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Polen auf dem Weg zum föderativen Staat?

Armin Bohnet

gensatz zu Deutschland dient der ganz über-wiegende Teil der Zuweisungen dazu, die mit der Erfüllung zentralstaatlich vorgegebener Aufgaben verbundenen Kosten zu decken.

Der finanzielle Handlungsspielraum der nach-geordneten Ebenen für eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung ist damit relativ gering.

Ungelöste Probleme

Einige ungelöste Probleme bestimmen die An-forderungen an weitere Reformen:

– Die Transformation hat dazu geführt, dass sich in Polen die interregionalen Unterschiede in der Wirtschaftskraft noch verstärkt haben. Sol-len die regionaSol-len Disparitäten nicht verfestigt oder sogar verstärkt werden, muss die zukünf-tige Finanzverfassung so ausgestaltet werden, dass die ärmeren Regionen Möglichkeiten und Anreize haben, den Abstand zu den reicheren Regionen mittelfristig zu verringern und lang-fristig weitgehend aufzuschließen.

– Polen steht vor dem Beitritt zur Europäischen Union. Dieser stellt Anforderungen an die zu schaffende Verwaltungsstruktur. So fordert das Konzept des „Europas der Regionen“

eine Stärkung der finanziellen Autonomie der regionalen Gebietskörperschaften, da ein Zugriff auf die EU-Strukturfonds eine nicht unerhebliche Mitfinanzierung durch die Regionen voraussetzt.

– Polen hat Reformen aller wichtigen Elemente der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung begonnen, die teilweise abgeschlossen, teil-weise aber auch noch im Gange sind. Diese Reformen binden erhebliche Mittel in der mit-telfristigen Perspektive und engen daher den finanziellen Spielraum für weitere Reformbe-strebungen ein. Dadurch sind auch die Res-sourcen, die für eine Umverteilung zwischen armen und reichen Regionen zur Verfügung stehen, auf absehbare Zeit begrenzt.

Bewertung der bisherigen Reformen und Notwendigkeit weiterer Reformen Vor dem Hintergrund dieser Ausgangssituation sollen die bisherigen Reformen beurteilt sowie Wege für zielorientierte weitere Reformen auf-Ponterlitschek. Auf polnischer Seite werden an

der Studie Frau Prof. Krystyna Piotrowska-Marczak, Leiterin des Lehrstuhls für Banken und Finanzen an der UniversitätLódz´, und drei ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter teilneh-men. Ein erstes Konzeptpapier mit einer Zuwei-sung konkreter Aufgaben liegt vor.

Polens Finanzausgleichsbeziehungen – aktueller Stand und ungelöste Probleme Polens derzeitiges Finanzausgleichssystem Die polnischen Finanzausgleichsbeziehungen unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von den deutschen. Folgende Merkmale sind für die derzeitige Situation charakteristisch:

– Die Verteilung staatlicher Aufgaben auf die je-weiligen Gebietskörperschaftsebenen kennt keine strikte Trennung nach Aufgabenfeldern.

Vielmehr sind für eine ganze Reihe von Auf-gaben die Kompetenzen in der Form aufge-spaltet, dass die Gesetzgebungszuständigkeit in der Regel der Zentralebene zugeordnet ist, während die Wojewodschaften (Provinzen) eher ausführende Kompetenzen haben. Des Weiteren kennt das polnische System Mehr-fachzuständigkeiten in einem Aufgabenfeld, so zum Beispiel von Provinzen und Zentralre-gierung im Rahmen der Wirtschafts- und der Umweltpolitik.

– Im Vergleich zur Bundesrepublik Deutsch-land sind Polens Staatsfinanzen hoch zentra-lisiert. So fließen ca. 70% des Aufkommens aus der Einkommensteuer sowie 94,5% der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer an die Zentralebene.

– Während in der polnischen Finanzverfassung horizontale Ausgleichszahlungen zwischen den Gebietskörperschaften gleicher Ebene bislang nicht vorgesehen sind, besitzen verti-kale Transferzahlungen zwischen der Zent-ralebene und den nachgeordneten Gebiets-körperschaften einen sehr hohen Stellenwert.

1999 bezogen die polnischen Gemeinden im Durchschnitt 45% ihrer Einnahmen aus zweckgebundenen Zuweisungen und Schlüs-selzuweisungen. Die Abhängigkeit der Kreise und Provinzen ist noch deutlich höher. Sie lag im selben Jahr bei 93% bzw. 76%. Im Ge-bohnet 19.04.2004 11:26 Uhr Seite 94

gezeigt werden. Am Anfang steht hier die Frage, inwieweit die bisherigen Reformen den normativen Implikationen der Theorie des Fiskalföderalismus genügen, die besagen, dass ein föderativer Staatsaufbau zu einer höheren allokativen Effizienz bei der Bereitstellung öffentlicher Güter führt als dies ein zentralisti-scher Staat vermag. Voraussetzung für die Rea-lisierung dieser Effizienzgewinne ist allerdings eine effektive Arbeit der staatlichen Adminis-tration sowie der Imperativ, das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz zu realisieren. Erst eine weitgehende Identität von Aufgaben-, Aus-gaben- und Einnahmenkompetenz bildet die Basis für ein kostengünstiges und präferenz-nahes Angebot öffentlicher Leistungen, wäh-rend die Zuordnung von Kompetenzen für die-selbe Aufgabe auf unterschiedliche Gebiets-körperschaftsebenen ein Über- oder Fehlange-bot öffentlicher Leistungen zur Folge hat.

Als weiteres Beurteilungskriterium ist sodann eine Analyse der Verteilungswirkungen aus den bisherigen Reformen der polnischen Fi-nanzverfassung, insbesondere der Reform von 1999, vorgesehen. Dabei wird die Frage zu be-antworten sein, ob diese Reformen die regiona-len Disparitäten eher verringert oder gar ver-größert haben. Schließlich sollen noch stabi-litätspolitische Anforderungen als Kriterium für die Ausgestaltung und Bewertung einer nationalen Finanzverfassung einbezogen wer-den. Eine herausragende Rolle spielt dabei das Kriterium der „fiskalischen Disziplin“, an dem das Ausmaß von Haushaltsdefiziten auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften gemessen werden kann. Dieser Aspekt gewinnt vor dem Hintergrund des inzwischen beschlossenen EU-Beitritts Polens, der die Verpflichtung zur Beachtung der so genannten Maastricht-Krite-rien und langfristig sogar zur Erzielung von ge-samtstaatlichen Haushaltsüberschüssen bein-haltet, zunehmend an Bedeutung.

Neben diesen theoretischen Ansätzen wird auf Erfahrungen anderer Länder bei der Suche nach einer effizienten Finanzverfassung zu-rückgegriffen. Eine besonders vielversprechen-de Vorlage bietet dabei die Diskussion um die Neuordnung des Finanzausgleichssystems in Deutschland. Schließlich sieht sich Deutschland

seit 1990 mit ähnlichen Problemen wie Polen konfrontiert:

– Deutschland war vor der Wiedervereinigung ein Land mit vergleichsweise geringen Unter-schieden in der regionalen Wirtschaftskraft.

Die Vereinigung im Jahr 1990 schuf erhebli-che regionale Disparitäten, so dass eine grundsätzliche Reform der Finanzverfassung erforderlich wurde.

– Die Transformation und der „Aufbau Ost“

haben, ohne die regionalen Disparitäten be-seitigen oder auch nur verringern zu kön-nen, Deutschland zu extremen finanziellen Anstrengungen gezwungen. Der dadurch geschrumpfte finanzielle Rahmen begrenzt – wie auch in Polen – die Gestaltungsmöglich-keiten der zukünftigen Finanzausgleichsbe-ziehungen.

– Ähnlich wie Polen war auch die ehemalige DDR stark zentralistisch geprägt. Der Aufbau von regionalen und lokalen Gebietskörper-schaften und Verwaltungsstrukturen war somit unerlässlich.

Institutionelle Grenzen

für Finanzausgleichsreformen und Wege zu deren Überwindung

Ein Blick in die Realität existierender Finanzaus-gleichssysteme zeigt, dass die von Theoretikern erarbeiteten Normen und Empfehlungen für eine erfolgreiche Dezentralisierung zumeist nur in erheblich modifizierter Form umgesetzt wer-den. Dieser Teil der Studie will daher Ursachen hierfür identifizieren und Wege zu einer erfolg-reichen Fortsetzung von Reformen aufzeigen.

Bei der Beurteilung der Durchsetzbarkeit vor-geschlagener Reformen wird auf die Erkennt-nisse der polit-ökonomischen Theorie des Föderalismus sowie auf Ansätze der neuen In-stitutionenökonomik zurückgegriffen. Anders als eine wohlfahrtsökonomische Analyse inner-staatlicher Finanzbeziehungen richten sich polit-ökonomische sowie institutionenökono-mische Analysen nicht auf vordefinierte Ziel-Mittel-Beziehungen, sondern auf die relevan-ten politischen Akteure (Politiker, Bürokrarelevan-ten) und deren Interessen.

Diesen Theorieansätzen zufolge scheitern viele Reformvorschläge vor allem daran, dass die an bohnet 19.04.2004 11:26 Uhr Seite 95

sengruppen durch die Reformen auf die Verlie-rerseite zu geraten drohen und diese deshalb zu verhindern versuchen. Dieser Widerstand nimmt sogar noch zu, wenn die voraussicht-lichen Verlierer der Reformen zu den Stamm-wählern der politischen Führung zählen.

Letztlich besteht das Anliegen dieses Teils der Studie darin, die verschiedenen an der Ent-scheidung beteiligten Gruppierungen zu iden-tifizieren und ihre Interessen aufzudecken, um dann die Durchsetzbarkeit konkreter Reform-ansätze für die Finanzverfassung zu beurtei-len. Wiederum kann die Diskussion um die Re-form der deutschen Finanzverfassung als An-schauungsbeispiel wertvolle Einblicke liefern.

Schließlich gibt es auch in Deutschland weit-reichende und zugleich rationale Reformvor-schläge, die im politischen Prozess abgelehnt oder doch zumindest erheblich modifiziert wurden.

der Umsetzung der Reformen beteiligten Ent-scheidungsebenen und -träger ihre politischen Handlungsrechte zur Verfolgung eigener Inte-ressen einsetzen. So gibt es InteInte-ressenkonflikte zwischen der Zentrale auf der einen, den Regio-nen und den KommuRegio-nen auf der anderen Seite.

Aber auch wirtschaftlich starke und wirtschaft-lich schwache Regionen (und Kommunen) tren-nen unterschiedliche Interessenlagen. Studien der Weltbank zeigen beispielsweise, dass in Polen seit der Einführung der lokalen Selbstver-waltung viele lokale Behörden wie Interessen-gruppen zu handeln begannen und versuchten, für ihre Klientel mehr Zuweisungen von der Zentralregierung in Warschau zu erhalten. Die Zunahme regionaler Disparitäten wird insbe-sondere auch auf diese Fehlentwicklung der in-nerstaatlichen Beziehungen zurückgeführt. Ein weiterer Grund für das Scheitern von Reformen ist darin zu suchen, dass einflussreiche Interes-bohnet 19.04.2004 11:26 Uhr Seite 96

Sascha Feuchert