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Die Bedeutung des Zitzenkanals laktierender Milchrinder für die Abwehr von in die Milchdrüse eindringenden fakultativ pathogenen und pathogenen Mikroorganismen wird als hoch eingeschätzt, da Mastitiserreger vorwiegend über die Pforte „Zitzenkuppe – Zitzenkanalmündung – Zitzenkanal“ in das Euter eindringen und durch den Melkprozess vor allem die natürlichen Abwehrmechanismen in der Zitze beeinträchtigt werden (HAMANN und MEIN 1990, ZECCONI et al. 1992).

Verschiedene physikalische, chemische und immunologische Abwehrmechanismen des Zitzenkanals laktierender Milchrinder sind bekannt. Darüber hinaus liegen Kenntnisse zur mikrobiellen Besiedlung des Zitzenkanals vor, die mit den Abwehrmechanismen interagieren.

Dabei existieren sowohl Nachweise protektiver als auch pathogener Mikroorganismen (GILL et al. 2006, ESPECHE et al. 2009).

Physikalische Abwehrmechanismen Zitzenkanalkeratin

Die antimikrobiellen Eigenschaften des Zitzenkanalkeratins zählen zu den wesentlichen Abwehrmechanismen des Zitzenkanals (NICKERSON 1989). Sie umfassen die Adsorption von Mikroorganismen an das Zitzenkanalkeratin und die Entfernung von mit Mikroorganismen behaftetem Keratin aus dem Zitzenkanal durch Scherkräfte als Folge des Milchflusses (CHANDLER et al. 1969, WILLIAMS und MEIN 1985, CAPUCO et al. 1990, CAPUCO et al.

1994). Während der Laktation wird durch den Milchentzug kontinuierlich Zellmaterial aus dem Kanal entfernt (PAULRUD 2005). Im Mittel werden 0,5 mg bis 1,3 mg Zitzenkanalkeratin in der Zwischenmelkzeit nachgebildet (CAPUCO et al. 1990, BITMAN et al. 1991).

Zitzenkanalpropf

In der Trockenperiode entsteht aus dem Zitzenkanalkeratin ein den Zitzenkanal verschließender Propf. Von zentraler Bedeutung für die Entstehung von Eutergesundheitsstörungen bei Erstkalbinnen scheint der vorzeitige (vor dem Erstabkalbetermin) Verlust des Keratinpfropfes im Zitzenkanal zu sein (WILLIAMSON 2002). Bei älteren Kühen führte der Verschluss des Zitzenkanals in einem frühen Stadium der Trockenperiode zu einer signifikanten Abnahme des Neuinfektionsrisikos (DINGWELL et al. 2004).

Hyperkeratosen

Während eine gering ausgeprägte Hyperkeratose im Hinblick auf die Eutergesundheit als durchaus positiv beurteilt werden kann, weil sie den natürlichen Verschluss des Zitzenkanals fördert (NEIJENHUIS et al. 2004), sind deutlicher ausgeprägte und vor allem raue Hyperkeratosen als nachteilig für die Eutergesundheit einzustufen. WENDT und LÜDER (1991) beschreiben, dass übermäßige Hyperkeratosen prädisponierend für die Entwicklung einer Mastitis sein können, da es in Folge einer durch Hyperkeratosen entstandenen erschwerten Melkbarkeit zu einer erhöhten mechanischen Belastung des Gewebes kommt. Weiterhin begünstigen Hyperkeratosen durch Rhagaden und Schmutzansammlungen die

Erregeransammlung an der Zitzenspitze. Besonders raue Zitzenspitzen sind zudem schwer zu reinigen (ZUCALI et al. 2009).

Hyperkeratosen können nach TIMMS et al. (1998) die Besiedlung des Zitzenendes mit euterpathogenen Mikroorganismen fördern. Auch der Verschluss der Zitzenkanalöffnung wird beeinträchtigt und ist nach dem Melken verzögert (MICHEL et al. 1974, NEIJENHUIS et al.

2004).

MICHEL et al. (1974) beschreiben zudem, dass ausgeprägten Hyperkeratosen mit einer veränderten Keratinqualität einhergehen, was zu einer Beeinträchtigung der Abwehrfunktion des Keratins im Zitzenkanalbereich beitragen könnte.

Ein Zusammenhang zwischen dem Infektionsstatus der Milchdrüse und dem Auftreten ausgeprägter Hyperkeratosen konnte nicht in allen Studien nachgewiesen werden (GOSSEN et al.

2007, MICHEL et al. 1974, SIEBER und FARNSWORTH 1981, THOMPSON und SIEBER 1980). GLEESON et al. (2004) konnten jedoch zeigen, dass eine signifikante Korrelation (P<0,01) zwischen somatischer Zellzahl und ausgeprägter Hyperkeratose besteht. Diese Feststellung gilt nur für Tiere, bei denen keine Zitzendesinfektion nach dem Melken durchgeführt wurde.

Allerdings kann aufgrund von Querschnittsstudien das Bestehen eines - zumindest assoziativen - Zusammenhangs zwischen dem Vorliegen von Hyperkeratosen und dem Auftreten von Neuinfektionen der Milchdrüse nur vermutet werden. Lediglich longitudinale Untersuchungen sind geeignet, etwaige direkte Abhängigkeiten zu beweisen.

NEIJENHUIS et al. (2001) wiesen in einer Langzeitstudie mit 2157 Kühen einen Zusammenhang zwischen Hyperkeratosen und dem Auftreten klinischer Mastitiden nach. Sie stellten fest, dass Euterviertel im Monat vor dem Auftreten einer klinischen Mastitis im Durchschnitt in eine höhere Hyperkeratosenklasse eingestuft wurden als die Nachbarviertel desselben Euters, die keine Mastitis entwickelten. An Mastitis erkrankte Kühe hatten stärkere und häufiger raue Hyperkeratosen als gesunde Herdenmitglieder. Dieser Zusammenhang war vor allem für Mastitiden, die zwischen dem zweiten und vierten Laktationsmonat auftraten, deutlich.

ZUCALI et al. (2009) konnten die Ergebnisse von NEIJENHUIS et al. (2001) bestätigen.

Zitzenspitzen von Tieren, bei denen in einem Untersuchungszeitraum durchgehend eine Zellzahl

von <200.000 Zellen/ml nachgewiesen wurde, wurden bezüglich der Ausprägung ihrer Hyperkeratosen konstant niedriger eingestuft als diejenigen von Tieren mit >200.000 Zellen/ml im Sekret. POTRAFKI (2005) fand eine signifikant niedrigere (P < 0,05) Anzahl von Infektionen und unspezifischen Mastitiden in Eutervierteln, die zuvor mit besseren Zitzenscorewerten (≤ 2 auf einer Skala von 1 bis 5) beurteilt worden waren.

Hyperkeratosen extremer Dicke und raue Hyperkeratosen, die zugleich von Corynebakterien besiedelt waren, wurden von ZADOKS et al. (2001) als Risikofaktoren für eine Staphylococcus (S.) aureus Infektion des zugehörigen Viertels identifiziert. NEIJENHUIS et al. (2001) stellten fest, dass klinisch mastitiskranke Viertel, die kulturell negativ waren, und solche, aus denen Milchproben gewonnen wurden, in denen Klebsiella pneumoniae, Hefen oder Enterobacter aerogenes nachgewiesen wurde, durchschnittlich dickere Zitzen und häufiger raue Hyperkeratosen aufwiesen als Viertel mit klinischen Mastitiden, die durch andere Mikroorganismen hervorgerufen wurden.

Zitzenkanalmorphologie

Zwischen der Morphologie des Zitzenkanals, dem Milchfluss und der Eutergesundheit bestehen signifikante Beziehungen (GRINDAL und HILLERTON 1991, MIELKE und MICHEL 1994, WAAGE et al. 1998).

So besteht eine positive Korrelation zwischen der Weite des Zitzenkanals und dem Infektionsrisiko: anfällige Tiere weisen deutlich weitere Lumina auf (1,0-1,25 mm) als gesunde Tiere (0,40-0,55 mm) (MIELKE und MICHEL 1994). Mit steigenden Milchflussraten (kurzer und weiter Zitzenkanal) steigt die Anzahl der Neuinfektionen mit pathogenen Keimen bzw. die Rate klinischer Mastitiden (GRINDAL und HILLERTON 1991). MC DONALD (1971) stellte fest, dass der Zitzenkanal anfälliger Euterviertel bzw. solcher Euterviertel, die mit S. aureus und coliformen Keimen infiziert waren, einen größeren Durchmesser und ein dünneres Stratum corneum aufwies. Auch CHRYSTAL et al. (1999) fanden höhere Zellzahlen und eine höhere Anfälligkeit für Mastitis bei einem größeren Durchmesser des Zitzenkanals. Der Einfluss der Zitzenkanallänge auf Neuinfektionen war bei Untersuchungen von GRINDAL und HILLERTON (1991) sowie LACY-HULBERT und HILLERTON (1995) ebenfalls erkennbar (ein längerer

Zitzenkanal senkt die Gefahr einer neuen Infektion). Dabei untersuchten die Autoren den Einfluss der Zitzenkanalmorphologie auf die Infektion mit pathogenen Erregern im Allgemeinen (GRINDAL und HILLERTON 1991) und speziell auf das Auftreten von Streptococcus (Sc.) agalactiae und Sc. uberis (LACY-HULBERT und HILLERTON 1995).

Entgegen bisheriger Aussagen fanden WAAGE et al. (1998) allerdings ante partum bei Tieren mit einem langsameren Milchfluss eine höhere Mastitisanfälligkeit als bei Tieren mit einem mittleren oder hohen Milchfluss. Hier wird jedoch angenommen, dass eine klinische Mastitis ante partum den Milchfluss während der frühen Laktation negativ beeinflusst. MYLLYS und RAUTALA (1995) fanden ebenfalls höhere Zellzahlen und eine höhere Mastitisanfälligkeit bei einem niedrigeren Milchfluss.

Zitzenkanalschluss

Nach dem Melken können Verhärtungen oder Schwellungen an den Zitzen auftreten, die durch Flüssigkeitsansammlungen in der Zitzenwand verursacht werden. Gelegentlich sehen die Zitzen nach Abnahme des Melkzeuges deshalb keilförmig oder zusammengedrückt aus (MEIN et al. 2001). Die Ursachen hierfür sind Blindmelken, hohes Vakuum, Fehler in der Pulsation, unterschiedlich lange Entlastungs- und Saugphasen, unangepasste Zitzengummis oder die Verwendung unterschiedlicher Melksysteme (HAMANN und MEIN 1990, HAMANN und MEIN 1988, HAMANN et al. 1993, MEIN et al. 2001). Diese Veränderungen des Zitzengewebes werden auch als „interne Läsionen“ bezeichnet. Es wird zwischen Ödemen, die als extravaskuläre Flüssigkeitsansammlungen definiert sind, und Kongestionen (Blutstauungen), die eine intravaskuläre Ansammlung von Flüssigkeiten darstellen, unterschieden (HAMANN und MEIN 1990). Schwellungen des Zitzengewebes stehen in Zusammenhang mit intramammären Infektionen, da sie die natürlichen Abwehrmechanismen des Zitzengewebes schwächen (HAMANN et al. 1993, HAMANN und MEIN 1988, RONNINGEN und REITAN 1990).

HAMANN und MEIN (1988, 1996) stellten fest, dass die Zitzenwanddicke in Abhängigkeit der Vakuumapplikation (30, 50, oder 70 kPa) und der Einstellung des Pulsators um 2 %, 8 % bzw. 21 % zunimmt. Wird ohne Pulsator gemolken, so nimmt die Zitzendicke um mehr als 30 % zu (HAMANN und MEIN 1990). Der intramammäre Druck, der vom Füllungszustand des Euters

ausgeht, wirkt sich nur geringfügig auf die Zitzenwanddicke aus (HAMANN und MEIN 1988).

Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe führen zu einer längeren Melkzeit, da der Milchfluss reduziert wird (HAMANN und MEIN 1990, SIEBER und FARNSWORTH 1984). Eine längere Melkzeit geht wiederum mit einer stärkeren Belastung des Zitzengewebes einher (SHEARN und HILLERTON 1996, SIEBER und FARNSWORTH 1981). RONNINGEN und REITAN (1990) fanden keine Zusammenhänge zwischen dem Grad der Flüssigkeitsansammlungen und den Melkzeiten. Sie erkannten jedoch, dass mit Zunahme der Gewebeschwellungen an der Zitzenkuppe die Anzeichen klinischer Mastitiden stiegen. Dies wurde von FOX und CUMMING (1996) und ZECCONI et al. (1992) bestätigt. Gewebeschwellungen an der Zitzenspitze korrelieren positiv mit Rissen in der Zitzenhaut und so auch mit der Besiedlung der Haut durch pathogene Mikroorganismen (BURMEISTER et al. 1998) bzw. S. aureus (FOX und CUMMING 1996).

Chemische Abwehrmechanismen

Die Fettsäuren des Zitzenkanalkeratins sind an der Hemmung pathogener Mikroorganismen im Zitzenkanal beteiligt (WILLETT und MORSE 1966, HOGAN et al. 1986, HOGAN et al.

1987). Im Zitzenkanalkeratin dominieren vor allem die langkettigen Fettsäuren C16, C18 und C18:1 (HOGAN et al. 1986). Der Anteil der kurzen bis mittellangen Fettsäuren C4 bis C14 an den Gesamtfettsäuren liegt bei laktierenden Tieren bei 19,4 % (BITMAN et al. 1988).

In vitro wird die vollständige Hemmung von Sc. agalactiae durch die ungesättigten Fettsäuren C18:2 und C18:3 in Konzentrationen von jeweils 5 µg/ml erzielt. Um denselben Effekt zu erreichen, sind von den Fettsäuren C16 und C12 Konzentrationen von 25 µg/ml bzw.

über 40 µg/ml erforderlich (WILLETT und MORSE 1966). Auch HOGAN et al. (1987) weisen auf die bakteriozide Wirkung der ungesättigten Fettsäuren C18:2 und C18:3 in Konzentrationen von bis zu 100 µg/ml auf S. aureus, S. hyicus, Sc. agalactiae und C. bovis hin.

Neben Fettsäuren wurden in verschiedenen Studien antimikrobielle Proteine und Enzymsysteme im Zitzenkanalepithel nachgewiesen. So isolierten HIBBITT et al. (1969) aus dem Zitzenkanalkeratin Proteine, die in vitro in Konzentrationen von 2 µg/ml bis 5 µg/ml bzw.

11,5 µg/ml das Wachstum von S. aureus bzw. Sc. agalactiae um 50 % reduzieren. Der Anteil dieser Proteine am Zitzenkanalkeratin liegt den Autoren zufolge bei 4 bis 5 % bezogen auf die Feuchtmasse. Lysozym konnte in dieser Arbeit nicht im Zitzenkanal nachgewiesen werden. Auch SENFT et al. (1990) beobachteten die Hemmung von S. aureus durch Proteine des Zitzenkanalepithels. Die Autoren bestimmten eine mittlere Proteinmasse von 1,4 mg im Zitzenkanal. Kationische Proteine des Zitzenkanals führen zu morphologischen Veränderungen der Zellen von S. aureus (MACMILLAN und HIBBITT 1969).

COLLINS et al. (1988) wiesen im Plattenepithel des Zitzenkanals das Enzym Xanthinoxidase nach, das in vitro die antimikrobielle Wirkung des Lactoperoxidase-Systems gegenüber Sc.

uberis unterstützt.

NICKERSON (1987) und PAULRUD (2005) betonen, dass interzelluläre Lipide und freie Aminosäuren die Besiedlung des Zitzenkanals mit Mikroorganismen begünstigen können.

Immunologische Abwehrmechanismen

Bislang liegen nur unzureichende Erkenntnisse zur Immunaktivität des Zitzenkanalepithels vor. So sind die Keratinozyten aufgrund der Bildung von Cytokinen an der Entstehung lokaler inflammatorischer Prozesse und der Aktivierung von Leukozyten beteiligt und bilden nach der Aktivierung durch IFN-γ Klasse II MHC-Moleküle. Lymphozyten, die in das Epithel des Zitzenkanals eindringen, sind in den basalen Schichten des Stratum granulosum lokalisiert.

Aufgrund des Übergangs vom keratinisierten Plattenepithel des Zitzenkanals in das Epithel der Zitzenzisterne kommt es im Bereich der Fürstenberg’sche Rosette vermehrt zu Interaktionen zwischen eindringenden Mikroorganismen bzw. Toxinen und Epithelzellen und Lymphozyten (PAULRUD 2005). In Vierteln, die mit S. aureus infiziert sind, durchdringen Leukozyten die basale Epithelschicht im Bereich der Fürstenberg’sche Rosette und wandern bis zur luminalen Zellschicht (NICKERSON und PANKEY 1984). Mikroorganismen, die das Zitzenkanalkeratin besiedeln, werden möglicherweise durch polymorphkernige, neutrophile Leukozyten, die in das Zitzenkanalgewebe eindringen, phagozytiert (NICKERSON 1985). SIMON et al. (2007) wiesen an der Fürstenberg’sche Rosette von Vierteln mit somatischen Zellgehalten über 100.000 Zellen/ml ein vermehrtes Auftreten L-Selectin- und β2-Integrin-positiver Zellen nach.

Mikrobielle Besiedlung der Zitzenhaut und des Zitzenkanals

In verschiedenen Arbeiten wurde gezeigt, dass die Bakteriendichte im Einstreumaterial mit der Mikroorganismendichte auf der Zitzenhaut laktierender Milchkühe positiv korreliert ist (RENDOS et al. 1975, HOGAN und SMITH 1997, HOGAN et al. 1999, ZDANOWICZ et al.

2004). Darüber hinaus stellten einige Autoren fest, dass der Zusatz saurer oder alkalischer Substanzen zu organischen Einstreumaterialien die mikrobiellen Populationen im Einstreumaterial und auf der Zitzenhaut reduzierte (HOGAN und SMITH 1997, HOGAN et al.

1999). Bislang liegen nur wenige Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen zwischen der Mikroflora der Zitzenhaut und der des Zitzenkanals vor. Die Ergebnisse der Untersuchung der genetischen Profile verschiedener Isolate von S. aureus weisen darauf hin, dass die Zitzenhaut, die Zitzenöffnung und der Zitzenkanal durch dieselben Pulsfeldtypen besiedelt werden können (HAVERI et al. 2008). Daher ist derzeit von einem Austausch zwischen den Populationen auszugehen. Im Vergleich zu der Zitzenöffnung weist jedoch der Zitzenkanal eine geringere Diversität Koagulase-negativer Staphylokokken auf (TAPONEN et al. 2008).

Etwa 25 % der untersuchten Isolate der Mikroflora der Zitzenhaut, die den Gattungen Corynebacterium (C.), Bacillus und Aerococcus zuzuordnen sind, können in vitro Mastitiserreger hemmen. Daher ist davon auszugehen, dass die Besiedlung der Zitzenhaut mit C. xerosis, Bacillus sp. und Aerococcus viridans in Beziehung mit der Widerstandsfähigkeit der bovinen Milchdrüse gegenüber der Entstehung von Mastitiden steht (WOODWARD et al. 1987, WOODWARD et al. 1988). Viertel von Färsen, deren Zitzenspitzen im präpartalen Zeitraum mit S. chromogenes besiedelt sind, weisen, verglichen mit unbesiedelten Vierteln, in den ersten Laktationstagen geringere somatische Zellzahlen auf (DE VLIEGHER et al. 2003). Zwei von zehn S. chromogenes-Isolaten hemmten in vitro das Wachstum von S. aureus, Sc. dysgalactiae und Sc. uberis. Keines der Isolate besaß jedoch eine hemmende Wirkung gegenüber Escherichia (E.) coli (DE VLIEGHER et al. 2004). Von sieben Milchsäurebakterien-Isolaten aus Zitzenkanälen hemmten Enterococcus saccharolyticus die Erreger Sc. dysgalactiae, Enterococcus faecium und Listeria monocytogenes sowie Lactococcus lactis subsp. lactis die Erreger Sc. dysgalactiae und Sc. uberis (ESPECHE et al. 2009).

Neben einer Kolonisation mit Mikroorganismen, die hemmend auf pathogene Mikroorganismen wirken, findet insbesondere eine Besiedlung des Zitzenkanals durch Staphylokokken statt. Zu den typischen Besiedlern des bovinen Zitzenkanals zählen vor allem S.

aureus, Koagulase-negative Staphylokokken und C. bovis (DEVRIESE und DE KEYSER 1980, WILLIAMS und MEIN 1985, TAPONEN et al. 2008). Aus der Studie von DU PREEZ (1985) geht hervor, dass Koagulase-negative Staphylokokken mit einem Anteil von 45 %, S. aureus mit 18 %, C. bovis mit 16 % und Sc. agalactiae mit 8 % die dominierenden Mikroorganismen darstellen. DEVRIESE und DE KEYSER (1980) wiesen in Zitzenkanälen die Koagulase-negativen Staphylokokken S. epidermidis, S. xylosus und S. haemolyticus nach. Mithilfe des Ribotypings konnten S. chromogenes, S. sciuri carnaticus, S. simulans, S. succinus succinus und S. xylosus als wichtige Besiedler der Zitzenkanäle laktierender Tiere identifiziert werden (TAPONEN et al. 2008). Daneben besiedeln Micrococcus spp. die Zitzenkanäle von Färsen und Tieren in der ersten und zweiten Laktation (FORBES 1968).

Trotz aller Detailkenntnisse zur Rolle des Zitzenkanals im Infektionsgeschehen der Milchdrüse fehlen bislang klinisch epidemiologische Studien, die die kausale Kette vervollständigen. Die Einschätzung der mikrobiellen Flora erfolgt bislang nahezu ausschließlich qualitativ, sodass Beeinflussungen der mikrobiellen Besiedlung nur im Ansatz dargestellt werden können. Die mikrobielle Kolonisation kann wahrscheinlich vor allem durch die Haltungsumwelt der Tiere, durch Pflege und Desinfektion der Zitzenhaut und indirekt durch die Einwirkung der, beim maschinellen Milchentzug herrschenden, Kräfte beeinflusst werden. Insbesondere bei auftretenden Vakuumschwankungen unter der Zitze können Mikroorganismen, die das Epithel des Zitzenkanals besiedeln, in tiefer liegende Regionen der Milchdrüse gelangen und dort Infektionen verursachen. Ebenso sind der Effekt des Zitzenkanalschlusses in der nicht laktierenden Phase und die Bedeutung der Zitzenkanalmorphologie auf die Entstehung von Infektionen der Milchdrüse und Mastitiden nicht so weit untersucht worden, dass daraus Ableitungen für das Management in Milchviehbetrieben gezogen werden können. Die

durchgeführten eigenen Arbeiten versuchen hier Bausteine hinzuzufügen und so den Bogen von der theoretischen zur anwendungsorientierten Ebene zu bilden.

Abbildung 2 gibt einen schematischen Überblick über die Rolle des Zitzenkanals im Rahmen der Entstehung von Mastitiden.

Abbildung 2: Zitzenspitze eines laktierenden Rindes (HE Färbung; 400 fache Vergrößerung) – Einflussfaktoren auf die Besiedlung und die Infektionsabwehr des Zitzenkanals

III Eigene Untersuchungen

III.1 Die mikrobielle Besiedlung des Zitzenkanals bei Milchkühen - Bedeutung und