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3 Experimenteller Teil

4.5 Alterung unter Realbedingungen

4.5.2 Post-mortem Analyse

Ein analoges Muster zeigt sich auch auf der Anode der ungeladenen Zelle. Hier erschei-nen die Punktdefekte jedoch heller als die übrige Elektrodenoberfläche und es treten me-tallisch glänzende Ablagerungen auf. Bei Betrachtung mittels der Mikroskopkamera wird eine in beiden Ladezuständen vergleichbare Feinstruktur der Defektstellen deutlich, wie im rechten Teil in Abb. 78 dargestellt ist. Sie gliedern sich in einen inneren Kreis, der kon-zentrische Lithiumablagerungen aufweist, und einen äußeren Kreis, der als Vorhof den beschriebenen Farbkontrast zur sonstigen Elektrode zeigt.

Punktförmige entladene Anodenbereiche bei gleichzeitiger Lithiumplattieung wurden be-reits von Cannarella und Arnold[135] als Folge von Porositätsdefekten im Separator be-schrieben. Bevorzugte Strompfade um die Defektstelle herum führten demnach zu Lithi-umplattierung, die einen kreisrunden ungeladenen Defektbereich umgrenzt.

Das optische Erscheinungsbild des Separators lässt vermuten, dass auch im vorliegen-den Fall ein Zusammenhang zwischen Separatorveränderung und Defektstellen auf der Anode besteht. Er weist im Bereich der Defektstellen, wie in Abb. 79 zu sehen, eine Braunfärbung auf, die auf thermische Degradation hinweist und im Zentrum der Defekte am intensivsten ist.[162] Die Detailanalyse von Separatorquerschnitten im Elektronenmikro-skop belegt signifikante strukturelle Veränderungen der Separatormembran an den De-fektstellen. Im rechten (grün umrandeten) Teil der Abbildung ist die typische dreilagige Struktur des PP/PE/PP-Separators zu erkennen.

Alle Schichten weisen eine dreidimensionale Netzstruktur auf, wobei die innere Lage grobmaschiger ist als die äußeren. Unmittelbar im Zentrum der Defektstelle ist diese Struktur in keiner der Schichten vorhanden. Das Material ist agglomeriert und die Porosi-tät deutlich herabgesetzt. Insbesondere in den Detailabbildungen der äußeren Lage zeigt sich, dass die Hohlräume inhomogen verteilt sind und kaum Kanäle existieren, die einen ungehemmten Elektrolyttransport gewährleisten können.

Abb. 79: Übersichtsbild des Separators mit braun verfärbten Defektstellen (Mitte) und REM-Aufnahmen von Querschnitten an den markierten Stellen innerhalb des Defekts (links) und in

einem optisch unauffälligen Bereich (rechts)

Nicht abschließend zu beurteilen ist, ob diese Strukturveränderungen Folge der lokalen Lithiumplattierung oder deren Ursache sind. Die herabgesetzte Porosität stellt eine plau-sible Erklärung für das Muster der beobachteten Abscheidung des Lithiums dar. In der inhomogenen Porenstruktur mit nur wenig freien Transportwegen für die Ionenleitung ist mit lokal bevorzugten Strompfaden zu rechnen, die eine erhöhte Stromdichte aufweisen.

So kann es zur Lithiumplattierung kommen. Andererseits wird der übrige Defektbereich in Folge der Transporthemmung weniger stark geladen. Dies würde den nur teilgeladenen Vorhof der Defektstellen erklären.

Geht man andererseits von Lithumplattierung als initialem Phänomen aus, so kann die Separatordegradation Folge eines bereits erfolgten Mikrokurzschlusses sein. Gestützt wird diese Annahme durch elektronenmikroskopische Aufnahmen der geladenen Anode, die in Abb. 78 gezeigt sind. Die Lithiumablagerungen lassen sich als dunkel erscheinende kompakte Deckschicht deutlich vom zentralen Bereich der Defektstelle unterscheiden, der im Vergleich zum umliegenden Elektrodenbereich eine veränderte, netzartige Oberflä-chenstruktur aufweist. In der EDX-Mappingmessung, im Bereich (1b) von Abb. 80 gezeigt, lässt sich Kohlenstoff als Hauptkomponente der Netzstruktur nachweisen. Da die Morpho-logie sich deutlich von der partikelartigen oder lamellaren Struktur des Graphits unter-scheidet, handelt es sich wahrscheinlich um Anhaftungen des Separators. Dies ist ein Indiz für ein lokales Aufschmelzen des Separators in Folge eines Mikrokurzschlusses.

Beiden Erklärungsmustern ist gemein, dass punktartige, periodisch auftretende Stromdichtemaxima zu Lithiumablagerungen an den entsprechenden Bereichen führen.

Abb. 80: Elektronenmikroskopische Aufnahmen der Oberfläche der geladenen Anode mit netzarti-gen Strukturen im Zentrum (1a,b) und kompakten Ablagerunnetzarti-gen im Umfeld (2).

Eine Quantifizierung der an den Defektstellen abgeschiedenen Mengen metallischen Li-thiums ist über die Schichtdicke angesichts der geringen bedeckten Flächen nicht mög-lich. Aufschluss über die Reversibilität der Metallabscheidung gibt jedoch der Vergleich der Anodenquerschnittbilder im geladenen und ungeladenen Zustand.

An mehreren Stichproben konnte bestätigt werden, dass die Lithiumschichtdicken an ver-schiedenen Defektstellen untereinander näherungsweise identisch sind. Lediglich die mit Lithium bedeckte Fläche variiert. Unter dieser Voraussetzung ist der Vergleich der Schichtdicken an beliebigen Bereichen als Maß für die Reversibilität der Abscheidung anzusehen.

Abb. 81 zeigt die elektronenmikroskopischen Querschnittaufnahmen der metallisch glän-zenden Bereiche von Defektstellen des mittleren Wickelabschnitts der geladenen (links) und ungeladenen (rechts) Anode. Es sind jeweils eine Sekundärelektronenaufnahme und ein EDX-Mapping der Kohlenstoff-K-Banden desselben Bereichs gegenübergestellt. Die Dicke der Aktivmaterialschicht beträgt in beiden Fällen 61 µm. Dies steht im Einklang mit der Vermutung eines lokal herabgesetzten Ladezustands in der geladenen Elektrode. Auf Grund der Volumenausdehnung des Graphits mit zunehmender Interkalation wäre für vollgeladenen Graphit eine Schichtdickenerhöhung gegenüber der ungeladenen Elektrode zu erwarten.[149] Die Gesamtschichtdicken der Elektrodenfragmente unterscheiden sich ebenfalls nicht, d.h. die mit Lithiummetall assoziierten Deckschichten sind in ihrer Dicke nicht SOC-abhängig. In beiden Fällen sind ~11 µm abgeschieden. Auch die Morphologie erscheint unverändert. Dies spricht dafür, dass vollständig irreversible Lithiumplattierung vorliegt. Das in der Deckschicht der geladenen Elektrode gebundene Lithium hat entwe-der den elektrischen Kontakt zur Elektrode verloren, oentwe-der liegt vollständig in Form von elektrochemisch nicht mehr zugänglichen Reaktionsprodukten vor.

Abb. 81: Elektronenmikroskopische Aufnahmen im Vergleich mit EDX-Mappings der Kohlenstoff-K-Banden an metallisch glänzenden Bereichen beliebig ausgewählter Defektstellen im geladenen

(links) und ungeladenen (rechts) Zustand.

Dieses Ergebnis erlaubt indes nur eine lokale Aussage, die nicht mit der Reversibilität der Lithiumplattierung in der Gesamtzelle zu verwechseln ist. Diese wird nicht nur durch die Schichtdicke, sondern wesentlich auch durch die bedeckte Fläche bestimmt, die mit dem Ladezustand der Gesamtzelle variiert. So weisen auf der ungeladenen Anode die Mehr-zahl der Defektstellen keine sichtbaren metallischen Ablagerungen auf.

Im geladenen Zustand dagegen sind deutlich mehr und ausgedehntere Ablagerungen zu erkennen. Dies spricht für eine Abscheidung, die bezogen auf die Gesamtzelle größten-teils reversibel, an einzelnen Stellen jedoch vollständig irreversibel ist. Eine Quantifizie-rung des gesamten reversiblen Anteils ist aus der post-mortem Analyse heraus jedoch nicht möglich.

Die These des lokal herabgesetzten Ladezustands lässt sich mittels röntgenographischer Analyse der Interkalationsphasen des Graphits bestätigen und quantifizieren. Im für die (00X)-Schichtabstände des Graphits relevanten 2-Winkelbereich werden drei deutlich unterscheidbare Domänen festgestellt, die in Abb. 82 anhand exemplarischer Messungen und deren Anpassung mit Pearson VII Profilen dargestellt sind. Im Fall der geladenen Elektrode (Abschnitte (1) und (2) in Abb. 82) werden, wie der optische Eindruck bereits nahelegt, deutliche Unterschiede in der Phasenzusammensetzung zwischen der Defekt-stelle und der sonstigen Elektrodenfläche beobachtet.

Bei sämtlichen Anpassungen werden zunächst vier Interkalationsstufen berücksichtigt.

Auf der Defektstelle geht im Bereich der Phase LiC6 die gemessene Intensität so weit zu-rück, dass der Peak nicht sicher vom Rauschen in der Basislinie zu separieren ist. Daher wird er in der Betrachtung vernachlässigt. Die übrigen Peaks weisen näherungsweise identische Halbwertsbreiten auf und die R²-Werte betragen > 0,99, was für eine valide Anpassung der Messwerte spricht. Die Fitergebnisse sind in Tab. 21 aufgelistet.

Der Hauptpeak außerhalb der Defektstellen kann der vollgeladenen Phase LiC6 zugeord-net werden, was mit der beobachteten Goldfärbung konsistent ist. Gleichzeitig trägt aber der zur Phase LiC12 zugeordnete Peak annähernd genauso stark zur Gesamtintensität bei. Fasst man alle verdünnten Phasen (Li12C bis Li36C) zusammen, so machen sie ca.

60% des Aktivmaterials aus. Dies zeigt, dass trotz des hohen SOHs der Zelle von 90%

ein großer Anteil des geladenen Aktivmaterials in teilgeladenen Phasen vorliegt. Im Mittel ergibt sich die Stöchiometrie Li0.112C.

Auf der Defektstelle trägt mit einem Anteil von 73 % größtenteils der zur Phase LiC12 zu-geordnete Peak zur Intensität bei. Gegenüber der sonstigen Elektrodenfläche wächst die Intensität dieser Phase um ~ 85 %, während die Phasen LiC27 und LiC36 um je ~ 45 % zunehmen. Die lokale SOC-Abnahme findet demnach ausschließlich aus der ersten Inter-kalationsstufe zugunsten der zweiten Stufe statt. Es resultiert die mittlere Stöchiometrie Li0.075C.

Abb. 82: Mit Pearson VII Profilen angepasste Röntgendiffraktogramme im Bereich der Graphit-Schichtabstände für die ungeladene Elektrode (unten) sowie die geladene Elektrode im Bereich

einer Defektstelle (Mitte) und auf der sonstigen Oberfläche (oben).

Bei der Anode der ungeladenen Zelle ist die Kontur der Defektstellen zwar optisch deut-lich erkennbar, korreliert jedoch nicht mit einer Änderung im Röntgendiffraktogramm. Die Unterschiede in den Fitergebnissen innerhalb und außerhalb der Defektstellen liegen in-nerhalb der statistischen Schwankungen über die Gesamtelektrode. Daher ist in Abb. 82 lediglich ein exemplarisches Diffraktogramm dargestellt.

Die erhöhte Halbwertsbreite und der sichtbar höhere Gaussanteil in der Peakform im Ver-gleich zur geladenen Elektrode ist auf Geräteparameter zurückzuführen. Aus Gründen der Geräteverfügbarkeit musste eine Minilinse anstatt der zuvor eingesetzten Halbminilinse verwendet werden.

Das Diffraktogramm der ungeladenen Anode zeigt als Hauptpeak, wie für ungeladenes Aktivmaterial zu erwarten, den (002)-Reflex reinen Graphits. Mit Li0,014C unterscheidet sich die mittlere Stöchiometrie nicht signifikant von ungealterten ungeladenen Anoden. Dies deutet darauf hin, dass Alterung durch Aktivmasseverlust und Innenwiderstandserhöhung eine untergeordnete Rolle spielt. Es bleibt im entladenen Zustand kein irreversibel interka-liertes Lithium zurück. Der Lithiumanteil beträgt etwa ein Fünftel des auf der geladenen Defektstelle ermittelten. Dieser Vergleich zeigt, dass die Defektstelle in der geladenen Elektrode nicht vollkommen ungeladen, sondern vielmehr teilgeladen ist. Das Aktivmateri-al im Defektbereich nimmt somit weiter an der InterkAktivmateri-alationsreaktion teil, wenn auch mit verminderter Ausnutzung.

Tab. 21: Fitergebnisse und berechnete Phasenanteile aus den in Abb. 82 dargestellten Röntgendif-fraktogrammen

Geladene Elektrode

Ungeladene Elektrode

Referenz ungealtert,

ungeladen Defektstelle Sonstige

Fläche

d001 LiC6

Peakposition [°2] / 36,0 / /

FWHM [°2] / 0,4 / /

Fläche [a.u.] / 59,9 / /

Phasenanteil [%] 0 41 0 0

d002 LiC12

Peakposition [°2] 37,9 37,9 37,5 37,9

FWHM [°2] 0,4 0,4 0,9 1,1

Phasenanteil [%] 73 40 5 12

d003 LiC27

Peakposition [°2] 38,5 38,5 38,2 38,6

FWHM [°2] 0,4 0,5 1,1 0,6

Phasenanteil [%] 22 15 22 6

d004

LiC36

Peakposition [°2] 38,8 38,9 / /

FWHM [°2] 0,5 0,5 / /

Phasenanteil [%] 4,6 3,2 0 0

Graphit

Peakposition [°2] / / 39,6 40,1

FWHM [°2] / / 0,96 1,2

Phasenanteil [%] 0 0 73 82

res. mittlere Stöchiometrie 0,075 0,11 0,014 0,012

Wird das Fitverfahren auf eine ortsaufgelöste Mapping-Messung angewendet und aus den Phasenanteilen jeweils die Lithiumstöchiometrie berechnet, so entstehen die in Abb.

83 gezeigten SOC-Mappings der Defektstellen. Im oberen Teil der Abbildung ist ein Be-reich der geladenen Elektrode abgebildet, der mit einer Falschfarbendarstellung des Lithi-umanteils im Graphit überlagert ist. Dadurch wird deutlich, dass die röntgenographisch beobachtete SOC-Abnahme sich an den Konturen der kreisrunden Defektstelle orientiert.

Mit identischer relativer Skalierung ist im unteren Teil ein Defektbereich der ungeladenen Elektrode gezeigt. Im von der Messung abgedeckten Bereich sind zwei Defektstellen ent-halten, die man an den hell erscheinenden metallischen Lithiumablagerungen erkennt. In der Falschfarbengrafik sind keine den Konturen der Defekte folgenden Unterschiede, sondern vielmehr ein statistisches Rauschen zu erkennen. Dies belegt die zuvor ange-nommene homogene Ladezustandsverteilung der ungeladenen Elektrode.

Abb. 83: Mappings der röntgenographisch bestimmten Lithiumstöchiometrie im Bereich von De-fektstellen auf der ungeladenen (links) und geladenen (rechts) Elektrode. Die Skalierung gibt die

Anzahl der Lithiumatome pro Kohlenstoffatom an.