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4 Weitere geometrische S¨ atze und Werkzeuge

4.1 Vor- und Nachbedingungen

Der bisher betrachtete Mechanisierungsansatz f¨ur Geometrietheoreme ging davon aus, dass man einen gegebenen Satz der Geometrie in eine konstruktive Form ¨uberf¨uhren kann. Das ist aber eine f¨ur geometrische Aussagen eher untypische Situation. Die meisten geometrischen S¨atze gehen von einer bestimmten (konstruktiv gegebenen) geometrischen KonfigurationKaus und behaupten dann:

Wenn in K zus¨atzlich gewisse geometrische Eigenschaften erf¨ullt sind, dann ergeben sich daraus gewisse andere geometrische Eigenschaften als Konsequenzen.

So behauptet etwa derSatz des Ceva:

Gegeben sei ein DreieckABCund Punk-te P, Q, R auf den Dreiecksseiten mit Teilverh¨altnissen u, v, w.

Die Ecktransversalen AP , BQ und CR gehen genau dann durch einen gemein-samen Punkt, wenn

u v w= (1−u) (1−v) (1−w) gilt.

bc

A bc

B

bc

C

bc P

bc

Q

bc

w R 1−w

u 1−u v

1−v

In der im vorigen Abschnitt entwickelten Terminologie l¨asst sichKwie folgt beschreiben:

Start(Point A,B,C; SP U,V,W);

Point P = varpoint(B,C,U);

Point Q = varpoint(C,A,V);

Point R = varpoint(A,B,W);

Da wir uns nur f¨ur die universellen Formeln der KonfigurationKinteressieren, werden wir im Wei-teren die folgende k¨urzere Notation derGeoProver-Version 1.3 verwenden, die sich ausschließlich auf die Koordinatenattribute bezieht und Parameter direkt f¨ur freie Punkte (zwei Variablen) und Gleiter (eine Variable) einf¨uhrt. Die universellen Formeln der KonfigurationKergeben sich dann unmittelbar als

A:=Point(ax,ay); B:=Point(bx,by); C:=Point(cx,cy);

P:=varpoint(B,C,u); Q:=varpoint(C,A,v); R:=varpoint(A,B,w);

Hierbei istvarpoint so skaliert, dasssubs(P, u = 0) =B undsubs(P, u= 1) =C gilt. F¨ur die universelle Degenerationsbedingung ergibt sichK.DGF=is collinear(A.u, B.u, C.u).

Die weitere geometrische Voraussetzung sowie die Behauptung des Satzes von Ceva sind dann in den Formeln

poly:=is concurrent(pp line(A,P),pp line(B,Q),pp line(C,R));

con:=u*v*w-(1-u)*(1-v)*(1-w);

kodiert.

In der gegebenen KonfigurationK, in deren universellen Formeln die 6 Koordinaten vonA, B, C und die Teilverh¨altnisseu, v, wals Variablen vorkommen, ist also zu zeigen, dass jede Nullstelle des

Polynoms poly (der Voraussetzung) auch eine Nullstelle des Polynomscon(der Schlussfolgerung

= conclusio) ist.

In diesem Fall l¨asst sichpolyals −f12·f2 mit

f1=axby−axcy−aybx+aycx+bxcy−bycx

f2= 2u v w−u v−u w+u−v w+v+w−1 darstellen. Also gilt

iszero(poly)⇔iszero(f1)∨iszero(f2).

Analysiert man die beiden anderen Faktoren genauer, so erkennt man, dass f1 die universelle Formel der Bedingungis collinear(A,B,C) ist und f2=congilt, so dass

iszero(poly)⇔ K.DGF∨iszero(con)

gilt. Damit ist der Satz von Ceva entsprechend der im letzten Abschnitt entwickelten Methodik bewiesen.

Ahnlich k¨onnen wir auch die Aussage des¨ affi-nen Satzes von Desargue formulieren. Hier sind 6 Punkte A, B, C, A1, B1, C1 gegeben. Die Voraus-setzung besteht aus drei geometrischen Bedingun-gen, dass in den Dreiecken ABC und A1B1C1 ein-ander entsprechende Geraden zueinein-ander parallel sind. Die Behauptung lautet, dass dann die Geraden AA1, BB1 undCC1 konkurrent sind.

bc

B

bc

C

bc

A

bc

B1

bc

A1

bc

C1

Die universellen Formeln der Beschreibung der zu Grunde liegenden Konfiguration K=Start(PointA, B, C, A1, B1, C1)

bestehen aus genau den universellen Realisierungen der 6 PunkteA, B, C, A1, B1, C1

A:=Point(ax,ay); B:=Point(bx,by); C:=Point(cx,cy);

A1:=Point(dx,dy); B1:=Point(ex,ey); C1:=Point(fx,fy);

Die Voraussetzung l¨asst sich in den drei universellen Formeln polys:= [

is parallel(pp line(A,B),pp line(A1,B1)), is parallel(pp line(B,C),pp line(B1,C1)), is parallel(pp line(A,C),pp line(A1,C1)) ];

kodieren, die Behauptung in der universellen Formel

con:=is concurrent(pp line(A,A1),pp line(B,B1),pp line(C,C1));

Die Voraussetzung entspricht hier also einer Menge von drei Polynomen axdy−axey−aydx+ayex−bxdy+bxey+bydx−byex

bxey−bxfy−byex+byfx−cxey+cxfy+cyex−cyfx

axdy−axfy−aydx+ayfx−cxdy+cxfy+cydx−cyfx, die Behauptung dem deutlich komplizierteren Polynom

−axbxcydy+axbxcyey+axbxdyfy−axbxeyfy+axbycxdy−axbycxfy−axbycyex+ axbycyfx−axbydyfx+axbyexfy−axcxdyey+axcxeyfy+axcydyex−axcyeyfx− axdyexfy+axdyeyfx−aybxcxey+aybxcxfy+aybxcydx−aybxcyfx−aybxdxfy+ aybxeyfx−aybycxdx+aybycxex+aybydxfx−aybyexfx+aycxdxey−aycxexfy− aycydxex+aycyexfx+aydxexfy−aydxeyfx+bxcxdyey−bxcxdyfy−bxcydxey+ bxcydyfx+bxdxeyfy−bxdyeyfx+bycxdxfy−bycxdyex+bycydxex−bycydxfx− bydxexfy+bydyexfx−cxdxeyfy+cxdyexfy+cydxeyfx−cydyexfx

mit 48 Summanden vom Grad 4. Dass jede gemeinsame Nullstelle der Polynome polyseine Null-stelle von con ist, ist hier nicht mehr so einfach zu erkennen. Der Satz ist jedoch offensichtlich ein Satz der affinen Geometrie, so dass wir zur Algebraisierung ein beliebiges schiefwinkliges Ko-ordinatensystem verwenden k¨onnen, bzw. alternativ bei vorgegebenem KoKo-ordinatensystem durch eine geeignete affine Transformation die Konfiguration unter Erhaltung aller geometrischen Eigen-schaften in eine solche transformieren, f¨ur die

A:=Point(0,0); B:=Point(0,1); C:=Point(1,0);

gilt. Mit diesen speziellen Koordinaten erhalten wir

polys= [dx−ex,−ex−ey+fx+fy,−dy+fy] und als Behauptung

con=−dxexfy−dxeyfy+dxfy+dyexfx+dyexfy−dyex.

polysist ein homogenes lineares Gleichungssystem, welches sich einfach l¨osen l¨asst (MuPAD 4.0.6) sol:=solve(polys);

{[dx=z0, dy =z1, ex=z0−z1+z2, ey=z1, fx=z0, fy=z2]}

Die L¨osungsmenge h¨angt von drei Parametern (z0, z1, z2) ab. In die Behauptung eingesetzt erhalten wir

expand(subs(con,sol[1]));

0

Der entstehende Ausdruck vereinfacht bereits als Polynom in (z0, z1, z2) zu null, woraus die Be-hauptung des Satzes von Desargue f¨ur alle zul¨assigen speziellen Realisierungen folgt.

Wir h¨atten auch wie im letzten Abschnitt die VariablenX = (dx, dy, ex, ey, fx, fy) in abh¨angige Y = (ey, fx, fy) und unabh¨angige U = (dx, dy, ex) unterteilen und die abh¨angigen durch die unabh¨angigen ausdr¨ucken k¨onnen:

sol:=solve(polys,[ey,fx,fy]);

{[ey =dy, fx=dx, fy=dy−dx+ex]}

sol entspricht der Ersetzungsformel Y → Y(X). Setzen wir dies in die universelle Formel der Behauptungconein, so ergibt sich ebenfalls

expand(subs(con,sol[1]));

0

F¨ur denallgemeinen Satz von Desarguek¨onnen wir ¨ahnlich argumentieren. Wir beginnen wieder mit der Konfiguration

A:=Point(ax,ay);

B:=Point(bx,by);

C:=Point(cx,cy);

A1:=Point(dx,dy);

B1:=Point(ex,ey);

C1:=Point(fx,fy);

und erweitern diese um die universellen Formeln der Schnittpunktkoordinaten

bc bc

B

bcC

bc

A

bc

B1

bc C1

bc

A1

bc bc

bc

X:=intersection point(pp line(A,B),pp line(A1,B1));

Y:=intersection point(pp line(A,C),pp line(A1,C1));

Z:=intersection point(pp line(B,C),pp line(B1,C1));

Voraussetzung und Behauptung des Satzes lassen sich dann in den rationalen Ausdr¨ucken poly:= is concurrent(pp line(A,A1),pp line(B,B1),pp line(C,C1));

con:= is collinear(X,Y,Z);

kodieren. W¨ahrend poly ein irreduzibles Polynom vierten Grades mit 48 Termen ist, hat con eine deutlich komplexere Struktur. MuPAD hat bereits Schwierigkeiten, die 1290 Z¨ahler- und 378 Nennerterme zu berechnen. Der Nenner ist das Produkt der Degenerationsbedingungen

is parallel(pp line(A, B),pp line(A1, B1)) usw.

des f¨ur X, Y, Zangewendeten Konstruktionswerkzeugs.

Da der Satz ein Satz (mindestens) der affinen Geometrie ist, k¨onnen wir durch Auswahl des Koordinatensystems wieder die Rechnung vereinfachen. Wir setzen

A1:=Point(0,0); B1:=Point(0,1); C1:=Point(1,0);

und erhalten nun

con= (aybxaxcy+axbxcyaybxcx+axbycyaybxcy) (axbyaybxaxcy+aycx+bxcybycx) (bx+by−cx−cy) (ax−bx) (ay−cy)

Der Nenner ist wieder gerade die Degenerationsbedingung des Werkzeugs in den reduzierten Ko-ordinaten, der Z¨ahler l¨asst sich alspoly·is collinear(A, B, C) darstellen. Damit gilt also auch hierpoly(X0) = 0⇔con(X0) = 0 f¨ur jede nicht degenerierte spezielle RealisierungX →X0 der Grundkonfiguration.

Aufgabe 16 Formulieren und untersuchen Sie auf dieselbe Weise den Satz von Pappus.

Wir sehen also, dass die algebraische Formulierung allgemeinerer geometrischer S¨atze mit den Formeln der universellen RealisierungBEeiner konstruktiv erzeugten BasiskonfigurationKstartet, zus¨atzliche geometrische Voraussetzungen in einer Menge F ={f1, . . . , fm} ⊂Rvon Polynomen kodiert, so dass die Behauptung ebenfalls in einem Polynomg∈Rausgedr¨uckt werden kann. Den geometrischen Satz zu beweisen bedeutet zu zeigen, dass f¨ur jede zul¨assige Variablenspezifikation X →X0, f¨ur dieF(X0) = 0 gilt, auch g(X0) = 0 folgt:

∀ X0∈Kn K.DGF(X0)6= 0⇒(F(X0) = 0⇒g(X0) = 0)

Diese Setzung k¨onnen wir mith=K.DGF∈R im folgenden modifizierten Beweisschema anschrei-ben:

Zeige, dassh(X)6= 0⇒ (F(X) = 0⇒g(X) = 0)

 yX→X0

Zeige, dass∀X0∈Kn h(X0)6= 0⇒ (F(X0) = 0⇒g(X0) = 0)

Zum Beweis des Satzes muss untersucht werden, wie ein generisches Beweisverfahren (obere Zeile) und spezielle Beweisverfahren (untere Zeile) zusammenh¨angen. In den obigen Beispielen, in denen F genau ein Polynom enthielt, war dies der Zusammenhang zwischen Faktorzerlegungen (linke Spalte) und Nullstellen von Produkten: X0 ist genau dann Nullstelle eines Produkts, wenn es Nullstelle wenigstens eines der Faktoren ist.