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Zu Besuch bei Freunden. Noch vor dem Frühstück kommt das Thema Verpackungsmüll zur Sprache. Plastik, Metall, Pappe, Papier, der ganze Wahnsinn. Kurz darauf meint Walter: »Komm, dann gebe ich dir jetzt einen Leinenbeutel mit, und darin kannst du dann die Brötchen transportieren.«

Ich: »Gut. Dann muss ich jetzt beim Bäcker nur noch daran den-ken, den neuen Beutel auch über die Theke zu reichen.« Ha, ha, la-chen alle.

Kurze Zeit später bin ich mit den Gedanken ganz woanders. Ich suche die Brötchen aus und bezahle. Erst als ich die Papiertüte mit ihrem Inhalt in den Leinenbeutel stecke, wird mir die Bedeutung des Slogans von der Macht der Routine wieder schlagartig bewusst. Ich habe tatsächlich verpennt, den Beutel über die Theke zu geben, da-mit die Papiertüte nicht nötig gewesen wäre. Die Routine hat mich fest im Griff.

Es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, seine Einkäufe umwelt­

schonend zu verpacken. Die (Einweg)Papiertüte ist dabei meist die schlechteste Wahl.

Ähnlich geht es mir auch in der Obstabteilung. Zu Hause haben wir Extranetze für Obst. Aber man muss natürlich vorher daran den-ken, sie einzupacken. Das klappt leider nicht immer.

Was würde meine Alltagsroutine ändern? Zum Beispiel wenn die Bäckerin gefragt hätte: »Möchten Sie eine Tüte?« Vermutlich würde sich meine Routine auch wandeln, wenn die Tüte 30 oder 50 Cent ex-tra kosten würde. Bei Plastiktüten wird das inzwischen schon oft ge-macht.

Noch besser wäre es, den Verkauf von Tüten einfach zu stoppen.

So hat es Rewe bei Plastiktüten gemacht und später Lidl und andere.

Der Discounter spart damit jedes Jahr 3.500 Tonnen Plastik.

Kampagnen können solche Ansätze begleiten. Allein würden sie jedoch wenig bewirken.

Wegwerfkleidung

Die Ex-und-hopp-Mentalität hat sich auch bei unserer Kleidung durchgesetzt. Jedes Jahr werden allein in Deutschland mehr als 1,5 Milliarden Kleidungsstücke weggeworfen.55 Die Modeketten brin-gen in immer kürzeren Abständen neue Kollektionen auf den Markt.

Primark ist zum Symbol der textilen Wegwerfgesellschaft geworden.

Die britisch-irische Kette verkauft Mode zum Dumpingpreis.

Das Konzept ist gefragt, regelmäßig eröffnet das Unternehmen neue Filialen. Erst in jüngster Zeit zeigen sich erste Anzeichen, dass der Markt übersättigt sein könnte – Primark verkleinert seine Laden-flächen in Deutschland, weil der Umsatz nicht mehr wächst.56

Möglich sind die Niedrigpreise der Fast-Fashion-Anbieter durch eine systematische Missachtung von Menschenrechten. Achtzig Stun-den in der Woche, teilweise auch deutlich mehr, schuftet die überwie-gend weibliche Belegschaft für einen Hungerlohn – schlimmstenfalls bis sie tot umfallen.57

Immer wieder kommt es in den sogenannten Sweatshops zu katas-trophalen Brandunfällen. Im April 2013 stürzte in Bangladeschs Haupt-stadt Dhaka eine achtstöckige Textilfabrik ein. Mehr als 1.100 Näherin-nen starben, 2.400 erlitten teils schwere Verletzungen.

Die Arbeiterinnen hatten nicht nur für Primark gefertigt. Auch be-kannte Marken und andere Modeketten ließen hier produzieren. Von den erbärmlichen Produktionsbedingungen erfuhren Kunden und Öf-fentlichkeit erst durch die Katastrophe.

Textile Wegwerfmentalität überwinden

(vgl. G 135) Kleidung unterliegt der Mode. Selbst bei Herrenanzügen, an denen sich nur Details verändern, wissen Kenner das ungefähre Alter ab-zuschätzen. Geplante Obsoleszenz, also das bewusst herbeigeführte Veralten von Produkten, ist gewissermaßen die innere Logik der

Tex-tilbranche.

Doch es gibt gravierende Unterschiede. Jacken, die zeitlos sind, Stoffe, die nicht schon nach kurzer Zeit fadenscheinig werden, Schuhe,

Primemark ist zum Symbol der textilen Wegwerf gesellschaft geworden.

Das 50 Jahre alte Unternehmen produziert seit den 1970ern in Billiglohnländern unter teils haarsträubenden Arbeitsbedingungen.

die man reparieren kann, womöglich sogar mehrfach. Schon heute bie-ten einige Hersteller für Oberhemden freiwillig fünf Jahre Gewähr-leistung an. Das könnte man zum Standard erheben – für die gesamte Garderobe.

Klar, würde man die Näherinnen in den Fabriken darüber hinaus auch noch auskömmlich bezahlen und die Grundstoffe umweltver-träglich bereitstellen, dann könnte unsere Kleidung nicht mehr so billig sein wie bislang. Doch womöglich würden wir unsere Hosen, Mäntel, Röcke und T-Shirts dann auch länger tragen, sie eher im Klei-derkreisel tauschen und insgesamt seltener etwas Neues kaufen. Oder ist das nur ein kühner Traum?

Denkbar wäre ein internationales Abkommen zur Firmenhaf-tung. Vorbild könnte der »Dodd-Frank Act« sein, der die Beschaf-fung von Rohstoffen aus Konfliktregionen in den USA begrenzen soll.

Zwar sieht das Gesetz kein Verbot vor, doch alle US -börsennotier-ten Unternehmen müssen seit Mai 2014 offenlegen, ob sie sogenannte Konfliktmineralien – beispielsweise aus der Demokratischen Repub-lik Kongo – verwenden. Motto: »Name and Shame«. Die Grundidee ist, dass die Unternehmen aus Sorge um ihre Reputation ihr Verhal-ten ändern werden.

Das US-Gesetz hat das Thema auf die internationale Agenda ge-bracht. Vor allem die Elektronikindustrie, Automobilzulieferer und Werkzeughersteller müssen ihre Lieferketten genauer betrachten. Her-stellerverbände empfehlen ihren Mitgliedern, die Vorgabe sehr ernst zu nehmen. Mit dem neu eingeführten Gesetz entsteht de facto eine Pflicht zur Offenlegung der gesamten Lieferkette. Auch Unternehmen in der Liefer- beziehungsweise Produktionskette zur Herstellung eines Produkts sind damit mittelbar betroffen.58 Allerdings hat US-Präsident Trump das Gesetz mittlerweile gelockert.

Doch wäre eine ähnliche Regelung gewiss auch für Textilien mög-lich. Übergangsweise könnte man es beim »Name and Shame« belas-sen. Später ließen sich auf diesem Weg die Einhaltung von Menschen-rechten manifestieren und letztlich öko-faire Standards bei der Pro-duktion etablieren.