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§ 5.2 Räumlicher Spannungszustand

Im Dokument Kapitel 5 : Spannungszustand (Seite 68-102)

§ 5.2.1 Matrixnotation und Voigtsche Notation

ΔA P

n

ΔF t

DerSpannungsvektorauf dem Punkt P wird als

t= lim

∆A→0

∆F

∆A = dF dA

definiert, wobei∆Ader infinitesimale Flä-cheninhalt am Punkt P ist, und∆Fdie auf der Fläche∆Awirkende innere Kraft.

ΔA P

n

ΔF

s t σ

τ

Der Spannungsvektortwird in eine Nor-malspannungσnormal zur Schnittfläche und eine Schubspannung τ tangential zur Schnittfläche zerlegt:

t=σn+τs,

wobeisein in der Fläche liegender Ein-heitsvektor ist. Es folgt

σ=t·n Aus|t|=√

σ22erhält man

τ = q

|t|2−σ2

x1 x2

x3

t(1)

x1 x2

x3

t(2) P

P

Der Spannungsvektor für den selben Punkt P ändert sich mit dem Schnittwinkel, also der Normalenn.

t(1)bwz.t(2)stellt den Spannungsvektor am Punkt P in der Schnittflächex2-x3(Normale e1) bwz. in der Schnittflächex1-x3(Normale e2) dar. Diese müssen nicht gleich sein.

x1

Analog dazu: Wenn man den Spannungsvektor am Punkt P im Schnitt in derx1-x2Ebene (mit der Normalene3) alst(3)darstellt, kann man diesen auch analog in die Basisrichtungen zerlegen und erhält:

t(3)31e132e233e33jej

In Indexnotation kann man schreiben:t(i)ijej

Zur Kennzeichnung der Komponenten werden Doppelindizes verwendet: Der erste Index gibt je-weils die Richtung der Flächennormalen an, wäh-rend der zweite Index die Richtung der Span-nungskomponente charakterisiert.

Kommentare: Hier wird die Einsteinsche Summenkonvention angenommen:

wenn in einem Term der gleiche Index doppelt auftritt (so genannte stumme Indizes), ist zu summieren. Der Index durchläuft dabei der Reihe nach die Werte 1, 2, 3 bei 3D-Problemen, und bei 2D-Problemem die Werte 1, 2:

aibi=P3

i=1

aibi=a1b1+a2b2+a3b3 (3D)

aibi=P2

i=1

aibi=a1b1+a2b2 (2D) aijbj=ai1b1+ai2b2+ai3b3 t(i)ijeji1e1i2e2i3e3

Wir stellen die drei Schnitte und die darauf wirkenden Spannungsvektoren (in Kompo-nenten) zusammen.

Als Alternative können die Komponenten auch in einer Matrix einsortiert werden.

ij] =

Anmerkungen

(1) Der Spannungswürfel bzw. die Matrix stellt die Spannungskomponenten eines Punktes auf drei Koordinatenebenen des KOS dar. Dieser Würfel, bzw. diese Matrix entspricht immer einem bestimmten Ortspunkt und einem bestimmten KOS. (Die Größe des Würfels spielt hier – im Unterschied zu einem infinitesimalen Volumen – keine Rolle.)

(2) Die drei anderen Ebenen des Würfels entsprechen den Schnittfläche mit Normaleinheitsvektoren -e1, -e2, bzw. -e3. Man kann auch hier die

entsprechenden Spannungskomponenten anzeichnen.

x1

Die Indexkonvention bleibt wie vorhin und es bleibt wieder nur die

Vorzeichenkonvention zu erklären. Die Vorzeichenkonvention wird wieder analog zu den Schnittgrößen vorgenommen: positive Spannungen zeigen an einem positiven (negativen) Schnittufer in die positive (negative)

Koordinatenrichtung.

(3) Alternative Schreibweise der Spannungskomponenten:

a) Anstelle vonx1,x2,x3benutzt man oftx,y,z. Dann haben wir z.B.σ11

xx12xy13xz.

b) Die Normalspannungenσxxyyzzwerden oft kurz mitσxyz

bezeichnet. (Aber nicht mitσ123, da diese für Hauptspannungen verwendet werden!)

c) Schubspannungen werden durch ungleiche Indizes bezeichnet:σ12, σ2331. Sie werden auch oft mitτgeschrieben:σ12122323, σ31312112

(4) Senkrecht aufeinander stehende Schubspannungen in zwei senkrecht aufeinander stehenden Schnitten sind, als Folge aus den

Momentengleichgewichtsbedingungen gleich. Sie werden alseinander zugeordnete Schubspannungenbezeichnet.

σ2112, σ2332, σ3113 oder

σijji

Deshalb ist die Spannungsmatrix symmetrisch:

ij] =

σ11 σ12 σ13 σ22 σ23

sym σ33

xi−KOS

(5) Voigtsche Notation der Spannungsmatrix

Kommentare: Wenn das KOS klar definiert ist, kann das tiefgestellte

xi−KOSbei Spannungsmatrix und Voigtscher Notation vernachlässt werden.

§ 5.2.2 Spannungsvektor auf Schnittflächen

Es wird jetzt gezeigt, dass aus den Komponentenσijin einemxiKOS der

Spannungsvektor auf einer beliebigen Schnittfläche mit der Normalennam Punkt P berechnet werden kann. Dazu brauchen wir nur die Kraft-GGB eines infinitesimalen Tetraeders in der Umgebung des Punktes P aufstellen.

x1

Hinweis:WenndAdie Fläche des Schnittes mit Normalendarstellt, lassen sich die Fläche der drei anderen Flächen des Tetraeders wie folgt ausdrücken

dAi=nidA

dA1=n1dA,dA2=n2dA,dA3=n3dA Auf diesen drei Flächen wirken jeweils die Span-nungskomponent. Der Tetraeder befindet sich im Gleichgewicht unter den resultierenden Kräf-ten dieser SpannungskomponenKräf-ten und des Spannungsvektorst.

Aus dem Kraftgleichgewicht des Tetraeders ergibt sich PFixi =tidA−σ1idA1−σ2idA2−σ3idA3

=tidA−(σ1in12in23in3)dA

= (ti−σjinj)dA=! 0

tijinj oder t=n·σ=σT·n Aus der Symmetrie der Spannungenσijjifolgt

tiijnj oder t=σ·n

Hinweis:tiist die Komponente des Spannungsvektors inxi-Richtung. Die obige Formel fürtiheißt dieCauchysche Formel.

Beispiel 5.6

Der Spannungszustand in einem Punkt eines Körpers sei durch

ij] =

36 −27 0

−27 −36 0

0 0 18

MPa

in einemxi-KOS gegeben. Für einen Schritt mit dem Normalenvektor n= 13[2,−2,1]Tsollen der Spannungsvektor sowie seine normale bzw.

tangentiale Komponente bestimmt werden.

Lösung zu Beispiel 5.6

Austiijnjerhält man für die Komponenten des Spannungsvektors t111n112n213n3=36×23+ (−27)×32+0=42 MPa t221n122n223n3=6 MPa

t331n132n233n3=6 MPa

Die Normalspannungσerrechnet sich aus dem Skalarprodukt vontundn:

σ=t·n=tini=42·2 3+6·

−2 3

+6· 1

3 =26 MPa Für den Betrag der Schubspannung folgt damit

τ = q

|t|2−σ2=34,1 MPa

§ 5.2.3 Transformation

Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Spannungskomponenten in einemxi-KOS und denen in einemx0i-KOS? Die Rotationsmatrix vomxi-KOS in dasx0i-KOS ist alsaijgekennzeichnet.

e3

Transformationsbeziehung

wobeiaik= cos(x0i,xk)die Komponenten des Rotationsmatrixes darstellt.

Im Matrixformat ist das

Zum Beispiel haben wir

σ120 =a1ka2lσkl

=a11(a21σ11+a22σ12+a23σ13) +a12(a21σ21+a22σ22+a23σ23) +a13(a21σ31+a22σ32+a23σ33)

Dieser Transformationsbezug deutet daran, dass die Spannung in einem Punkt ein Tensor 2. Stufe ist. Es sei angemerkt dassσ0ijauch symmetrisch ist,σ0ijji0.

§ 5.2.4 Hauptspannungen, Invarianten und Mohr-scher Kreis

Hauptspannungen

Entlang der Hauptrichtungnverschwinden die Schubspannungen und es wirken nur Normalspannungen (Hauptspannungen):

t=σn oder ti=σni

Aus der Cauchyschen Formeltiijnjergeben sich auf den Hauptrichtungen σijnj =σni oder σijnj−σni=0

Mitniijnjijist das Kronecker Delta:δij=1 nur füri=j, ansonsten δij=0),

ij−σδij)nj=0

bzw. 

11−σ)n112n213n3=0 σ21n1+ (σ22−σ)n223n3=0 σ31n132n2+ (σ33−σ)n3=0

Dieses Gleichungssystem hat nur nichttriviale Lösungen (ni6=0) wenn

Das entspricht dem charakteristischen Polynom

σ3I1σ2I2σ−I3=0, wobei (5.6)

Die Lösung von (5.6) undI1,I2,I3sind unabhängig von der Wahl des KOS und werden alsInvariantenbezeichnet. Die drei reellen Lösungen von (5.6) liefern die drei Hauptnormalspannungenσ12undσ31≥σ2≥σ31undσ3 heißen maximale bzw. minimale Haupspannung, undσ2wird als Stationärwert bezeichnet)

Die Hauptrichtungennsind die Eigenvektoren bezüglichσ12bzw.σ3. Die Invarianten können durchσ123ausgedrückt werden:

I1ii123

I2= 21ijσij−σiiσjj) =−(σ1σ22σ33σ1) I3=detσij1σ2σ3

Hauptschubspannungen τ1= 1

2|σ2−σ3|, τ2= 1

2|σ3−σ1|, τ3= 1

2|σ1−σ2|

Die zugehörigen Schnittrichtungen stehen jeweils auf einer Hauptachse und bilden mit den beiden anderen einen 45Winkel.

τmax= 1

2|σ3−σ1| (weil σ1≥σ2≥σ3)

Die Normalspannungen auf dem Schnitt mitτ1ist 2123), mitτ2ist

2113), mitτ3ist2112)

Mohrscher Spannungskreis

σ1 σ σ2

σ3

σ3

σ2

σ1

τ1 τ2

τ3 In 3D ergeben sich drei Kreise;

zum Beispiel ist der Kreis zwi-schen σ3 und σ2 der Mohrsche Kreis für die(2,3)-Ebene entlang der Hauptspannungsachsen.

(σ, τ)in einem beliebigen Schnitt kann nur im dunkel gekennzeich-neten Gebiet liegen.

Man berechne zuerstσ1, σ2, σ3mit σijaus Gl. (5.6) aus. Dann werden die drei Mohrschen Kreise gezeich-net.

Beispiel 5.7 (TM4 Seite 82, Beispiel 2.2)

Der Spannungszustand in einem Punkt sei imxi-KOS gegeben durch

ij] =

Man bestimme die Hauptspannungen, die maximale Schubspannung, die Hauptrichtungen und zeichne die Mohrschen Kreise.

Lösung:

Haupspannungen:σ1=6×102MPa,σ2=3×102MPa,σ3=−2×102MPa.

Die Hauprichtungen lauten:

nσ1 = 1

Aufspalten der Spannungenσij nenntσmδijdenhydrostatischen Spannungszustandundsijden

Spannungsdeviatorist. Dann ist

sijij−σmδij

Der Spannungsdeviatorsijist auch wieσijein symmetrischer Tensor 2. Stufe und hat alle Eigenschaften vonσij. So kann man zum Beispiel seine

Invarianten nach Gl. (5.7) berechnen:

J1=sii= (σ11−σm) + (σ22−σm) + (σ33−σm) =0 J2=21sijsij

= 16

11−σ22)2+ (σ22−σ33)2+ (σ33−σ11)2

212223312

= 16

1−σ2)2+ (σ2−σ3)2+ (σ3−σ1)2

Die GrößeJ2spielt eine besondere Rolle bei der Formulierung von Stoffgesetzen in der Plastizitätstheorie.

Beispiel 5.8 (TM4 Seite 86, Beispiel 2.4)

Der Spannungszustand in einem Punkt sei imxi-KOS gegeben durch

ij] =

1 1 3 1 5 1 3 1 1

Man bestimme den Spannungsdeviator und dessen 2. InvarianteJ2.

§ 5.2.5 Gleichgewicht der Spannungen

Wie beim ebenen Spannungszustand könnte man das Gleichgewicht aus einem infinitesimalen Element ableiten. Hier nehmen wir aber eine andere Methode. Die Formulierung der GGB für ein beliebiges TeilvolumenVmit OberflächeAergibt

n

Kräftegleichgewichte im VolumenV:

Z wobei die Cauchy’sche Formeltijinjverwendet wurde. Mit dem Gaußschen Satz führt das auf

Z

V

ji,j+fi)dV=0

Diese Beziehung kann für eine beliebiges Volumen V nur dann erfüllt sein, wenn der Integrand ver-schwindet:

σji,j+fi=0

σji,j+fi=0

∂σ11

∂x1 +∂σ21

∂x2 +∂σ31

∂x3 +f1=0

∂σ12

x1 +∂σ22

∂x2 +∂σ32

∂x3 +f2=0

∂σ13 δx1 +∂σ23

∂x2 +∂σ33

∂x3 +f3=0

An den Stellen, an denen die äußere Belastung durch eine gegebene Flächenlastti vorgeschrieben ist, muss die Randbedingungti=ti erfüllt sein. Mit der

Cauchyschen Formel erhält man daraus σjinj=ti bzw.

σ11n121n231n3=t1 σ12n122n232n3=t2 σ13n123n233n3=t3

§ 5.3 Festigkeitshypothesen

Zulässige Spannungenσzul: Ein Grenzwert der charakteristischen Spannungen um ein Versagen der Tragfähigkeit auszuschließen.

σV≤σzul

Die Definition der charakteristischen Spannungen, auch als

VergleichsspannungenσVbezeichnet, hängt vom Material ab. Dafür gibt es verschiedene Festigkeitshypothesen (Versagensregeln).

(1) Normalspannungshypothese

σV1≤σzul

wobeiσ1die größte Normalspannung, also die erste Hauptspannung ist.

Für einen ebenen Spannungszustand haben wir die Gl. (5.4) zur Bestimmung vonσ1ausσxyundτxy. Daraus folgt:

σxy

2 +

s

σx−σy 2

2

xy2 ≤σzul

(2) Schubspannungshypothese (Tresca)

σV=2τmax≤σzul,

wobeiτmaxdie größte Schubspannung, also die Hauptschubspannung ist.

Für einen 3D Spannungszustand haben wirτmax=211−σ3|; somit gilt

1−σ3| ≤σzul. Für einen ebenen Spannungszustand gilt τmax=211−σ2|= 21q

x−σy)2+4τxy2. Damit ergibt sich q

x−σy)2+4τxy2 ≤σzul.

(3) Gestaltänderungshypothese:

σV=p 3J2=

r3

2sijsij≤σzul, wobeisijder Spannugsdeviator ist.

Diese Hypothese kann auch äquivalent durch die Hauptspannungen dargestellt werden:

σV= r1

2[(σ1−σ2)2+ (σ2−σ3)2+ (σ1−σ3)2]≤σzul, oder durch die Spannungen in einem beliebigen KOS:

σV= q1

2[(σ11−σ22)2+ (σ22−σ33)2+ (σ33−σ11)2] +3(τ122232312)≤σzul

Für einen ebenen Spannungszustand liefert die Gestaltänderungshypothese

σV= q

σ2122−σ1σ2≤σzul, beziehungsweise

σV= q

σ2xy2−σxσy+3τxy2 ≤σzul.

Die Gestaltänderungshypothese und die Schubspannungshypothese werden meist für zähe Werkstoffe wie Stahl verwendet, während die

Normalspannungshypothese für spröde Werkstoffe geeignet ist.

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