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IV. Diskussion

IV.4. Konstruktion von biotinüberproduzierenden Bakterien

IV.4.1. Produktionsstämme und Produktionsraten

Bisher wurden zwei verschiedene Strategien verfolgt, um die Biotinproduktion von Bakterien zu optimieren. Eine von diesen basierte auf der Kultivierung bakterieller Stämme, die gegen verschiedene Biotin- oder Threonin-Analoga (Ohsawa et al., 1989; Kanzaki et al., 1997) wie z.B. Acidomycin (ACM), 5-(2-Thienyl)-Valeriansäure (TVA), α-Methyl-Dethiobiotin (MeDTB) oder andere Mutagene, wie beispielsweise N-Methyl-N`-Nitro-N-nitrosoguanidin (NTG; Kanzaki et al., 1997) resistent waren. In Tabelle 18 sind bisher patentierte biotinüberproduzierende Stämme und bei deren Herstellung eingesetzte Mutagene aufgelistet. Die andere Methode, Bakterien mit erhöhten Biotinproduktionsraten zu konstruieren, ist, einzelne bio-Gene oder unveränderte bio-Operons zu klonieren und homolog oder heterolog zu exprimieren.

In dieser Arbeit wurde ein alternativer Weg gewählt um Produktionsstämme zu konstruieren. Es wurden hoch effektive Biotinbiosynthesegene aus Umwelt-Genbanken isoliert und charakterisiert (s. Kapitel III.2 und III.3). Dabei wurde gezeigt, dass eines der gefundenen bio-Operons (das auf dem pCosHE2) zu besonders hoher Produktion führte und somit als Grundlage für die Konstruktion von biotinüberproduzierenden Bakterien geeignet war. Als potenzielle Wirte für die Expression wurden hier sowohl E. coli-Stämme als auch andere Gram-negative und Gram-positive Bakterien in Betracht gezogen (Tab. 14). Als Stämme mit potenzieller industrieller Bedeutung haben sich folgende herausgestellt: E. coli ATCC 33767, komplementiert mit einem pBSSK+-Derivat, welches ein unverändertes bio-Operon aus pCosHE2 trug (pPESKbio, Abb. 17); E. coli BM 4062, dessen Biotin-Phänotyp von einem pBBR1MCS-2-bio-Konstrukt (pPEBBRbio, Abb. 17) aufgehoben wurde;

K. planticola, die nach der Transformation mit pPEBBRbio bis zu 200-fach höhere Produktion im Vergleich zu dem Wildtyp-Stamm (Abb. 23) zeigte. Aus den Abbildungen 11, 23 und Tabellen 6, 9, 11, 12 und 13 wird ersichtlich, dass das bio+Cosmid pCosHE2 und seine Derivate für eine Biotinüberproduktion geeignet zu sein scheinen. Nachdem die Gene umkloniert und überexprimiert worden waren, wurden Werte zwischen 0,2 und 3,5 mg/l Biotin im Überstand unter batch-Bedingungen ermittelt. In Fermenter unter fed-batch batch-Bedingungen wurden sogar bis zu 7,1 mg/l Biotin produziert. Diese Ergebnisse sind in Tabelle 19 mit den bereits bekannten Produktionsmengen von anderen Arbeiten vergleichend dargestellt. Es ist

daraus ersichtlich, dass die biotinüberproduzierenden Stämme, die in einige Arbeitsgruppen konstruiert wurden, bis zu 970 mg/l Biotin produzierten (Tab. 18 und 19). Jedoch nach einer genaueren Analyse wird es deutlich, dass nur die bio-Konstrukte von Shaw und Mitarbeitern (Shaw et al., 1999) und Sakurai et al. (1993b) (in Tabelle 18 in grau dargestellt) nach einem ähnlichen Konzept, nämlich die Klonierung eines nicht mutierten bio-Operons, entwickelt wurden. Bei den von Shaw entwickelten Konstrukten handelte es sich um ein E. coli bio-Operon, welches umstrukturiert und überexpemiert wurde. Das einzige vergleichbare bio-Konstrukt ist pBO3 (Birch et al., 1995; E. coli-wt unverändertes bio-Operon kloniert auf einem high copy Vektor), wobei aber nach der Expression in E. coli JM109 und Wachstum in Komplexmedium nur 0,03 mg/l gewonnen wurden. In der Arbeit von Sakurai wurde ein rekombinanter S. marcescens-Stamm ohne Anwendung von Mutagenen entwickelt. Dieser S. marcescens bio-Stamm produzierte 0,45 mg/l (in Tabelle 18 grau gekennzeichnet). Die Produktivitäten der in der hier vorliegenden Arbeit konstruierten Stämme zeigten, dass die rekombinanten E. coli ATCC 33767/pPESKbio und E. coli BM 4062/pPEBBRbio eine 2 bis 10-fach höhere Biotinkonzentration aufwiesen (2,3 mg/l bzw. 3,5 mg/l) als die E. coli-Stämme aus der Arbeit von Shaw et al. (0,03 mg/l bis 1,61 mg/l) und 4,9 bis 7,8-fach höher lagen als die Produktivität von S. marcescens (Tab. 18 und 19).

Hierbei muss bedacht werden, dass die Kultivierungsmedien nicht gleich waren. Die Wachstumsversuche und die Biotinproduktion wurden generell in Biotin-freiem Mineralmedium ohne Zugabe von Biotin durchgeführt, während die meisten Daten aus anderen Arbeitsgruppen bei Wachstum auf Komplexmedium gesammelt wurden (in Tabelle 18 mit * gekennzeichnet). In einigen Fällen versuchten die Autoren, die Produktionsraten mit Zugabe von Dethiobiotin oder anderen Vorläufern von Biotin zu erhöhen (Shaw et al., 1999; Ohsawa et al., 1989). Ein weiterer wesentlicher Unterschied muss hier erwähnt werden: die bio-Konstrukte in der vorliegenden Arbeit wurden in einen E. coli ∆bio-Mutante exprimiert, während andere Gruppen (Shaw et al., 1999; Ohsawa et al., 1989; Ifuku et al., 1993) biotinprototrophe E. coli Stämme verwendeten.

Tab. 18: Biotinproduktion durch verschiedene bisher patentierte Biotinüberproduktions-Stämme und deren Mutterstämme.

Bakterium Mutation des B. sphaericus wt B. sphaericus ACM+TVA 3,8-15# (Ohsawa et

al., 1989) E. coli derepremiert;

TVA+ACM - - 0,9-4,5* (Ifuku et al.,

Fortsetzung Tab. 18

S. marcescens wt - - <0,001 (Sakurai et

al., 1993a)

S. marcescens ACM - - 2,1-5,1 (Sakurai et

al., 1993a)

S. marcescens ACM; TVA - - 2,1-20 (Sakurai et

al., 1993a)

S. marcescens wt S. marcescens wt 0,45 (Sakurai et

al., 1993b)

S. marcescens wt S. marcescens ACM 0,89 (Sakurai et

al., 1993b) S. marcescens wt S. marcescens ACM; TVA 1,8 (Sakurai et al., 1993b)

S. marcescens ACM S. marcescens ACM 130 (Sakurai et

al., 1993b) S. marcescens ACM; TVA S. marcescens wt 92 (Sakurai et

al., 1993b) S. marcescens ACM; TVA S. marcescens ACM 200 (Sakurai et

al., 1993b) S. meliloti bioNMB

Mutante E. coli wt 0,001 (Streit and

Phillips, 1996)

*-Kultiviert in reichem Medium ; **-Kultiviert in Fermenter unter fed-batch Bedingungen; #: die Zellen wurden mit Zugabe von Vorläufern angezogen; ~: es wurde nur bioB überexprimiert; 6-ANA: 6-Aiminonicotinamid ACM: Acidomycin; β-HN: β-Hydroxynorvalin; TVA: 5-(2-Thienyl)-Valeriansäure; MeDTB: α -Methyl-Dethiobiotin; β-CD-A: β-Chloro-D-alanin; 1: es sind die Mutationen im chromosomalen bio-Operon des Wirtsstammes aufgelistet; 2: es sind die Bakterien aufgelistet, aus welchen die bio-Gene isoliert worden sind; 3: hier sind die Mutationen in den klonierten bio-Gene aufgelistet.

Tab. 19: Zusammenfassung der Produktivitäten verschiedener biotinüberproduktions-Stämme.

Bakterium Biotin im Überstand [mg/l]

Referenz

Agrobacterium/RHK4 110** (Shaw et al., 1999)

B. sphaericus 0,1-15 (Ohsawa et al., 1989)

B. subtilis 0,004-1,57

0,01-15

(Kanzaki et al., 1997) (Shaw et al., 1999) (Ifuku et al., 1993)

Kurthia sp. 0,001-126 (Hoshino et al., 1997)

S. marcescens 18-200 (Sakurai et al., 1993b)

Umwelt-isolierten bio-Cosmid

Subkloniert in E. coli birA in E. coli

(Entcheva et al., 2001) Diese Arbeit

Diese Arbeit Diese Arbeit Diese Arbeit Diese Arbeit

*-Kultiviert in Komplexmedium ; **-Kultiviert in Fermenter unter fed-batch Bedingungen. Bei allen überproduzierenden Stämmen handelt es sich um Bakterien, die gegen biotinanaloge Stoffe resistent waren oder zusätzlich mutierte bio-Gene trugen. Einzige Ausnahme waren die Stämme E. coli und Agrobacterium/Rhizobium HK4 im Rahmen der Arbeit von Shaw und Mitarbeitern (1999).

In der vorliegenden Arbeit wurden zum ersten mal umweltisolierte, natürlich hocheffiziente bio-Gene ohne genetische Manipulierung zur Konstruktion biotinüberproduzierender Bakterien verwendet. Dabei wurden Produktivitäten im mg/l-Messbereich ermittelt, welche den bereits beschriebenen Biotinproduktionsraten von mehrfach mutierten Industrie-Stämme entsprachen.

Neben E. coli wurde die Konstruktion von biotinüberproduzierenden Bakterien, die zu anderen Familien gehören, vorangetrieben. Hierzu zählten Bakterien aus der Gattungen Klebsiella, Rhizobium, Agrobacterium, Ralstonia, Xanthomonas und Corynebacterium. Anschließend wurden sowohl stabile, biotinüberproduzierende E. coli-Stämme als auch rekombinante K. planticola- und Sinorhizobium meliloti- Biotinproduzenten konstruiert.