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Prävention und Gesundheitsförderung durch Aktivierung

Volitionale Phase Handlungsphase

3.5 Prävention und Gesundheitsförderung durch Aktivierung

Der gesundheitliche Status im Alter bedingt sich durch ein Zusammenspiel aus u. a.

altersphysiologischen Prozessen, genetischer Veranlagung, Umweltfaktoren, dem sozioöko-nomischen Status, der sozialen Einbindung und dem Lebensstil des älteren Individuums (Barth & Doblhammer, 2017; Schüz & Wurm, 2009). Der variable Einfluss von verhaltensbezogenen Lebensstilfaktoren lässt sich durch präventive und gesundheits-förderliche Maßnahmen modifizieren (Barth & Doblhammer, 2017; Kruse & Wahl, 2010).

Neben Variablen wie bspw. Rauchen, Alkoholkonsum, unausgewogener Ernährung und falscher Medikamenteneinnahme, hat sich die körperliche Inaktivität als einer der wichtigsten veränderbaren Risikofaktoren für ein gesundes Altern herausgestellt (Thelen et al., 2012; Schüz & Wurm, 2009; Luck & Riedel-Heller, 2016).

Die Wirkzusammenhänge von körperlicher Aktivität auf die Dimensionen der Gesundheit im Alter sind vielfältig und multidirektional. Eine regelmäßige körperliche Bewegung minimiert die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Vielzahl chronisch-degenerativer Erkrankungen, wie bspw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, onkologische Erkrankungen, Stoffwechselerkrank-ungen, kognitive EinschränkStoffwechselerkrank-ungen, Demenz und auch neurologische Erkrankungen (Pedersen & Saltin, 2015; Löllgen, 2015). Zudem hat die körperliche Aktivität positive

Wirkungen auf drohende oder bereits vorhandene Einschränkungen der funktionalen Gesundheit (Mobilität) (Brown & Flood, 2013). Mobilitätseinschränkungen stellen einen Risikofaktor für Demenz, drohenden Pflegebedarf und auch die Entwicklung depressiver Symptome dar (Barth & Doblhammer, 2017; Riedel-Heller et al., 2012). Neben dem Risikofaktor Inaktivität werden Stürze mit dem Alter häufiger, welche oft Verletzungen der unteren Extremitäten und somit Einschränkungen in der Mobilität und der eigenständigen Lebensführung zur Folge haben (Grund et al., 2015). Ausreichend Bewegung und das Training von Gleichgewicht und Koordination können Stürzen präventiv entgegen wirken (Barth & Doblhammer, 2017). Körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit bedingen sich zudem gegenseitig. Einschränkungen innerhalb der kognitiven Leistungsfähigkeit führen zu einem Abbau körperlicher Funktionen, welche wiederum Einschränkungen in der Mobilität und somit Einschränkungen in der Verrichtung alltäglicher Aktivitäten zur Folge haben.

Diese können zudem auch die soziale Teilhabe minimieren und schlussendlich zur Isolation des älteren Individuums führen (Barth & Doblhammer, 2017; Carlson et al., 2008). So bietet Bewegungsförderung u. a. Potenziale in Bezug auf die Prävention funktionaler Einschränkungen, kognitiver Einschränkungen bzw. Demenz und Depression, von Stürzen und eröffnet eine Risikoreduktion bezüglich einer vorzeitigen Mortalität (Gunst, Tiemann &

Bös, 2019). Zudem beeinflusst eine regelmäßige Bewegung nachweislich das Wohlbefinden und die Lebensqualität sowie die Anzahl der gesunden Lebensjahre ohne funktionelle Einschränkungen positiv (Hoffmann, Tiemann & Bös, 2019; Löllgen, 2015).

Der Autor Pohlmann (2016) betont, dass präventive Interventionen insbesondere dann erfolgsversprechend sind, wenn sie an die unterschiedlichen Funktionssysteme der älteren Menschen ansetzen und an die Mehrdimensionalität von Gesundheit im Alter anknüpfen. So sind erste Ergebnisse von Studien, in welchen sowohl körperliche als auch kognitive Aktivierung gefördert werden, denen der alleinigen Bewegungsförderung überlegen (Kruse

& Wahl, 2010; Krupp et al, 2019; Dierich et al., 2019). Des Weiteren gilt es im Setting der stationären Langzeitversorgung, Erfolg von präventiven und gesundheitsförderlichen Interventionen nicht nur an Verbesserungen von Parametern zu bemessen, sondern bestehende Ressourcen und Kompetenzen auf Seiten der Zielgruppe (bspw. soziale, oder Verrichtung der alltäglichen Aktivitäten) zu fokussieren und so einem drohenden Funktionsverlust bzw. Autonomieverlust und einer Minimierung der Lebensqualität entgegen zu wirken (Ralf, Krupp & Willkomm, 2019). Im Folgenden sollen empirische Arbeiten vorgestellt werden, welche einen multimodalen aktivierenden Ansatz nutzen, da dieser sich besonders dazu eignet, psychische und auch körperliche Degeneration im Alter positiv zu beeinflussen (de Labra et al., 2015). Es werden Studien vorgestellt, welche Menschen mit

keinen oder leichten kognitiven Einschränkungen einschließen und die bereits in ihrer Mobilität eingeschränkt sein können, da diese insbesondere von präventiven und gesundheitsförderlichen Angeboten profitieren (Kruse, 2006).

Das Programm „Bewegt im hohen Alter“ beinhaltet ein psychomotorisches Training, welches an zwei Tagen zu 45 bis 60 Minuten über einen Zeitraum von zehn Wochen von Bewohnenden eines Pflegewohnheimes durchgeführt wurde (Tittlbach et al., 2007). Um die Effekte des Trainings zu untersuchen, wurde eine kontrollierte Studie mit insgesamt N = 44 Heimbewohnenden durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmenden der Interventionsgruppe Verbesserungen innerhalb ihrer Reaktionsgeschwindigkeit, Beweglich-keit, Koordination und Präzision der Bewegung erreichen. Auch zeigte sich eine Steigerung innerhalb der Kognition, spezifischer dem Lerntempo und situationsbezogenen Kompe-tenzen, wie bspw. dem Geldzählen. Es werden keine signifikanten Verbesserungen der Muskelkraft und der Aktivität des alltäglichen Lebens deutlich, was nach Ansicht der Autorinnen auf den kurzen Erhebungszeitraum zurückgeführt werden kann (Tittlbach et al., 2007).

Das „SimA-P-Projekt“ steht für „Selbstständigkeit im Alter – Pflegeheimbewohner“ und beinhaltet psychomotorische Übungen und biografisch-kognitive Aktivierungen eines rehabilitativen Interventionsansatzes, welche zweimal wöchentlich für 50 Minuten über einen Mindestzeitraum von zwölf Monaten in Pflegewohneinrichtungen durchgeführt wurden (Oswald, Ackermann & Gunzelmann, 2006). Die begleitende wissenschaftliche Studie in Form eines Interventionskontrollgruppendesigns mit Erhebungen zu drei Messzeitpunkten umfasst eine Analysestichprobe mit insgesamt N = 137 Teilnehmenden. Die Ergebnisse zeigen Verbesserungen in Kraft und Beweglichkeit, eine Reduktion von Stürzen innerhalb der Interventionsgruppe um 70 Prozent und Verbesserungen bzw. keine Verschlecht-erungen innerhalb der Aktivitäten des alltäglichen Lebens, der Kognition und des allgemeinen Gesundheitszustandes (Oswald et al., 2006).

Innerhalb einer zwölfmonatigen multizentrischen Längsschnittstudie von Brach et al. (2009) wurde die Intervention „fit für 100“ in neun Pflegewohnheimen mit insgesamt N = 113 Bewohnenden in der Analysestichprobe mit einem Alter über 80 Jahren evaluiert. Hier kam es zum Training von Gleichgewicht, Beweglichkeit und Kraft. Das Training diente dem Aufbau und Erhalt der Alltagskompetenzen, der Förderung, der Autonomie und der Steigerung des Wohlbefindens und der Sturzprävention (Brach et al., 2009). Es dauerte innerhalb der ersten Sitzung ca. 30 bis 45 Minuten und in den Folgesitzungen 60 Minuten und fand zweimal wöchentlich statt. Die Studie von Brach et al. (2009) zeigt im Ergebnis

positive Effekte u. a. auf Parameter des Gehens und Stehens, Kognition, subjektiven Gesundheitszustand, eine Verbesserung der Kommunikation und eine Intensivierung der sozialen Kontakte.

Im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wurde das „Lübecker Modell Bewegungswelten“ (LMB) im Rahmen des Präventionsprogramms „Älter werden in Balance“ durch die Forschungsgruppe der Geriatrie Lübeck zur Bewegungsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen entwickelt (Ralf, Krupp & Willkomm, 2017). Es beinhaltet ein standardisiertes Trainingsprogramm und dient der körperlichen, geistigen und sozialen Aktivierung älterer Menschen mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen. Dabei nutzt es auch emotionale und motivationale Aspekte, bspw. Freude an Bewegung, um so zu einer dauerhaften Teilnahme anzuregen (Ralf et al., 2017). Des Weiteren verfolgt das LMB einen multimodalen Ansatz. Trainiert werden dabei Kraft, Ausdauer, Koordination, Beweglichkeit und kognitive Aufgaben (Ralf et al., 2017). Die durch eine speziell ausgebildete Person durchgeführten Übungen finden zweimal wöchentlich zu je 45 Minuten statt. Die Übungen unterliegen dabei immer einem spezifischen Thema, so ist jeder Bewegungswelt, wie bspw.

„am Strand“, ein standardisiertes Bewegungsprogramm zugeordnet (Dierich et al., 2019).

Die empirischen Untersuchungen mit Hilfe eines quasi-randomisierten, kontrollierten Längsschnittdesigns mit insgesamt N = 255 untersuchten Teilnehmenden über den Zeitraum eines Jahres zeigen positive Effekte in den Bereichen Mobilität, Ausdauer, Gleichgewicht, Kraft, Selbsthilfefähigkeiten, Kognition und auch im Aufbau sozialer Kontakte (Krupp et al., 2019). Die Ergebnisse stützen die Befunde zur Verlangsamung des Prozesses des multidimensionalen Abbaus und zeigen sogar eine Umkehrung dieses Prozesses. Des Weiteren wird eine Steigerung der Lebensqualität sichtbar (Krupp et al., 2019).

Die Darstellung der aktuellen Studienlage zeigt erste positive Tendenzen von analogen präventiven und gesundheitsförderlichen Interventionen, welche einen multimodalen Ansatz von Bewegungsförderung wählen. Eine Reihe von Autorinnen kritisiert jedoch weiterhin einen Mangel an evaluierten Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung für Ältere, welche ressourcenorientiert und settingbezogen verhaltens- und verhältnispräventive Faktoren miteinbeziehen und zudem die Nachhaltigkeit der Interventionen untersuchen (Henn et al., 2017; Kruse, Thaiss & Rohde, 2019; Blüher & Kuhlmey, 2019). Die aktuelle Versorgung im Bereich der stationären Pflege offenbart zudem Defizite bezüglich aktivierender Angebote für Bewohnende (Blüher & Kuhlmey, 2019). Um Einschränkungen in der Mobilität präventiv entgegen wirken zu können, aber auch mit bereits vorhandenen funktionalen Defiziten so autonom wie möglich leben zu können, bieten technische Innovationen ein wachsendes Potenzial (Barth & Doblhammer, 2017). Technische

Innovationen finden zur Bewegungsförderung Älterer nur vereinzelt Anwendung, dabei kann bspw. dem Problem einer mangelnden Motivation zur langfristigen Teilnahme an Interventionen mit Hilfe von digitalen Spielen begegnet werden (Löllgen & Bachl, 2016). Im nun folgenden Kapitel wird die Anwendung von Serious Games zur präventiven und gesundheitsförderlichen Bewegungsförderung Älterer, eingebettet in die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen, vorgestellt.