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Kapitel 2: Habitatanalyse durch Telemetrie und Kartierung

2.2 Radiotelemetrie

2.2.1 Fang und Besenderung

Untersucht wurde eine Grauspecht-Population im Göttinger Leinebergland. Das Untersuchungsgebiet umfasste eine Fläche von insgesamt 72 km². Im Jahr 2005 wurde für Niedersachsen eine landesweite Kartierung im Auftrag der NLWKN als Grundlage einer Bestandsschätzung der Grauspecht-Population durchgeführt (Südbeck et al. 2008). Die Daten aus dieser Untersuchung lagen vor und wurden zur Auswahl der Reviere für den Fang herangezogen. In den verzeichneten Revieren wurde zunächst festgestellt, ob sie noch durch Grauspechte besetzt waren. Wenn ein Artnachweis erbracht werden konnte, wurden sie in die Flächenauswahl einbezogen.

Zum Fang der Grauspechte wurden zwei Methoden eingesetzt. Die erste Methode war der Fang am Höhleneingang mit einem Kescher. Konnten Schlafhöhlen in erreichbarer Höhe aufgefunden werden, wurde ein selbst angefertigter Kescher an einem Teleskopstiel morgens vor Anbruch der Dämmerung über dem Ausflugloch platziert.

Das Netz konnte über eine am Stiel geführte Nylonschnur zugezogen werden, um das Ausfliegen des Tieres aus dem Netz zu verhindern.

Als zweite Methode wurden parallel Futterstellen eingerichtet, an denen sich Japannetze zum Fang der Grauspechte in der Anflugschneise aufspannen ließen. Ab Mitte September wurden diese jeweils in nachgewiesenen Grauspecht-Revieren regelmäßig bestückt. Die Tiere wurden mit einem Getreide-Fett-Gemisch aus Haferflocken, weiteren Körnern und Pflanzenfett angefüttert. Das Futter wurde in einem Netz frei hängend an einem Ast angebracht, so dass es für kletternde Tiere wie z.B. Waschbären nicht zu erreichen war. Als Mindestabstand zum Stamm oder dicken Ästen wurden dazu etwa 40 cm eingehalten.

Abb. 5: Foto einer Fangstelle mit Futterköder (links) und davor aufgespanntem Japannetz

Die Futterstellen wurden so ausgewählt, dass möglichst nur aus einer Richtung Bäume mit größerem Stammdurchmesser eine Anflugmöglichkeit boten und sie auf der anderen Seite von einem dichten Jungbestand umgeben waren, der wegen der schlechten Übersichtlichkeit als Anflugrichtung der Grauspechte sehr unwahrscheinlich war. Zum Fang an den Futterstellen wurden Japannetze mit den Maßen 3 x 9 m und einer Maschenweite von 19 mm eingesetzt. Diese wurden in der Anflugschneise zum Futter mit bis zu 6 m langen flexiblen Aluminium-Teleskopstangen aufgespannt.

Telemetriesender des Typs PIP31LL der Firma Biotrack Ltd. U.K. mit einem Gewicht von 3,6 g und einer 10 cm langen Antenne kamen an den Grauspechten zum Einsatz.

Die Reichweite betrug je nach Geländeeigenschaften bis zu 2,5 km, im Wald in der Regel maximal 1 - 1,5 km. Die Sender wurden mit einem Beinschlaufen-Geschirr (leg-loop-harness) auf dem Rücken des Tieres in Höhe des Synsacrums befestigt. Für die Geschirre wurde ein geflochtenes Teflonband (PTFE) verwendet. Die Enden wurden zunächst vernäht und an den Nahtstellen sowie in den Aufnahmeröhrchen des Senders mit einer dafür geeignete Sekundenkleberkombination aus dem Cyanacrylat Loctite 406 und dem Primer Loctite 770 verklebt. Zusätzlich wurden die Enden des Teflonbandes mit diesem Kleber fixiert, um ein Aufribbeln zu verhindern. Die erforderliche Länge des Geschirrs wurde nach der allometrischen Formel y = 14,16 + 8,34 * Körpergewicht0,437 berechnet (Naef-Daenzer 2007). Nach dem

Körpergewicht der Grauspechte, das im Durchschnitt etwa 130 Gramm beträgt, ergab sich daraus eine Geschirrspanne von 84 mm.

Abb. 6: Schematische Darstellung eines Telemetrie- senders mit Beinschlaufen

2.2.2 Telemetrische Ortung

Nach der erfolgreichen Besenderung wurden die Spechte zunächst 48 Stunden lang nicht gestört. Anschließend erfolgte die Registrierung täglich bis 3 Mal wöchentlich mehrmals am Tag, um von den wenigen untersuchten Individuen viele Daten zu gewinnen. Die Registrierungspunkte wurden mit einem GPS-Gerät eTrex 30 der Firma Garmin aufgenommen. Auf allen gemessenen Punkten wurde die Struktur des Waldbestandes erfasst (siehe 2.4).

Zur Ortung der Grauspechte wurde ein Televilt-Receiver RX-98H im VHF-II-Band mit Frequenzbereichen zwischen 138 und 155 MHz eingesetzt. Eine faltbare Antenne ist an diesem Modell integriert, mit der sich das Gerät auch bei der Arbeit in dichter Vegetation gut handhaben lässt. Um eine Unabhängigkeit der Beobachtungen zu gewährleisten, wurde ein Zeitabstand von 45 Minuten zwischen aufgenommenen Registrierungen eingehalten. Konnte der Grauspecht gesichtet werden, so wurde zusätzlich zur vorgenommenen Bestandserhebung auf dem Registrierungspunkt vermerkt, welches Verhalten der Vogel zeigte und die genutzte Lebensraumstruktur beschrieben. Die folgenden Verhaltensweisen wurden dabei klassifiziert:

ABKÜRZUNG VERHALTEN

KL Klauben zum Nahrungserwerb (absammeln von der Oberfläche der Rinde/Zweige oder Blätter)

ST Stochern zum Nahrungserwerb NH Aufhacken zum Nahrungserwerb

HB Höhlenbau

WR Warnruf

BR Balzrufe, Revierrufe

T Trommeln

FL fliegend, überfliegend

S „sitzend“ (an einer Stelle, ruhend oder verharrend)

GP Gefiederpflege

HK Hacken (wenn dies dem Anschein nach nicht dem Nahrungserwerb diente, z.B.Übersprungshacken in Konfliktsituationen)

K Kampf

B Balz (Interaktionen zwischen Geschlechtspartnern)

A Anting („Ameisenbaden“)

V Verstecken

Tab. 1: Übersicht der registrierten Verhaltensweisen mit Abkürzungen

Der Landschaftstyp sowie die genutzte Struktur wurden zu der Beobachtung beschrieben. Befand sich der Specht am Baum, so wurden Baumart, Durchmesserklasse, Totholzanteile, die Höhe des Spechts am Baum sowie der genutzte Abschnitt aufgenommen.

2.2.3 Erfassung der Lebensraumstrukturen

Um die Bevorzugung von Lebensraumstrukturen durch einen Vergleich von tatsächlicher Nutzung mit ihrem Vorkommen im Gesamtbestand analysieren zu können, wurde der Waldbestand auf Probeflächen im Untersuchungsgebiet erfasst.

Ein Punkteraster im 100 m Abstand wurde über einen drei Quadratkilometer großen Ausschnitt des bewaldeten Gebiets im Stadtforst Göttingen und im Revierforst Geismar gelegt. Somit wurden insgesamt 961 Erhebungspunkte (Plots) in einer quadratischen Matrix im GIS erstellt, von denen die nicht im Wald liegenden verworfen wurden. Die Erhebung der Waldbestandsstruktur erfolgte auf verbleibenden 426 in bewaldetem Gebiet liegenden Plots (siehe 2.4 Erfassung der Waldbestandsstrukturen).