• Keine Ergebnisse gefunden

S¨ atze mit Winkeln und Winkelhalbierenden

4 Weitere geometrische S¨ atze und Werkzeuge

4.7 S¨ atze mit Winkeln und Winkelhalbierenden

(Orientierte) Winkelαsind als eigenst¨andige Objekte im GeoProver-Paket 1.3 noch nicht ent-halten und werden sinnvoll als Tripel von PunktenAngle(A, B, C) aufzufassen sein, wobei B der Scheitelpunkt ist und die Orientierung durch∠(−−→BA,−−→BC) gegeben wird.

Davon zu unterscheiden ist dasWinkelmaßm(α) des orientierten Winkels zwischen den Geraden g =BA und h=BC. Als Maß werden wir den Tangens der Winkelgr¨oße verwenden. Zwischen diesem und den Anstiegen tan(αg) =−g1/g2bzw. tan(αh) =−h1/h2 der Geradeng= (g1, g2, g3) undh= (h1, h2, h3) besteht folgender Zusammenhang:

tan(∠(g, h)) = tan(αh−αg) = tan(αh)−tan(αg)

1 + tan(αh) tan(αg) =g1h2−g2h1

g1h1+g2h2

ImGeoProver-Paket geben die Konstruktionswerkzeugel2 angle(g, h) undp3 angle(A, B, C) jeweils dieses Winkelmaß2 zur¨uck.

Dieser Ausdruck ist nicht definiert, wenn der Nenner verschwindet, also die beiden Geradengund h senkrecht aufeinander stehen. Dies ist – ¨ahnlich der Darstellung y = m x+n einer Geraden,

2In der Version 1.3 ist das Vorzeichen anders herum.

die Parallelen zury-Achse ausschließt – keine geometrische, sondern eine rein algebraische Dege-nerationsbedingung, die aus dem Defizit des Modells herr¨uhrt. Wir k¨onnen den Wert ¨ahnlich den Teilverh¨altnissen auch als Element (g1h2−g2h1) : (g1h1+g2h2)∈P1 interpretieren.

F¨ur die Geradeng= (g1, g2, g3) und h= (h1, h2, h3) ergeben sich die Geradenkoordinaten einer Winkel-halbierendenw= (w1, w2, w3) als Nullstellen von

sys:=l2 angle(g,w)-l2 angle(w,h);

g1w2−g2w1

g1w1+g2w2

+h1w2−h2w1

h1w1+h2w2

In den Formeln spielt die dritte Komponente der Ge-radenkoordinaten keine Rolle, da es beim Winkelver-gleich nur um Geradenanstiege geht.w3kann aus der Bedingungis concurrent(g, h, w) als

g h

w(1) w(2)

bc

w3=g1h3w2−g2h3w1−g3h1w2+g3h2w1

g1h2−g2h1

bestimmt werden. Im Weiteren wollen wir annehmen, dass die Geraden durch den Ursprung gehen, alsog3=h3=w3= 0 gilt. F¨ur (w1, w2) ergibt sich

numer(sys);

(g1h2+g2h1) w22−w21

+ 2 (g1h1−g2h2)w1w2

und daraus

w2=w1−(g1h1−g2h2)±p

(g21+g22) (h21+h22) g1h2+g2h1

. was auf die homogenen Geradenkoordinaten

(g1h2+g2h1), −(g1h1−g2h2)±q

(g12+g22) (h21+h22), 0

f¨uhrt. Dieser Ausdruck beschreibt zwei zueinander senkrechte Geradenw(1) undw(2), deren Pa-rameter sich allerdings, wie die Koordinaten der Schnittpunkte zweier Kreise, im Allgemeinen nicht rational durch die Koordinaten der Ausgangsgeraden ausdr¨ucken lassen. Auch lassen sich die beiden Winkelhalbierenden algebraisch nicht voneinander unterscheiden.

Aufgabe 21 Weisen Sie nach, dass die beiden durch die Formeln gegebenen Geraden w(1) und w(2) senkrecht aufeinander stehen.

Wir besprechen weiter unten einen Ansatz, wie einige geometrische S¨atze mit Winkelhalbierenden dennoch eine Modellierung als Satz vom konstruktiven Typ erlauben. Als polynomiale geometri-sche Eigenschaft l¨asst sich jedoch die Bedingung ausdr¨ucken, dass ein Punkt P(px, py) auf einer der beiden Winkelhalbierenden liegt, wie sich aus folgender Rechnung ergibt:

A:=Point(ax,ay); B:=Point(bx,by); C:=Point(cx,cy); P:=Point(px,py);

sys:=normal(p3 angle(A,B,P) - p3 angle(P,B,C));

Von dieser Formel ist wiederum nur das Verschwinden des Z¨ahler numer(sys) = pol5 von In-teresse; dieses Polynom vom Grad 2 in px, py, das f¨ur allgemeine Punkte A, B, C 56 Terme enth¨alt, ist die universelle Formel der polynomialen geometrischen Eigenschaft, dass P auf ei-ner der Winkelhalbierenden von∠ABCliegt. ImGeoProver-Paket ist diese universelle Formel als on bisector(P, A, B, C) implementiert.

Aufgabe 22 Vier Punkte A, B, C, D liegen nach der Umkehrung des Peripheriewinkelsatzes auf einem Kreis, wennB undD auf demselben BogenAC liegen und|∠ABC|=|∠ADC|gilt.

Zeigen Sie, dass diese Bedingung genau auf das oben hergeleitete Polynom vierten Grades f¨uhrt.

Diskutieren Sie den Fall, dassBundDauf unterschiedlichen B¨ogenAC liegen. (Hinweis: Beachten Sie, dass tan(−α) =−tan(α) gilt, da mitorientiertenWinkeln gerechnet wird.)

Zum Beweis desSatzes vom Schnittpunkt der Winkelhalbierenden bestimmen wir Bedin-gungen f¨ur die Koordinaten des SchnittpunktsP = (px, py) von zwei der drei Winkelhalbierenden und pr¨ufen, obP auch auf der dritten Winkelhalbierenden liegt.

Zur Vereinfachung der Rechnung gehen wir von der Konfiguration Start(Point A(0,0), B(1,0), C, P)

aus, in der wir das Koordinatensystem so gelegt haben, dass B im Ursprung liegt und A im Einheitspunkt derx-Achse. Wir starten wieder mit einer universellen Realisierung dieser Konfi-guration

A:=Point(0,0); B:=Point(1,0); C:=Point(cx,cy); P:=Point(px,py);

Zur Bestimmung der Koordinaten vonP erhalten wir das System polys:=[ on bisector(P,B,A,C), on bisector(P,C,B,A) ];

cyp2x−2cxpxpy−cyp2y, cy−2py+cyp2x−cyp2y+ 2cxpy−2cypx+ 2pxpy−2cxpxpy

aus zwei Polynomen zweiten Grades in (px, py), dessen vier zu erwartende gemeinsame Nullstellen p(i)x , p(i)y

, jeweils in die universelle Formel

con:=on bisector(P,A,C,B);

2c3xpy−2c2xcypx+c2xcy−2c2xpxpy−2c2xpy+ 2cxc2ypy+ 2cxcyp2x

−2cxcyp2y+ 2cxpxpy−2c3ypx+c3y+ 2c2ypxpy−2c2ypy−cyp2x+cyp2y

eingesetzt, diese zu null vereinfachen sollten. Wir k¨onnen die Variablen der universellen Reali-sierung also wieder in unabh¨angige U = (cx, cy) und abh¨angige Y = (px, py) unterteilen, For-melnY =Y(U) bestimmen und versuchen, den – diesmal allerdings nicht rationalen – Ausdruck subs(con, Y =Y(U)) weiter zu vereinfachen. Die Beweiskraft dieses Herangehens ist im n¨achsten Kapitel gesondert zu diskutieren. Im Folgenden wollen wir zun¨achst deren prinzipielle Zweckm¨aßig-keit untersuchen.

MuPAD (4.0) liefert in der Standardeinstellung die L¨osung vonpolysin Vektorform und RootOf-Notation.

yvars:=[px,py];

sol:=solve(polys,yvars,IgnoreSpecialCases);

px

Mit dieser Darstellung l¨asst sich wenig anfangen. Wir m¨ussen also bereits bei diesem Beispiel gezielter vorgehen.

Eine genauere Inspektion der Gleichungenpolyszeigt, dass beide den quadratischen Termp2x−p2y enthalten, die Differenz der beiden Gleichungen als zu einer linearen Gleichung in px, py f¨uhrt.

Diese kann nachpy aufgel¨ost werden:

step1:=solve(polys[1]-polys[2],[py],IgnoreSpecialCases);

py =− cy−2cypx

2cx+ 2px−2

Setzen wir dies in das erste Polynom ein, so erhalten wir einen rationalen Ausdruck und mit dessen Z¨ahler eine polynomiale Bestimmungsgleichung f¨urpx, aus der noch ein gemeinsamer Faktor 4cy

herausgek¨urzt werden kann: Zu dieser Gleichung findet MuPAD L¨osungen in geschachtelten Wurzelausdr¨ucken

step4:=solve(step3,[px]); die nun in die Behauptungconeingesetzt werden k¨onnen:

step5:=subs(con,step1[1],step4[1]);

simplify(step5);

0

Allerdings lassen sich geschachtelte Wurzeln nicht immer so problemlos vereinfachen. Außerdem steht eine Interpretation des Ergebnisses ¨ahnlich dem Mechanisierungssatz f¨ur Geometries¨atze vom rationalen konstruktiven Typ noch aus. Die Rechnungen verlassen den Polynomring R in Richtung algebraischer Erweiterungen.

Es ergibt sich die Frage, ob auch ohne explizite Bestimmung der Nullstellen des Polynomsystems polysals Wurzelausdr¨ucke nachgewiesen werden kann, dass jede der vier L¨osungen auch Nullstelle der Gleichungconist. Derartige Fragen wollen wir im n¨achsten Kapitel genauer formulieren und studieren.

Hier sei noch angemerkt, dass man Winkelhalbierende mit einem anderen Konzept auch als geo-metrische Objekte vom konstruktiven Typ einf¨uhren kann. Wir verwenden dazu die Eigenschaft, dassP genau dann auf der Winkelhalbierdenden des Winkels∠ABC liegt, wenn die GeradeBC mit der Geradensym line(c, l) zusammenf¨allt, die sich bei der Spiegelung vonc=pp line(B, A) anl=pp line(B, P) ergibt.sym line(c, l) ist aber ein polynomiales Konstruktionswerkzeug.

Wir gehen dazu von der Konfiguration Start(Point A(-1,0), B(1,0), P)

aus. IstP der Schnittpunkt der Winkelhalbierdenden durchA undB, so istC der Schnittpunkt zweier gespiegelter Geraden.

a:=sym line(pp line(A,B),pp line(A,P));

b:=sym line(pp line(A,B),pp line(B,P));

C:=intersection point(a,b);

Nun k¨onnen wir pr¨ufen, obP auf einer der Winkelhalbierenden durchCliegt:

on bisector(P,A,C,B);

0

Aufgabe 23 Leiten Sie die universellen Formeln des Konstruktionswerkzeugssym lineher.