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Ratgeber und Ratsgremien

Im Dokument AUF DEM WEG ZUM TERRITORIUM (Seite 44-52)

B. Die Verwaltung der Grafschaft Berg im 13. und 14. Jahrhundert

II. Die zentralen Instanzen

4. Ratgeber und Ratsgremien

Seit dem beginnenden 13. Jahrhundert wird dank der Zeugenlisten der gräflichen Urkunden zunehmend deutlich, dass die bergischen Herrscher bei ihren Rechtsgeschäften regelmäßig das Einverständnis eines bestimmten Personenkreises einholten, dessen Zustimmung in der Zeugenschaft einen sichtbaren Ausdruck fand223. Abgesehen von einzelnen – teilweise den Bergern verwandtschaftlich verbundenen – Edelherren und Dynasten dominierten im personalen Umfeld der Grafen von Berg die Ministerialen. Entscheidend für die Präsenz

221 Lediglich in einer vom November 1376 datierenden Quittung des Ritters Gottfried vom Hirtze wird vage von den reddituariis des Grafen gesprochen, womit – man beachte den Plural – auch andere Zahlungsberechtigte gemeint sein könnten: LAV NRW R, Berg, Urk. Nr. 468 (16.11.1376).

222 Vgl. KOLODZIEJ 2005, S. 38.

223 Vgl. VON BELOW 1885, S. 178ff.; JANSSEN 2014, S. 46.

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dieser Dienstmannen dürften zunächst deren Beratungs- und Dienstpflichten gewesen sein, nicht aber wie auch immer geartete Mitwirkungsrechte.

Um die Jahrhundertmitte setzt insofern eine neue Entwicklung ein, als die Personen, deren Rat der Herrscher in Anspruch nimmt, nun nach ihrer Funktion bezeichnet werden. Als Herzog Heinrich von Limburg-Berg, Inhaber der Reichspfandschaft Remagen, im März 1245 dem oppidum dictum Rymagen seine althergebrachte Steuerfreiheit bestätigte, bekundete er, dieses Privileg de communi consilio amicorum nostrorum erteilt zu haben224. Mit den amici, den „Freunden“, sind hier augenscheinlich die Ratgeber des Herzogs gemeint. Dieser Begriff entspricht mithin demjenigen der „Räte“ (lat. consiliarii), der ein Jahrfünft später zum ersten Mal in bergischen Zusammenhängen begegnet: In dem Vertrag, den Graf Adolf IV. von Berg am 15. März 1250 mit der Stadt Köln abschließt, wird mit Blick auf die Schlichtung etwaiger Zwistigkeiten zwischen den zwei Parteien das Schiedsurteil der städtischen Ratsmitglieder mit dem arbitrium consiliariorum comitis verglichen225. Vielleicht kann man in dieser Parallelsetzung beider Ratskollegien einen ersten Hinweis auf das Bestehen eines „engeren Kreises“ von gräflichen Räten sehen226. Zwar ist in terminologischer Hinsicht gerade bei Urkunden städtischer, insbesondere stadtkölnischer Provenienz Vorsicht geboten, da sich das „fortschrittlich“

wirkende Formular nicht immer an den realen Verhältnissen orientiert haben dürfte.

Gleichwohl ist für Berg nach der Mitte des 13. Jahrhunderts ganz allgemein eine gehäufte Verwendung von Begriffen wie consiliarius und consilium zu konstatieren. So gewährte die Gräfin-Witwe Margarethe dem Kloster Altenberg im September 1259 eine Abgabenbefreiung de beneplacito consilii nostri227. Und bei der Ausstellung der Sühneurkunde zwischen Graf Adolf und Gräfin Elisabeth von Berg und der Stadt Utrecht war am 20. März 1269 das consilium universum des Herrscherpaares zugegen228, dessen Mitglieder bei dieser Gelegenheit erstmals namentlich genannt werden: Es handelte sich um die Ritter Adolf (II.) von Stammheim, Gottschalk von Winthövel, Heinrich von Lennep und Jakob von Ophoven, den Notar Johann und den Drosten Richard von Sand, der dadurch eine besondere Auszeichnung erfuhr, dass er

224 LACOMBLET 1846, Nr. 290, S. 150f.Vgl. zu dieser Urkunde FLINK 1974, Fiskus, S. 32f. Siehe auch ebd., S. 33 zur Frage, seit wann die Grafen von Berg Pfand- und Stadtherren von Remagen waren.

225 ENNEN/ECKERTZ 1863, Nr. 293, S. 294f.

226 So VON BELOW 1885, S. 254.

227 MOSLER 1912, Nr. 226, S. 162.

228 KETNER 1954, Nr. 1754, S. 30f. (20.03.1269): presente nostro consilio universo, Adolpho de Stamheim, Godescalco de Winthůvele, Henrico de Linnefe, Jacobo de Ůphoven, militibus; Richardo nostro dapifero, et Iohanne, nostro notario.

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als einziger der erwähnten Ratgeber um die Besiegelung der Urkunde ersucht wurde. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass neben dem amtierenden dapifer Richard von Sand mit Adolf von Stammheim auch ein früherer Amtsinhaber dem consilium angehörte; Jakob von Ophoven ist zwei Jahre später, im Juli 1271, ebenfalls als Drost anzutreffen229. Die bergischen Drosten dürften ex officio Räte gewesen sein, und Ähnliches galt vermutlich für die Notare, die im Vergleich zu den dapiferi aufgrund ihrer längeren Verweildauer im Amt eine höhere personelle Konstanz für sich beanspruchen konnten.

Betrachtet man die Angelegenheiten, zu denen die Grafen von Berg ausdrücklich ihre Ratgeber hinzuzogen, dann sticht die große Zahl städtischer Belange hervor – außer den bereits angesprochenen bilateralen Abkommen mit Städten wie Köln und Utrecht wäre hier vor allem auf Stadtrechtsverleihungen oder sonstige Privilegierungen bergischer Städte zu verweisen. Die Stadterhebung von Ratingen durch Graf Adolf V. von Berg am 11. Dezember 1276 etwa erfolgte prehabito nostrorum amicorum et fidelium consilio communi230. Ob der Begriff des consilium commune auf den so genannten „weiteren Rat“ zielte, dem neben dem engeren Kern von „Hofbeamten“ und führenden Ministerialen bzw. Ritterbürtigen auch Verwandte des Herrschers und adlige Vasallen angehörten, muss offen bleiben. Laut G. von Below war es eben dieses erweiterte Gremium, das 1283 seine Zustimmung zur Verleihung eines Privilegs an die Stadt Wipperfürth erteilte231. Die dabei von Graf Adolf V. gebrauchte Formel (mit rade onser getreuwen manne, burchmanne ind unser vrunde) findet sich in ähnlicher Form in anderen Urkunden der damaligen Zeit232. Im März 1297, als Graf Wilhelm I. von Berg eine Vereinbarung mit der Abtei Siegburg über seine vogteilichen Rechte traf und dazu den Rat seiner milites consiliarii einholte, haben wir dann wohl wieder mit einem engeren Zirkel – unter Führung des Drosten Heinrich von der Horst – zu tun233. In einer Quellennachricht zum Jahr

229 Siehe oben, S. 34.

230 REDLICH 1928, Nr. 1, S. 55–58 (11.12.1276).

231 VON BELOW 1885, S. 254 Anm. 309, unter Bezug auf TRILLER/FÜCHTNER 1969, Nr. 1, S. 1–5 (25.01.1283). Zum Umstand gehörten Propst Werner von St. Gereon, Heinrich von Virneburg als ein Verwandter (omen) des Grafen Adolf V., der Johanniterkomtur zu Burg Erwin, der Ritter Engelbert Ruselpaffe, der Schreiber Johann und der Droste Dietrich Flecke von Holstein.

232 Siehe etwa ENNEN 1867, Nr. 480, S. 463 (07.09.1299): van rade (...) unser mage, manne, deyenstmanne, burgmanne ind unser gemeynre vrůnde; BSB, Cgm 2213 (Slg. Redinghoven), Bd. 7 (16.08.1320): van rade (...) unse man, dienstman, burchman, ritter ind knapen.

233 WISPLINGHOFF 1964, Quellen, Nr. 191, S. 326f. (11.04.1297): in presencia subscriptorum scilicet Henrici dicti de Hurst dapiferi, Godescalchi de Calghem, Hunkini de Bensbure, Theoderici de Elnere, Adolfi de Wynthouele et Henrici de Trerois militum consiliariorum nostrorum.

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1306, das consilium proborum et militum des Grafen betreffend, begegnen zu einem beachtlichen Teil dieselben Namen234.

Obwohl demnach so manches Indiz für die Existenz eines „engeren Rates“ bereits in dieser frühen Phase spricht, wäre die Vorstellung verfehlt, es habe sich um ein klar definiertes, strikt abgeschlossenes Gremium gehandelt. Zumindest bis 1380 scheint keine wirksame institutionelle Verfestigung erfolgt zu sein. Dennoch gibt es erste, noch vereinzelte Anzeichen für eine in diese Richtung zielende Entwicklung: Im September 1324 traf Graf Adolf VI. in seiner Eigenschaft als Altarvogt der Abtei Deutz eine Verfügung, wonach deren Besitzungen in Remagen von einer durch die Stadt geforderten Steuer zu befreien seien. Zu dieser Entscheidung war er gelangt, nachdem seine „vertrauten Ratgeber“ (secretarii) die entsprechenden Privilegien gründlich durchgesehen hatten235. Ein solcher Beleg bleibt in unserem Untersuchungszeitraum freilich singulär. Erst 1394 sollte der Terminus in der bergischen Überlieferung wieder auftauchen236 – mithin zu einem Zeitpunkt, als man A. Kolodziej zufolge bereits vom „geheimen Rat“ als „einem institutionalisierten Gremium“

sprechen kann237.

Insgesamt sind aus der langen Regierungszeit Adolfs VI. (1308–1348) vergleichsweise wenige Urkunden erhalten, die Aufschluss über die Tätigkeit der Räte des Grafen geben. Neben der eben genannten Nachricht von 1324 verdient ein Schriftstück aus dem Jahr 1341 besondere Erwähnung. Als die gräflichen commissarii Rutger von Eller und Pilgrim von Deutz, der damalige Drost, als Schiedsrichter über einen Zwist zwischen der Stadt Düsseldorf und dem dortigen Lambertusstift entschieden, taten sie dies coadiunctis nobis ipsius domini nostri consiliariis et amicis tam nobilibus quam militaribus238. Die umfangreiche Zeugenliste, zwei Herren edelfreier Herkunft einschließend, verdeutlicht, dass diese Umschreibung wohl auf den „weiteren Rat“

gemünzt ist. Die Paarformel consiliarii et amici wiederum ist kennzeichnend für den in Berg

234 LAV NRW R, Gerresheim, Stift, Urk. Nr. 40 (23.07.1322): presentibus (...) Henrico de Hurst, Theoderici seniori de Elner, Theoderici juniori, Godeschalco de Calcheym, Alberto de Holthusin, Theoderico de Luchtmar militibus.

235 KREMER 1781, Nr. 252, S. 262f. (30.09.1324): tenorem ipsorum privilegiorum per secretarios nostros inspici et examinari fecimus.

236 SCHLEIDGEN 1988, Nr. 124, S. 160f. (14.01.1394): presentibus strennuis venerabilibus et religiosis viris dominis Theoderico de Foresto, Hermanno de Slijchem et Rabidone de Cailchem, militibus, secretariis et consiliariis dicti domini ducis.

237 KOLODZIEJ 2005, S. 194.

238 SCHLEIDGEN 1988, Nr. 28, S. 32f. (26.03.1341): communicato discretorum et iurisperitorum consilio, coadiunctis nobis ipsius domini nostri consiliariis et amicis tam nobilibus quam militaribus.

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vorherrschenden synonymen Gebrauch der Wörter „Freunde“ und „Räte“, für den sich aus jenen Jahren unschwer weitere Beispiele finden lassen239.

Graf Gerhard von Berg, Adolfs Nachfolger, pflegte in den ersten Jahren seiner Regierung – zu besonderen Anlässen wohl auch später noch240 – einzelne Personen aus seiner Jülicher Heimat als Ratgeber in den Rat aufzunehmen. So war der Ritter Edmund von Barmen (bei Jülich) unter den vrund ind raet des Grafen vertreten, als dieser im März 1351 der Abtei Altenberg ein Freiheitsprivileg ausstellte241; ja noch im September desselben Jahres wurde er zu Gerhards „Mannen und Freunden“ gerechnet242. Von 1352 an bestimmten aber fast durchweg landsässige Räte das Bild. Charakteristisch für das zwölf Jahre währende Regiment des Grafen Gerhard von Berg ist die verstärkte Präsenz von nun zunehmend als „Amtleute“ bezeichneten lokalen Amtsträgern im Rat, die zu einer engen Verzahnung von Lokalverwaltung und zentraler Regierungsebene führte. Ende 1352, bei einer Darlehensaufnahme, ersuchte der Graf seine liven vrunt inde ambtlude Wilhelm van Haen, Peter van Calcheim, Ailffe Cratz ind Hermann van Winckelhusen um die Übernahme einer Bürgschaft243. Die Bezeichnung ambtlude ist hier gewiss in einem allgemeineren Sinne zu verstehen, fungierte Peter von Kalkum damals doch als bergischer Landdrost. Wilhelm von Haan indessen hatte 1352 nachweislich die Amtmannschaft zu Bensberg inne; welche Ämter Adolf Kratz und Hermann von Winkelhausen ausübten, ist nicht bekannt244. Wenn am 16. August 1358, in der Siegelankündigung einer den Kaiserswerther Zoll berührenden Urkunde, acht gräfliche rait ind rittere sechs knapen ind amptluden gegenübergestellt werden245, so dürfte diese künstlich wirkende Unterscheidung vor allem stilistischen Gründen geschuldet sein246.

239 Siehe etwa REDLICH 1928, Nr. 10, S. 63 (14.04.1343): consiliariorum nostrorum et amicorum. Am 01.03.1347 bezeichnet Graf Adolf VI. die Mitglieder seines (engeren) Rates als amici: KORTH 1891, Nr. 18, S. 50f.

(01.03.1347) = TRILLER/FÜCHTNER 1969, Nr. 4, S. 7. Gerhard von Jülich, Graf von Berg und Ravensberg, bestätigt nach seinem Regierungsantritt 1348 die Privilegien der Stadt Lennep nach Unterrichtung durch seine amici: VOM BERG 1909, Nr. 5, S. 9 (31.08.1348).

240 KAEMMERER 1971, Nr. 105, S. 109f. (06.11.1355).

241 MOSLER 1912, Nr. 770, S. 606f. (07.03.1351): Unse vrund ind unse raet her Emunt van Barmen rittir, Peter van Kailchem dreessit uns lans van dem Berghe, Willam vanme Hain ind Eiverard van Geilisheim.

242 NIEDERAU/POENSGEN 1992, Nr. 107, S. 91 (02.09.1351).

243 BSB, Cgm 2213 (Slg. Redinghoven), Bd. 7, fol. 479–482 (18.11.1352).

244 Siehe unten, Art. Nr. 24 (Wilhelm von Haan), Nr. 33 (Peter von Kalkum), Nr. 35 (Adolf von Kratz), Nr. 74 (Hermann von Winkelhausen).

245 LACOMBLET 1853, Nr. 582, S. 487f. (16.08.1358): Heenrich van Graischaff, Wilhelm van Hayn unsen drosetten, Lutter Stail van Holsteyn, Frambalg van Beynsbur, Reenard van Lansberghe, Conrait van Elner, Lodewich van Lulstorp,

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Graf Gerhard von Berg verlor sein Leben im Mai 1360 bei einem Zweikampf in Schleiden.

Wenige Wochen später wurde Johann Koelre, ein Kämpe, der auf dem letzten Kriegszug des Grafen ein Pferd eingebüßt hatte, bei der Gräfin-Witwe Margarethe und ihren amptluden und vrunden Peter von Kalkum (zu Beyenburg), Dietrich von Leuchtmar (zu Angermund) und Dietrich Smende von Heltorf (zu Solingen) wegen einer Entschädigung vorstellig. Gerhards Sohn und Nachfolger Wilhelm dürfte damals nicht mehr als zwölf Jahre alt gewesen sein.

W. Janssen hat jüngst auf den zweifellos großen Einfluss der Räte in der Zeit von Margarethes Regentschaft hingewiesen, namentlich auf ihren vermutlich substantiellen Anteil an der Entscheidung zum Ankauf der Herrschaft Blankenberg im Jahr 1363247 – eine der wichtigsten Wegmarken der bergischen Erwerbspolitik und ein finanzieller Kraftakt ohnegleichen. Die ausführlichste Aufstellung gräflicher Ratgeber jener Jahre liefert eine Gerresheimer Urkunde vom 21. Januar 1363, durch die Margarethe und Wilhelm die Ansprüche des Haick von Flingern auf das dortige Schultheißenamt zurückwiesen248. Unter den vrůnt ind rait, deren Beratung die beiden Aussteller in Anspruch genommen hatten, waren bis auf den Marschall Wennemar von dem Bottlenberg die Inhaber der wichtigsten Hofämter vertreten: der Drost Wilhelm von Haan, der Hofmeister Peter von Kalkum und der Kämmerer Johann von Reven;

hinzu kamen der Zöllner zu Kaiserswerth Elger von Heimbach, der Rentmeister Albrecht Ruter und der Amtmann zu Angermund Dietrich von Leuchtmar. Die übrigen genannten Räte – ein Edelherr und zehn Ritterbürtige – führten keine Amtsbezeichnung und übten größtenteils wohl tatsächlich kein Amt aus249. Es ist ein auffallend großer Beraterkreis, der hier in Erscheinung tritt. Zahlreicher sind die Beispiele für ein kleineres, nicht mehr als sechs Räte umfassendes Gremium, wie es etwa am 6. Januar 1363, zwei Wochen vor der Gerresheimer

Baldewyn van der Hurst, unse lieue rait ind rittere, Petere van Kailcheym, Johanne van Reeuelo, Dederich van Luchtmar, Ailff Krats, Dederich van deym Vorste, Bruyn van Gairdrade, unsere knapen ind amptlude.

246 Wenigstens ein Mitglied der ersten Gruppe, der Ritter Konrad von Eller, war damals nachweislich Amtmann von Monheim; siehe unten, Art. Nr. 18. Von einer Zugehörigkeit der sechs „Knappen und Amtleute“ zum Rat geht auch JANSSEN 2014, S. 86 aus.

247 JANSSEN 2014, S. 86.

248 LAV NRW R, Gerresheim, Stift, Urk. Nr. 96 (21.01.1363): overmyts uns vrůnt ind unse rait, ritter ind kneichte, berayden ind ervayren dye hye na geschreven steynt, heren Dyderiche van Merheim here van Boecstel, Willeme van Hayn, doe unss droyst is, Johanne Untze van Elvervelde, Lutter Stail van Lancwaiden, Willem der Qwayde, Starcke van Uplaiden, Heynriche van Schoynroyde, Coynraide van Elnere, Johanne van der Hoven, Heynriche van Varysbech, Raboyde van Losen, Peter Wyntdechge, rittere, her Eylgeir van Hencbach doe Coellener tzo Werde, Peter van Kailchem doe hovemeister, Johanne van Revel doe kemereir, Raboyde van Losen, Dyderiche van Luychtmar doe amptman tzo Angermunt, Aylbreit Ruter doe Rentmeister ind ander gůyder luyde genoich.

249 Konrad von Eller könnte damals freilich noch Amtmann in Monheim gewesen sein; siehe unten, Art. Nr. 18.

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Zusammenkunft, oder am 4. April 1363 begegnet250. Seinen Kern bildeten in beiden Fällen die höchsten Hofbeamten: Drost und Kämmerer (zweimal) und Marschall (einmal). Eine ganz zentrale Figur scheint der Ritter Wilhelm von Haan gewesen zu sein, der das Amt des Landdrosten von 1354 bis 1363 – mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1360 – innehatte und auch schon unter Graf Gerhard von Berg eine führende Rolle im Rat gespielt hatte. Trotz des geringen zeitlichen Abstands zwischen den beiden Beurkundungen stimmen indessen nur zwei der sechs Namen überein. Es gab eben noch keine abgeschlossenen Gremien mit Behördencharakter251; vielmehr konnte der Herrscher den Kreis seiner Ratgeber je nach Bedarf und örtlichen Gegebenheiten ergänzen und neu zusammenstellen252.

Bis in die 1360er Jahre hinein waren unter den ritterbürtigen Ratgebern der Grafen von Berg fast ausschließlich Angehörige landsässiger Geschlechter vertreten. Insofern stellt eine Urkunde vom 15. Dezember 1368 einen wichtigen Einschnitt dar. Damals verpfändeten Graf Wilhelm II. von Berg und seine Gemahlin Anna von Bayern den Kaiserswerther Rheinzoll an den Pfalzgrafen Ruprecht den Jüngeren. Es verwundert nicht, dass der ungemein folgenreiche

250 LACOMBLET 1853, Nr. 634, S. 534 (06.01.1363): onse lieue rait, manne ind vrunde, heren Willem van Haene, h.

Lodowich van Roede, h. Heinrich van Schoenrode, h. Lodowige vait zu Lulstorp, rittere, Ailf Cratz ind Johan van Reuel, knapen; VOLLMER 1958, Tafel XI, S. 25f. (04.04.1363): myt godeme vurdachtem vryen wyllyn ind o(e)uermijtz rayt unser gemeynre vrunde ind raytz myt namen hern Wylhelms vam Hane ind hern Heynrichs Schyrpyn, ryddere, Dy(e)derichs vame Vorste, druosissen in der zijt, Johans van Revel, ka(e)merers in der zijt, Wynmars van Bodelynberch, marschalcz in der zijt, ind Dy(e)derichs Smendyn, kelners zu(o) der Nuwerburch (...) knappen.

251 Der Ansicht von KOLODZIEJ 2005, S. 39, der „fürstliche Rat“ (sic) habe sich bereits im zweiten Viertel des 14. Jhs. „zur zentralen Verwaltungsinstitution“ und zu einem „selbständig agierenden Ausschuss“ entwickelt, können wir uns nicht anschließen. Eine solche Interpretation steht auch im Widerspruch zu der ebd., S. 194 vertretenen These, erst seit etwa 1385 gebe es „deutliche Anzeichen für eine zunehmende Festigung und institutionelle Veränderung“ des (engeren) Rates – eine Vorstellung, die schon eher mit den Quellen in Einklang zu bringen ist.

252 Ein aussagekräftiges Beispiel für diesen Sachverhalt bietet ein urkundliches Zeugnis vom 02.07.1361, dem zufolge sich der Ritter (und Marschall) Wennemar von dem Bottlenberg und das Stift Düsseldorf unter Vermittlung Wilhelms von Berg und seiner Räte über strittige Zehnte bei Huckingen (Ksp. Mündelheim) geeinigt hatten: SCHLEIDGEN 1988, Nr. 53, S. 60ff. (02.07.1361). Unter den vrunt des Junggrafen begegnen mit dem Ritter Reinhard von Landsberg, dem Kaiserswerther Stiftskellner Konrad, Peter von Kalkum, Dietrich von Leuchtmar (damals Amtmann von Angermund), Rembodo von Rheinheim und Johann von Kalkum durchweg gute Kenner der lokalen Verhältnisse. Eine ganz andere personelle Zusammensetzung wies der Kreis goder getruwer vrunde, rade, ind burchlude auf, mit deren Zustimmung Wilhelm und seine Mutter Margarethe am 15.11.1362 der Johanniterkommende zu Burg einen Turm überließen; erwähnt werden in diesem Fall die Ritter Heinrich von dem Bottlenberg gen. Schirp (Amtmann zu Beyenburg) und Johann von der Hoven, ferner Peter von Kalkum (Hofmeister, Amtmann von Mettmann), Dietrich Smende von Heltorf (Amtmann von Solingen, Kellner zu Burg), Ludwig von dem Bottlenberg (gen. Banewald) und Arnold von Sevenich, Pastor zu Waldniel: VOLLMER 1958, Tafel X, S. 24 (15.11.1362).

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Entschluss mit rade onser vrunde ind Rades getroffen wurde253. Zu den insgesamt zwölf vesten luden, die durch Anhängen ihrer Siegel ihre Zustimmung zu diesem Schritt öffentlich machten, zählten der Ritter Heinrich von Wienhorst und die beiden Knappen Heinrich von Wachtendonk und Maes von Uhlenbrock, deren Familien im geldrischen und klevischen Machtbereich verwurzelt waren254. Angesichts der bereits für die Regierungszeit Graf Gerhards von Berg konstatierten und auch unter Graf Wilhelm feststellbaren engen Durchdringung von lokaler und zentraler Regierungsebene ist es wenig überraschend, dass Heinrich von Wienhorst wenig später als Amtmann von Beyenburg (1371–1373), Maes von Uhlenbrock als Landdrost (ab 1373) in Erscheinung tritt – bei fortdauernder Zugehörigkeit zum Rat255.

Ein für die Zeit vor 1380 einzigartiges Schriftstück, datierend vom 12. Mai 1378, betrifft die Bestellung des Kaiserswerther Stiftsherrn Hermann von Goch zum rait und cappellain des Grafen Wilhelm von Berg und seine Eingliederung in das gräfliche huisgesinde, und zwar ze geselschappe anderre unser reede, ritterre, knapen, cappellain ind degelix ingesyndes unss huyss256. Begründet wurde die Maßnahme mit den mannigfachen Verdiensten, die sich der Kanoniker um den Grafen und dessen Land erworben habe. Inwieweit die Urkunde Modellcharakter beanspruchen kann, lässt sich nicht sagen. Wahrscheinlich wurde die Aufnahme eines Vertrauten in die familia des Grafen – anders ausgedrückt: seine Ernennung zum Familiaren – hier ehrenhalber um die Titel des Rates und des Kaplans ergänzt. Das Verhältnis zwischen Familiaren und Räten am bergischen Hof bedarf noch der Aufhellung257, die aber mit dem vorhandenen Quellenmaterial des 13. und 14. Jahrhunderts kaum zu bewerkstelligen sein dürfte258.

253 LACOMBLET 1853, Nr. 684, S. 583–586 (15.12.1368).

254 Siehe zu Maes von Uhlenbrock und Heinrich von Wienhorst unten, Art. Nr. 64 u. Nr. 73. Über Heinrich von Wachtendonk, der noch unter Graf Gerhard – möglicherweise als Soldritter – in bergische Dienste getreten war (LAV NRW R, Brauweiler, Abtei, Urk. Nr. 378 = VAN LENNEP 1927, Nr. 1028, S. 25), ist weniger bekannt.

255 LAV NRW R, Brauweiler, Abtei, Urk. Nr. 57 (16.05.1373) = ANDERNACH 1981, Nr. 847: Uhlenbrock, Wienhorst; SCHLEIDGEN 1986, Kleve-Mark, Nr. 79, S. 50f. (12.01.1377): Wienhorst.

256 ENNEN 1875, Nr. 198, S. 257ff. (12.05.1378). – Hermann von Goch dürfte identisch sein mit dem Kölner Kleriker und öffentlichem Notar Hermannus natus Thome Ywani de Goch, der am 20.08.1361 in Kaiserswerth eine das Gerresheimer Schultheißenamt berührende Urkunde transsumierte: LAV NRW R, Gerresheim, Stift, Urk. Nr. 92.

257 Für die Grafschaft Luxemburg hat dies in exemplarischer Form REICHERT 1993, S. 674ff. geleistet.

258 Das Wort familiaris taucht im bergischen Kontext erstmals im Jahr 1222 auf, als Herzog Heinrich von Limburg und seine Ehefrau Irmgard von Berg auf Bitten ihres dilecti et familiaris Arnold, Mönch von

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Im Rückblick auf die Entwicklung des Rates der Grafen von Berg zwischen 1225 und 1380, soweit sie sich aus den Quellen rekonstruieren lässt, ist N. Andernach beizupflichten, wenn er – im Unterschied zu so mancher pauschalisierenden verwaltungsgeschichtlichen Darstellung – Zweifel daran anmeldet, ob „das unstete Gremium der aus der Ritterschaft gewählten Vertrauten und Räte, mit denen der Landesherr (...) sich zu umgeben pflegte, jemals eine Institution, ein Rat, ein Regierungsorgan im neuzeitlichen Sinne gewesen ist“259. Kennzeichnend für die Herrschaftspraxis in der Grafschaft Berg war noch am Ende des Untersuchungszeitraums das persönliche Regiment des Landesherrn; das Ratskollegium – sei es als engerer oder als weiterer Rat – war in keinen festen institutionellen Rahmen gefügt.

Im Dokument AUF DEM WEG ZUM TERRITORIUM (Seite 44-52)