• Keine Ergebnisse gefunden

2.4.5.1 Katalyse der Polythionatbildung

Der Zerfall des Thiosulfats in saurer Lösung, der bevorzugt zu schwefliger Säure und Schwefel und unter gewissen Umständen zu Polythionaten führt, lässt sich durch Spuren von Arsenverbindungen zugunsten der Polythionatbildung lenken, so dass unter geeigneten Bedingungen die gezielte Synthese von Pentathionat durchführbar ist [51, 78, 79, 96].

Auch Antimon-, Molybdat- und Zinnverbindungen besitzen diese, wenn auch hier schwächer ausgeprägte katalytische Wirkung. Offenbar können nur solche Metallsalze den Zerfall in Richtung Polythionatbildung lenken, die in der Lage sind, Thioanionen zu bilden [79, 84]. Zum Mechanismus der Reaktionen gibt es stark abweichende Theorien [14, 54, 85, 98]. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem die Bildung eines Radikals S2O3·-, wie es auch bei der Oxidation von Thiosulfat mit Wasserstoffperoxid entsteht [95], und dessen Dimerisierung zu S4O62- angenommen.

2.4.5.2 Katalyse des Zerfalls der Polythionate durch Thiosulfat

Thiosulfat katalysiert die Zersetzung von höheren Polythionaten [14]. Nach der Theorie existiert ein Austauschgleichgewicht, in dem keine Schwefelatome, sondern S2O3- oder SO3-Gruppen zwischen Thiosulfat und den Polythionaten ausgetauscht werden. Der Zerfall des Trithionats, bei dem Thiosulfat und durch Folgereaktionen höhere Polythionate entstehen, wird durch Thiosulfat wenig beeinflusst. Thiosulfat katalysiert den Zerfall von Tetrathionat in neutraler Lösung zu Trithionat und Pentathionat, wenig SO32-, SO42- und Schwefel. Auch die Zersetzung von Pentathionat und Hexathionat zu Tetrathionat und Schwefel wird durch Thiosulfat beschleunigt.

2.4.5.3 Photokatalyse und sonstige Faktoren

In der Literatur ist die Zersetzung hydrophiler Schwefelsole durch Licht, charakterisiert durch Schwefelfällung und Bildung kurzkettiger Polythionate, beschrieben [87].

Untersuchungen zur Photostabilität von Polythionaten durch Bestrahlung von Tetrathionat mit Licht der Wellenlängen λ = 200 - 600 nm und λ = 290 - 600 nm ergab neben der Entwicklung von Schwefelwasserstoff und der Abscheidung von Schwefel eine Zersetzung zu Sulfit, Thiosulfat und Polythionaten mit vier bis zu neun Schwefelatomen [71].

Der gebildete Anteil an Polythionat wurde mit steigender Kettenlänge geringer. Der gebildete Schwefel bestand vorrangig aus S8, in seiner weiteren Zusammensetzung folgten mengenmäßig S7 > S6 > S9 ∼ S12 > S10. Im Versuch mit λ = 290 - 600 nm ging die Zersetzung langsamer von statten, aber mit gleichen Endprodukten. Bei Verlängerung der Dauer der Bestrahlung nahm die Konzentration an allen Polythionaten und auch an Thiosulfat ab. Thiosulfat scheint nur ein Intermediärprodukt zu sein. Es wurde die Bildung von Sulfit, Sulfat und elementarem Schwefel aus der Hydrolyse des Tetrathionats festgestellt. Versuche mit einzelnen Wellenlängen ergaben, dass eine Zersetzung noch stattfindet für λ = 313 nm, eine Bestrahlung mit einzelnen Wellenlängen λ > 350 nm war uneffektiv. Bei der Photodegradation von Pentathionat ist analog eine Bildung von Thiosulfat, Sulfit, Sn (mit n hauptsächlich 8), Tetrathionat und auch Hexathionat beobachtet worden.

Im Zusammenhang mit der Instabilität von Natriumthiosulfat-Lösungen wurden auch eine durch die Einwirkung von Licht, Staub und SiO2 hervorgerufene Spaltung in Sulfit

und Schwefel diskutiert [103], so dass als gängige Schutzmaßnahme für Thiosulfat-Lösungen neben der Alkalisierung und der Reinheit des Ausgangsmaterials ein Schutz vor Sonnenlicht empfohlen wird [76]. Auf den katalysierenden Effekt des Lichtes bezüglich der Autoxidation Schwefeliger Säure wurde bereits im Abschnitt 2.4.3.1 eingegangen und es soll hier nur noch einmal Erwähnung finden [54].

2.4.6 Schlussfolgerungen

Die vorangestellten Ausführungen geben einen Überblick über die Vielzahl der Möglichkeiten, in welcher Art und Weise und unter welchen Bedingungen sich Natriumthiosulfat zersetzen kann und welche Folgereaktionen eintreten können. Es bleibt einzuschätzen, welche Vorgänge tatsächlich in Natriumthiosulfat-Injektionslösungen ablaufen.

Von Bedeutung ist in jedem Fall die hydrolytische Zersetzung durch Einwirken von Wasser auf Thiosulfat, da sie offenbar auch ohne katalytisch wirkende Substanzen eintritt. Dadurch resultieren bereits Schwefel, Sulfit, Sulfat, Schwefelwasserstoff und Trithionat als Produkte. Die thermische Beanspruchung der Lösung durch die Sterilisation kann in diesem Zusammenhang als fördernder Faktor angesehen werden.

Eine Zerfallsreaktion, wie sie beim Erhitzen mit hochkonzentrierter NaOH zu beobachten ist, wird für die Zubereitungen ohne Relevanz sein, da selbst bei Einstellung eines alkalischen pH um 8,5 diese extreme Situation nicht erreicht wird. Gleiches gilt für die Zersetzungsreaktionen bei Einwirken von überschüssiger Säure und überschüssigem Schwefeldioxid bzw. Sulfit oder Schwefelwasserstoff. Generell sind jedoch die Vorgänge nach den dort besprochenen Mechanismen einzubeziehen, da es sich meist um Gleichgewichte handelt und sowohl Sulfit / Hydrogensulfit als auch Sulfid durch hydrolytischen Zerfall entstehen und in den Ampullen eine pH-Wert Absenkung durch einige Zerfallsreaktionen als auch durch CO2 des Flammengases möglich ist. Sulfit oder Bisulfit werden auch als Antioxidans zugesetzt und sind somit unter Umständen von Anfang an als Reaktionspartner vorhanden.

Die Lagerungszeiten der Natriumthiosulfat-Ampullen sind länger, als die, die bei den bisherigen Untersuchungen zur Beobachtung des Zerfalls aufgewendet wurden. Somit ist es denkbar, dass Zerfallsprodukte von Reaktionen, die in neutralen, schwach sauren oder schwach alkalischen Lösungen sehr langsam ablaufen, erst nach genügend langem Zeitraum zu finden sind. Zu diesen Reaktionen zählen die Polythionatbildung und deren

Folgereaktionen mit Sulfit, Sulfid, Schwefel und Thiosulfat sowie ihre Hydrolyse. Der große Überschuss an Thiosulfat ist bei einer Gleichgewichtseinstellung von Bedeutung.

Obwohl eine Beeinflussung des Zerfalls durch radikalische Initialreaktionen, die durch die Energie des Lichtes und bei Anwesenheit von Schwermetallspuren gestartet werden können, in Betracht kommt, dürfte ein photokatalytischer Effekt von untergeordneter Bedeutung sein, da die Injektionslösungen in der Regel nicht langfristig dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Schwermetall- und Erdalkalimetallspuren selbst hingegen lenken auch ohne Strahlungszufuhr den Zerfall von Thiosulfat in Richtung Sulfid- oder Sulfitbildung und zu Reaktionen, die zu Polythionaten führen.

Auch bei Redoxvorgängen haben Schwermetalle katalytischen Einfluss, so dass die hier entstehenden Zerfallsprodukte relevant sind. Es wurde auch gezeigt, dass von den schwefelhaltigen Anionen gebildete Radikale an den Reaktionen beteiligt sind. Die Schwermetallspuren können durch Verunreinigung in die Lösung gelangen. Es ist aber auch eine Reaktion an der Glasoberfläche mit im Glas enthaltenen Zuschlagstoffen in Betracht zu ziehen. Von den Redoxvorgängen werden vorrangig solche mit Beteiligung von Sauerstoff, z. B. Autoxidationsvorgänge, unter Umständen Schwermetall katalysiert, ablaufen. Endprodukte können hier Sulfat, Tetrathionat mit seinen Folgeprodukten, unter Umständen Polysulfide und Schwefel sein. Die speziellen Bedingungen für eine Dithionat- oder Dithionitbildung werden in den Ampullen vermutlich nicht vorliegen.

Besondere Bedeutung im Zerfall kommt den Reaktionen der schwefelhaltigen Spezies untereinander zu. Bereits durch einfache hydrolytische Spaltung von Thiosulfat als auch durch Verunreinigung der Ausgangssubstanzen stehen mehrere Reaktionspartner für weitere Vorgänge zur Verfügung. Auch hier steht die Bildung von Polythionaten und Schwefel sowie Sulfit mit ihren Folgereaktionen im Vordergrund, Sulfanmonosulfonsäuren sind eher unwahrscheinlich.

Die zu großen Mengen und sehr langkettigen Polythionaten führenden Reaktionsbedingungen werden in den Lösungen nicht erreicht, so dass eine Ausbildung von Mizellen mit Schwefeleinschluss nahezu ausgeschlossen ist. Dementsprechend wird der Schwefel in kristalliner S8 Form und nicht in davon abweichender Kettenlänge vorliegen, wie in hydrophilen Schwefelsols, da er nicht vor dem Angriff des Wassers durch Polythionate geschützt ist und Thiosulfat eine Solbildung stört.

Zusammenfassend ist das Augenmerk der Analytik auf Sulfit, Sulfat, Polythionate, Sulfid und Schwefel, mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf Polysulfide zu richten.

S

2

O

3

2-S 2-SO3

2-H2S SO4

2-S8

S3O62-

SO3

2-H2S S8

HSO3- SO42-

S3O62- S4O62-

S5O62- SnO62-

Hydrolyse (I; III, IV –VIII)

alkalische Hydrolyse (IX)

saure Hydrolyse (X - XXIII)

Oxidation / Reduktion und andere Reaktionen (XXX; XXXV - XXXVIII)

Reaktionen mit schwefelhaltigen

Verbindungen (XXXIX - LXXIV)

S8

SO32- SO4

2-S3O62-

S4O6

2-H2S S8

SO32- SO42-

S3O62- S4O62-

S5O62- SnO62-

Oxidation;

(XXIV - XXX)

SO42- S8

S4O62- S2O3

2-(intermediär Sn2- )

Schema der Zersetzungsreaktionen von Thiosulfat und Folgereaktionen - Auswahl