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Risikoanalyse

Im Dokument Leitfaden WU Hochbau (Seite 59-62)

3 Allgemeiner Teil

3.7 Risikoanalyse

Im Rahmen der WU sind die realistisch zu erwartenden Werte für Aus- und Einzahlungen der BV zu ermitteln.

Diese Erwartungswerte sollen das im Durchschnitt zu erwartende projektspezifische Risiko beinhalten.23 Unter einem Risiko versteht man die mögliche nega-tive Abweichung von einer Annahme. Eine solche ne-gative Abweichung kann zu einem Schaden oder zu ei-ner Reduzierung eines positiven Effektes führen. Die Möglichkeit einer positiven Abweichung von einer An-nahme nennt man Chance. Eine solche positive Abwei-chung kann zu einer Kostenminderung führen.

Risiken und Chancen sind bei der Bildung der Erwar-tungswerte für die Aus- und Einzahlungen – auch un-ter Berücksichtigung ihres zeitlichen Auftretens – mo-netär zu berücksichtigen. Dies kann mit Hilfe der Zuschlagsmethode erfolgen, bei der auf bestimm-te Ausgangswerbestimm-te bzw. Gruppen von Ausgangswerbestimm-ten prozentuale Zuschläge vorgenommen werden, die das Produkt aus möglicher Abweichung vom Ausgangswert und der Eintrittswahrscheinlichkeit darstellen.

Solche Risiken, die nicht monetär bewertet werden können, müssen transparent dokumentiert und qua-litativ beschrieben werden. Sie sind mit der WU in Be-ziehung zu setzen, im Gesamtzusammenhang zu inter-pretieren und bei der Vorentscheidung für eine BV zu berücksichtigen. Die Grundlagen und Annahmen für die einzelnen Schritte der Risikoanalyse sind vom An-wender vollständig und nachvollziehbar zu dokumen-tieren.

In Anlage 2 sind die wesentlichen Einzelrisiken aufge-listet, die bei Hochbauprojekten regelmäßig bestehen.24 Mit Rücksicht auf die Angemessenheit des Aufwands zur Durchführung der Risikoanalyse können auf Basis der Einzelrisiken auch Risikokategorien gebildet wer-den. Hierdurch wird auch dem Eindruck der Scheinge-nauigkeit entgegengewirkt.25

23 vgl. Arbeitsanleitung Einführung in Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen, RdSchr. d. BMF v. 12.01.2011, S. 22

24 vgl. Alfen, H. W.: Lebenszyklusorientiertes Risikomanagement für PPP-Projekte im öffentlichen Hochbau, Weimar 2010 25 vgl. Leitfaden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei

PPP-Projekten (Stand: September 2006) und Rundschreiben zur

Risikokategorien bei Hochbaumaßnahmen sind:

Planungs-•

Bau-•

Zwischenfinanzierungs-•

Verwaltungs-•

Betriebs-•

Instandsetzungs-• Endfinanzierungs- und

• Verwertungsrisiken.

Auch Einzelrisiken von großer Bedeutung wie z. B.

Baugrundrisiko, Genehmigungsrisiko, Insolvenzrisiko, Auslastungsrisiko, sind den Risikokategorien zuzuord-nen. Übergeordnete Risiken wie Baukostenrisiko, Qua-litätsrisiko oder Terminrisiko ergeben sich aus mehre-ren verschiedenen Einzelrisiken (vgl. Anlage 2).

Mit Blick auf die monetäre Bewertung der Risiken im Rahmen einer WU (als Zuschläge auf Zahlungsströme) müssen die Risikokategorien außerdem nach ihrer Ent-stehung in den jeweiligen Lebenszyklusphasen unter-schieden werden. Es ist daher bei den verunter-schiedenen Risikokategorien grundsätzlich danach zu unterschei-den, ob es sich um Risiken handelt, die

• im Rahmen der Gebäudeherstellung bzw. der Um-baumaßnahmen anfallen wie Planungs-, Bau- und Zwischenfinanzierungsrisiken

• im Rahmen der Nutzung zu berücksichtigen sind wie Verwaltungs-, Betriebs-, Instandsetzungs- und Endfinanzierungsrisiken oder

• um solche, die erst nach Ablauf der Nutzungsdauer relevant sind wie Verwertungsrisiken.

Die Risikoanalyse ist ein Prozess, der die nachfolgend beschriebenen Phasen beinhaltet.

Anwendung im Bereich der obersten Bundesbehörden des BMF vom 20.08.2007 an die obersten Bundesbehörden und den BRH, S. 26

3.7.1 Risikoidentifikation

In der ersten Phase werden die Risiken identifiziert. Da-bei sind zunächst die übergeordneten o. a. Risikokate-gorien zu definieren, die sich am Lebenszyklus des Pro-jektes und an den Bezugskosten orientieren. Diesen Risikokategorien werden dann Einzelrisiken (z. B. Än-derungsrisiken, Vertragsrisiken) zugeordnet

(vgl. Anlage 2).

Die gängige Form zur Risikoidentifikation ist die Dis-kussion von Risikolisten im Rahmen von Risikowork-shops, die interdisziplinär besetzt sein sollen. Bei den Risikoworkshops müssen die Projektbeteiligten gemäß RBBau wie Nutzer, Maßnahmenträger und Bauverwal-tung vertreten sein, die mit den Arbeitsabläufen in der Planungs-, Bau-, Betriebs- und Verwertungsphase Er-fahrung haben und über entsprechende Kompetenzen verfügen. Darüber hinaus sollen bei Bedarf betriebs-wirtschaftliche und juristische Experten hinzugezo-gen werden. Als Ergebnis des Risikoworkshops wird ein Überblick der in einem Projekt auftretenden Risiken mit einer Kategorisierung der Einzelrisiken erstellt.

3.7.2 Risikoqualifikation

In der zweiten Phase werden die Risiken qualitativ ana-lysiert. Es empfiehlt sich die Aufstellung einer allge-meinen Risikomatrix in einem Grobraster. In dieser werden die Risiken nach ihrer noch nicht genau spezi-fizierten Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshö-he klassifiziert. Dazu werden die EintrittswahrscSchadenshö-hein- Eintrittswahrschein-lichkeit und die Schadenshöhe der Einzelrisiken z. B.

mit einer dreiteiligen Bewertungsskala wie gering/mit-tel/hoch bewertet. Aus der Kombination der Bewertun-gen von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe können die Einzelrisiken als bedeutende oder weniger bedeutende Risiken klassifiziert werden. Die Einzelri-siken lassen sich auf diese Weise Risikogruppen zuord-nen (z. B. A-, B- oder C-Risiken).

Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht eine ent-sprechende Risiko-Matrix.

Anhand der Risikoqualifikation der Einzelrisiken wird entschieden, welche Risikokategorien anschließend quantitativ analysiert werden. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn in der jeweiligen Risikokate-gorie auch Risiken der Gruppe A enthalten sind.

Abbildung 3-10: Risiko-Matrix mit dreiteiliger Bewertungsskala26

26 vgl. Arbeitsanleitung Einführung in Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen, RdSchr. d. BMF v. 12.01.2011, S. 24

3.7.3 Risikoevaluation

In der dritten Phase werden die zur quantitativen Be-wertung ausgewählten Risikokategorien mit einem Risikowert in Form eines monetären Zuschlages be-legt. Dieser Risikowert ergibt sich aus der Multiplikati-on vMultiplikati-on Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit.

Hierbei ist darauf zu achten, dass bei den jeweiligen Ri-sikokategorien die passende Kostenbasis (Bezugskos-ten = Erwartungswerte vor Risikoanalyse) herangezo-gen wird.

Die jeweilige Höhe der Risikowerte muss in Abhän-gigkeit von den Gegebenheiten im Rahmen des Risi-koworkshops erörtert und/oder gem. Einschätzung des Anwenders festgelegt werden.

3.7.4 Risikoallokation

Die Risikoallokation ist die vierte Phase der Analyse und als Ergebnis des Prozesses zu verstehen, in dem die bewerteten Risiken anhand der für die zu untersuchen-den BV angenommenen Vertragsmodelle (z. B. PSC, ÖPP-Vertrag, Mietvertrag) auf die Vertragspartner ver-teilt werden. Dabei sind die projekt- und vertragsspezi-fischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Hierfür ist die Dokumentation der in den untersuchten BV vorge-sehenen vertraglichen Merkmale erforderlich. Anhand der spezifischen Vertragskonzepte werden die Risiken vom Anwender bzw. in einem Risikoworkshop auf die jeweiligen Vertragspartner verteilt.

3.7.5 Anpassung der Erwartungswerte/

Plausibilitätsprüfung

In der fünften Phase ist zu überprüfen, ob und inwie-weit die zuvor ermittelten Risikozuschläge in den bis-herigen Erwartungswerten (Bezugskosten) bereits ent-halten sind. Die Bezugskosten für die Bauleistungen können z. B. von Datenbanken (BKI-Kennwerte u. ä.) abgeleitet sein, die auf Kostenfeststellungen abgerech-neter Maßnahmen beruhen. In solchen Kostenkenn-werten sind die in den erhobenen Maßnahmen reali-sierten Risiken bereits enthalten. Die Bezugskosten für die Planungsleistungen können dagegen z. B. von einer Gebührenordnung (HOAI) abgeleitet sein, die keine re-alisierten Risiken enthält.

In den bisherigen Erwartungswerten sind Risikokos-ten somit möglicherweise bereits ganz oder teilwei-se berücksichtigt. Dies gilt es bei der Schätzung von Ri-sikozuschlägen möglichst vorab zu prüfen, spätestens jedoch nach der Schätzung. Sofern die Risiken nicht in dem ermittelten Umfang in den bisherigen Erwar-tungswerten (vor der Risikoanalyse) enthalten sind, sind die Erwartungswerte auf der Grundlage der ermit-telten Risikozuschläge und -abschläge anzupassen.

Auf diese Weise werden neue Erwartungswerte (nach der Risikoanalyse) gebildet, die in die WU einzustellen sind.

Wenn private Partner Risiken tragen, werden diese im Angebot eingepreist; eine Übertragung der Risiken auf Private bedeutet nicht, dass hieraus für die öffentli-che Hand keine Auszahlungen resultieren. Die im Rah-men der Risikoevaluation ermittelten Risikozuschläge sind somit vollständig in den Kapitalwertberechnun-gen aller BV zu berücksichtiKapitalwertberechnun-gen und nicht nur der durch Allokation ermittelte Zuschlag auf Seiten der öf-fentlichen Hand. Kann das Risiko von einem privaten Partner besser kontrolliert werden, können geringe-re Risikozuschläge vertgeringe-retbar sein; dies ist jedoch trans-parent auszuweisen. Die Differenzierung in Risiken, die bei der öffentlichen Hand verbleiben, und Risiken, die auf private Partner übertragen werden, ist in der Sensi-tivitätsanalyse zu berücksichtigen. Nur Risiken, die bei der öffentlichen Hand verbleiben, führen je nach Fall-konstellation zu Mehr- bzw. Minderauszahlungen. Die voraussichtlichen Risiken der privaten Vertragspartner bzw. die aus ihnen resultierenden Kosten sind über die Preisbildung letztlich auch vom Auftraggeber (öffentli-che Hand) zu tragen.

Abschließend ist zu überprüfen, ob die neuen Erwar-tungswerte unter Berücksichtigung aller projektspe-zifischen Rahmenbedingungen realistisch sind (Plau-sibilitätsprüfung). Wenn dies nicht der Fall ist, sind die Erwartungswerte nochmals anhand der zuvor be-schriebenen Schritte 1 bis 5 anzupassen. Auf diese Wei-se wird sichergestellt, dass von den Erwartungswerten, die in die WU eingestellt werden, nur noch zufällige Abweichungen zu erwarten sind.

Im Dokument Leitfaden WU Hochbau (Seite 59-62)