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Wenngleich ich mir meiner potenziellen Voreingenommenheit gegenüber dem Kulturreferenten bewusst bin (vgl. Exkurs 1), zeichnet sich für mich im Laufe der Erhebungen tatsächlich ein unproduktives Bild ab, das in Einzelfällen als intrigantes Verhalten bezeichnet werden kann. Beispielsweise wird im Fall des Forum Phoinix die bestehende Zwischennutzung in der öffentlichen Debatte zunächst mit keinem Wort vom Kulturreferenten erwähnt, sondern durch diesen in seiner Position für eine Nutzung der Kämmereigasse 9½ durch das historische Museum lediglich von einem verfügbaren Raum in städtischem Besitz gesprochen. Später, als die Dynamik der Debatte bereits eine Inklusion der Kulturschaffenden in den Planungsprozess erkennen lässt, verbreitet der Kulturreferent ein Bild der Unzuverlässigkeit der Kulturschaffenden, dass er durch eine angebliche Abgabefrist für deren Nutzungsvorschlag zum Gebäude, die bereits seit Wochen verstrichen sei, als Entschuldigungsgrund vor dem Stadtrat anführt, weshalb sein Referat bisher noch keinen konkreten Vorschlag erarbeitet hätte. Durch meinen Einblick in den Ablauf zu diesem Beispiel bin ich jedoch überzeugt zu wissen, dass es keine derartige Frist gab, sondern das Kulturreferat seinerseits erst kurz vor besagter Stadtratssitzung auf die Zwischennutzer_innen zukam und ein entsprechendes Nutzungs-konzept erbeten hat, als absehbar war, dass die Strategie, die Kulturschaffenden zu igno-rieren, fruchtlos bleiben würde.

Als einzig negativer Aspekt in Bezug auf die Bedeutung von persönlichen Beziehungen wird in mehreren Gesprächen bemängelt, dass eine mangelnde Koordination von Kultur-veranstaltungen in Bayreuth stattfinde. Dies wird zum einen auf eine fehlende Veranstaltungsübersicht von institutioneller Seite zurückgeführt. Zum anderen geben auch viele Kulturschaffende selbst an, dass die Zusammenarbeit untereinander teilweise zu wenig stattfinde und etwa bei Veranstaltungsterminen die eine oder andere Überschneidung zum Nachteil aller passiere (T11, 255ff.; T16, 275ff.; T13, 348ff.;)24.

Eine weitere Gemeinsamkeit der Beispiele ist deren überwiegender Fokus auf Inklusion gegenüber exklusiven Ansprüchen. Dienen etwa das Projekt der Galerie Dunkelbach oder

24 Der Wunsch nach einem gemeinsamen Kulturkalender ist etwas, das über die Thematik von Zwischen-nutzungen hinausgeht und die kulturelle Landschaft in Bayreuth insgesamt betrifft. Im Zuge meiner Erhebung sind noch diverse weitere Themen dieser Art zur Sprache gekommen, die ich jedoch aus Gründen einer notwendigen thematischen Eingrenzung und um Überschneidungen mit einer parallel stattfindenden Erhebung zum geplanten KEP zu verhindern, allenfalls am Rande behandeln möchte. Der Prozess zur Aufstellung des KEP an sich wird in Kap. 3.3.2 thematisiert.

die Aktionen der Silixen AG explizit dazu, Kunst im öffentlichen Raum für alle Bürger_innen der Stadt zugänglich zu machen und eine Auseinandersetzung mit dessen Botschaften anzustoßen. Auch das TransitionHaus ist von seiner Grundkonzeption auf eine integrative Leistung ausgelegt, was etwa durch die darin ansässigen Initiativen zum Dialog mit geflüchteten Menschen deutlich wird. Ebenso hat das 49°-Festival, dessen ursprünglicher Name ‚Grenzüberschreitungsfestival‘ ist, einen Anspruch, postkoloniale Denkweisen zu überwinden. Auch auf einer überinhaltlichen Ebene wird der inklusive Charakter der Zwischennutzungen ersichtlich. Immerhin sind sie bei ihrer Realisierung bereits das Produkt eines über institutionelle und sektorale Grenzen hinausgehenden Netzwerkprozesses, an dem die verschiedensten Akteur_innen – Kulturschaffende, Konsu-ment_innen, Eigentümer_innen, Vermittler_innen (agents) und policy makers – beteiligt sind. Dabei ist zweitrangig, ob der integrative Charakter der einzelnen Initiativen einen direkten inhaltlichen Anspruch darstellt oder indirekt durch deren Entstehungsprozess und Effekt auf die Besucher_innen des Kulturangebots wirkt.

Schließlich ergibt die Betrachtung der acht Beispiele eine weitere Schlussfolgerung. Und zwar ist auffallend, in welchem Maße die Bewertung des Konzepts der Zwischennutzung im Allgemeinen und die konkreten Beweggründe der Kulturschaffenden oder Immobilien-eigentümer_innen im Einzelnen von ökonomischen Rationalitäten geprägt sind.

So wird das Konzept der Zwischennutzung von administrativer Seite aus einer stadt-planerischen Sicht in erster Linie als Maßnahme zur Leerstandsbekämpfung angesehen, wobei die marktwirtschaftliche Attraktivitätssteigerung von Einzelimmobilien und deren Umgebung in Bezug auf Einzelhandel und Tourismus im Vordergrund stehen (vgl. T11, 397ff.; T2, 203ff.). Im Vergleich zum klassischem Leerstand mit einem Schild ‚zu vermieten‘ wirke ein Objekt attraktiver und wertvoller (T6, 23-43). Auch auf die Umgebung könne ein positiver Effekt ausstrahlen, wenn beispielsweise durch eine Zwi-schennutzung die Frequenz und Attraktivität eines Einzelhandelsstandorts erhalten bleibt und der Spirale weiterer Leerstände dadurch entgegengewirkt wird (T11, 436ff.). Dabei wird deutlich, dass sich Zwischennutzungen grundsätzlich einer möglichen regulären Dauernutzung unterzuordnen haben. Auch die Besonderheit einer kulturellen Nutzung wird dabei nicht als intrinsisch wertvoll, sondern als naiv-ästhetische Präsentationsmöglichkeit von Immobilien für ‚ernstere‘ Nutzungsarten mit mehr Ertrag angesehen (vgl. T4, 390ff.).

Die marktwirtschaftlich begründete Qualität, die Zwischennutzungen für eine Immobilie und deren Standort vonseiten der administrativen Ebene zugesprochen bekommen, werden in den Gesprächen von den Eigentümer_innen geteilt. So sei dadurch ein Werterhalt gesichert oder gar eine Wertsteigerung der Objekte möglich. Auch sei ein Grundstock an

Fixkosten abgedeckt und einem baulichen Verfall durch Leerstand werde vorgebeugt.

Zudem bestehe durch die befristete Dauer ein geringeres Risiko im Falle einer gewünschten Beendigung des Nutzungsverhältnisses. Schließlich sind Zwischennutzungen kultureller Art auch mit einer positiven Konnotation verbunden, da sie von der Mehrheit der Bevölkerung als belebend für einen Standort eingestuft werden. Dies gilt nicht nur für die Immobilie, sondern auch für deren Eigentümer_innen, denen durch die Assoziation mit verminderten Mieteinnahmen ein gewisses Maß an förderndem, selbstlosem Interesse als Imagegewinn zugesprochen wird. Dieser Imagegewinn wird von den Immobilieneigentümer_innen auch durchaus einkalkuliert (vgl. T12, 41ff.).

Auch vonseiten der Kulturschaffenden wird neben immateriellen Vorteilen (wie künstlerischer Freiheit) ein ökonomischer Anreiz deutlich. So sprechen vor allem Künstler_innen von der vergleichsweise kostengünstigen Werbemöglichkeit für sie als Person und deren Werke, die sie durch eine Zwischennutzung in zentralen, oftmals hoch frequentierten Einzelhandelsstandorten erlangen. Derartige Standorte stünden ihnen bei einem regulären Atelierbetrieb gar nicht oder in deutlich periphereren Lagen zur Verfügung, was besonders durch den Entstehungskontext erster künstlerischer Zwischen-nutzungen während der Festspielzeit verdeutlicht wird (vgl. T16, 32ff.).

3.1.3 Zwischenfazit I

Die bisherige Betrachtung der Zwischennutzungsbeispiele lässt einen hohen Stellenwert von persönlichen Beziehungen, Seilschaften und Kooperationen in der Bayreuther Kultur-szene erkennen. Nicht nur tauchen einige Persönlichkeiten im Kontext mehrerer Beispiele auf, auch sind die einzelnen Initiativen untereinander stark vernetzt oder zumindest indirekt in Kontakt. Das Zustandekommen und Gelingen einzelner Zwischennutzungen bedingt sich daher teilweise gegenseitig und es wird ein gewisser Schneeballeffekt erkennbar.

Das personelle Netzwerk dieses Feldes ist dabei im Besonderen durch ein hohes Maß an Transversalität gekennzeichnet. Das heißt, es herrscht eine grundsätzliche Durchmischung und Verflechtung zwischen vermeintlich getrennten Organisationsebenen. Schließlich nehmen Personen aus administrativen Institutionen selbst als Gäste an Kulturveran-staltungen teil, stehen durch private Verflechtungen mit Zwischennutzer_innen in Kontakt und versorgen diese zuweilen mit Informationen oder wirken gar selbst aktiv in Vereinen mit. Auch die Rolle der agents wird mal von administrativen Individuen, den Zwischen-nutzer_innen selbst oder intermediär angesiedelten Personen aus dem unternehmerischen Bereich eingenommen.