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Die Rolle des Kalziums bei Demenzen

Im Dokument auch bei Frauen (Seite 30-35)

Mikrozirkula­

tionsstörungen liegen der vaskulären Demenz zu­

grunde und verursachen psychische Störungen

Einleitung

Die Notwendigkeit einer Pharmakotherapie primärer Demenzen, worunter sich im wesent­

lichen die unterschiedlichen Formen der De­

menz vom Alzheimer-Typ (DAT) und vom vas­

kulären Typ (DTV) subsumieren lassen, wird immer noch kontrovers diskutiert und ist häu­

fig Gegenstand nicht nur wissenschaftlich be­

gründeter Auseinandersetzungen. Die Ursache dafür mag u. a. auch in diagnostischen Schwie­

rigkeiten liegen, die für einen zu späten The­

rapiebeginn verantwortlich sind. Eine ratio­

nale Pharmakotherapie sollte jedoch bei früher Diagnosestellung (15) möglich und zudem so erfolgreich sein, daß die Progression von De­

menzen signifikant verlangsamt werden kann.

Es geht um Pharmaka, die in der Lage sind, bei DAT und DVT auftretende pathobioche- mische Abnormitäten günstig zu beeinflussen und damit das klinische Bild zu verbessern.

Einer DTV liegen in der Regel Mikrozirkula­

tionsstörungen zugrunde. Das klinische Bild ist Zum Inhalt Frage einer hilfreichen Pharmakotherapie

bei primären degenerativen und vaskulären Demenzen wird unverändert kontrovers dis­

kutiert. Ansatzpunkte für eine rationale Phar­

makotherapie stellen Stoffwechselstörungen im Gehirn dar. die wesentlich das Krankheits­

bild bestimmen können. Hierzu gehören u. a.

Veränderungen im zerebralen Glukose- und Energiestoffwechsel, die verstärkt ablaufende Bildung freier Radikale und mit nahezu zen­

traler Bedeutung die Störung der neuronalen Kalziumhomöostase. In ersten experimentel­

len und klinischen Studien konnte gezeigt wer­

den. daß der Kalzium-Antagonist Nimodipin die Lernleistung seneszenter Ratten anhebt so­

wie bei Patienten mit Demenzen vom Alzhei­

mer und vaskulären Typ die in der nicht-chro­

nischen Phase der Erkrankungen herabgesetz­

ten kognitiven Leistungen zu verbessern in der Lage ist.

primär durch psychische Störungen und nicht durch neurologische Ausfälle gekennzeichnet.

Von der DVT wird heute abgegrenzt die Multi- Infarkt-Demenz (MID), bei der ursächlich Ma­

krozirkulationsstörungen bestehen, die primär zu neurologischen Defiziten führen, denen psy­

chische Ausfälle folgen können. DVT und MID sind vergesellschaftet mit dem Auftreten mul­

tipler Hirninfarkte unterschiedlicher Größe, in denen Stoffwechselveränderungen gleicher Art ablaufen können. Im Zusammenhang mit pri­

mären Demenzen ist lediglich die DTV von Be­

deutung, weswegen nur diese Demenzform im nachfolgenden erörtert wird.

Nachdem sich sowohl für die DAT als auch für die DTV gezeigt hat, daß Störungen im neuronalen Glukose- und Energiestoffwechsel eine Kaskade von metabolischen Veränderun­

gen auslösen, wodurch auch eine Störung der Kalziumhomöostase hervorgerufen wird (5), soll auf diesen Entstehungsmechanismus be­

sonders eingegangen und der Frage nach ei­

nem rationalen Therapieansatz mit Kalzium- Antagonisten nachgegangen werden.

Neuronale Kalziumhomöostase und Kalziumkanäle

Kalzium spielt für die Aufrechterhaltung nor­

maler neuronaler Funktionen eine herausra­

gende Rolle. Es wirkt als second messenger, beeinflußt die Freisetzung von Neurotrans­

mittern und reguliert den Aktivitätszustand von Enzymen, um nur einige wichtige Funktionen zu nennen. Diese physiologischen Aufgaben können nur dann erfüllt werden, wenn das Gleichgewicht zwischen extra- und intra­

zellulärer Kalziumkonzentration, die Kalzium­

homöostase, aufrecht erhalten wird. Bei einer extrazellulären Kalziumkonzentration von et­

wa lO'^M und einer intrazellulären von etwa lO'^M lastet ein hoher Konzentrationsdruck auf der Zelle, der nur unter Nutzung von Energie erhalten bleibt. Letztere wird auch benötigt.

Z. Allg. Med. 1990; 66: 842-846. © Hippokrates Verlag GmbH, Stuttgart 1990

Die Rolle des Kalziums bei Demenzen Therapeutische Erfahrungen

um Kalzium entgegen dem Konzentrations­

gradienten von intra- nach extrazellulär zu transportieren, was der Kalziumhomöostase ebenso dient wie die Bindung des freien zyto- solischen Kalziums an intrazelluläre Kompar­

timente (z. B. Mitochondrien, Kalziumbin­

dungsproteine) (Abb. 1).

Extrazellulärraum

Kalziumkonzentration ~ 10 M

Ca2'

Ca2-Zellmembran

Intrazellulärraum Kaziumkonzentration

Na

4-(ATP)

Ca2-Abbildung 1: Scbematische Darstellung des zellulären Ein-stroms und AusEin-stroms von Kalzium

1: Spannungsabhängiger kalziumkanal 2: Kezeptorkontrollierter Kalziumkanal

3: Externalisation von Kalzium über einen Na*/Ca^*-Gra-dienten

4: ATP-abhängige Externalisation von Kalzium

Der Einstrom von Kalzium-Ionen erfolgt in überwiegender Weise über spezielle Kalzium- Kanäle (»slow channels«). Es handelt sich um membranständige Strukturproteine, die tunnel­

artig den Kalzium-Einstrom regulieren. Je nach Regulation unterscheidet man einen span­

nungsabhängigen Kalziumkanal (VOC: voltage operated channel), einen rezeptorkontrollier­

ten Kalziumkanal (ROC: receptor operated channel) und einen Mischtyp (siehe Abb. 1).

Die ROC werden durch spezifische Liganden reguliert, wie etwa Aminosäuren oder Neuro­

transmitter. Die VOC steuert den Kalzium-Ein­

strom in Abhängigkeit vom Membranpotential.

Nach neueren Erkenntnissen werden die VOC an Neuronen in drei Subtypen aufgeteilt: L-, N- und T-Kanäle, die sich in bezug auf die Poten­

tialschwelle unterscheiden. Die L-Kanäle wer­

den von Kalzium-Antagonisten, wie z. B. Nimo­

dipin, blockiert.

Glukosestoffwechsel und Neurotransmitter

Das gesunde, ausgereifte Säugetiergehirn ver­

braucht unter physiologischen Bedingungen ausschließlich Glukose, um biologisch verfüg­

bare Energie in Form von ATP zu gewinnen. Im Neuron wird Glukose glykolytisch bis zum Pyruvat abgebaut, das über den Multi-Enzym­

komplex Pyruvatdehydrogenase zu Azetyl-CoA oxydiert wird und damit der Azetylcholinbil­

dung (etwa 1%) sowie der weiteren Oxydation (etwa 99%) zur Verfügung steht. Der Zitronen­

säurezyklus, in dem die weitere Oxydations­

schritte ablaufen, steht mit einem komparti- mentierten Aminosäurenpool in Verbindung, in dem die glukoplastischen Aminosäuren Glutamat, Glutamin, Aspartat und yAmino- buttersäure (GABA) gespeichert liegen. Die Bil­

dung von ATP erfolgt dann in der Atmungs­

kette (Abb. 2).

Neben der Funktion, bei Glukosemangel als Substratreserve zu dienen, wirken Glutamat und Aspartat als exzitatorische, GABA und Glyzin als inhibitorische Aminosäurenneuro­

transmitter. Glutamat/Aspartat vermitteln die

Glukose

Glykolyse

Oxydation

Pyruvat

I

Hexokinase Phosphofruktokinase Pyruvatkinase

Laktat-^ Laktat dehydrogenase

Pyruvatdehydrogenase

Cholinazetyl-i

Azetyl-CoA

I

transferase

-► Azetylcholin

Zitronensäurezyklus

l

Energiebildung

.Abbildung 2: Schematische Darstellung des glykolytischen und oxydativen Glukoseabbaus sowie biochemischer Neben­

wege

Neurotransmission über mindestens drei un­

terschiedliche Rezeptoren:

1. den tor.

N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezep-2. den Quisqualat (QA)-Rezeptor und

3. den Kainat (KA)-Rezeptor.

Diese Rezeptoren sind postsynaptisch lokali­

siert und steuern ROC. Besonders hohe Dich­

ten an den Kalziumeinstrom kontrollierende NMDA-Rezeptoren wurden in den Strata oriens

Kalzium-Ionen strömen über­

wiegend über

»slow chan­

nels« ein

Über drei verschiedene Rezeptoren vermitteln Glutamat/

Aspartat die Neurotrans-mission

^.Therapeutische Erfahrungen Die Rolle des Kalziums bei Demenzen

Der oxydative GlukosestofT- wechsel nimmt über Glutamat/

Aspartat Ein­

fluß auf die Kalziumhomöo­

stase des Neurons

Herausragende pathobiochemi- sche Störung ist eine deutli­

che Reduktion des zerebralen Glukosever­

brauchs

Herabsetzung des zerebralen Glukosever­

brauchs korre­

spondiert mit Abnahme der Enzym- Aktivität

und radiatum des hippokampalen Subfeldes CAl und in der Hirnrinde in den Schichten I, II, III und Va (2) gefunden, wofür auch elektro- physiologisch Anhaltspunkte bestehen (19).

QA- und KA-Rezeptoren reagieren schnell und steuern den Natriumeinstrom in die Zelle. Der NMDA-Rezeptor dagegen wirkt eher langsam und anhaltend. Er kontrolliert vorrangig den Kalziumeinstrom in die Zelle. Somit nimmt der oxydative Glukosestoffwechsel über Glutamat/

Aspartat Einfluß auf die Kalziumhomöostase des Neurons.

Pathobiochemische Störungen bei der DAT

In einer Reihe von Fällen haben sich bei der DAT mit frühem Beginn genetische Verände­

rungen auf dem langen Arm des Chromosoms 21 gezeigt. Dieser Gruppe »familiärer« Demen­

zen vom Alzheimer-Typ steht die ungleich hö­

here Zahl von DAT-Fällen gegenüber, bei de­

nen bislang keine genetischen Abweichungen festgestellt werden konnten (4). Andererseits fand sich als herausragende pathobiochemi­

sche Störung bei der DAT sowohl mit frühem als auch mit spätem Beginn schon bald nach Einsetzen der Krankheit eine deutliche Reduk­

tion des zerebralen Glukoseverbrauchs, der bei der DAT mit spätem Beginn von Störungen der Durchblutung und des Sauerstoffverbrauchs des Gehirns vergesellschaftet war (10). Die dra­

stische Herabsetzung des zerebralen Glukose­

verbrauchs geht einher mit und dürfte bedingt sein durch eine Abnahme in den Aktivitäten von Enzymen, die in der Glykolysekette und bei der Pyruvatoxydation angreifen, wohingegen die weitere Substratoxydation offenbar unge­

stört abläuft. Die reduzierte zerebrale Glu­

koseumsatzrate ist mit einem erheblichen Ver­

lust an Aminosäuren und Ammoniak verbun­

den. Im Rahmen dieser schweren katabolen Proteolyse werden Aspartat und Glyzin in be­

sonders hohem Maß vom Gehirn abgegeben, wohingegen keine Veränderung bei Glutamat festzustellen war (9). Intrazellulär gebildetes Aspartat häuft sich extrazellulär an, wobei es vermehrt an NMDA-Rezeptoren bindet. Da­

durch wird eine langanhaltende Öffnung der rezeptorkontrollierten Kalziumkanäle bewirkt, was durch Glyzin noch potenziert wird. Als Ergebnis erhöht sich die zytosolische Kalzium­

konzentration beträchtlich. Wegen des beste­

henden energetischen Defizits bei gestörtem zellulären Glukosestoffwechsel besteht die Ge­

fahr, daß Kalzium nicht in ausreichendem Aus­

maß in zelluläre Kompartimente sequestiert oder/und externalisiert werden kann, so daß eine hohe zytosolische Kalziumkonzentration verbleibt. Dadurch werden Proteasen und Phospholipasen aktiviert, die ihrerseits Eiweiß- bzw. Lipidanteile von Zellkompartimenten und der Zellmembran degradieren. Hierbei fallen große Mengen an freien Radikalen an, die Zell­

membranen attackieren und Anlaß zu ihrer Zerstörung geben können, so wie sie auch in der Lage sind, die intrazelluläre Proteolyse zu stimulieren. Durch die anhaltende Störung der intrazellulären Kalziumhomöostase und der permanenten Bildung von freien Radikalen werden sich selbst unterhaltende Prozesse aus­

gelöst, die an der anhaltenden Zerstörung be­

stimmter Neuronenpopulationen wie der gro­

ßen Pyramidenzellen entscheidend beteiligt sind (5).

Pathobiochemische Störungen bei der DVT

Es kann davon ausgegangen werden, daß die das Krankheitsbild morphologisch kennzeich­

nenden kleinen Infarkte in Hirnrinde und Mark­

lager durch Mikrozirkulationsstörungen her­

vorgerufen werden. Durchblutungsstörungen im Sinne einer kompletten oder inkompletten zerebralen Ischämie führen zu charakteristi­

schen Veränderungen im oxydativen und Ener­

giestoffwechsel, wodurch die neuronale Kalzi­

umhomöostase nachhaltig beeinflußt wird (8).

Eine Abnahme energetischer Reserven ver­

ursacht eine Membrandepolarisation. Dabei bewegt sich zunächst intrazelluläres Kalium nach extrazellulär, gefolgt von einem Einstrom extrazellulären Kalziums, Natriums und Chlors in die Zelle. Kalzium häuft sich vorwiegend in Neuronen, Natrium und Chlor vorzugsweise in Gliazellen an. Nach einer Ischämie wird Kal­

zium in steigendem Maße von Dendriten auf­

genommen und in hohen Konzentrationen in Mitochondrien gespeichert. Diese Vorgänge sind in vulnerablen Hirnregionen, so z. B. der CAl-Region des Hippokampus, besonders aus­

geprägt, wobei ganz offenbar die durch das Energiedefizit bedingte Kalziumakkumulation der Schädigung der Neuronen vorausgeht. Die Erhöhung des zytosolischen Kalziumgehalts löst eine Reihe prä- und postsynaptischer so­

wie intrazellulärer Reaktionen aus. Zu letzte­

ren gehört die Aktivierung von Proteasen und Phospholipasen, die Protein- bzw. Lipidanteile

Die Rolle des Kalziums bei Demenzen Therapeutische Erfahrungen

von Zellkompartimenten und der Zellmembran degradieren (s. oben). So verläuft trotz unter­

schiedlicher Ursachen die Kaskade der zell­

schädigenden pathobiochemischen Vorgänge in besonders vulnerablen Neuronen bei der DAT und DTV völlig gleich. Bei der Akuität von Durchblutungsstörungen bei der DVT ist die Geschwindigkeit, in der die Neuronendegene­

ration abläuft, aus naheliegenden Gründen größer als bei der DAT. Bei beiden Krankheits­

prozessen nimmt die gestörte neuronale Kalzi­

umhomöostase jedoch eine zentrale Stellung im Mechanismus der Zellstörung und damit der Ausprägung des klinischen Bildes dieser Demenzen ein (12, 13).

Risikofaktor normaie Hirnalterung Zwischen den beiden genannten primären De­

menzformen und der schicksalsmäßig verlau­

fenden Alterung des Gehirns bestehen einer­

seits deutliche Unterschiede, andererseits las­

sen jedoch neuere Befunde die Vermutung zu, daß zumindest qualitativ Gemeinsamkeiten zwischen primären Demenzen und normaler Hirnalterung bestehen. So finden sich Hinweise darauf, daß sich bei normaler Hirnalterung jenseits der 7. bis 8. Lebensdekade Störungen der neuronalen Homöostase einstellen, in die insbesondere einbezogen sind neuronale Schrumpfung, Veränderungen von Zellmem­

branen und Zelloberflächenrezeptoren, die Ab­

nahme des zerebralen Glukoseverbrauchs und der Energiebildung, ein Anstieg der zytosoli- schen Kalziumkonzentration mit Steigerung der extrazellulären Konzentration von Gluta­

mat und der Glutamatbindung, die Zunahme der Bildung freier Radikale und die Abnahme der zellulären Reparaturfähigkeit. Bei Hinzu­

treten externer schädigender oder belastender Faktoren hat sich gezeigt, daß der Zellmetabo­

lismus des alternden Gehirns nicht in der Lage ist, die Auswirkungen solcher Streßfaktoren wie z. B. Veränderungen des arteriellen Blut­

drucks oder der Zusammensetzung von Blut­

gasen schnell und umfassend zu normalisie­

ren. So können die im Alter vermehrt im Ge­

hirn auftretenden und sich von der adulten Lebensphase unterscheidenden metabolischen Veränderungen als Risikofaktoren für die Aus­

lösung dementiver Prozesse betrachtet werden (7).

Therapeutische Rationale bei primären Demenzen

Je besser ein Krankheitsbild in seiner Ätio- pathogenese bekannt ist, desto größer sind die Chancen für eine erfolgreiche Therapie. Für chronisch verlaufende Krankheiten gilt zusätz­

lich, daß der Therapieerfolg in hohem Maße davon abhängt, daß eine suffiziente Behand­

lung in der Frühphase der Krankheit eingelei­

tet wird. Die pharmakotherapeutische Beein­

flussung von Krankheitsendstadien ist in der Regel wenig erfolgversprechend.

Für Krankheiten, deren Ätiopathogenese noch weitgehend unbekannt ist, darf aber an­

dererseits nicht gelten, daß alle therapeuti­

schen Ansätze unsinnig und überflüssig sind.

In solchen Fällen muß sich die Therapie auf die bei derartigen Krankheiten belegten Norm­

abweichungen konzentrieren. Eine solche Si­

tuation liegt bei primären Demenzen vor. Bei vaskulären Demenzen lassen sich häufig Risi­

kofaktoren allgemeiner Art finden, etwa ein arterieller Hypertonus oder hämorheologische Veränderungen, die einer gezielten Therapie zugänglich sind.

Bei der oben vorgenommenen Darstellung pa- thobiochemischer zerebraler Veränderungen im höheren Lebensalter sowie bei primären De­

menzen wurde neben Störungen im Energie­

stoffwechsel und der vermehrten Bildung von freien Radikalen vor allem auf die Abnormität der neuronalen Kalziumhomöostase hingewie­

sen, deren zellzerstörende Potenz bei vulnera­

blen Neuronenpopulationen nicht unterschätzt werden darf (17). Auf Möglichkeiten der phar- makotherapeutischen Einflußnahme auf den gestörten zerebralen Glukose- und Energiestoff- wechsel wurde in einem anderen Zusammen­

hang hingewiesen (6). In jüngster Zeit werden zusätzlich therapeutische Ansätze zur Beein­

flussung der gestörten neuronalen Kalziumho­

möostase erörtert, wofür die experimentelle Grundlage über die Anwendung nicht-kompe­

titiver Antagonisten an Rezeptoren exzitato­

risch wirkender Aminosäuren (NMDA-Rezep- tor) dargestellt worden ist (11).

Für Kalzium-Antagonisten, so auch für Ni­

modipin, liegt inzwischen eine Fülle von phar­

makologischen Daten vor, die eindeutig zeigen, daß durch sie der Kalzium-Einstrom in Neuro­

nen und Muskelzellen der Hirngefaße effektiv gehemmt wird. Somit werden bei gestörter Kalziumhomöostase die deletären Folgen des erhöhten Kalzium-Einstroms ins Zellinnere verringert (14).

Trotz unter­

schiedlicher Ursachen ha­

ben die patho- chemischen Vorgänge bei DAT und DTV teilweise den gleichen Ver­

lauf

Metabolische Veränderungen sind im Alter Risikofaktoren für Demenz- Auslösung

Kalzium- Antagonisten verringern die schädlichen Folgen des er­

höhten Kalzi­

um-Einstroms in die Zelle

ZF

j Therapeutische Erfahrungen Die Rolle des Kalziums bei Demenzen

Durch Nimodi­

pin ließen sich die kognitiven Leistungen von DAT- und DTV- Patienten bessern

Bei In-vivo-Studien wurden bei seneszenten Ratten Einschränkungen der Leistungen von Lernen und Gedächtnis, des sozialen Verhal­

tens und der Aktivität festgestellt und nach mehrwöchiger Behandlung mit dem Kalzium­

kanalblocker Nimodipin deutlich gebessert ge­

funden (16). Bei klinischen Studien an Patien­

ten mit primären degenerativen und Multi- Infarkt-Demenzen konnte eine Verbesserung der kognitiven Funktionen bei beiden Demenz­

formen unter Nimodipin festgestellt werden (3). Bei Patienten, die an einer mäßig starken DTV erkrankt waren, führte die mehrwöchige Therapie mit Nimodipin ebenfalls zu einer Ver­

besserung kognitiver Leistungen und der Akti­

vitäten im täglichen Lebenslauf (18). Die Er­

gebnisse einer Multizenterstudie ergaben eine deutliche Besserung der gestörten Gedächtnis­

leistung und der Aktivität im täglichen Lebens­

lauf unter mehrwöchiger Nimodipinbehand­

lung bei der DAT (1).

Der Einsatz von Kalzium-Antagonisten in der Behandlung neuronaler pathobiochemischer Veränderungen bei Hirnalterung mit der Ge­

fahr der Dekompensation unter Streßbedin­

gungen, bei vaskulären Demenzen und der Demenz vom Alzheimer-Typ läßt sich rational begründen und erweist sich nach ersten Unter­

suchungen bei noch floridem Krankheitsver­

lauf als erfolgversprechend. Der Nachweis ei­

nes günstigen Effektes auf gestörte psycho­

logische Parameter ist für Nimodipin erbracht worden.

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Prof. Dr. med. Siegfried Hoyer .•Arbeitsgruppe Hirnstoffwechsel Institut für Pathochemie und

Allgemeine Neurochemie der Universität Im Neuenheimer Feld 220/221

6900 Heidelberg

Naturheilverfahren in der Diskussion Serie (10): >

Segment- und

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