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Rationalisierungsdruck durch die Verschärfung der Marktsituation

Einführung in die PLM-Technologie

3. Rationalisierungsdruck durch die Verschärfung der Marktsituation

In der heutigen Zeit sind Unternehmen wie oben bereits beschrieben zahlreichen Einflussfaktoren unterworfen, die eine Beseitigung der vorstehend erläuterten archaischen Verhältnisse unabdingbar machen, um im Markt bestehen zu können, wie etwa:

zunehmender in- und ausländischer Wettbewerb mit immer grösser werdendem Termin- und Kostendruck,

Verkürzung der Produktlebenszyklen,

Wandel vom Anbieter- zum Kundenmarkt, was eine grössere Flexibilität erfordert,

zunehmende Komplexität der Produkte und deren Dokumenta-tion,

höhere Qualitätsanforderungen durch schärfere Produkthaf-tungsrichtlinien (ISO/EN/DIN 9000 bis 9004),

Zunahme standortübergreifender Unternehmen und verteilter Produktentwicklungen sowie Globalisierung der Märkte.

Ursache und Wirkung der verschiedenen Einflussfaktoren sollen nach-folgend jeweils kurz erläutert werden.

Analysen nach den Ursachen für Gewinnschmälerungen haben ergeben, dass die Produktanlaufzeit (time to market) der wesent-lichste Wettbewerbsfaktor ist (vgl. Bild B003plmZ). Da die produktde-finierenden Bereiche (Konstruktion, Arbeitsvorbereitung) etwa die Hälfte einer Gesamtdurchlaufzeit in Anspruch nehmen, ist eine Beschleunigung bzw. Optimierung dieser Tätigkeiten von besonderem Interesse. Oftmals ist die Lieferzeit sogar der allein ausschlaggebende Faktor zur Auftragserteilung.

Bild (B003plmZ) Ursachenanalyse für Gewinnschmälerungen

-22%

Annahmen: 20% 12% 5 Jahre

Marktwachstum jährlicher Preisverfall Produktionsdauer

-33%

Minderung Gewinn n.

Steuern

(Quelle: McKinsey)

Hinzu kommt, dass die Konstruktion gegenüber den übrigen produk-tionstechnischen Bereichen auch hinsichtlich der Kosten eine Schlüs-selrolle einnimmt (vgl. Bild B004plmZ). Veranschaulicht wird dies durch die Diskrepanz zwischen der Kostenfestlegung und deren Ver-ursachung. In der Konstruktion und Entwicklung werden bereits über 80% der späteren Produktkosten festgelegt, da die Produkteigen-schaften hier fast vollständig definiert werden. Demgegenüber fällt auf, dass die verursachten Kosten lediglich etwa 10% betragen, was aufgrund der grossen Bedeutung dieses Bereichs erstaunlich ist.

Bild (B004plmZ) Diskrepanz zwischen Kostenfestlegung und -verursachung [VDI2234, VDI-91]

Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Konstruktionsbereichs muss die dort vorherrschende Aufgabenverteilung einer genaueren Beachtung unterzogen werden. Da die Häufigkeit von Neukonstrukti-onen lediglich bei etwa 25% liegt [PaB-93], können in der überwie-genden Mehrzahl der Fälle bereits existierende Konstruktionslösungen wiederverwendet werden. Somit müssen nur bei Neukonstruktionen sämtliche Konstruktionsphasen durchlaufen werden, bei allen übrigen

Kostenfestlegung

Kostenverursachung

Entwicklung Konstruktion

Arbeits-vorbereitung

Beschaffung Fertigung Montage

Verwaltung Vertrieb 100%

80%

60%

40%

20%

10 70

5

40

10 25

5 20

5 13

Konstruktionsarten können erhebliche Zeiteinsparungen erzielt wer-den, falls dem Konstrukteur zweckmässige Suchfunktionalität und Variantentechniken bereitgestellt werden. Die effiziente Unterstüt-zung dieser Prozesse und insbesondere die NutUnterstüt-zung des grossen Wie-derverwendungspotentials durch den zweckmässigen Einsatz von Informationstechnologien sind entscheidend zur Erreichung der heute geforderten Flexibilität in immer kürzer werdender Zeit.

Bild (B005plmZ) Zuordnung von Konstruktionsarten zu Konstruktionsphasen basierend auf [VDI2210]

Im Hinblick auf die Produktlebenszyklen ist bereits seit mehreren Jah-ren eine stetige Verringerung zu beobachten. Da die Lebensdauer eines Produktes am Markt immer kürzer wird, verringert sich auch der für innovative Produktentwicklungen zur Verfügung stehende Zeit-raum. Infolgedessen müssen Produktentwicklungen heute immer schneller und effizienter vorangetrieben werden, was durch die Zunahme kurzfristiger Trendbewegungen noch verstärkt wird.

Der oben beschriebene Wandel vom Anbieter- zum Kundenmarkt hat zur Folge, dass Produkte immer weniger als einheitliche Lösungen angeboten werden können und ein Anbieter immer häufiger auf Son-derwünsche von Kunden eingehen muss. Daraus folgt ein Zwang zu grösserer Flexibilität, die sich insbesondere durch Variantentechniken erreichen lässt, wofür jedoch eine leistungsfähige Systemunterstüt-zung erforderlich ist.

Eine Konsequenz des Technologiefortschritts ist die zunehmende Komplexität der Produkte und deren Dokumentation sowie der zuge-hörigen Entwicklungsprozesse. In Anlehnung an den bereits prokla-mierten Verwaltungsaspekt muss hierfür naturgemäss ebenso ein

Konstruktionsarten

grösserer Aufwand betrieben werden bzw. leistungsfähigere Verwal-tungsmethoden zur Anwendung kommen.

In juristischer Hinsicht hat sich die Produkthaftung seit einigen Jah-ren grundlegend geändert. Durch die Einführung der EG-Richtlinie 85/

374 und verschiedener nationaler Normen wurde die bislang ange-wendete vertragliche Haftung gegenüber dem Käufer in eine delikti-sche Haftung umgewandelt, die verschuldensunabhängig auch gegenüber Nichtvertragspartnern Gültigkeit besitzt. Die Beweislast liegt nun ausschliesslich beim Hersteller, der den Konstruktionsstand und sämtliche Änderungsstände des ausgelieferten Produkts mindes-tens für 10 Jahre (in manchen Branchen 30-50 Jahre) rückverfolgbar halten muss, um nötigenfalls Entlastungsbeweise führen zu können (vgl. Bild B006plmZ). Dies schliesst die eindeutige Zuordnung zu sämt-lichen Zeichnungen, Spezifikationen oder anderen Dokumenten des Produktes mit ein. In den Qualitätsrichtlinien ISO/EN/DIN 9000 bis 9004 finden sich diesbezüglich umfassende Vorgaben, die system-technisch in geeigneter Weise unterstützt werden müssen.

Bild (B006plmZ) Verschärfung der Produkthaftung

Ein wesentlicher Aspekt der vergangenen Jahre ist die erwähnte Glo-balisierung der Märkte, die Zunahme verteilter Unternehmensstruktu-ren und der TUnternehmensstruktu-rend zu sogenannten virtuellen Fabriken, worunter dynamische Zusammenschlüsse verschiedener Unternehmen entlang einer Produktentwicklungsprozesskette zu verstehen sind. Immer häu-figer ergibt sich heute insbesondere in High-Tech-Bereichen (Luft- und Raumfahrtindustrie, Automobilbau etc.) die Notwendigkeit, dass ört-lich getrennte Standorte Produktdaten digital miteinander austau-schen, um Zeit zu sparen (vgl. in [Mar-97] digitale Übermittlung von

Produkthaftung: Haftungsrecht infolge von Mängeln eines Produktes für den Hersteller, dessen Zulieferer sowie den nationalen und internationalen Handel.

Seit Einführung der EG-Produkthaftungsrichtlinie 85/374:

wird nicht nurvertraglichgegenüber dem Käufer, sondern auchdeliktisch gegenüber Nichtvertragspartnern gehaftet,

wird nicht nurverschuldensabhängigsondern auch verschuldens-unabhängiggehaftet, wodurch die Beweispflicht zugunsten des

Verbrauchers auf den Hersteller, den Zulieferer und den Handel übergeht, müssen der Konstruktionsstand und die dazugehörigen Änderungszustände bis mindestens 10 Jahrenach Auslieferung eines Produktes noch zurückverfolgbarsein, um Entlastungsbeweise führen zu können.

3D-Produktmodelldaten anstelle Technischer Zeichnungen, um von einem Fremdunternehmen schnellstmöglich NC-Werkzeugverfahr-wege für die eigenerstellten CAD-Modelle ableiten zu lassen). Bild B007plmZ verdeutlicht diese Thematik anhand eines fiktiven Szenarios mit zwei kooperierenden Entwicklungsstandorten, einem Zulieferer und einem Kunden auf jeweils unterschiedlichen Kontinenten. In bezug auf die Netzwerkverbindungen muss dabei beachtet werden, dass nicht immer für alle Standorte Direktverbindungen über ein WAN (Wide Area Network) möglich sind (vgl. Zulieferer in Bild B007plmZ).

Zumindest kann jedoch nicht von einer 100%-igen Verfügbarkeit des WAN’s ausgegangen werden, wodurch verteilte Informationssysteme eine anspruchsvolle technische Herausforderung darstellen.

Bild (B007plmZ) Beispiel einer standortübergreifenden Produktentwicklung

Eine zunehmende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der direkten Integration von Kunden und Lieferanten zu. Viele Kunden sind nicht mehr mit reinen Massenerzeugnissen zufrieden, sondern fordern eine kundenspezifische Anpassung der Produkte und eine schnellere Entwicklung innovativer Produkte, massgeschneidert auf die jeweils vorliegenden Anforderungen und Bedürfnisse. In der sel-ben Weise wird von Lieferanten gefordert, nicht nur das Produkt als solches zu liefern, sondern vielmehr auch alle benötigten Produktda-ten zur Verfügung zu stellen, um diese innerhalb den eigenen Prozess-ketten direkt weiterverwenden zu können.

Die Anbieter – Kunden – Beziehungen sind dabei in der Regel von kurzer Dauer. Dementsprechend muss die geforderte Zusammenarbeit und der notwendige Datenaustausch innert kürzester Frist aufgebaut

Entwicklungs-standort 2

Entwicklungs-standort 1

Kunde Zulieferer keine Netzwerkverbindung

und durch entsprechende Tools unterstützt werden. Eine zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Internet zu.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollen unter dem Stichwort Produkt Lifecycle Management „PLM“ verschiedene Daten-und Anwendungsfunktionen zu einem Gesamtsystem zusammenge-führt werden. Das bedeutet, dass die verschiedenen innerhalb eines Unternehmens zur Anwendung kommenden Applikationen wie zum Beispiel das Enterprise Resource Planing (ERP), das Customer Relation-ship Management (CRM), das Produkt Lifecycle Management (PLM) oder auch das CAD untereinander verbunden und durch Web-Brow-ser basierende, standardisierte Benutzeroberflächen zugänglich gemacht werden. Zielsetzung ist es nicht mehr, Produktdaten an alle Personen übertragen zu müssen, die aktiv am Produktlebenszyklus beteiligt sind (früheres Push-Prinzip der Dokumentverteilung). Viel-mehr soll standortunabhängig über das Internet auf einfache Art und Weise auf das digitale Produkt zugegriffen werden können (Pull Prin-zip, immer aktueller Datenbestand).

Die vorstehend diskutierten Einflussfaktoren verdeutlichen die unabdingbare Notwendigkeit und strategische Bedeutung für den Einsatz moderner Informationstechnologien in der Produktentwick-lung. Seit einigen Jahren werden diesbezüglich Produktdatenmanage-ment-Systeme (PDM) und neuerdings insbesondere Produkt Lifecycle Management Systeme (PLM) viel diskutiert, die den gesamten duktlebenslauf umfassen, ausgehend von der Planung bis hin zur Pro-duktentsorgung und somit einen ganzheitlichen Abbildungs- und Dokumentationsaspekt verfolgen.