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REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848)

Die ersten fünf Jahre des hier behandelten Zeitabschnitts bilden die Phase des Übergangs von dem aufklärerischen und erzieherisch ausgerichteten zu dem streng prohibitiven, von Kaiser Franz II. in der nach-revolutionären Epoche eta-blierten Zensurregime. 1795 ist dieses Zensursystem weitgehend ausgebaut und durch eine neue Zensurinstruktion verbrieft, die Bücherverbote steuern auf neue Höchstzahlen zu. Die Aufklärung von oben hatte einen autoritären Staat her-vorgebracht. Die Einheit der Entscheidungen des Souveräns und des Willens sowie der Interessen der Bürger, die die Basis der Monarchie unter Joseph II.

dargestellt hatte, entpuppte sich als Illusion.1 Nachdem in den vorangegangenen Jahrzehnten die Aufklärung der Bürger und ihr Lebensglück im Mittelpunkt gestanden hatten, diente die Zensur nun, wie Metternich erklärte, explizit dem

„Frieden des Staates“ und der Hintanhaltung von Ideen, die „seine Interessen und seine gute Ordnung verwirren“.2 Johann Ludwig von Deinhardstein, ein Chefideologe der Metternich-Ära und in den 1840er Jahren auch als Zensor tätig, fügte hinzu, die Zensur müsse verhindern, dass „dem Staate Nachteiliges“

gedruckt und damit einem Einzelnen zuliebe „die Ruhe der Mehrzahl“ gestört würde.3 Die Phase 1805 bis 1815, also die Zeit der napoleonischen Kriege mit zeitweiser französischer Besetzung und Regierung von Teilen der Monarchie bis hin zum Wiener Kongress, ist wiederum zensurgeschichtlich inhomogen und komplex. Von 1820 bis 1848 folgt eine vergleichsweise homogene Phase mit kon-solidiert-strenger Zensur, der in den 1840er Jahren allerdings – wie am Ende des Kapitels vorgeführt wird – infolge des rapiden Wachstums des Buchmarkts zunehmend die Kontrolle entglitt.

1 Reinhart Koselleck: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Frank-furt/Main: Suhrkamp 1979 (zuerst 1959), S. 132–157, expliziert diesen Prozess anhand von Rousseaus Konzept der volonté générale der Gesellschaft und ihres Verhältnisses zu den Ent-scheidungen des Königs, das heißt zum Staat. In Österreich wird die souveräne Autorität aber nicht durch ein demokratisches Kollektiv abgelöst wie zumindest vorübergehend in Frankreich, sondern durch eine Erneuerung der absoluten Monarchie.

2 Zitiert bei Heindl: Der „Mitautor“, S. 42.

3 Zitiert ebd.

3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen:

Die Zensur von 1792 bis 1820

3 1 1 Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems

Per Hofdekret vom 10. Februar 1792 übernahm die böhmisch-österreichische Hofkanzlei die Zensuragenden von der aufgelassenen Studien- und Zensurhof-kommission. Es gab also keine kollegiale Behandlung der Zensurfragen mehr, die Zensoren lieferten ihre individuell erstellten Gutachten ab, auf deren Grund-lage ein Beamter der Hofkanzlei die endgültige Entscheidung über Zulassung oder Verbot traf. Verschärfte Überwachung galt nun den Büchern von revolu-tionären französischen und italienischen Emigranten. Ein Hofdekret erinnerte im Februar 1793 daran, dass Bücher, die die Französische Revolution positiv darstellten, weder zum Druck noch zur Einfuhr zugelassen werden sollten. Fran-zösische Zeitungen wie Moniteur und Journal de Paris durften nur noch mit spe-zieller Erlaubnis der Hofstelle gelesen werden.4 Verboten wurden wegen miss-liebiger politischer Inhalte ferner Blätter wie der Straßburger Courier und die Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung.5

Die Polizei wurde unter der Leitung von Graf Pergen aufgewertet, er erach-tete Wissenschaft generell als gefährlich für Ruhe und Ordnung.6 Gleichzeitig entstand eine konservative publizistische Strömung, angeführt von Leopold Alo-is Hoffmann. 1792 hatte er, noch im Auftrag Leopolds II., die bAlo-is 1793 exAlo-istie- existie-rende Wiener Zeitschrift gegründet, die sich zum Ziel setzte, Verschwörungen und alle Arten von Subversion aufzudecken.7

Am 22. Februar 1795 wurde eine Generalzensurverordnung erlassen, die die bisherigen partiellen Verordnungen zusammenfasste.8 Kein Manuskript durfte ohne Bewilligung gedruckt, kein im Ausland gedrucktes Buch ohne vorherige Zulassung verkauft werden. Manuskripte mussten in zwei Exemplaren einge-reicht werden, damit ein Exemplar, das nach der Lektüre durch den Zensor im Bücherrevisionsamt verblieb, nach Fertigstellung des Buches mit dem Druck verglichen werden konnte. Bei Manuskripten konnte der Zensor Auslassungen (das Decisum lautete dann ,admittitur omissis deletis‘) oder die Angabe eines ausländischen Druckorts (Decisum: ,admittitur absque loco impressionis‘) ver-langen. Wem ein Manuskript zur Zensur zugewiesen wurde, entschied das

Bücher-4 Reinalter: Die Französische Revolution und Mitteleuropa, S. 102.

5 Wangermann: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen, S. 126.

6 Vgl. Helmut Reinalter: Österreich und die Französische Revolution. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1988, S. 82–83.

7 Siehe ebd., S. 86.

8 Vgl. den Text im Anhang.

revisionsamt, Kontakte zwischen Zensor und Autor bzw. Verleger waren zu ver-meiden. Nachdrucke und Übersetzungen waren ebenso wie Manuskripte zur Zensur einzureichen. Auch Verzeichnisse von zum Verkauf oder zur Versteige-rung angebotenen Büchern mussten der Zensur vorgelegt werden. Wenn dabei grob anstößige oder ehrenrührige Schriften auftauchten, wurden sie nicht wie sonst üblich außer Landes geschickt, sondern kurzerhand vernichtet. Die Ver-sendung von in Österreich verbotenen Manuskripten zum Druck im Ausland war verboten. Die meisten Paragraphen wurden offensichtlich geschaffen, um Missbräuche in der Buchproduktion und -distribution abzustellen. Auch wurde die Zensurschraube in diesen Jahren merklich angedreht. Die Verbotszahlen kletterten auf eine Höhe, die auch gegen Ende des Vormärz, trotz stark angestie-gener literarischer Produktion, nicht mehr übertroffen wurde.9 Bereits 1798 kommentierten satirische Beobachter die frenetische Verbotstätigkeit in Öster-reich sarkastisch: „Mit Schrecken sieht man, daß die Zahl der Bücher, über wel-che die Herrn zu Wien das Interdikt aussprewel-chen, jedesmal um so vieles ansehn-licher wird, daß schier zu befürchten steht, sie werden in wenig Jahren den Meßkatalogus über Bausch und Bogen verbieten.“10 Die österreichische Zensur galt aufgrund ihrer Strenge unter Gleichgesinnten offenbar weithin als muster-gültig. So dekretierte der russische Zar Paul I. 1799, dass Werke, „welche von der Wiener oder andern regierenden Herren Censur“ verboten worden waren, auch aus Russland ausgesperrt bleiben sollten.11 Umgekehrt galt ein Verbot in St. Petersburg auch als Argument, ein Theaterstück in Österreich zu verbieten.12

Nachdem im josephinischen Jahrzehnt die Listen der verbotenen Bücher nur unregelmäßig erschienen waren, wurden sie seit 1792 konsequent monatlich kompiliert und an die zuständigen Stellen in der gesamten Monarchie versandt.

Da anscheinend auch mit diesen Listen Missbrauch getrieben wurde, waren sie ab März 1797 nur noch für die Revisions-, Kreis- und Mautämter bestimmt, alle anderen Interessenten mussten sich um eine Scheda für die Listen bewerben.13 Da die Verbotslisten als Lektüreanleitung gesucht waren, brachte der Prager

9 Vgl. die Angaben unten im Abschnitt zur Statistik.

10 Jacob Pickharts Peregrinationen. 2 Bde. Leipzig: Supprian 1798. Bd. 1, S. 43–44; zitiert in Dirk Sangmeister: Erkundungen in einem wilden Feld. Clandestine und subversive Literatur Erfur-ter Autoren und Verlage im ZeitalErfur-ter der Französischen Revolution. In: Dirk SangmeisErfur-ter/Mar- Sangmeister/Mar-tin Mulsow (Hg.): Subversive Literatur. Erfurter Autoren und Verlage im Zeitalter der Franzö-sischen Revolution (1780–1806). Göttingen: Wallstein 2014, S. 7–70, hier S. 28.

11 Zitiert bei Dirk Sangmeister: Vertrieben vom Feld der Literatur. Verbreitung und Unterdrü-ckung der Werke von Friedrich Christian Laukhard. Bremen: edition lumière 2017, S. 33, nach der Neuen Allgemeinen Deutschen Bibliothek 1799, Intelligenzblatt, Nr. 34, S. 280.

12 Vgl. Anhang, S. 413.

13 Vgl. Madl/Wögerbauer: Censorship and Book Supply, S. 82. Vorhanden sind zumindest Teil-bestände der Listen auch an den großen Bibliotheken, in Wien an der Österreichischen Nati-onalbibliothek und der Universitätsbibliothek.

Zensor Amand Berghofer 1805 in Bayern ein Bändchen mit dem Titel Verbothe-ne Schriften heraus, das 1808 eiVerbothe-ne zweite Auflage erlebte. Als der Verfasser, der auch schon anderweitig als oppositioneller Autor auffällig geworden war, von den Behörden ausgeforscht wurde, trug ihm das die Entlassung aus dem Staats-dienst ein.14 Ausgeschlossen blieben durch die Geheimhaltung der Verbotslisten außerhalb der Ämter insbesondere die Buchhändler, für die es dadurch schwie-rig war, sich ein klares Bild von den Bücherverboten zu machen.15

1801 ging die Zensur in die Agenden der bereits 1792 eingerichteten Poli-zeihofstelle über. Die PoliPoli-zeihofstelle wurde nach der Eingliederung der Zensur in „K. k. Oberste Polizei- und Censurshofstelle“ umbenannt, im Sprachgebrauch blieb sie aber meist einfach die Polizeihofstelle. Sie wurde bis 1804 von Johann Anton Graf Pergen präsidiert, der die Zensur schon lange der Polizeihofstelle unterordnen wollte, da seiner Ansicht nach durch Schriften „ideen fortgepflanzt werden und gesinnungen der staatsbürger ihre richtung erhalten“,16 es sich bei der Literaturüberwachung also um eine Facette der Staatssicherheit handle. Auch sein Nachfolger bis 1808, Thaddeus Freiherr von Sumeraw, argumentierte, dass die Zensur „eine bloße Polizeianstalt“ darstelle.17 Das sollte wohl unterstreichen, dass es keines Fachwissens bedurfte, um Bücher auf ihre Gefährlichkeit hin ein-zuschätzen, sondern vielmehr der Kenntnis der polizeilichen Richtlinien und der Stimmung im Publikum. Anschließend wurde die Polizeihofstelle bis 1816 von Franz Freiherr von Hager zu Allentsteig und schließlich bis 1848 von dem als bornierter Scharfmacher berühmt-berüchtigten Joseph Graf Sedlnitzky geleitet.18

3 1 2 Die Zensoren

Die Zensoren unterstanden der Polizeihofstelle und wurden auch in den Hof-schematismen als deren Mitarbeiter geführt. Sie sollten die Fähigkeiten eines guten Beamten, der nach Vorschriften zu arbeiten gewöhnt war, mit den Qua-litäten eines Gelehrten verbinden; ideal waren Personen, die beides in sich ver-einigten, also Beamte mit wissenschaftlicher Bildung, die auch publizistisch aktiv oder zumindest durch systematische Lektüre auf der Höhe eines oder noch bes-ser mehrerer Fachgebiete waren. Zudem sollten Zensoren möglichst breite

Sprach-14 Vgl. Wögerbauer: Die Zensur ist keine Wissenschaft, S. 118–121; und Madl/Wögerbauer: Cen-sorship and Book Supply, S. 82.

15 Wie lange dieses Verbot gültig war, ist unsicher; 1820 wurde es jedenfalls erneuert. Vgl. Gerda Griesinger: Das Salzburger Zensurwesen im Vormärz. Diss. (masch.) Wien 1969, S. 57.

16 Benna: Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle, S. 221.

17 Zitiert in Wolfram Siemann: „Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung“. Die Anfänge der politischen Polizei 1806–1866. Tübingen: Niemeyer 1985, S. 48.

18 Vgl. Hadamowsky: Ein Jahrhundert Literatur- und Theaterzensur, S. 301.

kenntnisse und politisches Fingerspitzengefühl mitbringen oder, wie es Sume-raw, der Leiter der Polizeihofstelle, 1806 formulierte, „mit wissenschaftlicher Bildung […] auch Geschäftskenntnisse verbinden und sich darin einen gewissen Takt eigen gemacht haben“.19 Die profundesten „Geschäftskenntnisse“ und auch das nötige Fingerspitzengefühl drohten zuweilen zu versagen, wenn die Autor-intention unklar war. Das Buch Peter Sultan, der Unaussprechliche und seine Veziere, oder politisches A.B.C. Büchlein zum Gebrauch der Königskinder von Habessinien (1794) von Ernst August Anton von Göchhausen wurde 1795 vom Zensor zum Verbot vorgeschlagen, weil es eine „Darstellung des Unwesens der sogenannten Illuminaten“ enthalte, die nur dem Zweck diene, „die zu widerle-genden Ausfälle gegen Gottesdienst, Regenten, etc. bekannt werden zu lassen“.

Die Staatskanzlei befand aber die „Absicht des Authors als unzweifelhaft“ und das Werk als „Gegenstück wider die sozialen revolutionären Schriften“ nützlich.

Der Staatsrat Eger wischte diese Ansicht vom Tisch, indem er das Werk in die Reihe der zahlreichen als Verteidigung des Ancien Régime getarnten Schriften einordnete: „eben unter dieser Maske, da Voltär und Consorten die Sultane und Bonzen lächerlich machten, haben sie auch die Häupter unserer Monarchie ver-hasst zu machen sich bestrebet“.20

Man unterschied ,wirkliche‘ und Aushilfszensoren. Unterschiede bestanden nicht nur in der Besoldung:

Letztere haben dieselben Verpflichtungen, wie die wirklichen Zensoren. Die wirkli-chen Zensoren sind mit Dekret angestellt, haben demnach als solche auch die Rech-te der BeamRech-ten; die Aushilfszensoren haben dagegen keine fesRech-te SRech-tellung, und können jeden Augenblick entlassen werden.21

Die Anzahl der Zensoren schwankte im Zeitraum von 1792 bis 1803 zwischen acht und zehn, 1804 wurde das Personal, wohl wegen der weiter unten beschrie-benen aufwändigen Rezensurierungsaktion, auf 13 aufgestockt. Von 1826 bis 1840 wurden dann auf den vorgesehenen zwölf Stellen jeweils nur zwischen fünf und acht wirkliche Zensoren beschäftigt, die übrigen wurden mit in den Sche-matismen nicht erfassten Aushilfszensoren besetzt. Zwischen 1841 und 1848

19 Zitiert bei Friedrich Wilhelm Schembor: Meinungsbeeinflussung durch Zensur und Druck-förderung in der Napoleonischen Zeit. Eine Dokumentation auf Grund der Akten der Obers-ten Polizei- und Zensurhofstelle. Wien 2010 (https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/

get/o:62678/bdef:Book/view [zuletzt abgerufen am 03.03.2017]), S. 32.

20 Wienbibliothek, Handschriftensammlung, Abschriften nach Akten des Ministeriums des Inne-ren, Bücherzensur Bd. 2 (1793–97), fol. 214–215.

21 Wiesner: Denkwürdigkeiten der Oesterreichischen Zensur, S. 394. Näheres über Gehaltsfor-derungen und Vorrückungen der Zensurbeamten um 1800 findet sich bei Schembor: Mei-nungsbeeinflussung durch Zensur.

sind dann weiterhin zwischen zehn und dreizehn Zensoren tätig. Auch in die-sem Zeitraum wurde die Hauptlast der Arbeit von Aushilfszensoren getragen:

In einem Dokument der Polizeihofstelle aus dem letzten Jahr des alten Zensur-systems sind beispielsweise neun wirkliche Zensoren verzeichnet, dazu aber 17 Aushilfszensoren.22

Eine erste Gruppe von Zensoren bilden die zahlreichen Gelehrten. Zu nen-nen sind hier in Wien die Juristen Johann Bernhard Fölsch (1798–1820),23 Pro-fessor für Staatsrecht, auch Leiter der Rezensurierungsaktion 1803–1805, Anton Gustermann (1807–1823), Professor für Kirchenrecht, Anton von Plappart (1838–

1847), Hofrat der Obersten Justizstelle und Präses der Juridischen Fakultät der Universität Wien, der Orientalist Josef von Hammer-Purgstall (1811–1825), der Philosoph und Naturwissenschaftler Cassian Hallaschka (1833–1847), der Pro-fessor für Ästhetik Johann Ludwig Deinhardstein (1842–1848),24 der Professor für Slawistik Bartholomäus Kopitar (1812–1844), die Mediziner Andreas Joseph von Stifft (1804–1836) und Johann Nepomuk von Raimann (1840–1847), beide kaiserliche Leibärzte, der Privatgelehrte Wenzel Wabruschek-Blumenbach (1841–

1847) und der Fürstlich-Schwarzenbergsche Hauslehrer, Bibliothekar und Alt-philologe Emerich Hohler (1841–1846). Als theologische Zensoren fungierten unter anderem Mathias Dannenmayer (1797–1804), Anton Karl Reyberger (1808–

1811), Augustin Braig (1812–1817), Thomas Joseph Powondra (1823–1828) und Joseph Scheiner (1841–1848), allesamt Professoren für Theologie, sowie Jacob Ruttenstock (1818–1830), Propst in Klosterneuburg und Abgeordneter der Nie-derösterreichischen Landstände, Andreas Wenzel (1816–1831), Abt des Wiener Schottenstiftes, und Franz Zenner (1841–1848), Adjunkt der theologischen Stu-dien an der Universität Wien und Domherr in St. Stephan.

Die zweite Gruppe von Zensoren bilden Beamten, die meist, sei es im Bereich Belletristik oder einem wissenschaftlichen Fach, auch selbst schriftstellerisch tätig sind. Wie bereits oft festgestellt, beherrschten in Österreich Beamtendichter die Literaturszene, von denen einige, zumindest zeitweise, auch als Zensoren

fungier-22 Allgemeines Verwaltungsarchiv, Akten der Polizeihofstelle, 917/1848. Eine ähnliche Zahl nennt Wiesner: Denkwürdigkeiten der Oesterreichischen Zensur, S. 394: „Gegenwärtig sind in Wien vierundzwanzig sogenannte ordentliche oder politische Zensoren angestellt, von welchen 11 wirkliche, die übrigen Aushilfszensoren sind.“ Die Diskrepanz erklärt sich vermutlich auch hier dadurch, dass nicht immer alle Zensorenstellen besetzt waren.

23 In Klammern wird hier der Zeitraum, in dem die Person laut Hofschematismen als Zensor tätig war, bezeichnet. Mein Dank gilt Daniel Syrovy für die Durchsicht dieser Schematismen.

24 Julius Marx: Die amtlichen Verbotslisten. Neue Beiträge zur Geschichte der österreichischen Zensur im Vormärz. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11 (1958), S. 412–466, hier S. 443–444, zitiert Belege dafür, dass Deinhardstein 1846 entlassen wurde, nachdem er in einem Artikel („Der kaukasische Krieg“) in Bäuerles Theaterzeitung einen Angriff auf den Zaren übersehen hatte.

ten. Beispiele für diese Personalunion sind in Wien etwa Johann Christian Engel (1797–1813), Sekretär der Siebenbürgischen Hofkanzlei und Südost-Europa-His-toriker, Johann Gabriel Seidl (1841–1848), Kustos des k. k. Münz- und Antiken-kabinetts, oder Leopold Chimani (1841–1844), der zunächst als Lehrer, dann im k. k. Schulbücher-Verschleiß tätig war und eine große Zahl pädagogischer Werke sowie Kinder- und Jugendliteratur verfasste. Beamten, die sich nur gelegentlich schriftstellerisch betätigten, waren die k. k. Niederösterreichischen Regierungs-räte Aloysius Freiherr von Locella (1793–1800) und Franz Karl von Hägelin (1793–

1808), nur als Beamter scheint der in der k. k. Obersten Justizstelle und in der Direktion der Porzellan-Manufaktur beschäftigte Zensor Peter Joris (1816–1825) auf. Joseph Schreyvogel (1817–1825) war zwar nicht beamtet, stand aber als Dra-maturg des Burgtheaters gewissermaßen im Dienst des Hofs. Die Doppelrolle von Autoren und zensierenden Beamten brachte diese Gruppe der staatstreuen und angepassten Schriftsteller in Konflikt mit den die Freiheit des Wortes verteidigen-den Kollegen, was zu einer Dauerkontroverse zwischen Konservativen und Libe-ralen und psychologischen Verwerfungen bei den Zensoren führte.25

Auch andere mit der Bücherzensur beschäftigte Beamten betätigten sich zugleich als Schriftsteller. In der Polizeihofstelle versah der aus Württemberg stammende Schriftsteller Johann Michael Armbruster seinen Dienst; er war zuvor Polizeikommissar in Freiburg im Breisgau gewesen, hatte antirevolutio-näre und antifranzösische Schriften verfasst, war in Wien als Zeitschriftenher-ausgeber und Betreiber einer Leihbibliothek hervorgetreten und beging 1814 Selbstmord. Im Bücherrevisionsamt arbeiteten Franz Sartori, ab 1814 als dessen Direktor, der ebenfalls journalistisch aktiv war, und der Dichter Johann Mayr-hofer, heute nur noch bekannt als Freund Schuberts, von dem einige seiner Tex-te vertont wurden. Notorisch ist Mayrhofers Selbstmord: 1836 stürzTex-te er sich aus einem Fenster des Bücherrevisionsamtes, vermutlich weniger infolge der psy-chisch belastenden Tätigkeit als Zensor, als in einem hypochondrischen Anfall wegen der in Wien grassierenden Choleraepidemie.26

Sieht man von den Vertretern der wissenschaftlichen Disziplinen, meist Pro-fessoren, die diese Tätigkeit kaum ablehnen konnten, ab, so verrichtete die Mehr-zahl der auf untergeordneten Beamtenstellen sitzenden Zensoren ihre Arbeit mit dem Hintergedanken, dadurch Verdienste zu sammeln und in der

adminis-25 Vgl. Waltraud Heindl: Zensur und Zensoren, 1750–1850. Literarische Zensur und staatsbür-gerliche Mentalität in Zentraleuropa. Das Problem Zensur in Zentraleuropa. In: Marie-Eliza-beth Ducreux/Martin Svatoš (Hg.): Libri Prohibiti. La censure dans l’espace habsbourgeois 1650–1850. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2005, S. 27–37; und Dies.: Der „Mitautor“;

zu Seidl und den Angriffen auf ihn siehe Julius Marx: Johann Gabriel Seidl als Zensor. In: Jahr-buch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 15/16 (1959/60), S. 254–265.

26 Vgl. Karl Kasper: Schuberts Freund Mayrhofer als Bücherrevisor. In: Börsenblatt für den deut-schen Buchhandel, Nr. 198, 25. August 1928, S. 950–953.

trativen Hierarchie vorzurücken. Ein solcher Langzeitzensor war zum Beispiel der Abbé Ignaz Pöhm (1793–1827), Weltpriester und Doktor der Theologie, der sich vom einfachen Bibliotheksdiener in der Wiener Hofbibliothek zum Kustos ebendort und zum k. k. Rat hochdiente.

Ein anderer Langzeitzensor, der sich von dem Zensorenamt vermutlich in erster Linie nützliche Kontakte versprach, war der kaiserliche Hofsekretär und vielseitige Autor, Herausgeber und Übersetzer Joseph Friedrich Freiherr von Retzer (1782–1824),27 der speziell für ausländische Literatur eingesetzt wurde.

Zugleich belegt er den Umstand, dass das Zensorenamt an sich unbeliebt war.

In einigen von ihm zensierten Werken fanden sich Zettel, die bewiesen, dass er die Bücher nicht selbst gelesen, sondern an den mit ihm befreundeten Joseph Richter, neben vielem anderen Verfasser der populären Eipeldauerbriefe, weiter-gereicht hatte. Das Motiv für diese Maßnahme war, laut Retzer, dem in Schwie-rigkeiten geratenen Autor finanziell zu helfen. In seiner Rechtfertigung wies Retzer darauf hin, dass das Weiterreichen von zu zensierenden Büchern an Mit-arbeiter eine lange Tradition habe: Er nennt den Abbé Rosalino, der als junger Mann für Hägelin gelesen haben soll; auch Blumauer habe einen Helfer beschäf-tigt; er selbst, Retzer, habe früher für den Hofrat von Birkenstock und Locella hunderte Bücher durchgesehen. Sogar van Swieten senior habe fremde Hilfe herangezogen, und zwar seine Söhne, seine Frau, Graf Lanthieri und Raniero di Calzabigi.

Es war nicht das erste Mal, dass Retzer einen Mitarbeiter beschäftigte. Zuvor hatte er mit dem Feldkriegskanzlisten Mayer zusammengearbeitet. Dieser war ihm von dem Prinzen von Württemberg, dem Schwager des Kaisers, wärmstens empfohlen worden. Der Tipp war nicht ganz selbstlos: Auf diese Weise erhielt der Prinz Zugang zu den in die Zensur geratenen, zum Teil anrüchigen Neuer-scheinungen. Die Nähe zum verbotenen Teil des Buchmarkts scheint gesell-schaftlich höhergestellte Zensoren wie Retzer auch bei Damen attraktiv gemacht zu haben. So wurde Retzer von der Gräfin Wolkenstein 1811 aufgefordert, ihr das Zensurexemplar des neuesten Romans von Pigault-Lebrun, der im Ruf stand, schlüpfrig zu sein, zu leihen.28

27 Laut Olechowski: Die Entwicklung des Preßrechts, S. 130, mit Berufung auf Julius Marx wur-de Retzer 1819 suspendiert, weil er einem von ihm selbst verfassten Werk das ,admittitur‘ ver-liehen hatte, diese Maßnahme scheint aber nur vorübergehend gewirkt zu haben. Siehe auch Thomas Olechowski: Die österreichische Zensur im Vormärz. In: Gabriele B. Clemens (Hg.):

Zensur im Vormärz. Pressefreiheit und Informationskontrolle in Europa. Ostfildern: Jan

Zensur im Vormärz. Pressefreiheit und Informationskontrolle in Europa. Ostfildern: Jan