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Risikoabschätzung - Methode für Trinkwasser

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5. Beurteilung der Grundwasserqualität

5.3 Risikoabschätzung - Methode für Trinkwasser

Die nun zu beschreibende Vorgehensweise zur Risikoabschätzung geht von der Annahme aus, dass das untersuchte Grundwasser (s. S. 23/24) als Rohwasser zur Trinkwasserherstellung genutzt werden würde. Je nach Schutzziel sind bei der Setzung von Grenzwerten für Trinkwasser potentiell schädlicher Stoffe 3 Ausprägungen von Schädlichkeit zu unterscheiden:

- die potentielle gesundheitliche Schädlichkeit von Stoffen für den Trinkwasserkonsumenten,

die potentielle Schädlichkeit gewisser Stoffe für den technischen Bereich der Trinkwassergewinnung, -aufbereitung und - Verteilung und die nachteilige Veränderung des Trinkwassers durch manche Stoffe in ästhetisch-sensorischer Hinsicht, vom Trinkwasserkonsumenten u.U. nur als Belästigung wahrgenommen.

Weitere Schutzziele kann die Standardsetzung im Trinkwasserbereich nicht abdecken, insbesondere keine ökologischen, wie etwa den Schutz von aquatischen Lebensgemeinschaften vor Pestiziden, den Schutz von Nutzpflanzen vor Kontaminanten im Gieß- und Beregnungswasser, oder den Schutz von Grundwasser vor Kontaminanten im Sickerwasser aus Altablagerungen. In den folgenden

Ausführungen sollen nur die gesundheitsbezogenen Standards für chemische Stoffe im Trinkwasser betrachtet werden, weil nur die Entscheidung einer Grundwassernutzung (Grundwasser des Untersuchungsprogramms) als Rohwasser für die Trinkwasserherstellung anhand der Risikoabschätzung getroffen werden soll.

Der gesundheitlich gestützte Standard eines Stoffes im Trinkwasser ist diejenige Konzentrationsobergrenze = Grenzkonzentration in mg/1, die (noch) ohne gesundheitlich nachteilige Folgen für die Gesundheit des Trinkwasserkonsumenten ist. Dies gilt je nach zeitlicher Auslegung und sollte bis hin zu lebenslanger Exposition gelten. Oberhalb eines gesundheitlich begründeten Standards beginnt der Bereich zunächst zunehmender Besorgnis, dann die Gefahr, dass je nach maßgeblichem Schadstoffbeitrag anderer Zufuhrpfade (andere Lebensmittel, Luft usw.) eine gesundheitliche Schädigung eintreten könnte. Unterhalb eines solchen Standards dagegen gilt die Möglichkeit einer Schädigung auf dem Trinkwasserpfad als mit praktischer Gewissheit ausgeschlossen.

Als bewertungsrelevante schädliche Wirkungen (systemisch adverse Effekte) gelten frühe irreversible Organveränderungen und deren funktionell-/liistopathologischen Ausprägungen, Verhaltens- und Wachstumsstörungen, Wirkungs- und Stoff-kumulationen, schadstoffinduzierte Stoffwechselstörungen., reproduktions-toxische, keimzellschädigende und teratogene Endpunkte sowie die jeweiligen biochemischen, den entsprechenden Dosis-/Wirkungskurven zuzuordnenden Vorstufen. Sie lassen sich unter kontrollierten Bedingungen in Tierversuchen am besten beobachten. Am Menschen erhobene Wirkungsparameter besitzen dagegen nur dann einen gesundheitlichen Informationswert, wenn sie belastungsspezifisch sind.

Risikofestlegung und Quantifizierung von systemisch wirkenden Stoffen mit Wirkungsschwelle

Zur Berechnung einer gesundheitlich duldbaren Schadstoffkonzentration im Trinkwasser unter Berücksichtigung der dazugehörigen Quotierung (Trinkwasser-Standard) muss die lebenslang gesundheitlich duldbare Körperdosis Kj für den quotierenden Stoff für orale Aufnahme, vorzugsweise auf dem Belastungspfad Trinkwasser, bekannt sein. Sie sollte möglichst gleich mit der Wirkungsschwelle im Menschen, im Zweifelsfall aber darunter liegen. Unterhalb der Wirkungsschwelle werden kerne Wirkungen ausgelöst (nach derzeitigem Stand des Wissens). Der Ka -Wert trägt die Einheit mg Schadstoff pro Tag und Kilogramm Körpermasse (mg/d . kgKM). Selten können toxikologische Informationen aus epidemiologischen Untersuchungen bezüglich des Trinkwassers (nur für Arsen und Fluorid) bezogen werden. Meistens entstammen diese Informationen aus Tierversuchen (Studien mit Tränkwasser statt Futter als Schadstoffträger werden bevorzugt).

Das Ziel der toxikologischen Bewertung ist im 1. Bewertungsschritt die wissenschaftlich einvernehmliche Definition eines NOAEL, der höchsten mit Trink-bzw. Tränkwasser aufgenommenen und systemisch potentiell wirksamen Schadstoffdosis, die noch ohne beobachtbare schädliche Wirkung im Unter-suchungsansatz ist. Hierfür wird diejenige Untersuchung als entscheidende Studie ausgewählt, die mit der Expositionssituation des Menschen bezüglich der experimentell beobachteten toxischen Endpunkte und der zu erwartenden

Expositionsdauer (kurzfristig/mehrere Monate, subchronisch/mehrere Jahre, chronisch/lebenslang) am ehesten vergleichbar ist. Der NOAEL wird entweder direkt einer solchen Studie entnommen oder ersatzweise aus einem gemessenen oder chronischen LOAEL (niedrigste Schadstoffkonzentration mit noch beobachtbarer schädlicher Wirkung) mit Abschätzungsfaktoren abgeschätzt. Liegen keine Studien mit Trink- bzw. Tränkwasser als Schadstoffträger zur Verfügung, müssen der NOAEL und der LOAEL ersatzweise mit Hilfe anderer Studien (Schadstoffträger Nahrung oder Atemluft) auf Trinkwasser als Schadstoffträger umgerechnet werden.

Aus dem so erhaltenen NOAEL wird im 2. Bewertungsschritt die Ka üblicherweise als lebenslang gesundheitlich duldbare Schadstoffmenge X pro Tag und kg Körpermasse durch toxikologisches Gutachten aus dem 1.

Bewertungsschritt des kritischen Untersuchungsansatzes abgeleitet. Hierfür wird unterhalb des NOAEL mittels dessen Division durch einen oder zwei Unsicherheitsfaktoren eine Sicherheitsspanne aufgespannt, die die zwischenartliche Variabilität der biologischen Empfindlichkeit von Mensch und Versuchstier und auch die innerartlichen beim Menschen (Erwachsene, Kleinkinder) berücksichtigen.

Die Weite der Sicherheitsspanne ist eine Funktion der vorliegenden Datenqualität und entspricht dem Produkt der auf den kritischen NOAEL angewandten ein bis zwei Sicherheitsfaktoren. Die tatsächliche Wirkungsschwelle der empfindlichsten Bevölkerungsgruppe (z.B. Säuglinge - aber nicht immer Säuglinge) wird innerhalb dieser Spanne vermutet; die Untergrenze der Spanne entspricht definitionsgemäß der Kd . In regulatorisch toxikologischer Hinsicht ist Kd die höchste Dosis ohne beobachtbare schädliche Wirkung bei der als am empfindlichsten eingeschätzten Bevölkerungsgruppe. Der Kd entspricht nur auf kompletter epidemiologischer Datenbasis in etwa der tatsächlichen Wirkungsschwelle beim Menschen ( Arsen, auf das noch später eingegangen wird), bei schlechterer Datenlage kann sie mit ihr identisch sein.

Risikofestlegung und Quantifizierung von systemisch wirkenden Stoffen ohne Wirkungsschwelie (z.B. Kanzerogene)

Dem individuellen Krebsrisiko liegt bei entsprechendem Wirkmechanismus ein zufallsgesteuerter Prozess zugrunde. Das unter dieser Voraussetzung für eine vorbestimmte Expositionshöhe errechenbare kanzerogene Potential lässt sich in Form eines Wahrscheinlichkeitswertes für das Populationsrisiko ausdrücken. Für derartige Stoffe können deshalb keine Ka - Werte einer praktisch sicheren Dosis angegeben werden, sondern nur eine gesellschaftlich akzeptierte und/oder politisch tolerierte zusätzliche Inzidenz l in Anzahl der Krebserkrankungen pro Stoff und vorbestimmter Populationsgröße.

Zur Bereclinung einer solchen Konzentration muss zuerst eine Einigung darüber hergestellt worden sein, wie viele Krebserkrankungen X pro mg Schadstoff-belastung pro Tag und kgKM nach 70 Jahren Lebenszeit (höchstens) zu erwarten sein dürfen. Als Datenbasis dienen epidemiologische Untersuchungen oder Langzeit-Tierversuche mit humanrelevanten kanzerogenen Endpunkten. Zur Berechnung von X werden mit abnehmendem Wissen zum Wirkmechanismus zunehmend hypothetisch rechnende Modelle eingesetzt. Es muss dabei aber grundsätzlich Einverständnis darüber herrschen, dass für den betrachteten Stoff und seinen Wirkungsmechanismus keine Dosis ohne Wirkung existiert, und seien beide noch so

klein. Für Trinkwasser wurden von der WHO Berechnungen auf der Basis des Linearised Multistage (LMS)-Modelles eingesetzt.

Das mit dem LMS-Modell aus der entsprechenden Datenbasis zu berechnende X stellt die Obergrenze der erwartbaren Risikohöhe pro Belastungseinheit dar. Das tatsächliche Risiko wäre deshalb, selbst bei tatsächlicher Ausschöpfung der dem X-Wert zugeordneten Expositionshöhe, sehr wahrscheinlich deutlich kleiner als X.

X wird in der Belastungseinheit [mg/d . kgKM]"1, der „Risk Unit" (RU = Risiko-einheit) angegeben. Bei einer tatsächlichen Expositionshöhe in Höhe von Y [mg/d . kgKM] beträgt die personenbezogene Zusatzinzidenz R demnach:

R = X .Y R ist dimensionslos

Wenn insgesamt Z Personen lebenslang eine Exposition Y ausgesetzt sind, werden rechnerisch von diesen höchstens:

I = X. Y . Z

Personen an der prognostizierten Krebsart erkranken. Für Vergleichszwecke werden für Z meist l O5 Personen eingesetzt (=> populationsbedingte Zusatzinzidenz Iz). Auf dem Trinkwasserpfad scheinen weltweit Zusatzinzidenzen pro Stoff in Höhe von 10°

bis l O"6 politisch/gesellschaftlich akzeptiert zu sein, was bedeuten würde, dass l Krankheitsfall pro l O3 bzw. l O6 belasteten Personen akzeptiert wird.

Um Y in der Einheit mg/d . kgKM und damit auch I aus einer Trinkwasserkonzentration c (= a [mg/1]) errechnen zu können, muss c in Übernahme der Expositionsannahmen zu den Stoffen mit Wirkungsschwelle zuvor mit dem gewichtsnormierten Trinkwasserverbrauch

V = 2 [ 1/d . 70 kgKM] multipliziert werden, so dass Y = c . V => Y = a . 2/70 [mg/d . kgKM] .

Auf eine Risikoabschätzung von lokal wirkenden Stoffen mit oder ohne Wirkungsschwelle soll hier nicht weiter eingegangen werden, obwohl derartige Stoffe durchaus im Trinkwasser vorkommen können (z.B. Kupfer und Nickel).

Weiterhin soll auf mögliche Kombinationswirkungen mehrerer Schadstoffe nicht eingegangen werden, die für die Ableitung gesundheitlich duldbarer Körperdosen für Trinkwasser wegen der vielen hypothetischen Stoffkombinationen nicht berücksichtigt werden.

Exposition und zulässiger Anteil der Schadstoffaufnahme über Trinkwasser an der Gesamtaiifnahme

Ein entscheidender Faktor bei der Risikobewertung ist die o.g. Expositionsannahme, die die WHO in ihren Trinkwasserleitlinien fixiert hat. Die gesundheitlichen Leitwerte für Stoffe im Trinkwasser sind so ausgelegt, dass täglich während 70 Lebensjahren 2 Liter eines bis zur Höhe des gesundheitlichen Standards

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kontaminierten Trinkwassers pro Tag und pro Person getrunken werden könnten, ohne dass selbst für besonders empfindliche Personen befürchtet werden müsste, wegen der darin gelösten und aufgenommenen Stoffe gesundheitlichen Schaden zu nehmen.

Neben der Aufnahme von Schadstoffen aus dem Trinkwasser gibt es weit bedeu-tendere Expositionspfade für Schadstoffe (z.B. Lebensmittel, Luftschadstoffe), die den Menschen erreichen können. Deshalb muss der erwartbare Höchstbetrag des Trinkwasserpfades zur gesundheitlich insgesamt duldbaren Schadstoffexposition quantifiziert werden. Das ist nicht so einfach möglich, da konkrete Informationen zum anteiligen Schadstoffbeitrag verschiedener Zufuhrpfade zur Gesamtexposition nur in mehr oder weniger genau erfassten Schadensfällen vorliegen. Als pauschaler Expositionsbeitrag des Trinkwassers werden deshalb je nach tatsächlich erwartbaren Pfad-Anteils des zur Bewertung anstehenden Stoffs weltweit 10 bis 50

% der duldbaren Körperdosis, gelöst in 2 Litern Trinkwasser pro Tag, eingesetzt.

Die niedrigen Prozentsätze gelten dabei vor allem den Umweltkontaminanten (anthropogene Schadstoffeinträge, wie Nitrat, Pestizide, Schwermetalle), die höheren für geogene Inhaltsstoffe von Rohwässern (z.B. Mangan) oder für die Belastung aus trinkwassertypischen Nutzungssituationen (z.B. Desinfektionsmittel für Trinkwasser und deren Nebenprodukte).