF/hid-induzierte hdc 50 -Mosaike

4.4.1.2 Adulte hdc 50 -Mosaike

Es stellt sich nun die Frage, ob der schwache larvale Mosaik-hdc50 Phänotyp auch im adulten Tier zur Geltung kommt oder während der Metamorphose kompensiert wird. Da die EGUF/hid-hdc50 Mosaike nur das Auge betreffen und damit pupal nicht letal sind, konnte das visuelle System adulter Mosaik-Tiere analysiert werden. Dazu wurden einerseits 24B10-Färbungen an horizontalen Gefrierschnitten adulter Fliegenköpfe (auch aus der Puppe gezogen, zwecks besserer Vergleichbarkeit mit der pupal letalen hdc50-Linie) zur Untersuchung der axonalen PR-Projektionen angefertigt. Andererseits dienten tangentiale Semidünnschnitte durch adulte Augen der Detailanalyse ommatidialer Strukturen in der Retina.

Im Vergleich zur vollständig hdc50-mutanten Linie (Abb. 10B) weisen die adulten hdc50 -Mosaikfliegen weniger drastische, aber immer noch vorhandene Defekte in der axonalen Projektion ihrer Photorezeptoren auf (Abb. 20B).

63 Abb. 20: Phänotyp des visuellen Systems adulter EGUF/hid-hdc50 Mosaikfliegen. Horizontale Gefrierschnitte von Köpfen fast adulter Tiere (pharate adults) von EGUF/hid-hdc50 und EGUF/hid-Kontrolle wurden immunhistochemisch mit dem photorezeptorspezifischen Antikörper mAB 24B10 gefärbt. (A) Die EGUF-/hid-Kontrolle mit wildtypischen PR-Axonen weist ein normales optisches System auf. (B) Das visuelle System der EGUF/hid-hdc50 Mosaiktiere weist fehlerhafte Projektionen hdc50-mutanter PR-Axone auf, welche als dicke Bündel (Pfeil) außerhalb des Chiasma (Pfeilkopf) in die Medulla ziehen (sog. Bypass-Phänotyp). Diese zeigt zwar Störungen in der regelmäßigen Anordnung der R7 und R8 Axontermini, ist aber stets komplett gedreht, wodurch das Chiasma fast zentral positioniert erscheint. (anterior links; Maßstab 50 µm)

Die Lamina- und Medullasäulen erscheinen leicht in ihrer Parallelität gestört zu sein, wobei die Schichtung der Axontermini in der Medulla lückenhafter und unregelmäßiger ist als in der Lamina. Die Medulla ist stets komplett wildtypisch gedreht, wodurch sich das Chiasma nur gering deplaziert aufbaut. Sehr auffällig sind wiederum dicke Bündel retinaler Projektionen, die ähnlich der vollständig hdc50-mutanten Linie nicht durch das Chiasma laufen, sondern ektopisch aus der posterioren Lamina direkt in die Medulla ziehen, entlang ihrer proximalen Grenze wachsen und schließlich doch noch im anterioren Teil der distalen Medulla terminieren (sog. Bypass-Phänotyp).

Im Detail betrachtet betrug die Penetranz des Phänotyps 46 %, wovon 31 % eindeutig als fehlgeleitete Retinafasern klassifiziert wurden. Die restlichen 15 % wiesen einen Phänotyp geringerer Expressivität auf, der neben Retinafasern vermutlich auch Projektionen des Hofbauer-Buchner Äugleins (Yasuyama und Meinertzhagen, 1999; Hofbauer und Buchner, 1989) als fehlerhaft darstellte.

Dabei korrelierte das Ausmaß der Projektionsdefekte im visuellen System mit der Rauhheit des Auges, die in einer Störung des regelmäßigen Ommatidienmusters begründet ist. D.h. je gröber die Rauhheit des Auges, desto stärker trat der mutante Bypass-Phänotyp zu Tage.

Hierzu wurde zunächst der rauhe Augenphänotyp photographisch festgehalten und anschließend horizontale Kryostatschnitte von denselben Augen bzw. Köpfen via

24B10-A B

Ergebnisse

Färbung auf Projektionsdefekte untersucht (Daten nicht gezeigt). 43 % (6 von 14) der stark rauhen Augen zeigten auch einen starken Bypassphänotyp, wohingegen 21 % (3 von 14) der wildtypischen Fliegenaugen auch eine wildtypische Gehirnarchitektur aufwiesen. Bei den Augen mit nur leichter Rauhheit zeigten 29 % (4 von 14) keine sichtbaren Fehler im visuellen System, während lediglich bei 7 % (1 von 14) wildtypischer Augen schwache Projektionsfehler registriert werden konnten.

Der beobachtete adulte hdc50-Mosaik-Phänotyp besitzt eine große Ähnlichkeit zur Mutante irregular chiasm C (irreC) des roughest-Gens (Poster Fischbach und Diettrich, 2000), welches für einen Transmembranrezeptor codiert und sowohl an der Augenentwicklung als auch der axonalen Wegfindung beteiligt ist (Reiter et al., 1996; Schneider et al., 1995; Ramos et al., 1993; Boschert et al., 1990). Daher könnte headcase in ähnliche Prozesse involviert sein.

Zumindest aber zeigen die Ergebnisse, daß die Funktion von headcase innerhalb der Photorezeptoren für eine korrekte Hirnarchitektur des adulten visuellen Systems benötigt wird. Ferner deutet der Zusammenhang zwischen rauhem Auge und den Projektionsdefekten eher auf eine headcase-Funktion innerhalb der Retinaentwicklung hin, als auf eine isolierte Funktion in der axonalen Wegfindung.

Genauer betrachtet ist headcase auch für die normale Entwicklung der Photorezeptoren selbst notwendig, wie an tangentialen Semidünnschnitten durch adulte Augen der hdc50 -EGUF/hid-Mosaike erkennbar ist (Abb. 21).

Homozygot hdc50 mutantes Retinagewebe (Abb. 21B) weist zum Teil schwere Defekte der ommatidialen Struktur auf. Dabei kommt es häufig zu einem Verlust oder Verschmelzen ganzer Ommatidienverbände, inklusive derer Pigment- und Photorezeptorzellen. Die Anordnung der anderen Ommatidien zueinander ist sehr unregelmäßig und die Anzahl der Rhabdomere pro Ommatidium variiert stark. Die vorhandenen Rhabdomere zeigen oft eine abnorme Morphologie mit länglich ausgezogenen bis gebogenen Formen.

In der Kontrolle (Abb. 21A) mit homozygot wildtypischem Gewebe treten ebenfalls vereinzelt Störungen der Struktur und Rhabdomerzahl von Ommatidien auf. Wie schon bei der Analyse der larvalen Mosaike erwähnt (siehe Punkt 4.4.1.1), könnten diese Defekte mit einer unvollständigen Apoptose heterozygoter Zellen zusammenhängen, so daß einige Ommatidien mit unvollständigem Rhabdomersatz überbleiben.

65 Abb. 21: Analyse der Retinamorphologie adulter EGUF/hid-hdc50 Mosaikfliegen. Toluidinblau-Färbung tangentialer Semidünnschnitte vom Retinagewebe adulter EGUF/hid-hdc50 Mosaiktiere und wt Kontrollen. (A) Die EGUF/hid-wt Kontrolltiere zeigen in der Mehrzahl wildtypische Augen mit einer streng regelmäßigen Anordnung der Ommatidien und Photorezeptoren, wobei die Rhabdomere stets in der prominenten 6+1 Formation zu sehen sind. (B) Das homozygot headcase-mutante Auge der EGUF/hid-hdc50 Fliegen weist massive Störungen in der regelmäßigen Orientierung, Anordnung und Morphologie der Ommatidien auf, welche teils nicht mehr klar voneinander abgegrenzt sind (Pfeile). Die Rhabdomere der Photorezeptorzellen sind stellenweise stark missgebildet (Pfeilköpfe), nicht vorhanden, überzählig oder miteinander verschmolzen, wodurch die typische Struktur von 6 äußeren und einem inneren Rhabomer aufgelöst ist. (Maßstab 20 µm)

Die Defekte in den hdc50-Mosaikaugen erwiesen sich jedoch als signifikant verschieden von denen in der Kontrolle. Das zeigte eine statistische Analyse der Rhabdomeranzahl pro Ommatidium (Abb. 22).

Dabei zeigten die hdc50-Mosaikretinas hochsignifikant (p<0.01) größere Mengen an Ommatidien mit einer nicht-wildtypischen Anzahl an Rhabdomeren (größer oder kleiner als 7). Während auf die Kontrollretinas durchschnittlich nahezu 90 % an wildtypischen Rhabdomeren entfielen, waren es bei den Mosaiken nur 19 %. Unter den Ommatidien mit dem vollständigem Photorezeptorsatz zeigten die hdc50-Mosaike 24 % missgebildete Rhabdomere, wohingegen die Kontrolle nur rund 5 % derartiger Fehler aufwies.

Aus diesen Daten kann gefolgert werden, dass headcase auch wesentlich zum Aufbau einer korrekten Retina beiträgt und für die Entwicklung der Photorezeptoren selbst notwendig ist.

Da larvale Augenscheiben nur geringe Defekte zeigen (siehe Punkt 4.4.1.1), übt headcase diesbezüglich seine Funktion vermutlich während der pupalen Metamorphose aus, bei welcher der strukturelle Aufbau der Rhabdomere und des gesamten Ommatidiums vollzogen wird.

A A B B

Ergebnisse

Abb. 22: Statistische Auswertung der Rhabdomeranzahl pro Ommatidium in der Retina von EGUF/hid-hdc50 Mosaiktieren. Anhand der tangentialen Semidünnschnitte von Augen der EGUF/hid-hdc50 Mosaikfliegen und der EGUF/hid-wt Kontrollen wurde die Anzahl der Photorezeptor-Rhabdomere pro Ommatidium bestimmt und anschließend der prozentuale Anteil der Ommatidien mit x Rhabdomeren an der Gesamtzahl gezählter Ommatidien in einer Retina errechnet.

Im Diagramm kennzeichnen die Ziffern auf der x-Achse die Anzahl der Rhabdomere pro Ommatidium, wobei „7+“ bzw. „7 defekt“ auf Ommatidien mit mehr als 7 bzw. mit 7 morphologisch missgebildeten Rhabdomeren hindeuten. Nach der Analyse von jeweils 10 Tieren zeigte sich die Retina der hdc50-Mosaike hochsignifikant verschieden von den Kontrollen (p<0.01). Die Mosaike wiesen gegenüber den Kontrollen weitaus mehr Ommatidien mit einer nicht-wildtypischen Anzahl an Rhabdomeren auf bzw. mehr Ommatidien der Rubrik „7 defekt“ auf. Bei den Kontrolltieren konnten zum Großteil (fast 90

%) nur Ommatidien mit wildtypischer Rhabdomerzahl- und morphologie gezählt werden.