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2.4.4.1 Reaktionen von schwefliger Säure mit Thiosulfat

Bei der Einwirkung von Schwefeldioxid oder von schwefliger Säure auf Thiosulfat wurde in vielen Untersuchungen über die Bildung von Polythionaten berichtet. Zum Mechanismus und zur Reaktionsbeeinflussung sowie zu den entstehenden Polythionaten existieren abweichende Theorien.

Nach Einleiten von Schwefeldioxid in konzentrierte Thiosulfat-Lösungen bei gewöhnlicher Temperatur wurde das Entstehen von Trithionat und Tetrathionat analog Gleichung (XXXIX) beobachtet [14, 76].

4 Na+ + 2 S2O32- + 3 SO2 2 Na+ + S3O62- + 2 Na+ + S4O62- (XXXIX) Einige Autoren haben daneben auch Pentathionat gefunden. Hierzu existiert unter anderem die Theorie einer Polymerisation der unter Einwirkung von schwefliger Säure entstandenen Thioschwefelsäure zu Pentathionat gemäß Gleichung (XL) [96]. Es wurde beobachtet, dass sich zuerst Pentathionsäure bildet und nachfolgend Tetrathionsäure und Trithionsäure und dass ein HCl-Zusatz die Polythionatbildung verringert [84]. Frühe Arbeiten berichten von Trithionatbildung und Schwefelabscheidung (XLI) [50].

10 H3O+ + 5 S2O32- 4 H3O+ + 2 S5O62- + 9 H2O (XL) 4 Na+ + 2 S2O32- + 3 SO2 4 Na+ + 2 S3O62- + S (XLI) Im Zusammenhang mit der Polythionatbildung bei der Einwirkung der schwefligen Säure wird auch die primäre Entstehung von Trithionat und Schwefelwasserstoff durch Zersetzung der Thioschwefelsäure angenommen, wie es auch schon bei der Zersetzung durch Mineralsäuren besprochen wurde [Vergleiche Abschnitt 2.4.2.3 Gleichungen (XV) bis (XX)] [54]. Folgereaktionen wie Aufschwefelung, oder bei der Annahme der Entstehung von primär höheren Polythionaten der Sulfitabbau und die Hydrolyse, führen dann zu weiteren Polythionaten [14, 54, 96]. Es wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass Thiosulfat in saurer Lösung reagieren könne, als würde es Sulfoxylsäure S(OH)2 als Derivat von S2+ bereitstellen (XLII). Folgereaktionen sollen durch Umsetzung mit schwefliger Säure (XLIII) und Thioschwefelsäure (XLIV) zu Polythionsäuren führen. Durch eigenen Zerfall bedingt entstehen Pentathionsäure, Schwefelsäure, etwas schweflige Säure und wenig Schwefel [14, 85, 97].

S2O32- + 2 H3O+ 2 S(OH)2 + H2O (XLII) S(OH)2 + 2 HSO3- → S3O62- + 2 H2O (XLIII)

S(OH)2 + 2S2O32- +2 H3O+ → S5O62- + 4 H2O (XLIV) Weitergehende Untersuchungen kamen zu dem Resultat, dass die intensive Gelbfärbung von konzentrierten Thiosulfat-Lösungen in Gegenwart von überschüssigem SO2 auf die Bildung einer Art Komplex [S2O3⋅SO2]2- zurückzuführen ist [14, 82, 84, 98, 99], wodurch auch die stabilisierende Wirkung von Sulfit auf Thiosulfat-Lösungen zu erklären ist, wie sie Anwendung bei sauren Fixierbädern in der Fotografie findet. Die entstandene Lösung wandelt sich langsam unter Bildung von Trithionat und Pentathionat um. Tetrathionat wird durch Sulfitabbau von Pentathionat gebildet.

Pentathionat kann in saurer Lösung Schwefel aus Thiosulfat aufnehmen und in Hexathionat übergehen. Je stärker sauer die Lösung, desto langkettiger werden die Polythionate, da verminderter Abbau durch Sulfit erfolgt, bedingt durch das pH-Wert abhängige Gleichgewicht Bisulfit - Schwefeldioxid. Der Zerfall der labilen Verbindung führt auch zur Bildung von Schwefel und Hydrogensulfit.

In verdünnten Lösungen hingegen wird Sulfit angeblich nur träge aufgenommen und die Polythionate zersetzen sich zu Sulfat und Sulfit, so dass durch den Umstand, dass die Polythionatzersetzung mit der Bildung in etwa Schritt halten kann, nur wenig Polythionat gefunden wird [14, 96]. Es wird angegeben, dass nur bei deutlichem Überschuss von Schwefeldioxid viel Polythionat entsteht, bei Einsatz von wässrigen Schwefeldioxid-Lösungen ist hauptsächlich Trithionat und kein Pentathionat zu finden.

Ein saurer pH-Wert ist für die Polythionatbildung förderlich. Ein Schwefeldioxid-Überschuss in alkalischer Lösung führt beobachtungsgemäß nur zum Austausch von Schwefel, eine Polythionatbildung findet nicht statt. Aus Hydrogensulfit-Lösungen und Thiosulfat bilden sich Tetrathionat, Pentathionat und Trithionat angeblich nur bei hoher Hydrogensulfitionen-Konzentration [14].

Die Umsetzung von Schwefelhalogeniden der allgemeinen Form SX2 oder S2X2 mit SO32- oder S2O32- führt ebenfalls zu Polythionaten, da diese Verbindungen zu S(OH)2

bzw. zu S2(OH)2 hydrolysieren und mit Thiosulfat und Schwefeldioxid reagieren [s.

auch Gleichungen (XLII) bis (XLIV)]. Dieser Umstand wurde erfolgreich bei der Entwicklung neuer Synthesewege für Pentathionat und Hexathionat (Bildung von Pseudohexathionat wird diskutiert) ausgenutzt. Andere Verfahren arbeiten mittels Katalyse durch Arsenverbindungen [61, 97].

Die gängigsten Theorien zu den Primärreaktionen, die zur Polythionatbildung führen, lassen sich in den summarischen Gleichungen (XLV) und (XLVI) zusammenfassend verdeutlichen [14].

S2O32- + 4 HSO3- + 2 H3O+ 2 S3O62- + 5 H2O (XLV) 10 H3O+ + 5 S2O32- 4 H3O+ + 2 S5O62- + 9 H2O (XLVI)

2.4.4.2 Reaktionen von Schwefelwasserstoff mit Schwefeldioxid

Bei der Reaktion von H2S und SO2 in wässriger Lösung erhält man die so genannte Wackenroder’sche Flüssigkeit. Man nimmt heute an, dass Thioschweflige Säure H2S2O2

das primäre Produkt der Reaktion ist (XLVII) (vergleiche auch Hydrolyseprodukt von Verbindungen des Typs S2X2; s. 2.4.4.1). Die Polythionsäuren, die in der Lösung zu finden sind, entstehen durch Folgereaktionen entsprechend den Gleichungen (XLVIII) bis (LII) [14, 52, 82]

H2S + H3O+ + HSO3- S2O22- + 2 H3O+ (XLVII) S2O22- + 4 H3O+ + 2 HSO3- 2 H3O+ + S4O62- + 4 H2O (XLVIII)

3 H3O+ + S4O62- + HSO3- + H2O 4 H3O+ + S3O62- + S2O32- (XLIX) 2 H3O+ + S2O32- S + H3O+ + HSO3- + H2O (L)

H2S + S2O22- + 2 H3O+ 3 S + 4 H2O (LI) 2 H3O+ + S4O62- + S 2 H3O+ + S5O62- (LII) Aus den Gleichungen wird ersichtlich, dass in weiteren Reaktionen Schwefel gebildet

wird, der sich auf Grund seiner Reaktivität mit Polythionaten zu Polythionaten höherer Kettenlänge vereinen kann. Es tritt auch Polythionatabbau durch schweflige Säure ein.

Eingehende Untersuchungen zur Zusammensetzung von hydrophilem Schwefelsol (Selmi Sol), das durch Reaktion von Natriumsulfid und Natriumsulfit mit Schwefelsäure in wässriger Lösung nach Janek erhalten wurde, erfolgten unter anderem durch Steudel et al [100]. Der Schwefel des erhaltenen Sols bestand aus einer Mischung von S8 mit S7, S6, S9, S12, S. α-S8-Schwefel ist wenig reaktiv und in Wasser bis zu 5 µg/L löslich. Weitere Analysen ergaben in frisch präparierten Selmi Sols höhere Polythionate und nur Spuren von Thiosulfat. Beim Altern nahmen die Konzentrationen von Thiosulfat, Pentathionat und Tetrathionat sowie elementarem Schwefel zu. Die Konzentration der Polythionate mit einer Kettenlänge von mehr als fünf

Schwefelatomen nahm während des Alterungsprozesses ab. Die Zersetzung verläuft entsprechend den allgemeinen Gleichungen (LIII) und (LIV).

2 SmO62- → Sm-xO62- + Sm+xO62- (LIII) SmO62- → Sm-nO62- + Sn (n = 6-10) (LIV)

Im Vergleich hat das Raffo Sol nach Weitz mehr Polythionate höherer Kettenlänge als das Selmi Sol nach Janek. In beiden Fällen bilden sich aus den hydrophilen Polythionaten Mizellen, die in ihrem Kern den Schwefel einschließen. Das Raffo Sol ist thermisch stabiler, der Schwefel fällt langsamer aus. Es sind hier keine Polysulfanoxide vorhanden, diese finden sich nur neben Schwefel und langkettigen Polythionaten, wenn eine Wackenroder’sche Flüssigkeit bei 0 °C aus H2S und SO2 präpariert wird [71, 100].

2.4.4.3 Abbaureaktionen der Polythionate

Der Schwefel in den Polythionaten ist leicht polarisierbar. Eine Polarisation erfolgt durch anionoide Reagenzien [14]. Polythionate haben die Neigung, ihren Schwefel leicht abzugeben [52]. Durch Sulfit erfolgt stufenweise ein Abbau zu niederen Polythionaten und Thiosulfat (LV). In Gegenwart von äquivalenten Mengen Sulfit und Polythionat stellt sich ein Gleichgewicht ein [14, 51]. Wird Sulfit aus dem Gleichgewicht entfernt, z. B. durch Formaldehydzusatz, so ist eine Verschiebung des Gleichgewichtes in die entgegen gesetzte Richtung zu beobachten.

SmO62- + SO32- Sm-1O62- + S2O32- (LV) Es sind Unterschiede in der Reaktionsgeschwindigkeit zu verzeichnen, Pentathionat

wird schneller durch Sulfit abgebaut als Tetrathionat. Ein Sulfitüberschuss resultiert in verstärktem Abbau. Bei Einwirken von Bisulfit stellt sich unabhängig von der Menge immer ein Gleichgewicht ein, wobei diese Einstellung sehr langsam erfolgt, so dass Trithionat bereits hydrolysiert. Es wirken im Bisulfit nur die freien Sulfitionen.

Bei der Reaktion von Bisulfit und Tetrathionat wurde ein Abbau zu Pentathionat und Trithionat verzeichnet. Bei Anwesenheit von Thiosulfat wurde eine beschleunigte Gleichgewichtseinstellung registriert. Es wurde festgestellt, dass auch eine Bildung von Trithionat aus Hydrogensulfit und Thiosulfat entsprechend Gleichung erfolgt (LVI).

S2O32- + 4 HSO3- + 2 H3O+ → 2 S3O62- + 5 H2O (LVI) Für den Zerfall der Polythionate wird postuliert, dass sie pH-Wert abhängige Umkehrreaktionen sowohl ihrer Bildung aus S(OH)2 als auch aus H2SO3 und H2S2O3

sind [14]. In saurer bis neutraler Lösung führt das zur Bildung von Polythionsäuren, in neutralen bis alkalischen Lösungen erfolgt bevorzugt ein Zerfall von Polythionaten analog den Gleichungen (LVII) bis (LIX).

S4O62- + 2 OH- S(OH)2 + SO32- + S2O32- (LVII)

S5O62- + 2 OH- S(OH)2 + 2 S2O32- (LVIII)

S6O62- + 2 OH- S2(OH)2 + 2 S2O32- (LIX)

Die Verbindungen S(OH)2 und S2(OH)2 zerfallen in teilweise komplizierten Reaktionen weiter zu letztendlich Thiosulfat.

Im pH-Bereich von 8 bis 5 verhält sich die Reihenfolge der Zersetzbarkeit wie folgt:

Hexathionat > Pentathionat > Trithionat > Tetrathionat, wobei der Zerfall von Tetrathionat und Pentathionat in diesem Bereich autokatalysiert und die Einordnung unsicher ist, hier entspricht sie einem fortgeschrittenen Stadium.

Im stark alkalischen Milieu ist Trithionat am beständigsten und mit steigendem Schwefelgehalt werden die Polythionate zersetzungsempfindlicher. Im sauren Milieu nimmt die Beständigkeit mit der Kettenlänge zu, ab Octathionat nimmt sie wieder ab [14, 59, 101].

Nach Steudel et al verläuft die Hydrolyse der Polythionate bei 20 °C relativ langsam und nach dem Schema der Gleichungen (LX) bis (LXV) [71]. Da Sn mit n < 6 thermo-dynamisch instabil ist, werden offenbar Spezies mit mehr als 6 Sulfanschwefelatomen gebildet.

-O3S-Sx-SO3- + H2O → HSO4- + HSx-SO3- (LX)

HSx-SO3-

xn Sn + HSO3- (n > 5) (LXI) HSx-SO3- + H2O → (x-1) n Sn + S2O32- + H3O+ (LXII)

2 HSx-SO3- → H2S + -O3S-S(2x-1)-SO3- (LXIII)

SmO62- → Sm-xO62- + xn Sn (m+x > 8) (LXIV)

2 SmO62- → Sm-xO62- + Sm+xO62- (LXV) In ursprünglich neutraler Lösung zerfällt Trithionat in Thiosulfat und Sulfat, es erfolgt

eine pH-Wert Absenkung (LXVI). Durch Folgereaktionen wie Sulfitabbau, Schwefelaufnahme aus Thiosulfat und Zerfall entstandener Thioschwefelsäure können Tetrathionat, Pentathionat, Schwefel und Sulfit entstehen (LXVII) bis (LXIX) [14, 61, 94].

S3O62- + 3H2O → S2O32- + SO42- + 2 H3O + (LXVI) S2O32- + 2 H3O+ HSO3- + S + H2O + H3O+ (LXVII) S3O62- + S2O32- + H3O + S4O62- + HSO3- + H2O (LXVIII) S4O62- + S2O3

S5O62- + SO32- (LXIX)

Tetrathionat hydrolysiert in ursprünglich neutraler Lösung zu Thiosulfat und Trithionat unter pH-Wert Absenkung (LXX). Neben den bereits erwähnten Folgereaktionen erfolgt auch Thiosulfatbildung durch entstandenen molekularen Schwefel und Hydrogensulfit und Sulfitabbau höherer Polythionate, z. B. von noch bestehendem Tetrathionat (LXXI) oder Abgabe von Schwefel, z. B. von entstandenem Pentathionat (LXXII). Es kann die Bildung von Pentathionat, Sulfit und Schwefel registriert werden. Bei der Zersetzung von Pentathionat oder Hexathionat in ursprünglich neutraler Lösung entstehen Tetrathionat bzw. Pentathionat und Schwefel (LXXII) und (LXXIII), Folgereaktionen sind analog denen des Tetrathionat- bzw. Pentathionat-Zerfalls.

4 S4O62- + 9 H2O 5 S2O32- + 2 S3O62- + 6 H3O+ (LXX)

S4O62- + SO32- S3O62 - + S2O32- (LXXI)

S5O62- S4O62 - + S (LXXII)

S6O62- S5O62 - + S (LXXIII)

In saurer Lösung erfolgt ähnliche Zersetzung, Abweichungen gibt es bei stark sauren Lösungen. Trithionat zerfällt primär in Thiosulfat und Sulfat, in Folge entstehen wiederum Tetrathionat, Pentathionat, Sulfit und Schwefel. Tetrathionat zersetzt sich zu Trithionat und Pentathionat, in stark saurer Lösung zu Sulfat, Schwefeldioxid und Schwefel einschließlich Pentathionatbildung. Pentathionat zerfällt in Tetrathionat und Schwefel, in stark saurer Lösung zu Schwefeldioxid und Schwefel, auch hier kann Aufschwefelung zu Hexathionat eintreten. Analog verhält es sich bei Hexathionat.

In alkalischer Lösung zerfällt Trithionat in Thiosulfat und Sulfat, in stark alkalischer Lösung zu Thiosulfat und Sulfit. Tetrathionat zersetzt sich zu Thiosulfat, Trithionat und Pentathionat, aus Folgereaktionen kann Sulfit entstehen. Pentathionat und Hexathionat geben in alkalischer Lösung Schwefel ab und zerfallen somit zum Tetra- bzw.

Pentathionat einschließlich der Folgeprodukte. In stärker alkalischen Lösungen entsteht Thiosulfat bzw. Thiosulfat und Schwefel. Auch Sulfid baut Polythionate zu Schwefel und Thiosulfat ab (LXXIV) [14, 85, 101].

SnO62- + S2- → (n-3) S + 2 S2O32- (LXXIV)

2.4.4.4 Reaktionen mit molekularem Schwefel

Die Anlagerung von Schwefel an Polythionate führt zur Bildung höherer Polythionate [s. 2.4.4.2 Gleichung (LII)]. Der Abbau von Schwefel durch Sulfit erfolgt stufenweise über instabile Sulfanmonosulfonsäuren und resultiert letztlich in der Bildung von Thiosulfat [14]. Es wurde beim Einwirken von SO2 auf Schwefelblüte neben Thiosulfat auch die Bildung von Polythionaten beobachtet. Schwefel katalysiert den Zerfall von SO2 / HSO3-.

Bei Einwirken von KHSO3 auf gefällten Schwefel erfolgt langsame Reaktion zu Thiosulfat und weiter zu Trithionat, das Gleichgewicht liegt ab pH ≈ 6 auf der Seite des Thiosulfats, so dass sich der Schwefel auflöst, bei pH ≈ 4,5 erfolgt Polythionatbildung, vorwiegend Trithionat. Schweflige Säure reagiert mit Schwefelblüte zu Thiosulfat, Trithionat und Tetrathionat entstehen bei höherer Temperatur [102].