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Positionen der Forschung im 18. und 19. Jahrhundert

Im Dokument des Alten und Neuen Testaments (Seite 47-50)

3. Forschungsüberblick

3.1 Positionen der Forschung im 18. und 19. Jahrhundert

Campegius Vitringa vertrat – als einer der ersten Exegeten, welche sich wissen-schaftlich mit den Hiskija-Jesaja-Erzählungen beschäftigten – im Jahr 1751 noch die These, der Prophet Jesaja selber habe die Erzählungen verfasst. Re-daktionelle Kreise der Königebücher haben diese, der Feder Jesajas entstam-menden Erzählungen, dann in 2Kön 18,13–20,21 eingefügt und zusätzlich kommentiert.-./ Diese Vorstellung hielt sich mit Johann Jahn auch noch fünf Jahrzehnte später. Ähnlich wie Vitringa schrieb er die Autorschaft der Erzäh-lungen Jesaja selber zu:

«Das Stück Jesaia 36–39 ist demnach schwerlich aus 2 Kön. 18,13–20,19 sondern es rühret vermutlich von Jesaia selbst her, zumahl da Jes 7. ein ähnliches historisches Stück mit einer Weissagung vorkommt.»-.0

Bis zum Anfang des 19. Jh. brachte die Forschung die Erzählungen mit dem Propheten Jesaja direkt in Verbindung. Danach erfolgte mit Wilhelm de Wette eine Wende in der Forschung an den Hiskija-Jesaja-Erzählungen: Erstmals wurde kritisch reflektiert, wie die doppelte Überlieferung der Erzählungen im Jesajabuch und in den Königebüchern literarisch zustande gekommen sein könnte. 1817 äusserte de Wette die Auffassung, die Kapitel Jes 36–39 seien den Königebüchern entlehnt worden, wobei im Zuge der Aufnahme zusätzlich der in 2Kön 18,13–20,21 fehlende Hiskijapsalm – einer anderen Sammlung ent-nommen – eingearbeitet worden sei.-.1 Dies zeige sich, weil

«der dortige Text in mehreren Stellen gegen den jesaianischen als der richtigere, vollständige-re und ursprünglichevollständige-re, letztevollständige-rer dagegen als der überarbeitete und abgekürzte erscheint».-.2

Zudem widersprach de Wette der Meinung, dass die Erzählungen auf Aussprü-che des historisAussprü-chen Jesaja zurückgehen würden. Aufgrund des legendenhaften Stils und der jungen Sprachform sei es nicht möglich, sie in der Zeit Jesajas anzusetzen.-.3

Auch Wilhelm Gesenius ging auf diese Diskussion ein: Entgegen der An-sicht, Jes 36–39 stamme von Jesaja selber und sei dann in die Königebücher eingearbeitet worden,-.4 war er wie de Wette der Meinung, dass die Erzählun-gen von den Königebüchern ins Jesajabuch aufErzählun-genommen worden seien. Dies verdeutliche sich darin, dass die Version im Jesajabuch an vielen Stellen kürzer

123 Vgl. VITRINGA, Auslegung, 206.

124 JAHN, Einleitung, 493.

125 Vgl. WETTE, Lehrbuch, 422.

126 Ebd., 421.

127 Vgl. ebd.

128 Vgl. GESENIUS, Prophet, 935.

und die Sprache geglätteter und vereinfachter gegenüber derjenigen in den Kö-nigebüchern sei.-.5 So folgerte er schliesslich:

«Man hat sich also die Entstehung dieses Abschnittes so zu denken, dass der Sammler des Buches Jesaia, welches wahrscheinlich ursprünglich mit Kap. 35 geschlossen war, diesem Bu-che noch jenen historisBu-chen Abschnitt beygab, um alles über diesen Propheten beysammen zu haben, gerade wie man es mit dem ähnlichen den Propheten Jeremia betreffenden Ab-schnitt that. […] Das Lied des Hiskia wurde von ihm wahrscheinlich aus anderer Quelle, et-wa einer der vorhandenen Liedersammlungen, eingeschaltet: da der Sammler der BB. der Könige es schwerlich ausgelassen haben würde, wenn er es in seiner Quelle vorfand.»-/,

Als besonders prägend für die Forschung an den Hiskija-Jesaja-Erzählungen er-wiesen sich die Untersuchungen Bernhard Stades. Sie sind literarkritisch und re-daktionsgeschichtlich bis heute relevant: Stade folgte den Beobachtungen Wil-helm Gesenius’ darin, dass es sich bei Jes 38 und 39 um einen harmonisierten Text handle, an welchem gegenüber demjenigen in den Königebüchern Umge-staltungen erkennbar seien.-/- Wenngleich er in diesem Aspekt an den Stand der Forschung anknüpfte, setzte er mit seiner Fragestellung völlig neue Akzente:

Das zentrale Thema in seinem Beitrag war die Analyse von 2Kön 18,13–

20,21 mittels Quellenscheidung. Er ging davon aus, dass in 2Kön 18,13–20,21 mehrere Erzählungen zu einer einzigen verarbeitet worden seien. Sein Argu-ment: 2Kön 18,13–20,21 enthalte eine aussergewöhnliche Folge von drei Weis-sagungen (2Kön 19,7; 19,28 und 19,33),-/. denen jedoch nicht drei Erfüllungen entsprächen, sondern nur eine, woraus zu schliessen sei, dass zu den Weissagun-gen ursprünglich verschiedene ErzählunWeissagun-gen mit entsprechenden ErfüllunWeissagun-gen gehört hätten.-// Die sich daraus ergebende Quellenscheidung bestimmte Stade folgendermassen: Zum einen erweise sich der Abschnitt 2Kön 18,14–16 (A) als unabhängige Quelle,-/0 die nur in den Königebüchern zu finden sei. Zum ande-ren könne in 2Kön 18,13–20,21 festgestellt werden, dass eine doppelte Erzäh-lung von der Bemühung Sanheribs, Hiskija zu entmachten, vorliege.-/1 Eine erste Erzählung davon erscheine in Jes 36,1–37,9a / 2Kön 18,13.17–19,9a (B1)-/2 und ein zweite in Jes 37,9b–36 / 2Kön 19,9b–37 (B2)-/3.

Ausserdem ist Stades Annahme bemerkenswert, dass keiner dieser beiden Berichte die historischen Gegebenheiten wiedergebe. Vielmehr würden beide

129 Vgl. ebd., 932–933.

130 Ebd., 935.

131 Vgl. STADE, Anmerkungen, 183.

132 Vgl. ebd., 174.

133 Vgl. ebd., 175.

134 Vgl. ebd., 172.

135 Vgl. ebd., 178–179.

136 Vgl. ebd., 175.

137 Vgl. ebd., 176.

einer legendarischen Darstellung entsprechen.-/4 In einer Zeit, in welcher den biblischen Büchern vorwiegend ein ausserordentlich hohes Alter zugeschrieben und noch mit der Autorschaft der biblischen Gestalten selbst gerechnet wurde, war eine solche Ansicht überaus innovativ.

Auf Stades Beobachtung, dass den Weissagungen in den Erzählungen keine entsprechenden Erfüllungen zugeordnet werden können, wurde in der For-schung selten Bezug genommen. Immer wieder wurde hingegen im Anschluss an Stade auf den Sachverhalt verwiesen, dass 2Kön 18,14–16 gegenüber dem umliegenden Textbereich einen selbstständigen Bericht darstelle. Darüber hin-aus hat sich bei vielen Exegeten als eine Art Konsens herhin-ausgebildet, dass in Jes 37,9 / 2Kön 19,9 ein literarischer Bruch vorliege und die Erzählungen an dieser Stelle in zwei unterschiedliche entstehungsgeschichtliche Blöcke einge-teilt werden müssten. Die Feststellungen Stades erfuhren im weiteren Verlauf der Forschungsgeschichte mehrere Umformungen. Einige Exegeten wiesen darauf hin, dass Teile des einen der beiden Berichte literarisch vom anderen abhängig und als Fortschreibung zu verstehen seien.-/5 Diesen Ansatz vertritt auch die vorliegende Arbeit.

Gegenüber diesen vorwiegend literarischen Beobachtungen versuchten Zeit-genossen Stades, die Gebrüder George und Henry Rawlinson, die Erzählungen in historischer Hinsicht zu reflektieren. Sie gingen davon aus, dass aufgrund der gegenläufigen Passagen in 2Kön 18,13–16 und 2Kön 18,17–19,37 historisch zwei Feldzüge Sanheribs gegen Jerusalem stattgefunden haben.-0, Ebenso sah der Altorientalist Alfred Jeremias im biblischen Bericht mehrere historische Situationen widerspiegelt. Gemäss Jeremias würden in den von Stade unter-schiedenen Quellen drei Militäraktionen der Assyrer begegnen, die sich in der Geschichte des Alten Israel im Konflikt mit dem assyrischen Reich wirklich auch ereignet hätten.-0- Gemäss dem heutigen Erkenntnisstand gab es histo-risch vermutlich aber keinen zweiten – oder sogar dritten – assyhisto-rischen Vor-stoss gegen Juda nach 701 v.-0. Die Spannungen zwischen den drei Textbereichen

138 Vgl. ebd., 179.

139 Vgl. CHILDS, Isaiah (2001), 263; KRATZ, Reinhard Gregor, Isaiah and the Siege of Jerusalem, in: Rannfrid I. Thelle et al. (eds.), New Perspectives on Old Testament Prophecy and History.

Essays in Honour of Hans M. Barstad, VT.S 168, Leiden/Boston 2015, 143–160, 151–154;

GALLAGHER, Campaign, 216; GONÇALVES, Francolino J., 2 Rois 18,13–20,19 Par. Isaïe 36–39.

Encore une fois, lequel des deux livres fut le premier?, in: Jean-Marie Auwers / André Wénin (éds.), Lectures et relectures de la Bible, BETL 144, Leuven 1999, 27–55, 48–49.

140 Vgl. RAWLINSON, Monarchies, 439; vgl. dazu auch die detaillierte Beschreibung bei GRABBE, Introduction, 21; zu der Theorie von zwei Feldzügen Sanheribs gegen Jerusalem vgl. auch B ECK-ING, Bob, The Fall of Samaria. A Historical and Archaeological Study, Studies in the History of the Ancient Near East 2, Leiden 1992, 55.

141 Vgl. JEREMIAS, Testament, 526–531.

142 Vgl. dazu THOMAS, Hezekiah, 359–362. Dass mit zwei Invasionen Sanheribs gegen Juda zu rechnen sei, stellte Weippert als ganz unwahrscheinlich dar. Vgl. WEIPPERT, Manfred,

Histori-2Kön 18,14–16, Jes 36,1–37,9a / Histori-2Kön 18,13.17–19,9a und Jes 37,9b–14 / 2Kön 19,9b–14 lassen sich folglich nicht anhand von Verbindungen zu histori-schen Hintergründen auflösen. Wie von Stade vermutet, sind die Diskrepanzen vielmehr literarischen Prozessen zuzuschreiben.

3.2 Tendenzen der Forschungsdiskussion im 20. Jahrhundert

Im Dokument des Alten und Neuen Testaments (Seite 47-50)