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Wir haben ausf¨uhrlich behandelt, zu welchen Vorhersagen das Urknallmodell f¨ur die primordialen H¨aufigkeiten der Elemente kommt. Der h¨ochste Richter einer Theorie ist jedoch das Experiment. Betrachten wir nun, mit welchen Methoden die Astrophysiker versuchen, die primordialen H¨aufigkeiten der Elemente zu bestimmen.

Das prinzipielle Problem besteht darin, dass das Universum seit seinen An-fangszeiten eine chemische Evolution durchlaufen hat. In Sternen wurden Wasserstoff und Helium-4 zu schwereren Kernen bis hin zum Eisen (Massen-zahl 56) fusioniert. Alle noch schwereren Kerne wurden in Sternexplosionen, den sogenannten Supernovae gebildet. Die Nukleosynthese in Sternen ist zwar relativ ineffizient - nur 1-2% der Neutronen und Protonen sind nicht in Was-serstoff oder Helium gebunden - trotzdem werden genaue Messungen durch die chemische Entwicklung erschwert.

Man sucht also f¨ur die Messungen der primordialen H¨aufigkeit in Abh¨ angig-keit vom jeweiligen Element Objekte, von denen man glaubt, dass in ihnen noch die primordialen Zusammensetzung erhalten ist, oder bei denen zumin-dest eine Extrapolation auf den Urzustand m¨oglich scheint.

Wir beginnen mit Helium-4, da dieses das h¨aufigste primordiale Element nach Wasserstoff ist, und auch historisch als erstes untersucht wurde. Da-nach behandeln wir die sehr viel selteneren Stoffe Deuterium, Helium-3 und Lithium.

2.2.1 Helium-4

Helium-4 wird in Sternen sowohl zu schwereren Kernen fusioniert als auch aus Wasserstoff gebildet. Insgesamt wird dadurch der Helium-4-Anteil im Laufe der Zeit leicht erh¨oht.

Die H¨aufigkeit von Helium-4 wird aus den Emissionsspektren von sogenann-ten H II-Gebiesogenann-ten bestimmt. Hinter diesem Begriff verbergen sich Wolken aus ionisiertem Wasserstoff. Etwa 20-50% der interstellaren Materie befindet sich in H II-Gebieten.

Der Metallgehalt steigt mit anhaltender Sternaktivit¨at allm¨ahlich an. Man erkennt tats¨achlich einen Zusammenhang zwischen Metallizit¨at und Helium-Anteil. (Abbildung 6)

Abbildung 6: Helium-4 in Abh¨angigkeit vom Sauerstoffgehalt Man tr¨agt [He/H] gegen z.B. [O/H] auf, und f¨uhrt eine lineare Interpolation gegen den Wert [O/H]=0 durch.1 Aus dem Achsenabschnitt erh¨alt man so den auf den primordialen Zustand zur¨uckgerechneten Wert von [He/H].

Man erh¨alt einen primordialen Massenanteil von Helium-4 von

Yp = 0,238±0,002±0,005 (30) wobei die erste Fehlerangabe den statistischen und die zweite den systema-tischen Fehler darstellt.

2.2.2 Deuterium

Deuterium ist um vier Gr¨oßenordnungen seltener als Helium-4. Nach langen Uberlegungen wurde erkannt, dass es in Sternen nicht gebildet, sondern nur¨ abgebaut wird. Man ist also darauf angewiesen, m¨oglichst weit in die Vergan-genheit des Universums zu blicken, als die H¨aufigkeit von Deuterium noch n¨aher beim primordialen Wert lag.

1In der Kosmologie werden alle Elemente jenseits von Helium als Metalle bezeichnet.

Das Mittel der Wahl ist die Absorptionsspektroskopie einer Wasserstoff-wolke gegen das Licht eines hochrotverschobenen Quasars. Quasare sind weit entfernte aktive Galaxien, die im sichtbaren Bereich des Lichtes na-hezu sternf¨ormig erscheinen. Die ausgep¨agteste Absorptionslinie bei solchen Messungen ist die Lyman-α-Linie des Wasserstoffs.

Die entsprechende Linie des Isotops Deuterium ist abh¨angig von der Rotver-schiebung nur leicht gegen die Ly-α-Linie verschoben.

Die neuesten Messungen ergeben ein Verh¨altnis von Deuterium zu Wasser-stoff von

[D/H] = (2,7±0,3)·10−5 (31)

2.2.3 Helium-3

Noch schwieriger ist das Auffinden von Helium-3, was zum Teil auch an der großen ¨Ahnlichkeit zum sehr viel h¨aufigeren Isotop Helium-4 liegt. Man hat Helium-3 bisher nur im Sonnensytem sowie in H II-Wolken in unserer Galaxie beobachten k¨onnen.

Es ist nicht v¨ollig gekl¨art, welche Entwicklung die H¨aufigkeit von Helium-3 aufgrund der stellaren Nukleosynthese erfahren hat. Die H¨aufigkeit von He-lium-3 h¨angt zumindest kaum vom Abstand vom Zentrum der Milchstraße ab, in dem eine h¨ohere Sternaktivit¨at vorherrscht als in den Randgebieten.

Die relative H¨aufigkeit von Helium-3 liegt in der gleichen Gr¨oßenordnung wie bei Deuterium und wird bestimmt zu

[3He/H] = (1,1±0,2)·10−5 (32)

Abbildung 7: H¨aufigkeit von Helium-3 in der Milchstraße

2.2.4 Lithium

Die H¨aufigkeit des primordialen Lithium-7 wird durch die Vermessung des Spektrums von metallarmen, heißen Sternen der Population II in der Milch-straße bestimmt. Sterne der Population II zeichnen sich durch ihr hohes Alter aus. Man findet sie meist im Halo von Galaxien oder in deren Zentrum.

Abbildung 8: Lithium-7 in Abh¨angigkeit vom Eisengehalt

Das interessante an den Messungen der Lithium-H¨aufigkeit ist, dass die H¨aufigkeit des nicht in der primordialen Nukleosynthese entstandenen Lithium-6 mit der Metallizit¨at steigt, andererseits aber die H¨aufigkeit des primordialen Lithium-7 in weiten Bereichen nicht von der Metallizit¨at des Sterns abh¨angt.

(Abbildung 8, links)

Lediglich bei einem sehr hohen Eisengehalt erh¨alt man eine Erh¨ohung des Lithium-7-Anteils (Abbildung 8, rechts), was man auf die Entstehung von Lithium-7 in der interstellaren Nukleosynthese zur¨uckf¨uhrt. Dabei werden schwerere Kerne von hochenergetischer Strahlung aufgespalten.

Man erwartet also f¨ur Lithium-7 eigentlich eine gute ¨Ubereinstimmung mit den theoretischen Werten. Allerdings findet sich hier die gr¨oßte Abweichung zwischen Theorie und Experiment. Es ist aber bereits bemerkenswert, dass die Gr¨oßenordnung von [Li/H]∝10−10ubereinstimmt, da es sich bei Lithium-¨ 7 um das mit einem Abstand von 105 um das seltenste primordiale Element handelt.

Abbildung 9: Abweichung zwischen dem von WMAP bestimmten

Baryon-3 Anzahl der Neutrino-Flavor

Sowohl das Standardmodell der Kosmologie als auch das Standardmodell der Teilchenphysik grenzen die Anzahl der verschiedenen Neutrino-Flavor durch ganz verschiedene Vorgehensweisen und ¨Uberlegungen ein.

Hier ber¨uhren sich also die Physik der gr¨oßten Dimensionen und die Physik der kleinsten Dimensionen.

Interessanterweise entsteht aus dieser Verbindung kein Widerspruch, viel-mehr befruchten sich die beiden Disziplinen gegenseitig.

3.1 Kosmologie

Die primordiale Nukleosynthese ist entscheidend von der Expansionsrate H = ˙a/a des fr¨uhen Universums abh¨angig.

Diese Expansionsrate h¨angt nach der Friedmanngleichung (der Kr¨ ummungs-term kann vernachl¨assigt werden) von der vorhandenen Energiedichte ρ ab,

H2(t) = 8πGρ

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wobei im strahlungsdominierten Universum neben den Photonen in guter N¨aherung nur die ultra-relativistischen Teilchen zur Energiedichte beitragen.

Dazu geh¨oren neben Elektronen und Positronen die Neutrinos, die sich in der fr¨uhen Phase des Universums mit ultra-relativistischen Geschwindigkeiten bewegen.

Diese Teilchen liefern einen Beitrag zur Gr¨oße gef f, welche die effektiven inneren Freiheitsgrade angibt. Mit der Beziehung ρ= π302 gef f kB¯hcT4, die wir im Anhang genauer begr¨unden, folgt:

H2(t) = 8πG

Das heißt, je h¨oher die Zahl der Neutrino-Flavor Nν ist, desto schneller ex-pandiert das Universum, und desto schneller k¨uhlt es ab.

Dadurch verstreicht zwischen dem Ausfrieren des Neutron-Proton-Verh¨ alt-nisses und der ersten Bildung von Deuteronen weniger Zeit. Es stehen also mehr Neutronen zur Bildung von Helium zur Verf¨ugung und der Helium-Anteil steigt.

Abbildung 10: Abh¨angigkeit der primordialen Helium-Ausbeute von der Anzahl der Neutrino-Flavor Nν und der Baryonendichte Ωb

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