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“The importance of the military in today’s struggle is clear to us all. My concern tonight is with an even more powerful weapon than the gun , and that is , the idea. [ … ]

What we must win now , during the war , are the principles”386 ( Wendell L. Willkie , 16. November 1942 ) Bezüglich der während der Kriegsjahre entstandenen Reeducation-Konzepte ist zunächst interessant , wie das zuvor in Europa als weitgehend „kulturlos“ angesehene Amerika ange-sichts der Bedrohung der gesamten „zivilisierten Welt“ durch Faschismus und Nationalso-zialismus nicht nur mit einer tiefgehenden inneramerikanischen Bildungsreformdiskussion reagierte , sondern sich darüber hinaus – sozusagen vis à vis der NS-Barbarei – erstmals als führende „Kulturnation“ des Westens definierte , deren eigene politische , bildungspoliti-sche und kulturelle Vorgaben für die projektierte Reeducation nach Kriegsende das zent-rale Modell für die gesellschaftliche Demokratisierung bildeten.

Die fundamentale , weltweite Bedrohung von Freiheit , Frieden und Demokratie durch den Nationalsozialismus hatte gravierende Auswirkungen auf die Einschätzung Deutsch-lands als „Kulturnation“ in der amerikanischen Öffentlichkeit.

Der aggressive Antiamerikanismus der NS-Propaganda , die nationalsozialistische Ver-höhnung von Pazifismus , Liberalismus , Demokratie und Parteienwesen , amerikanische Berichte über die Pervertierung des deutschen Erziehungswesens , über die Militarisierung der Gesellschaft , über brutalen Rassismus sowie über Konzentrationslager387 ersetzte be-reits lange vor Kriegsausbruch das Bild Deutschlands als Land der „Dichter und Denker“

durch das eines in vollständige Barbarei388 zurückgefallenen Staates , dessen europäische

386 Wendell L. Willkie , Economic Freedom for the world. Address on Monday evening , November 16 , 1942 , before the Eleventh Forum on Current Problems , under the auspices of the New York Herald Tribune. Zit.

nach : Representative American Speeches : 1942–1943. Selected by A. Craig Baird , New York 1943 , 103 bzw. 108.

387 So wuchs sich ein Vortrag von Friedrich Schönemann am 26. November 1933 vor dem Ford Hall Forum in Boston in der amerikanischen Presse zu einem regelrechten Skandal aus , da er , angesprochen auf die Zustände in deutschen Konzentrationslagern , beschwichtigend erklärt hatte , dass die Insassen „[ were ] living in cleanliness and order , almost as though they were in college.“ Zit. nach : Gassert , Amerika im Dritten Reich , a. a. O., 121 f.

388 Vgl. Erika Mann , School for Barbarians. Education under the Nazis , New York 1938 [ in Deutsch : Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich , München 1986 ]. Über die Entwicklungen im totalitären Eur-opa berichtete ein Fülle einschlägiger Literatur bzw. Fachliteratur , die z. T. in der Karl

Stadler-Studienbi-Hegemonialpolitik zunehmend als politische und ideologische Bedrohung auch für die USA gesehen wurde.

Noch bevor die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu einem Waffen-gang unter Einsatz aller verfügbaren militärischen Mittel wurde , sah sich das zivilgesell-schaftliche Amerika mit Ausbruch des Weltkrieges in einen fundamentalen Krieg der Weltanschauungen , in ein Armageddon zwischen Freiheit und Sklaverei389 hineingezogen , dessen unmittelbare Folge eine intensive nationale Selbstvergewisserung des Realzustands des US-Bildungssystems sowie der zugrundeliegenden moralisch-ideellen Werte bilde-te. In einer nach Kriegende publizierten Analyse verwies der US-Bildungswissenschafter Isaac L. Kandel390 darauf , dass die US-Regierung spätestens ab 1940 intensiviert Fragen nach dem Zusammenhang von Wehruntauglichkeit bei jungen Rekruten , Illiterarität und sozialer Ungleichheit aufgegriffen wurden :

“World War II brought the country to a clear realization that education is a national concern and that , if the faith of the American people in education and in the ideal of giving every po-tential citizen a chance for his fullest development is to continue , the resources of the nation

bliothek des Österreichischen Volkshochschularchivs in Originalausgaben erhalten ist. So z. B. : Winfred Ernest Garrison , Intolerance , New York , 1934 ; Franz Neumann , The Decay of German Democracy. In : The Political Quarterly , 1933 , Heft 4 , 525–543 ; Fredrick L. Schumann , Nazi Dictatorship. A Study in Social Pathology and the Politics of Fascism , New York 1936 ; Howard R. Marraro , The New Education in Italy , New York 1936 ; Margaret M. Ball , Post-War German-Austrian Relations : The Anschluss Mo-vement , 1918–1936 , Stanford 1937 ; Richard Keane ( Ed. ), Germany what next ? London 1939 ; Konrad Heiden , One man against Europe , London 1939 ; Jan Peterson , Germany beneath the Surface. Stories of the Underground Movement , London – Melbourne 1940 ; Franz Neumann , Behemoth. The Structure and Practice of National Socialism , London 1942 ; Oscar Paul , Underground Europe , London 1942 ; H. R. Knoickerbocker , Is tomorrow Hitler’s ? 115 Questions on the battle of mankind , London 1941 ; Walter M. Kotschnig , Slaves Need No Leaders. An Answer to the Facist Challenge to Education , New York 1943.

389 „Democracy is freedom“ schrieb die New York Times August 1939 und fügte an : „The contest to-day is not between democracy and something newer and therefore presumably better called totalitarism. It is a choice between the familiar thing called freedom and the very old thing called slavery.“ New York Times , August 1939. Zit. nach : School and Society , Vol. 50 , No. 1286 , August 19 , 1939 , 250.

390 Isaac Leon Kandel ( 1881–1965 ), gebürtiger Rumäne und aufgewachsen in Großbritannien , studierte an der University in Manchester Erziehungswissenschaften , wo er bei Michael Sadler über die Lehrerausbil-dung in deutschen Grundschulen promovierte. Kandel , der viel reiste und auch beim Herbartianer Wil-helm Rein an der Universität Jena studierte , entwickelte sich bald zu einem der führenden vergleichenden Erziehungswissenschafter. Nach Fertigstellung einer Studie über Woodrow Wilson gemeinsam mit Paul Monroe 1918 nahm er 1920 die amerikanische Staatsbürgerschaft an ; 1923 wurde Kandel ordentlicher Professor am Teachers College der Columbia University. In der Folge hatte Kandel u. a. Gastprofessuren an den Universitäten Yale und Johns Hopkins inne. Siehe : Erwin Pollack , Isaac Leon Kandel ( 1881–

1965 ). In : PROSPECTS. The Quarterly Review of Comparative Education , Vol. 23 , No. 3 / 4 , 1993 , 775 ff.

Kandel war u. a. auch Autor des Buches „The Making of the Nazis“, New York 1935 , in dem er sich u. a.

eingehend mit der NS-Erziehung beschäftigte.

must be pooled. [ … ] During the war realization of the existing inequalities was sharpened by the reports of the Selective Service on the number of young men who had to be rejected on ac-count of mental and physical deficiencies. The figures on illiteracy only helped to confirm the reports of the census of 1940 on the subject.”391

Erst im Kontext der breit geführten inneramerikanischen Auseinandersetzung zu den Werten und Grundlagen der Demokratie tauchten erste Überlegungen hinsichtlich der Frage auf , was in der historischen Entwicklung des „deutschen Charakters“ schief gelau-fen sein könnte und wie nach Kriegsende durch geeignete Rekonstruktions-Maßnahmen eine nachhaltige , friedensichernde Demokratisierung der Achsenmächte zu erreichen wäre.

„Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als

Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft

„Tarzan : Jetzt ist Sandra vor ihnen sicher. Was sind das für Männer ? Sandra : Deutsche Soldaten. Sie haben unser Volk zu Sklaven gemacht.

Tarzan : Du meinst , diese Männer sind Nazis ?“392 Tarzan Triumphs ( Tarzan and the Nazis ), 1943 Die Ausbreitung des Faschismus beziehungsweise des Nationalsozialismus in Europa , die schnellen Erfolge des deutschen „Blitzkriegs“ im Frühjahr und Sommer 1940 , der ideolo-gische Kreuzzug gegen Amerika und seine Werte und Ideale der „free world“, aber auch die Parteinahme und Unterstützung Großbritanniens bei gleichzeitiger Intensivierung der ei-genen Verteidigungsbereitschaft hatten zur Folge , dass in der amerikanischen Öffentlich-keit eine breite Diskussion über demokratische Grundwerte und die notwendige Stärkung der geistigen Abwehrkräfte der Nation einsetzte.

391 I. L. Kandel. The Impact of the War upon American Education , Chapel Hill , N. C. 1948 , 7.

392 Im Kampf gegen den Nationalsozialismus wurden auch populäre Filmstoffe des US-Unterhaltungskinos in allegorisch-parodistischer Weise ideologisiert. In der vom U. S. State Department finanzierten Film-produktion „Tarzan Triumphs“ ( Tarzan und die Nazis ) 1943 unter der Regie des emigrierten österreichi-schen UFA-Regisseurs William [ Wilhelm ] Thiele ( 1890–1875 ) kämpft Johnny Weismüller auf Basis der Romanvorlage des Tarzan-Erfinders Edgard Rice Burroughs gegen im Dschungel abgestürzte Nazis und schreckt dabei selbst nicht vor grausamen Bestrafungsmaßnahmen zurückt. In einer Szene telephoniert Tarzans Schimpanse Cheeta mit Grunz- und Kreischlauten mit NS-Offizieren in Deutschland und wird dabei akkurat für den „Führer“ gehalten. Vgl. Rudolf Ulrich , Österreicher in Hollywood , Wien 2004 , 523 f. ; weiters : Caroline Joan Picquard , The Holocaust Film Source book. Documentary and Propaganda , Westport 2004 , 472 f. ; zu Wilhelm Thiele siehe : Klaus Kreimeier , The Ufa-story. A history of Germany’s greatest film company , 1918–1945 , New York 1996 , 325 f.

Bevor Fragen zu konkreten Maßnahmen im Zusammenhang des „postwar planning“ er-hoben wurden und die Debatte um die Reeducation des totalitären Europa zu den Werten von Demokratie und Freiheit begann , etablierte sich , angeführt vom Diskurs an Colleges , Universitäten und in akademischen Fachzeitschriften ein mit großem Aufwand geführter nationaler Abwehrkampf ; darin ging es um Aufklärung über die Grundlagen der Demo-kratie , um die Stärkung der nationalen Moral und um eine vorbeugende „Impfung“ gegen indoktrinär-dogmatische Beeinflussung.

Ab dem Ende der Dreißigerjahre erschien in den USA eine regelrechte Flut von Pu-blikationen auch überaus prominenter Autoren wie unter anderen vom Kultursoziologen Lewis Mumford393 oder vom Politikwissenschafter Harold J. Laski ,394 die sich mit Fragen der Erziehung zur Demokratie , der Bedrohung westlicher Zivilisation oder der Erziehung im Faschismus und Nationalsozialismus beschäftigten.395

Die Eindringlichkeit und Intensität , mit der in diesem Zusammenhang gerade Er-ziehungsfragen gestellt wurden , erklärt sich aus der zentralen Rolle und Bedeutung , die

„Education“ innerhalb der amerikanischen Demokratie seit jeher inne hat.

Von Thomas Jefferson , über Horace Mann bis hin zu John Dewey ,396 dem wohl bedeu-tendsten amerikanischen Erziehungstheoretiker und Pädagogen , beruht der Glaube – der

„Pedagogic Creed“397 – an ein stabiles Funktionieren der pluralistischen , individuell-egali-tär organisierten demokratischen Gesellschaft der Vereinigten Staaten traditionell auf der Vorstellung einer durch praktische demokratische Erfahrung ( „learning by doing“ ) und Wissen gebildeten Öffentlichkeit. Nicht Lernen als Selbstzweck , sondern Lernen verstan-den als „problem solving“,398 eine auf aktive Partizipation gerichtete soziale Erziehung ,399

393 Lewis Mumford , Faith for Living , New York 1940.

394 Harold J. Laski , The Rights of Man , London 1940.

395 Vgl. Alina M. Lindgren , Education in Germany ( U. S. Department of the Interior , Office of Education Bulletin , No. 15 ), Washington D.C. 1939 ; Hermann Rauschnig , The Voice of Destruction , New York 1940 ; Lyman Bryson , Which Way America ? Communism – Fascism – Democracy , New York 1939 ; Hans Kohn , Not by Arms Alone. Essays on our Time , Cambridge 1940 ; Edward Charles Merriam , The New Demo-cracy and the New Despotism , New York 1939 ; Ralph Barton Perry , Shall Not Perish From the Earth , New York 1940 ; Douglas Miller , You Can’t Do Business With Hitler , Boston 1941. Darüber hinaus lag auch die kurzgefasste Darstellung des NS-Reichsministers für Wissenschaft , Erziehung und Volksbildung , Bernhard Rust , in Englischer Übersetzung auf : Bernhard Rust , Education and the Third Reich , London 1939.

396 John Dewey ( 1859–1952 ), US-amerikanischer Philosoph und bedeutender Erziehungsreformer , der über Immanuel Kant dissertiert hatte und das europäische Bildungssystem gut kannte. In seiner 1915 veröf-fentlichten Schrift „Imperial Germany and the Industrial revolution“ kritisierte Dewey die militaristisch-autokratischen Aspekte der deutschen Kulturtradition , die er insbesondere durch den deutschen Idealis-mus geprägt sah. Siehe : Deutsch-Amerikanischer Kulturaustausch im 20. Jahrhundert , a. a. O., 49.

397 So der Titel der berühmten und nachhaltig prägenden Erklärung Deweys zu Fragen der Erziehung. Vgl.

John Dewey , My Pedagogic Creed. In : The School Journal , Vol. LIV , No. 3 , January 16 , 1897 , 77–80.

398 John Dewey , Progressive Education and the Science of Education. In : Progressive Education , 5 , 1928 , 197.

399 An dieser Stelle ist zu erwähnen , dass die antiautoritär ausgerichtete deutsche Reformpädagogik von der Jahrhundertwende bis in die Zwanzigerjahre ( „Jena-Plan“ ) starke Anleihen an Deweys Theorie

be-die Idee der Verantwortlichkeit des Einzelnen , be-die Ausbildung eines gemeinsamen Wer-tesystems auf Basis des puritanischen Glaubens an individuelle Leistungsfähigkeit sowie die Leitidee „that all man are created equal“400 bilden die Elemente , aus denen sich nach Auffassung der pragmatischen Erziehungsphilosophie der Fortschritt und die Integrati-on der Gesellschaft – trotz aller ethnisch-kulturellen Unterschiede der gesellschaftlichen Gruppen – zusammensetzen.401 Die Realität des „Pedagogic Creed“ bestätigte auch der in die USA emigrierte Carl Zuckmayer in seinem nach Kriegsende erschienenen Amerika-bericht , worin er der traditionell autoritären Bildungsauffassung Europas unter anderem die amerikanische gegenüberstellte :

„Amerika glaubt an Erziehung , das ist einer seiner fundamentalen Glaubensartikel , an Erzie-hung als Mittel zur Welt- und Lebensgestaltung und an die Erlernbarkeit alles Wesentlichen , und darin liegt auch ein Teil seiner Schwäche und seiner Stärke. Europa glaubt aus seiner humanistischen Tradition heraus an Bildung , die in ihrer höchsten Bedeutung an ein Privileg gebunden ist , ein Privileg der Berufung oder der Standesvorzüge. Amerika kennt kein Privileg , darin liegt seine wunderbare menschliche Freiheitlichkeit und Generosität.“402

Im direkten Gegensatz zur „etatistisch-autoritären deutschen und japanischen Erziehungsphilosophie“,403 die Bildungs- und Erziehungsprozesse weitgehend abgekop-pelt vom öffentlichen politischen Leben betrachtet , ist die pragmatische Auffassung von

ziehungsweise am amerikanischen Bildungs- und Erziehungssystem ( Stichwort : koedukative Einheits-schule ) nahm. Vgl. dazu : Val D. Rust , The German Image of American Education through the Weimar Period. In : Paedagocica Historica. International Journal of History of Education , XXXIII , 1997 , 1 , 31 ff. ; weiters : Hermann Röhrs , Progressive Education in the United States and ist Influence on Related Edu-cational Developments in Germany. In : Ebd., 55 ff.

400 So der Wortlaut der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776. Vgl. Henry Steele Co-mager ( Ed. ), Documents of American History , New York 1942 , 100.

401 In einer Rede vor dem „National University Extension Association meeting“ meinte der Präsident der University of California , Robert Gordon Sproul , diesbezüglich : „Americans have made almost a fetish of public education because it was obvious that , without the tools of intelligence and without facts to serve intelligence as guideposts , the people of this country would be unable to function efficiently as citizens of a democracy , and the Constitution would become only a scrap of paper recording a dream that could not be realized. [ … ] If democratic individuals are to hold their own against the increasing pressure of totalitarian sycophants , education must be a lifetime process.“ Robert Gordon Sproul , Adult Education and the State.

In : School and Society , Vol. 50 , August 12 , 1939 , No. 1285 , 192–193.

402 Carl Zuckmayer , Amerika ist anders. In : Alfred Gong ( Hrsg. ), Interview mit Amerika. 50 deutschspra-chige Autoren in der neuen Welt , München 1962 , 396.

403 Beate Rosenzweig , Erziehung zur Demokratie ? Amerikanische Besatzungs- und Schulreformpolitik in Deutschland und Japan , Stuttgart 1995 , 69 ; siehe dazu weiters : Felicitas Hentschke , Demokratisierung als Ziel der amerikanischen Besatzungspolitik in Deutschland und Japan 1943–1947 (= Studien zu Geschichte , Politik und Gesellschaft Nordamerikas , Bd. 16 ), Hamburg 2001 ; vgl. dazu auch : James F. Tent , Mission on the Rhine. Reeducation and Denazification in American-Occupied Germany , Chicago – London 1982 , 5 ff.

„education“ in der amerikanischen Demokratie synonym gesetzt mit Demokratie selbst – gewissermaßen Demokratie in actu.404 So gesehen ist Demokratie freilich eng mit zivilge-sellschaftlicher Aktivität verknüpft : „Democracy is not merely a form of government but a way of life , a set of social habits , a code of ethics.“405

Diese leitmotivische Auffassung eines direkten politischen Konnexes zwischen De-mokratie und „Education“ brachte Präsident Franklin D. Roosevelt auf den Punkt , in-dem er 1932 anlässlich einer Rede konstatiert hatte : „the greatest duty of a statesman is to educate.“406 Und sieben Jahre später präzisierte er – angesichts des soeben ausgebrochenen Zweiten Weltkrieges – in einem offenen Brief an alle „Patrons , Students , and Teachers of American Schools“ die humanitäre Mission amerikanischer Erziehung und Bildung :

“From kindergarten through college our schools train us to use the machinery of reason ; par-liamentary practice ; the techniques of cooperation ; how to accept with good grace the will of a majority ; how to defend by logic and facts our deep convictions. This is education for the Ameri-can way of life [ … ]. To the resolution of conflicts and struggles of life , democracy supplies no easy answer. The easy answer , the quick but incomplete answer , is force : tanks and torpedoes , guns and bombs. [ … ] In our schools our coming generations must learn the most difficult art in the world – the successful management of democracy. [ … ] And let us hope that out of our schools may come a generation which can persuade a bleeding world to supplant force with reason.”407 [ Hervorhebung d. Verf. ]

Vor dem Hintergrund dieses spezifisch politischen Verständnisses von demokratischer

„Education“ innerhalb der amerikanischen Gesellschaft erklären sich die intensiven Akti-vitäten , die ab 1939 im Kontext der „Education in Wartime“ zu verzeichnen sind.

Den Auftakt bildete ein dreitägiger , groß angelegter „Congress on Education for De-mocracy“ unter Begleitschutz von Präsident Franklin D. Roosevelt , der am 15. August 1939 am Teachers College der Columbia University in New York eröffnet wurde , und an dem –

404 Nach Deweys Vorstellung sollte jede Schule in nuce ein demokratisches Labor darstellen. „To do this me-ans to make each one of our schools an embryonic community life , active with types of occupations that reflect the life of the larger society and permeated throughout with the spirit of art , history , and science.“

John Dewey , The School and Society , Chicago 1942 [ 1900 ] , 27.

405 Edwin G. Conklin , Education for Democracy [ Eröffnungsansprache vor der vierten Generalversammlung der National Education Association in San Francisco am 5. Juli 1939 ]. Abgedruckt in : School and Society , Vol.

50 , Saturday , August 5 , 1939 , No. 1284 , 161.

406 Franklin D. Roosevelt anlässlich einer Rede vor dem Commonwealth Club in San Francisco 1932. In : Samuel I. Rosenman ( Ed. ), The Public Papers and Addresses of Franklin Roosevelt. Vol. I : The Genesis of the New Deal , 1928–1932 , New York 1938 , 742–756.

407 Offener Brief von Franklin D. Roosevelt anlässlich der „American Education Week“: „To the Patrons , Students , and Teachers of American Schools“, The White House , Washington D.C., October 2 , 1939.

Abgedruckt in : School and Society , Vol. 50 , Saturday , October 28 , 1939 , No. 1296 , 1.

neben zahlreichen amerikanischen und britischen Wissenschaftern – unter anderen der frühere britische Premierminister , Stanley Baldwin ( Earl Baldwin of Bewdley ), der Prä-sident des französischen Abgeordnetenhauses , Edouard Herriot , der frühere polnische Minister John M. Ciechanowski sowie Ernest Bevin , späterer britischer Arbeits- und Au-ßenminister und zum damaligen Zeitpunkt Generalsekretär der britischen Transportarbei-tergewerkschaft , teilnahmen.408

In der Vorankündigung der Konferenz verwies der Präsident der Columbia University , Nicholas Murray Butler ,409 auf die Zielsetzung der Zusammenkunft , nämlich auf die Ver-teidigung der Demokratie „as a form of government and as a way of life“ durch Erziehung :

„If we would protect democracy we must learn to defend it. We must also learn to advance it , and this defense and advance must come in the democratic way , the democratic spirit.

That is why it is a problem of education.“410

In seiner Eröffnungsrede verstand es der Dekan des Teachers College an der University of Columbia , William F. Russel , die Frage nach der spezifischen Verantwortung der „Edu-cation“ hinsichtlich der Verteidigung der Demokratie in eine prägnante Formel zu gießen :

“The ‘first line of defense’ of democracy is education. You cannot shoot an idea. The defense against a bad idea is a better idea ; the defense against a half truth is a truth ; the defense against propaganda is education ; and it is in education that democracies must place their trust.”411 [ Hervorhebung d. Verf. ]

Den elementaren Zusammenhang von Bildung und Erziehung mit dem Funktionieren einer gelebten Demokratie strich auch US-Präsident Roosevelt in einem offenen

Geleit-408 Unter den teilnehmenden amerikanischen Institutionen befanden sich unter anderen : die American Asso-ciation of University Women , die American Bankers AssoAsso-ciation , die American Federation of Labor , die National Association of Manufacturers , der National Negro Congress , die Chamber of Commerce of the United States of America , der Congress of Industrial Organization , die Farmers’ Educational and Coope-rative Union of America , die American Association of Advertising Agencies , Kiwanis International , Lions International oder der National Congress of Parents and Teachers. In Summe verzeichnet das Educational Directory des U. S. Office for Education 1941 über 450 bundesweit ( ! ) agierende Bildungseinrichtungen.

409 Der Pädagoge und Friedensnobelpreisträger [ 1931 ] Nicholas Murray Butler ( 1862–1947 ), der Mitte der 1880er Jahre bei Johann G. Droysen und Friedrich Paulsen in Berlin studiert hatte , war bereits Jahrzehnte zuvor einer jenen zentralen US-amerikanischen Gelehrten , die sich aktiv für einen amerikanisch-deutschen Kulturaustausch einsetzten : so hatte er 1906 die „Roosevelt-Bibliothek“ in Berlin begründet , aus der dann

409 Der Pädagoge und Friedensnobelpreisträger [ 1931 ] Nicholas Murray Butler ( 1862–1947 ), der Mitte der 1880er Jahre bei Johann G. Droysen und Friedrich Paulsen in Berlin studiert hatte , war bereits Jahrzehnte zuvor einer jenen zentralen US-amerikanischen Gelehrten , die sich aktiv für einen amerikanisch-deutschen Kulturaustausch einsetzten : so hatte er 1906 die „Roosevelt-Bibliothek“ in Berlin begründet , aus der dann