• Keine Ergebnisse gefunden

Quartiersversorgung im 21. Jahrhundert

Im Dokument aus dem Nordosten Deutschlands (Seite 146-150)

Eine Energiewende ohne Wärmewende wird es nicht geben. Darum haben wir die erste kombinierte Power-to-Heat/Power-to-Cold-Anlage (PtH/PtC-Anlage) Deutschlands in ein bestehendes Versorgungssystem integriert, welche überschüssigen Strom aus Wind- und Sonnenkraft in Wärme und Kälte wandelt. Eine intelligente, CO

2

-neutrale, vollautomatische und wirtschaftliche Quartiersversorgung – das leistet die hochflexible EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus.

▲ Besuchbarer Ort der Energiewende – die deutschlandweit erste PtH/PtC-Anlage befindet sich in der EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus.

144 TAP 6.3c: PtH-Anwendungen (Power-to-Heat) für … Versorgung des EUREF-Areals mit kombinierter PtH/PtC

HERAUSFORDERUNG UND LÖSUNGSANSÄTZE // Wirtschaftliche Quartiersversorgung bei CO2-Neutralität In den vergangenen Jahren ist der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor rasant vor-angeschritten. Doch Experten sind sich einig – eine Energiewende ohne Wärmewende wird es nicht geben. Der thermische Energiebedarf im Gebäudesektor spielt eine entscheidende Rolle für Ausbau und Nutzung von erneuerbarem Wind- und Solarstrom. Das Stichwort lautet Sektorkopplung – Strom kann in thermische Energie gewandelt werden, welche dann in Speichern, Netzen und im Prinzip auch dezentral in Gebäuden gespeichert werden kann. Auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg, einem Büroquartier mit vielen namhaften Firmen und aufstrebenden Start-ups, wird genau dieses Feld in WindNODE erprobt, denn dort kreuzt sich das Stromnetz mit unserem Nahwärme- und Nahkältenetz für das Quartier. Durch ein effizientes Zusammenspiel verschiede-ner Everschiede-nergiewandler und prognosebasierter Fahrweisen kann die Everschiede-nergieversorgung sogar heute schon klimaneutral und zu Preisen konventioneller Energiekonzepte erfolgen, wie wir in diesem Forschungsprojekt in der EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus zeigen konnten.

Für die Wärmeerzeugung stehen ein großes Biomethan-Blockheizkraftwerk (BHKW), zwei weitere Blockheizkraftwerke, zwei Niedertemperaturgaskessel für die Spitzenlast und ein Elektrokessel bereit. Durch die Vielzahl der Energiewandler haben wir die Möglichkeit, bei der Wärmeerzeugung verschiedene Anlagenzustände zwischen Stromerzeugung und -verbrauch anzuwählen. Für das Biomethan-BHKW in der Energiewerkstatt wird Biomethan der GASAG Bio-Erdgas Schwedt bilan-ziell aus dem Gasnetz entnommen. Die dadurch ermöglichte fixe EEG-Vergütung ist ein wichtiger Baustein für die wirtschaftliche und klimaschonende Energieversorgung des EUREF-Campus. Die Kälteversorgung erfolgt durch zwei mit Ökostrom betriebene Kältekompressionsmaschinen mit der Möglichkeit der Freikühlung, also der Einbindung kalter Außenluft für effizientere Kältebereit-stellung. Das Besondere der Anlage ist das deutschlandweit erste PtH-/PtC-Speichersystem aus zwei Speichern mit einer Fassung von 22 m³, die hydraulisch so konzipiert sind, dass für jeden Speicher einzeln festgelegt werden kann, ob er mit Wärme oder mit Kälte beladen werden soll.

Diese Flexibilität und die Menge an Energiewandlern gibt uns die Möglichkeit, alle 15 Minuten immer wieder neu auf Basis von Markt- und Wetterprognosen die optimale Einsatzreihenfolge der Energiewandler festzulegen. Die Strommengen für den Betrieb der Kältekompressionsmaschinen können im Voraus am Day-Ahead-Markt beschafft werden, am Intraday-Markt besteht dann noch weiteres Optimierungspotenzial. Zusammen mit der Leibniz-Universität Hannover wurde hier auch erprobt, inwiefern man im Voraus bekannte Unsicherheiten in Prognosen in die Bewirtschaftung der Speicher einfließen lassen kann.

▲ Besuchbarer Ort der Energiewende – die deutschlandweit erste PtH/PtC-Anlage befindet sich in der EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus.

▶ Über 1.700 Gäste haben sich bereits in 2019 die eingesetzten Technologien an den acht Stationen der Energiezentrale multimedial erläutern lassen.

ist die Höhe der zertifizierten, bilanziellen CO2-Emission der EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus.

0 g

verschiedene Machine- Learning-Techniken kommen bei der Prognosebildung zum Einsatz.

5

PROJEKTERGEBNISSE // Die Schlüssel des Projekts

Unter allen bewältigten Herausforderungen dieses WindNODE-Teilarbeitspakets treten zwei Besonderheiten hervor. Zum einen ging es darum, eine Anlage zu konzipieren und zu bauen, die das Büroquartier EUREF-Campus CO2-neutral und zu Preisen konventioneller Energiekonzepte mit Energie versorgen kann, und zum anderen darum, eine intelligente Steuerung der Aggregate mit Handelsanbindung zu konzipieren, Vollautomatisierung zu etablieren und Versorgungssicherheit im Betrieb zu garantieren. Aufgrund der großen Anzahl an Energiewandlern bestehen viele Priori-sierungsmöglichkeiten, die weiteres wirtschaftliches und klimabezogenes Optimierungspotenzial bieten. Es hat sich im Laufe der Projektzeit entgegen ursprünglichen Annahmen herausgestellt, dass es aus Optimierungssicht die meiste Zeit des Jahres von Vorteil ist, beide Speicher mit den Kältekompressionsanlagen mit Kälte zu beladen, da es aufgrund eines Rechenzentrums auf dem EUREF-Campus fast einen ständigen Kältebedarf über das Jahr gibt. Vom Regelenergiemarkt hatten wir uns – wie auch andere WindNODE-Partner mit PtH-Anlagen – bei Antragstellung vor ein paar Jahren mehr versprochen und fokussieren uns nun auf den Intraday-Markt.

Ein Schlüssel für das Projekt war die Beherrschung von Automatisierungstechnik über die gesamte Prozesskette – von der Datenentstehung am Sensor bis zur Automatisierung der Prognosebildung und Fahrplanoptimierung. Die übergeordnete intelligente Steuerung der Energieanlage mit allen Schnittstellenabstimmungen wurde innerhalb eines weiteren Forschungsprojekts (Förderkenn-zeichen 1137-B5-O) von der Geo-En Energy Technologies GmbH entwickelt, welche auch ein Unternehmen der GASAG-Gruppe ist. Innerhalb der IT-Lösung Geo-En | EnergyNode wird mit einem selbstlernenden Verfahren ein digitaler Fingerabdruck aller Verbraucher basierend auf historischen Mess- und Wetterdaten gebildet, welcher dann mithilfe aktueller Wetterprognosen eine Bedarfs-prognose ermöglicht. Zur Deckung der Bedarfe wird schließlich unter Berücksichtigung aktueller Marktdaten mit einem stochastischen Optimierungsalgorithmus ein möglichst idealer Fahrplan errechnet und auf die Steuerung übertragen.

Stromnetz

bilanziell: 0 g CO2

EUREF-Campus

▼ Prinzipskizze der EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus – alle wesentlichen Komponenten und ihre Vernetzung über Wärme-, Kälte-, Elektrizitäts- und Datenströme.

„ Die dezentrale Energie-wende wird durch Sektorkopplung und Digitalisierung erst ermöglicht. Intelligente prognosebasiert ge-steuerte Energieanlagen wie dieser Leuchtturm und besuchbare Ort der Energiewende, die Flexi-bilitätspotenziale heben und zur Dekarbonisierung beitragen, werden die Zukunft der Energiewirt-schaft mitprägen.“

Gunnar Wilhelm Geschäftsführer, GASAG Solution Plus GmbH

146 TAP 6.3c: PtH-Anwendungen (Power-to-Heat) für … Versorgung des EUREF-Areals mit kombinierter PtH/PtC

FAZIT UND AUSBLICK // Übertragung der Erkenntnisse

Die Idee hinter solchen Forschungsprojekten ist natürlich auch immer die Erprobung von Produk-ten für die Energieversorgung der Zukunft. Die EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus wird nach Ablauf der Projektlaufzeit weiter ein besuchbarer Ort der Energiewende bleiben und den EUREF-Campus CO2-neutral versorgen. Am spannendsten waren dabei die tiefgehenden Einsich-ten in die Verwendung von Machine Learning und die wirtschaftliche Fahrweise von thermischen Wandlern im Bereich Sektorkopplung unter volatilen Marktbedingungen. Die Übertragung der gesammelten Erkenntnisse auf andere Projekte und Anwendungsfelder hat bereits begonnen.

Wir gehen davon aus, dass die Strommarktpreise und auch die Preisvolatilität aufgrund von mehr erneuerbaren Energien im Energienetz weiter steigen werden, was zur weiteren Erhöhung der Wirtschaftlichkeit von flexiblen Anlagen dieser Art führen wird. Eine Senkung der hohen Letzt-verbraucherabgaben, die beim Strombezug zu entrichten sind, würde der Wirtschaftlichkeit von Projekten wie der EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus und damit auch indirekt einer CO2-Minderung weiteren notwendigen Vorschub geben.

WAS HEMMT DIE ENERGIEWENDE?

Für die flächendeckende Einbindung von mehr erneuerbaren Energien und Flexibilität fehlen noch weitere ökonomische Anreize. Grundvoraussetzung für die Steigerung nachfrageseitiger Flexibilität durch Verbraucher im Energiesystem ist die Orientierung an Strommarktpreisen.

Die notwendigen Preissignale im Strommarkt kommen bei den einfachen, nicht energieintensiven Verbrauchern allerdings bisher nicht an. Des Weiteren sind sie durch staatlich veranlasste, starre und regulierte Strompreisbestandteile überlagert, welche ungefähr drei Viertel des Gesamtstrom-preises ausmachen. Eine Senkung und gegebenenfalls Flexibilisierung dieser Bestandteile könnten der flexiblen Nutzung von mehr erneuerbaren Energien Vorschub geben.

▲ Mit der Versorgung des 5,5 Hektar großen EUREF-Campus werden bereits jetzt die Klimaschutzziele der Bundesregierung für 2050 erreicht.

„ Ein Schlüssel für das Projekt war die Beherr-schung von Automatisierungstechnik über die gesamte Prozesskette – von der Datenentste-hung am Sensor und dem Steuersignal bis hin zur automatisierten Kombination verschiedener Machine-Learning-Techniken für die Vorhersage von Wärme- und Kältelasten und darauffolgende Fahrplanoptimierung.“

Dr. Michael Rath Projektleiter WindNODE, GASAG Solution Plus GmbH

▶ Titel des Teilarbeitspakets PtH-Anwendungen (Power-to-Heat) für … Versorgung des EUREF-Areals mit kombinierter PtH/PtC

▶ Förderkennzeichen 03SIN515

▶ Kontakt

GASAG Solution Plus GmbH T +49 30 78727872 solution@gasag.de

▶ Besuchbare Orte EUREF-Energiewerkstatt by GASAG Solution Plus EUREF-Campus 1–25 10829 Berlin Nach Anmeldung

BESUCHERANFRAGEN AN T +49 30 78727872 solution@gasag.de

Weitere Infos unter www.energiewende-erleben.de www.gasag-solution.de TAP

6.3c

HANDLUNGSFELD Flexibilitäten identifizieren Flexibilitäten aktivieren

Nutzen statt Abregeln –

Im Dokument aus dem Nordosten Deutschlands (Seite 146-150)