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IV. Diskussion

IV.2. Biodiversitäts-Biotechnologie

Die klassischen Methoden, um neue Enzyme und Stoffwechselwege zu entdecken, beruhen auf Screening, Anreicherung und Isolierung von bisher unbekannten Mikroorganismen. Dennoch ist die Vielfalt an Organismen, die in der Umwelt einzeln oder in Gemeinschaften (in Biofilmen oder verschiedenen symbiotischen Interaktionen) leben, bisher zu 99 % unerforscht. Mit den bereits bekannten

Kultivierungsmethoden können nicht mehr als 1 % der Mikroorganismen identifiziert werden (Amann et al., 1995). Somit geht beim Kultivieren auf selektiven Medien ein großer Teil der Biodiversität verloren. Nach Amann et al. (1995) liegt der Anteil an kultivierbaren Mikroorganismen bei 0,001-0,1 % für Meerwasser und bei 1-15 % für Klärschlamm.

Um die Kultivierung zu umgehen wurden in den letzten Jahren neue molekularbiologische Methoden entwickelt, wie beispielsweise quantitative Dotblot-Hybridisierung, in situ Hybridisierung mit unterschiedlich markierten Sonden (Lee et al., 1999; Amann et al., 1995; DeLong et al., 1999), DGGE-fingerprinting (Griffiths et al., 2000), Mikroautoradiographie und FISH (fluorescent in situ hybridisation) (Amann et al., 1995; Lee et al., 1999; Spring et al., 2000). Diese Techniken helfen die Struktur mikrobiologischer Gemeinschaften zu ermitteln und das genetische Potential abzuschätzen (Lee et al., 1999; Amann et al., 1995; Ovreas and Torsvik, 1998; Whiteley and Bailey, 2000; Wimpenny et al., 2000; Nogales et al., 2001; Pace, 1997; Spring et al., 2000; Dojka et al., 2000). Solche Methoden sind besonders wichtig für die Umweltforschung, da die Organismen in situ (in deren natürlichen Habitaten) erforscht werden können. Einige Schwierigkeiten haben sich dadurch ergeben, dass die verschiedenen Umweltnischen ungleichmäßig bewohnt sind (zwischen 0,5x105 Zellen/ml bis zu 10x105 Zellen/ml in den aquatischen Habitaten und zwischen 4x107 Zellen/g bis 2x109 Zellen/g in der oberen 1 m-Schicht der unterschiedlichen Bodenarten) (Whitman et al., 1998). Außerdem verhindern die physikalisch-chemischen Charakteristika einiger Habitate die Anwendung von in situ Hybridisierung, wobei Probleme mit der Hintergrundreaktion der Umweltpartikel auftraten (Amann et al., 1995). Aus diesen Gründen wurde bisher eine Kombination verschiedener Methoden bevorzugt (Amann et al., 1995; Lee et al., 1999; Spring et al., 2000), um bisher unbekannte Mikroorganismen in situ und ohne Kultivierung zu identifizieren.

Eine andere Methode stellt die rRNA-Sequenzanalyse, kombiniert mit PCR mit spezifischen Primern für konservierte rRNA-Regionen dar (Eder et al., 1999;

Keswani and Whitman, 2001; Johnsen et al., 1999). Mittels dieser Technik können Mikroorganismen verschiedenen phylogenetischen Gruppen zugeordnet und die Position der unterschiedlichen Mikroorganismen im Reich der Bactera/Archaea/

Eukarya (Dojka et al., 2000; Griffiths et al., 2000) festgestellt werden. Andere Methoden bauen auf der Analyse der Membranlipide auf (Spring et al., 2000).

Alle bereits erwähnten Methoden haben eine Gemeinsamkeit: die Mikroorganismen werden in situ identifiziert und phylogenetisch zugeordnet, aber es werden weder Zellen noch funktionale Gene isoliert. Sie ermöglichen es, einen Eindruck über die Struktur des Ökosystems zu gewinnen, jedoch lässt sich wenig Information über das physiologische und biochemische Potential der Gemeinschaft gewinnen. Um dieses Problem zu lösen, wurde bisher eine auf PCR beruhende Methode angewendet, um Gene für bestimmte Enzyme direkt aus Umwelt-DNA zu amplifizieren (Eschenfeldt et al., 2001). Allerdings, hat diese Methode den Nachteil, dass die Primer für die amplifizierten Gene von bereits bekannten Sequenzen abgeleitet wurden und somit keine tatsächlich neuartige Enzyme gefunden werden können.

Um die oben beschriebenen Schwierigkeiten zu umgehen, wurden in den letzten 3 Jahren alternativ zu den in situ Techniken Methoden zur Konstruktion von Genbanken entwickelt. Bei dieser Vorgehensweise wurde DNA aus Umwelt-Habitaten gewonnen und kloniert. Anschließend wurden unbekannte Gene isoliert und exprimiert (Henne et al., 1999; Rondon et al., 2000; Entcheva et al., 2001).

Bisher konnte diese Technik genutzt werden um kleine DNA-Fragmente, zumeist einzelne Gene, zu identifizieren.

Zwei verschiedene Strategien wurden bisher verfolgt, um Genbanken aus Umweltproben zu konstruieren. Eine basiert auf der Isolierung der Mikroorganismen aus Bodenpartikeln (Torsvik et al., 1990), eine andere auf der Isolierung von DNA direkt aus Umweltproben ohne vorher die Zellen aus den Bodenproben abzutrennen (Zhou et al., 1996). Beide Methoden wurden erfolgreich für die Extraktion von DNA aus unterschiedlichen Umweltproben angewendet (Cifuentes et al., 2000; Henne et al., 1999). Die Vorgehensweise hat einen gravierenden Nachteil. Huminsäuren und Mineralien, die zusammen mit der DNA aus Bodenpartikeln extrahiert werden (Frostegard et al., 1999; Griffiths et al., 2000; Miller et al., 1999), hemmen oft weitere Klonierungsschritte. Dadurch ist eine zusätzliche Reinigung der DNA erforderlich (Ogram et al., 1987; More et al., 1994). Diese Methoden sind zeitaufwendig und mit hohen DNA-Verlusten verbunden.

Alternativ zu den oben aufgeführten Plasmid-Genbanken wurden sog. BAC-Genkanken (bacterial artificial chromosome) (Rondon et al., 2000; MacNeil et al., 2001) angelegt, wobei DNA-Fragmente von 40-60 kb kloniert wurden. Jedoch ist die Expression der klonierten Gene wegen der niedrigen Kopienzahl der BACs pro Zelle nicht stark genug und es besteht somit generell die Gefahr, dass Enzymaktivitäten

nicht detektiert werden können. Die Konstruktion von Cosmid-Genbanken stellt eine neue Möglichkeiten dar, um DNA-Fragmente zwischen 30 kb und 40 kb zu klonieren und in Wirtsstämmen zu exprimieren.

In der vorliegenden Arbeit wurde daher eine Methode entwickelt, um große DNA-Fragmente reproduzierbar zu klonieren und neuartige Operons und Stoffwechselwege zu identifizieren (Entcheva et al., 2001). Dies ist die erste Arbeit, in der Cosmid-Genbanken aus Umweltproben angelegt wurden.

Anreicherungskulturen aus diversen Umweltproben wurden angesetzt und Gesamt-DNA aus den so entstandenen mikrobiologischen Konsortien isoliert. Dabei wurde eine chemische Zelllyse durchgeführt. Die DNA, die auf diese Weise aus den Anreicherungskulturen gewonnen wurde (Entcheva et al., 2001), war hochmolekular und frei von Huminsäuren und anderen Verunreinigungen und konnte problemlos für die Konstruktion von Cosmid-Genbanken verwendet werden. Mit der Kombination von Anreicherungskulturen und der direkten Klonierung wurden reproduzierbar Cosmid-Genbanken mit Fragmentgrößen von ca. 30 kb angelegt.

Ein zentraler Aspekt dieser Arbeit war die Isolierung von neuartigen Biotinbiosynthese-Operons (bio-Operons) aus Umweltproben und deren Verwendung für die Konstruktion von biotinüberproduzierenden Bakterien. Für diese Zwecke werden hocheffektive bio-Operons benötigt. Organismen mit solchen Operons wurden mit Hilfe von Avidin während der Anreicherung gewonnen. Avidin bindet an Biotin (Stryer, 2000) und verringert dessen Konzentration im Medium.

Demzufolge setzten sich Biotinproduzenten durch und bildeten ein

„biotinproduzierendes“ Konsortium. Diese Arbeit unterscheidet sich von den klassischen Anreicherungen, wie sie von Winogradsky und Beijerinck (Fuchs and Kroeger, 1999) durchgeführt worden sind, in einem wichtigen Punkt: Ziel dieser Arbeit war nicht die Isolierung einzelner Mikroorganismen. Es wurden mikrobielle Gemeinschaften gewonnen, in denen die Mikroorganismen bestimmte biotechnologisch interessante Eigenschaften besaßen. Die DNA, die aus diesen mikrobiellen Konsortien gewonnen wurde, enthielt keine Huminsäuren und war für Cosmid-Genbanken geeignet. Letztendlich wurden mit dieser Technik drei Umweltgenbanken aus Konsortien angelegt. Somit wurde zum ersten Mahl reproduzierbar die Klonierung und Identifizierung von Genclustern und Operons aus Umweltproben gezeigt.

Ein weiterer Schwerpunkt in der vorliegenden Atbeit war es, die Diversität der Anreicherungskulturen zu überprüfen. Elektronenmikroskopische Aufnahmen und Kultivierung auf Mineralagarplatten zeigten (Abb. 7), dass trotz des relativ hohen selektiven Druckes in allen Fällen unterschiedliche mikrobielle Konsortien gebildet wurden (Tab. 4). Dabei war auffällig, dass in der Anreicherungskultur aus dem Intestinaltrakt (Pferdedung, HE) nur drei verschiedene Kolonientypen auftraten. In anderen Arbeiten wurden Versuche durchgeführt, die Biodiversität von ähnlichen Proben bestimmten (Dojka et al., 2000). Dabei stellte sich heraus, dass obwohl der Intestinaltrakt ein nahrungsreiches Habitat ist, er nur über eine begrenzte mikrobielle Diversität verfügt. Aus Tabelle 4 wird ersichtlich, dass aus einer Sandboden-Anreicherungskultur sieben verschiedene Kolonietypen auf Agarplatten gewachsen waren. Dieses ist die höchste Zahl an Kolonieformen im Vergleich zu anderen Anreicherungskulturen. Andere Arbeiten haben ebenfalls gezeigt (Whitman et al., 1998), dass sandiger Boden oder Wüstenboden ähnlich dicht von prokaryotischen Zellen bewohnt sind wie z.B. Savannenboden oder Ackerboden.

Ein weiterer zentraler Punkt war die Entwicklung einer zuverlässigen Screening-Methode für klonierte Biotinbiosynthese-Operons. Die Suche nach Enzymaktivitäten, wie z.B. Amylasen, Amidasen, Chitinasen (Cottrell et al., 1999;

Cottrell et al., 2000), Lipasen und 4-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase-Aktivität (Henne et al., 1999; Henne et al., 2000) und Sekundärmetaboliten mit antibakterieller Wirkung (Rondon et al., 2000) beruht in der Regel auf Plattentest-Verfahren. Die Genbanken wurden in geeignete Klonierungsstämme wie z.B. E. coli XL1-blue, DH5α oder DH10B (für den Genotyp s. die Tab. 1), angelegt. Bei diesem Ansatz trat das Problem auf, dass der Wirtsstamm Hintergrundenzymaktivitäten aufweisen konnte und es so zur Isolierung falsch-positiver Klone kommen konnte. Da die üblichen E. coli Klonierungsstämme biotinprototroph sind und eigene bio-Gene besitzen, konnten diese nicht eingesetzt werden. Außerdem sind die meisten Agar-Chargen mit Spuren von Biotin kontaminiert, was einen Plattentest nahezu ausschloss.

Um ein intaktes, funktionierendes Biotin-Operon in den Umwelt-Genbanken zu isolieren, war somit ein anderes Verfahren notwendig. In dieser Arbeit wurde eine

∆(gal-uvrB) E. coli-Mutante verwendet (ATCC 33767, Abb. 9), bei der das komplette bio-Operon deletiert war. Im Gegensatz zu bereits erwähnten Arbeiten, wo die Umwelt-Genbanken in üblichen Labor-Klonierungsstämmen hergestellt wurden

(Rondon et al., 2000; Henne et al., 1999), wurden hier die Anreicherungskultur-Genbanken in einer E. coli bio--Deletionsmutante angelegt. Der Vorteil dieses Verfahrens war, dass die Hintergrundbiotinproduktion des Wirtsstammes ausgeschlossen werden konnte. Außerdem wurde das Screening von Pools rekombinanter Klone in flüssigem, biotinfreiem Mineralmedium durchgeführt, um so den Durchsatz zu erhöhen. In den Umwelt-Genbanken, die auf diese Weise konstruiert worden waren, wurden im Rahmen dieser Arbeit sieben neue Biotinsynthese-Operons identifiziert und vier davon detailliert charakterisiert.