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Prävention setzt am Verhalten und den Verhältnissen an, die ursächlich für das Entstehen von Gewalt sind. Damit einzelne Maßnahmen nachhaltig wirken, müssen Verhältnisse in einer Ge-sellschaft insofern angepasst sein, als sie grundsätzlich eine Legitimierung, Verharmlosung oder gar Verherrlichung von Gewalthandeln und Gewaltverhältnissen eindämmen.

Ein möglicher Ansatzpunkt, sich dieser Aufgabe zu nähern, wäre eine Analyse der Quartie-re bzw. des sozialen Raums. Dies hätte den Vorteil, dass Programme passgenau entwickelt und vorhandene Ressourcen genutzt werden könnten. Dies würde eine Nachhaltigkeit der Maßnahmen begünstigen. Damit kann langfristig eine Einstellungsänderung erreicht wer-den. Übernehmen können dies beispielsweise die Sozialplaner:innen der Kommunen, die die notwendigen Daten in der Mehrzahl vermutlich bereits vorliegen haben. Ausgehend von den örtlichen Bedingungen, den Menschen und den Akteur:innen im Feld setzen Maßnahmen auf drei Ebenen an.

Ebene 1: Universelle Prävention

Universelle Prävention richtet sich an alle Menschen einer Gesellschaft, die an sich von Macht-strukturen durchzogen ist. Das heißt, alle Menschen sind bestimmt durch diese Strukturen und bestimmen diese selbst mit. Im Rahmen der universellen Prävention geht es darum, über die Zusammenhänge von Macht und Gewalt aufzuklären, negative Machtverhältnisse aufzu-zeigen und ein Bewusstsein für Bedingungen von Selbstbestimmung zu entwickeln.

WICHTIG:

Was soll mit Gewaltprävention erreicht werden?

• Ein Zusammenleben in Deutschland, das durch einen bewussten Umgang mit dem Thema Gewalt geprägt ist.

• Gewaltverherrlichung, -legitimation und -verharmlosung werden geächtet und geahndet.

• Alle Menschen gehen wertschätzend und grenzachtend miteinander um.

• Sie vermeiden Gewalt in der Sprache, in der Haltung und insgesamt im Umgang mit sich und anderen.

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1. Prävention von sexualisierter Gewalt 14

Ein ganzheitlicher Ansatz zur Gewaltprävention umfasst:

• Information und Kampagnen zur Sensibilisierung, die sowohl Formen von Gewalt als auch Schutzmaßnahmen thematisieren

• Schaffen von Rahmenbedingungen (Gesetze) für selbstwirksames Handeln in der Gemeinschaft, Anpassung gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Gewalt

• Aufbau von Schutzmöglichkeiten in Organisationen wie Kitas, Schulen und Behörden

• Schaffen sicherer Räume für einheimische und geflüchtete Menschen

• Arbeit im Gemeinwesen zum Aufbau sozialer Netzwerke für Bewohnerinnen eines Quartiers

º Schaffen von Begegnungen

º Implementieren unterschiedlicher Ansätze der Gewaltprävention

Ebene 2: Selektive Prävention

Die selektive Prävention wendet sich an so genannte „Risikogruppen“ (vgl. Kap. 2), also Perso-nen, die eher von Gewalt betroffen sein könnten als andere. Das sind PersoPerso-nen, deren Schutz-faktoren (noch) nicht oder nicht mehr in ausreichendem Maße ausgebildet sind.

Präventive Ansätze zielen auf die Stärkung von Schutzfaktoren, wie

Selbstwirksamkeit,

• Selbstwertgefühl,

• aktive Problemlösungskompetenz,

• Fähigkeit zur Distanz,

• sozialen Beziehungen (vgl. bernDt 2014; beneDIKtIner 2014; Welter-enDerlIn 2012).

Ebene 3: Indizierte Prävention

Bei der indizierten Prävention handelt es sich um professionelle Interventionen wie Beratung und Behandlung von Betroffenen. Der präventive Charakter liegt im Stärken der Schutzfak-toren zur Verhinderung erneuter Gewalterfahrungen. Auch hier muss eine Analyse der mög-lichen Folgen der Stärkung der Schutzfaktoren vorgenommen und mit den Betroffenen be-sprochen werden. Dies gilt auch für die Bearbeitung von Traumafolgestörungen, die stets mit dem Ziel der sozialen Stabilisierung erfolgt und damit tragfähige soziale Netzwerke (siehe

„Sichere Orte“) unterstützt und nicht nur im therapeutischen Kontext stattfindet.

Verhaltens- und Verhältnisprävention

Auf allen drei Ebenen der Prävention sollte sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventiv gearbeitet werden.

Im Fokus der Verhältnisprävention stehen die Verhältnisse, in denen Menschen leben. Sie bilden den jeweiligen Kontext, in dem Menschen durch Präventionsmaßnahmen erreicht werden können. Daher sollte Gewaltprävention auf die Lebenswelt der Menschen

abge-1. Prävention von sexualisierter Gewalt 16

stimmt sein. Sie fokussiert die sozialen, kulturellen, ökonomischen, organisatorischen und strukturellen Bedingungen des Lebensumfelds.

Verhältnisprävention setzt auch an den Einstellungen zu Gewalthandeln in der Gesellschaft an:

• Gewalthandeln wird identifiziert, benannt und konsequent verfolgt.

• Gewaltfreie Sprache wird eingesetzt (z.B. roSenberG 2012).

• Gesetze, die Gewalthandeln legitimieren, werden verändert.2

• In Organisationen (z. B. Schule/Gemeinschaftsunterkünfte) werden Machtverhältnisse und Schutzmöglichkeiten analysiert und transparent gemacht.

Im Rahmen der Verhaltensprävention geht es darum, Handlungsspielräume zu erschließen und ggf. zu erweitern.

Ein positives Selbstwertgefühl als Schutz der eigenen Person beinhaltet eine positive Ein-schätzung der eigenen Persönlichkeitsattribute (Stärken und Schwächen sowie der Umgang damit). Auch ein starkes Selbstwirksamkeitsempfinden trägt zum Schutz vor Gewalt bei. Da-rüber hinaus führt ein positives Selbstwertgefühl dazu, sich nach einem Gewalterleben Hilfe und Unterstützung zu suchen. Die Einstellung „Ich bin es wert, dass mit mir wertschätzend 2. Das Asylbewerberleistungsgesetz und das Ausländerrecht beispielsweise erschweren zum Teil das

Anwenden von Gewaltschutzmaßnahmen.

1. Prävention von sexualisierter Gewalt 17 umgegangen und mir geholfen wird“ kennzeichnet ein positives Selbstwirksamkeitsempfin-den und hilft, Gewalt zu verhindern bzw. mit deren Folgen besser umzugehen.

Bezogen auf die Person selbst ist ein Ziel der Gewaltprävention, Menschen dabei zu unter-stützen, ein Gefühl für sich selbst zu entwickeln, zu empfinden, wann es ihnen gut geht, und zu spüren, wenn dies aus bestimmten Gründen nicht der Fall ist. Aufbauend auf das Selbst-empfinden kann eine Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Personen im eigenen Umfeld er-fahren werden. Dabei geht es darum, sich gegenseitig deutlich zu machen, unter welchen Bedingungen eine positive Entwicklung und Selbstverwirklichung möglich sind und wann nicht. Das heißt auch, dass jedes Individuum innerhalb seines sozialen Nahraums Familie, Partner:innen und anderen vermitteln kann, wann diese Grenzen anderer überschreiten und damit in ihrer Selbstverwirklichung beeinträchtigen.

WICHTIG:

In welchen Bereichen, wann und wie Menschen sich selbst verwirklichen, ist abhängig von ihnen selbst und den Umständen, in denen sie leben. Das bedeutet, dass struktu-relle (auch gesellschaftliche) Bedingungen und das Handeln von Personen einschrän-kend auf die Selbstverwirklichungsmöglichkeiten eines Menschen wirken können.

Daran setzen sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventive Konzepte an.

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