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Die Psychoakustik widmet sich der Aufgabe, den Zusammenhang zwischen dem physikalisch messbaren Schall und der subjektiven Wahrnehmung des Menschen zu beschreiben. Eine rein physikalische Beschreibung des Schalls gilt als unzurei-chend, insbesondere in Bezug auf die Geräuschqualität und die damit verbundene Wahrnehmung der Wertigkeit eines Produktes. [6, 47, 53, 112, 114–116]

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2.6.1 Etablierte psychoakustische Metriken

Einige psychoakustische Metriken, wie zum Beispiel dieLautheit, dieSchärfe und dieRauigkeit, haben sich etabliert, um bestimmte Attribute des Geräusches anhand von Schalldrucksignalen objektiv zu berechnen. Die Metriken sind größ-tenteils anhand von Hörversuchen abgeleitet. Es besteht der Konsens, dass diese Metriken im Allgemeinen eine gute Übereinstimmung mit subjektiven Bewer-tungen aufweisen. Klassischerweise werden die psychoakustischen Metriken auf Luftschallsignale angewendet. MORIT Zet al. [47, 112, 113] und BRECHERet al. [117]

zeigen, dass sie unter Umständen auch auf Körperschallsignale anwendbar sind, um den Aufwand der experimentellen Ermittlung der Signale zu minimieren.

Lautheit

Die Lautheit beschreibt die subjektiv wahrgenommene Lautstärke eines Ge-räusches und ist abhängig von dessen Schalldruck, Frequenz, zeitlichem Verlauf und Bandbreite. Wird die Bandbreite eines Geräusches erhöht, so ändert sich die wahrgenommene Lautheit erst dann, wenn eine bestimmte Bandbreite (kritische Bandbreite) überschritten ist. Weiterhin berücksichtigt die Lautheit Maskierungs-effekte. Sie wird in der Einheit Sone angegeben, wobei der Wert von 1 sone als die Lautheit eines Sinustons bei der Frequenz von 1 kHz und einem Schalldruck von 40 dB definiert ist. Die Lautheit ist in DIN 45631 [118] und DIN 45631/A1 [119] genormt. Geräusche mit hoher Lautheit werden allgemein als unangenehm empfunden, sofern es sich um unerwünschte Geräusche handelt. [6, 29, 114–116, 120, 121]

Schärfe

Die Schärfe beschreibt eine Empfindung, die bei Geräuschen mit ausgeprägten hochfrequenten Anteilen – besonders stark oberhalb von etwa 4 kHz – auftritt.

Je stärker diese Anteile im Verhältnis zu niederfrequenteren Anteilen auftreten, desto stärker ist die Schärfewahrnehmung. Die Einheit der Schärfe ist Acum (lat.

scharf), wobei als Referenzschall für 1 acum ein Schmalbandrauschen um 1 kHz (920 Hz–1080 Hz) mit einem Schalldruckpegel von 60 dB dient. Es existieren drei etablierte Ansätze zur Berechnung der Schärfe. Der Ansatz nachVONBISMARCK und der Ansatz nach DIN 45692 bewerten die Schärfe eines Geräusches unabhän-gig von der Lautheit und liefern aufgrund der sehr ähnlichen Berechnungsweise in der Praxis auch nahezu gleiche Berechnungsergebnisse. Der Ansatz nach AU

-RESunterscheidet sich von den beiden anderen Ansätzen dadurch, dass er die Zunahme der Schärfe bei zunehmender Lautheit des Geräusches berücksichtigt.

In Hörversuchen konnte dieser Effekt zwar bestätigt werden, wird jedoch als ver-nachlässigbar gering beschrieben. Geräusche mit hoher Schärfe gelten allgemein als unangenehm. [6, 29, 114–116, 121, 122]

Rauigkeit

Die Rauigkeit beschreibt den Geräuscheindruck, der entsteht, wenn die Frequen-zen zweier Töne so dicht beieinander liegen, dass eine Amplitudenmodulation ent-steht. Der Rauigkeitseindruck beginnt bei Modulationsfrequenzen oberhalb von etwa 20 Hz, endet, wenn die beiden Töne unabhängig voneinander wahrnehm-bar sind und hat seinen Schwerpunkt bei der Modulationsfrequenz von 70 Hz. Er hängt hauptsächlich von der Trägerfrequenz, der Modulationsfrequenz und dem Modulationsgrad ab, weniger jedoch von der Lautheit. Die Rauigkeit wird in der Einheit Asper (lat. rau) angegeben, wobei 1 asper mit dem Referenzschall eines mit 70 Hz amplitudenmodulierten 1 kHz-Tons mit dem Modulationsgrad von 1 bei einem Schalldruck von 60 dB definiert ist. Geräusche mit hoher Rauigkeit können – je nach persönlicher Erwartungshaltung – als angenehm oder unangenehm empfunden werden. [6, 29, 114–116, 121]

Schwankungsstärke

Ähnlich wie die Rauigkeit beschreibt die Schwankungsstärke einen Geräuschein-druck, der durch Modulationen entsteht – jedoch bei Modulationsfrequenzen unterhalb von 20 Hz. Bei diesen Modulationsfrequenzen kann das menschliche Gehör die Lautstärkeschwankungen wahrnehmen, was zu dem schwankenden Ge-räuscheindruck führt. Der stärkste GeGe-räuscheindruck der Schwankungsstärke wird bei einer Modulationsfrequenz von 4 Hz bei einem Modulationsgrad von 1 erreicht.

Die Schwankungsstärke wird in der Einheit Vacil (vacillare von lat. schwanken) angegeben, wobei der Referenzschall für 1 vacil definiert ist als ein 1 kHz-Ton, der mit einer Modulationsfrequenz von 4 Hz und einem Modulationsgrad von 1 am-plitudenmoduliert ist und einen Schalldruckpegel von 60 dB aufweist. Geräusche mit hoher Schwankungsstärke werden allgemein als unangenehm empfunden. [6, 29, 114–116, 121]

Tonhaltigkeit

Die Tonhaltigkeit (auchTonalitätoderKlanghaftigkeit) bewertet, wie stark einzel-ne Töeinzel-ne aus eieinzel-nem Geräusch hervortreten. DIN 45645-2 [123] nutzt zur Bewertung tonhaltiger Geräusche am Arbeitsplatz einen Tonzuschlag von bis zu 6 dB, welcher durch einen Sachverständigen je nach Informationsgehalt und Dominanz der tonhaltigen Geräuschanteile vergeben wird [124]. DIN 45681 [125] berechnet die Tonhaltigkeit, indem sie die Pegeldifferenz zwischen einem hervortretenden Ton und dem Hintergrundgeräusch im Frequenzspektrum (prominence ratio) ermittelt.

Entsprechend dieser Differenz wird ebenfalls ein Tonzuschlag von bis zu 6 dB auf den gemessenen Summenschalldruckpegel addiert, um der besonders störenden Wirkung von Geräuschen mit stark tonhaltigen Anteilen Rechnung zu tragen.

Beim Ansatz nach AURESwird ebenfalls die Pegeldifferenz zwischen einem Ton und dem Hintergrundgeräusch als Maß zur Bewertung der Tonhaltigkeit genutzt,

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jedoch um Verdeckungsphänomene, die Bandbreite und in Abhängigkeit von der Frequenz korrigiert. Die Tonhaltigkeit wird in tu (tonality unit) angegeben, wo-bei ein 1 kHz-Ton wo-bei 60 dB als Referenzschall zur Erzeugung einer Tonhaltigkeit von 1 tu dient. Geräusche mit hoher Tonhaltigkeit gelten als äußerst unange-nehm und weisen eine außerordentliche Störwirkung auf, selbst bei geringen Schalldruckpegeln. [6, 29, 45, 114, 121, 125–128]

Tonheit

Die Tonheit (auchVerhältnistonhöhe) entspricht der wahrgenommenen Tonhöhe eines Geräusches. Nicht nur bei Tönen, sondern auch bei rauschartigen Geräuschen können Tonhöhen wahrgenommen werden. Die Tonheit wird in der Einheit Bark angegeben und steigt nicht linear mit der physikalischen Frequenz eines Tons an.

ZWICKERet al. [129] geben den Zusammenhang in einer Gleichung an: [114, 116, 126, 130]

Z=13 arctan(0,76f) +3,5 arctan

 f 7,5

‹2

. (2.27)

Z in bark Tonheit f in Hz Frequenz

Geräusche werden mit zunehmender Tonheit, also mit zunehmender wahrgenom-mener Tonhöhe, allgemein als unangenehmer empfunden [15, 116, 131].

2.6.2 Psychoakustische Lästigkeit

Die Lästigkeit beschreibt, wie sehr ein Geräusch subjektiv als lästig wahrgenom-men wird. Diese Wahrnehmung kann interindividuell sehr unterschiedlich ausfallen und wird zusätzlich zu den akustischen Eigenschaften des Geräusches auch in großem Maße von der persönlichen Einstellung gegenüber dem Geräusch, der Tageszeit und der aktuellen emotionalen Lage beeinflusst. Aus akustischer Sicht ist es außerordentlich reizvoll, die Lästigkeit eines Geräusches aus einem gegebenen Schalldrucksignal errechnen zu können. Dementsprechend gibt es viele Ansätze, eine solche Berechnungsgleichung aufzustellen – meistens aufgebaut aus einer Kombination der etablierten psychoakustischen Metriken, basierend auf den Er-gebnissen von Hörversuchen, durchgeführt mit einer bestimmten Geräuschart.

Aufgrund der Vielzahl an verfügbaren Lästigkeitsmetriken wird im Folgenden nur eine Auswahl derer vorgestellt. [10, 15, 29, 45, 113, 114, 121, 127, 132]

Psychoacoustic annoyance nach FASTLund ZWICKER

Die bekannteste Lästigkeitsmetrik stammt von FASTLund ZWICKER[115]. Die psy-choacoustic annoyancebasiert auf den Ergebnissen von Hörversuchen und wurde ursprünglich zur Bewertung der Lästigkeit von Verbrennungsmotoren entwickelt.

Sie wird von der Lautheit dominiert, wobei auch hohe Werte der Schärfe, der Schwankungsstärke und der Rauigkeit zu einer hohen psychoacoustic annoyance führen. Die Tonhaltigkeit bleibt jedoch unberücksichtigt. [114–116] DIet al. [133]

erweitern den Ansatz von FASTLund ZWICKER[115] um einen Tonhaltigkeitsanteil, um dessen lästigkeitssteigernde Wirkung zu berücksichtigen.

AVL engine annoyance index

Der AVL engine annoyance index wurde zur Bewertung der Lästigkeit des Ge-räusches von Verbrennungsmotoren entwickelt. Die genaue Gleichung zur Be-rechnung desAVL engine annoyance indexist in der Literatur nicht veröffentlicht, jedoch setzt sie sich zusammen aus der Lautheit, der Schärfe, der Impulshaf-tigkeit (das Auftreten kurzzeitiger, hervorstechender Geräuschanteile) und der Periodizität (ähnlich der Tonheit). [45, 53, 134–136]

Lästigkeit von Zahnradgetrieben nach SCHLITTENLACHER

SCHLIT TENLACHERet al. [10, 113, 132] haben auf Basis von Hörversuchen eine Metrik zur Bewertung der Lästigkeit des Geräusches von Zahnradgetrieben entwickelt.

Sie stellen im Rahmen von Hörversuchen eine Korrelation zwischen der Lästigkeit und den Attributen laut, scharf, heulend und tonal fest. In die Berechnungsglei-chung der Lästigkeit von Zahnradgetrieben nach SCHLIT TENLACHERet al. gehen lediglich die Lautheit und die Schärfe ein. [10, 113, 132]

Zusammenfassung der Parameter mit Einfluss auf die Lästigkeit

Aus der Literatur ergibt sich somit ein Gesamtbild, wonach ein hoher Wert für die Lästigkeit eines Geräusches in der Regel durch hohe Werte der folgenden psychoakustischen Metriken entsteht:

Lautheit Tonhaltigkeit Schärfe

Schwankungsstärke Tonheit

(Rauigkeit, je nach Literaturquelle)