• Keine Ergebnisse gefunden

1. Einleitung

1.3 Präeklampsie

Die Präeklampsie ist eine Multisystemerkrankung, die zu den häufigsten und für Mutter und Kind gefährlichsten Schwangerschaftskomplikationen zählt. Während der Schwangerschaft entwickeln 10% der Frauen einen Hypertonus, wobei die Erkrankung der Präeklampsie weltweit 2-8% der Schwangeren betrifft (66). Die Präeklampsie und ihre schwerste Verlaufsform, die Eklampsie, sind mit 10-15% eine der Hauptursachen für maternale Mortalität und tragen einen erheblichen Anteil zur perinatalen Sterblichkeit und Morbidität bei(66).

Nach den Leitlinien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) ist die Präeklampsie definiert als ein neu aufgetretener Hypertonus (≥

140/90 mmHg) nach der 20. Schwangerschaftswoche und eine Proteinurie (≥ 300 mg/24h).

Jedoch wird die Präeklampsie auch als ein erstmals aufgetretener Hypertonus ohne Proteinurie mit mindestens einem der folgenden Symptome bezeichnet:

- Niereninsuffizienz (Kreatinin ≥ 0,9 g / l oder Oligurie< 500 ml/24h) - Leberbeteiligung (steigende Transaminasen und / oder rechtsseitige

Oberbauchschmerzen)

- Neurologische Symptome (Hyperreflexie, starke Kopfschmerzen, persistierende visuelle Störungen)

- Hämatologische Störungen (Thrombozytopenie, Hämolyse, disseminierte intravasale Gerinnung)

- Fetale Wachstumsrestriktion

Zu den schweren Verlaufsformen der Präeklampsie gehören das HELLP-Syndrom (Hemolysis, Elevated liver Enzymes, Low Platelet Count) mit Hämolyse, Anstieg der

Leberenzyme sowie einerThrombozytopenie von ≤ 100.000 / µl und die Eklampsie, die durch das Auftreten von tonisch-klonischen Krampfanfällen charakterisiert ist und der häufig Sehstörungen sowie Kopfschmerzen vorausgehen (67).

Pathophysiologie

Mittlerweile sind einige Faktoren bekannt, die auf ein erhöhtes Präeklampsierisiko hinweisen.

Zu den Risikofaktoren der Präeklampsie zählen (68, 69): - Mehrlingsschwangerschaft

- Erstgebärende

- Mütterliches Alter < 20 oder > 40 Jahre

- Vorangegangene Präeklampsie oder gehäuftes Auftreten in der Familie

10

- Mütterliche Vorerkrankungen wie Hypertonie, Diabetes mellitus,

Nierenerkrankungen, Gerinnungsstörungen oder Autoimmunerkrankungen - Body-Mass Index > 30 kg/m2

Jedoch kann grundsätzlich jede schwangere Frau an einer Präeklampsie erkranken, selbst wenn keine der oben genannten Risikofaktoren vorliegen.

In den letzten Jahren zeigten einige Studien, dass ein maternaler Vitamin D 3-Mangel einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Präeklampsie darstellt (6, 7) . Die Einnahme von 10-15 µg/d Vitamin D 3 während der Schwangerschaft konnte hingegen das Präeklampsierisiko um 27% reduzieren (70).

Die Schädigungen bei der Präeklampsie betreffen sowohl Leber, Niere, Gehirn als auch das Gerinnungs- und Endothelsystem (66, 71). Aufgrund dieses Symptomkomplexes vermutet man im Zentrum dieser Erkrankung eine generalisierte endotheliale Dysfunktion, die zur

entsprechenden Klinik führt. Zwar ist die genaue Pathophysiologie der Präeklampsie bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt, jedoch wird eine gestörte Plazentafunktion in der frühen Schwangerschaft als Hauptursache angenommen(72).

In der physiologischen Schwangerschaft differenzieren sich extraembryonale fetale Zellen in extravillöse Trophoblasten. Während der normalen Plazentation wandert diese Zellpopulation in der 10.-12. Schwangerschaftswoche in die Dezidua und in der 15.-17. SSW in die tieferen myometrialen Segmente der Spiralarterien ein. Die Trophoblasteninvasion führt zum

sogenannten Remodelling der Spiralarterien. Es kommt zum Verlust der myometrialen und elastischen Gefäßwandbestandteile, das Gefäßendothel wird durch nicht kontraktile

Trophoblastzellen ersetzt und dies führt zur Dilatation der Spiralarterien. Das mütterliche Hochdrucksystem wird in ein Niederdrucksystem mit einem niedrigen Gefäßwiderstand überführt, was den notwendigen erhöhten Blutfluss und damit die Versorgung des Feten während der Schwangerschaft sicherstellt (72-74).

Kommt es jedoch zu einer unzureichenden Trophoblasteninvasion in die Spiralarterien, ist die Dilatation der Gefäße inadäquat und der Gefäßwiderstand in den Spiralarterien erhöht, was letztendlich zu einer Minderperfusion der Plazenta und des Feten führt. Diese

Unterversorgung ist ursächlich für eine chronische Ischämie der Plazenta,

Wachstumsverzögerung des Feten und der konsekutiven Ausschüttung von vasoaktiven Substanzen wie Thromboxan, Angiotensin II oder Endothelin-1, sFlt-1 (soluble

fms-liketyrosine kinase-1) aus der Plazenta, die im mütterlichen Gefäßsystem eine generalisierte endotheliale Dysfunktion und dadurch die Symptome der Präeklampsie hervorrufen können.

11

Als Ursache dieser gestörten Trophoblasteninvasion bei der Präeklampsie wird eine inadäquate systemische maternale Immunantwort gegen die fetalen Antigene der Trophoblasten diskutiert (72, 75).

Die generalisierte endotheliale Dysfunktion wird zurzeit als zentraler Verknüpfungspunkt in der pathogenetischen Kausalkette zwischen der gestörten Plazentation und der klinischen Symptomatik der Präeklampsie angesehen (48, 76, 77)

. Eine der wichtigsten Funktionen des Endothels ist die Regulation des Gefäßtonus und damit die adäquate Blutversorgung der Organe sowie die Initiierung und Hemmung der Hämostase. Bei der Präeklampsie ist die Balance zwischen endothelialen Vasodilatatoren (Stickstoffmonoxid, Prostazyklin) und Vasokonstriktoren (Endothelin, Thromboxan) gestört (78, 79). Es herrscht eine periphere Vasokonstriktion, die zu einer Erhöhung des Blutdrucks und zu einer pathologisch

verminderten Perfusion von nahezu jedem Organ führt. Folgen sind ischämische

Veränderungen und intravasale Gerinnungsstörungen (78, 80) . Die Vasokonstriktion wird zusätzlich durch eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems verstärkt, die

wiederum zu einer inadäquaten Sekretion von vasoaktiven Substanzen im Endothel führt (81). Die hierdurch bedingte Schädigung des Endothels lässt sich in vielen Organen von

präeklamptischen Frauen auch morphologisch nachweisen. Bei der Präeklampsie sind Veränderungen des Nierenendothels zu beobachten, die sich bei keiner anderen Form des Bluthochdrucks nachweisen lassen. Diese spezifische glomeruläre Endotheliose mit

Endothelschwellung und subendothelialen Flüssigkeitsdepots (Leaky Vasculature) führt zum Verlust der Barrierefunktion und damit zu einer erhöhten Permeabilität mit Proteinurie (82). Zwar gibt es derzeit keinen Marker, der spezifisch die Funktion des Endothels anzeigt, jedoch deuten erhöhte Plasmawerte von Fibronektin, von Willebrand-Faktor, Thrombomodulin sowie die erhöhte Anzahl zirkulierender Endothelzellen bei präeklamptischen Frauen auf eine

endotheliale Dysfunktion hin (76, 83, 84)

. Außerdem zeigen die Arbeiten von Lin et al., dass die Anzahl der ECFC als Marker der Endothelgesundheit und Reparaturkapazität des Endothels bei Patientinnen mit Präeklampsie um das 4fache reduziert ist (4).

12

Therapie

Da ein schlüssiges und umfassendes Konzept zur Pathophysiologie der Präeklampsie fehlt, ist die einzige kausale Therapie dieser Erkrankung bis heute die Entbindung. Rein

symptomatische Therapiemaßnahmen konzentrieren sich lediglich auf die Stabilisierung des Krankheitsbildes bis zur Entbindung (72). Die initiale Behandlung einer Präeklampsie muss in der Regel unter stationärer Beobachtung erfolgen. Engmaschige Blutdruck- und

Laborkontrollen sowie die Überwachung der Urinausscheidung und des CTG

(Cardiotocography) sind für eine optimale Patientenversorgung erforderlich (67). Vor Indikationsstellung zur antihypertensiven Therapie ist das Risiko für die Mutter und den Fetus abzuwägen. Die antihypertensive Therapie ist hinsichtlich der fetalen Entwicklung und der kindlichen Prognose problematisch, da sie statistisch mit einer erhöhten Rate an

wachstumsretardierten Kindern und einem verminderten Geburtsgewicht einhergeht (85) und in erster Linie der Prävention zerebrovaskulärer Komplikationen bei der Mutter dient (86). Nach den aktuellen Leitlinien sollte sie erst bei anhaltenden Blutdruckwerten von ≥170 mmHg systolisch und / oder ≥110 mmHg diastolisch begonnen werden (67). Bestand der Hypertonus schon vor der Schwangerschaft oder leidet die Mutter zusätzlich an einer Nierenerkrankung oder einem Diabetes mellitus, sollten Blutdruckwerte schon ab ≥160/100 mmHg behandelt werden (67). Das Antihypertensivum der ersten Wahl zur Langzeitanwendung ist

α-Methyldopa. Nifedipin, selektive ß 1-Rezeptorblocker sowie Dihydralazin sind eingeschränkt geeignet. Zur Anfallsprophylaxe bei schwerer Präeklampsie ist die intravenöse Gabe von Magnesiumsulfat indiziert, welches eine signifikante Reduktion des Eklampsierisikos erreichen konnte (67, 86).

Bei Patientinnen mit Präeklampsie ist die Entbindung nach der abgeschlossenen 37.

Schwangerschaftswoche (SSW) grundsätzlich indiziert. Bei Patientinnen mit einer schweren Präeklampsie ab der vollendeten 34. SSW sowie bei schwerer fetaler Wachstumsrestriktion und pathologischen fetoplazentaren Blutflussparametern sollte eine Entbindung ebenfalls angestrebt werden. In allen Fällen muss jedoch abhängig vom Schwangerschaftsalter eine strenge Risikoabwägung hinsichtlich des maternalen und fetalen Risikos erfolgen sowie eine individuelle Entscheidung zum abwartenden Verhalten unter engmaschiger Kontrolle versus einer vorzeitigen Entbindung getroffen werden (67).

13

Prädiktionsmöglichkeiten

Die Diagnosestellung der Präeklampsie mittels Blutdruckmessung und Proteinnachweis im Urin kann zurzeit erst in einem bereits manifesten Krankheitsstadium erfolgen. Allgemein anerkannte und sichere Verfahren zur Prädiktion der Präeklampsie sind bis heute nicht

verfügbar. Die Dopplersonographie der Arteriae uterinae wird bei Risikopatientinnen als nicht invasive Screeningmethode verwendet. Bei einem erhöhten Pulsationsindex und einer

bilateralen frühdiastolischen Inzisur („Notch“) im Profil der Hüllkurve in den Arteriae uterinae zwischen der 11.-14. Schwangerschaftswoche liegt die Sensitivitätjedoch nur bei 27% und erscheint daher als fester Screeningparameter nicht geeignet (87). Ein Fokus der derzeitigen Forschung liegt deshalb auf der Etablierung neuer Serummarker, die die

Vorhersagekraft verbessern. Dazu bieten sich Angiogenesefaktoren wie VEGF und PIGF (Placental Growth Factor) sowie sFLT-1 und das lösliche Endoglin (soluble Endoglin, sEndoglin) an. Die Expression von VEGF und PIGF in der Plazenta ist im Vergleich zur normalen Schwangerschaft bei Frauen mit Präeklampsie deutlich erniedrigt (8, 88). Besonders vielversprechend als Vorhersageparameter der Präeklampsie ist das sFLT-1, das als lösliches Fragment des VEGF-Rezeptors schon einige Wochen vor der Manifestation der Erkrankung im Serum der Mutter erhöht nachweisbar ist und zur Hemmung der Angiogenese führt (89, 90). Auch der Serumspiegel von sEndoglin ist bei Schwangeren, die eine Präeklampsie entwickeln, bereits in der 17. – 20. SSW auf das Doppelte erhöht (91). Die Kombination aus der Anamnese mütterlicher Risikofaktoren mit der Dopplersonographie der Arteriaeuterinae sowie der Messung von sEndoglin und PIGF in der 11. – 13. Schwangerschaftswoche ergab eine Detektionsrate von 96,3% (92). Fortschritte in diesem Bereich geben Hoffnung für eine gezielte Betreuung durch Früherkennung, was eine intensivere Überwachung der Patientin ermöglicht und so schwere Komplikationen der Präeklampsie vermindern könnte. Zudem zeigten Sibai et al, dass die tägliche Gabe von 60 mg ASS (Acetylsalicylsäure) von der 13. bis 26. SSW bei gesunden Schwangeren eine geringere Präeklampsie-Inzidenz bewirkt, jedoch auch mit einer höheren Rate an vorzeitigen Plazentalösungen assoziiert ist (93). Auch konnten Präeklampsiesymptome wie Bluthochdruck in Mäuseversuchen mittels ASS verhindert oder gelindert werden (94). Laut Caritis et al. konnte bei Hochrisikopatientinnen jedoch kein reduziertes Präeklampsierisiko durch die Einnahme von ASS nachgewiesen werden(95, 96).

14