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Plausibilisierung der Vier-Felder-Matrix am Handlungsfeld der Einzelfallhilfen

5.3 Eine Vier-Felder-Matrix zur Qualitätsanalyse von Schulsozialarbeit

5.3.1 Plausibilisierung der Vier-Felder-Matrix am Handlungsfeld der Einzelfallhilfen

Im Kapitel 3.1 haben wir die Variationen der Einzel-fall-Unterstützungen durch die Schulsozialarbeit als ein Kontinuum von passageren Interventionen bis hin zu längerfristigen und intensiven Beratungs- und Begleitprozessen, die auch andere Personen und In-stitutionen mit einbeziehen konnte, erfasst; im Ka-pitel 4.2 lag der Betrachtungsschwerpunkt auf der Entwicklung der innerschulischen Kooperation im Kontext von Einzelfallhilfen: Je nach spezifischer Si-tuation wurden die Unterstützungen von den Ju-gendhilfekräften alleine oder aber in Kooperation mit dem schulischen Personal erbracht.

(a) Feld des eigenständigen Handelns der sozialpädagogischen Fachkraft

Als Aufgaben, die von den Fachkräften alleine über-nommen wurden, lassen sich festhalten: Die Verfüg-barkeit für informelle Gespräche, die Bereitschaft, sich auf intensive Auseinandersetzungen einzulas-sen und vertrauensvolle Beziehungen zu den betref-fenden Schüler/innen aufzubauen, auf deren Basis dann angemessene Formen der Hilfestellung und eventuell auch Weitervermittlung erfolgen konnten.

Dazu gehörten die fachlich-diagnostischen Möglich-keiten, die Ergründung relevanter Hintergrundinfor-mationen, eventuell Familienbesuche sowie die Be-gleitung zu Beratungsstellen oder dem ASD.

Im diesem ersten Feld spielen nicht nur konkrete, auf Schüler/innen bezogene Handlungen eine Rolle. Wesentlich ist die Bereitstellung und die Ins-zenierung formeller und informeller ‚Räume’, die den Schüler/innen Vertrauen ermöglichen und Vertrau-lichkeit sichern. Schließlich stellt die Vernetzung mit dem ASD und dem Jugendhilfeumfeld die Basis dar für eventuell weitergehende Unterstützungsleistun-gen. In einem weiteren Verständnis gehören dazu auch spezifische Qualitätsstandards der Sozialen Arbeit (z. B. der Umgang mit der Schweigepflicht, die partizipative Gestaltung von Hilfebeziehung u. Ä.).

63 Der Rückgriff auf erfahrene Jugendhilfefachkräfte war auch deshalb leichter möglich, weil die beteiligten Träger teilweise Deputate von bereits im Sozialraum agierenden Mitarbeiter/innen neu verteilen konnten.

(b) Feld des gemeinsamen Handelns von schulischen und sozialpädagogischen Fachkräften

Parallel waren wechselseitige Bezugnahmen der an der Schule tätigen Professionellen festzustellen:

Lehrkräfte machten die Schulsozialarbeiter/innen aufmerksam auf Probleme von und mit Schüler/

innen, sie suchten selbst Beratung für den Umgang mit ‚schwierigen Schüler/innen’, ließen sich auf ver-mittelnde Gespräche ein, vereinbarten gemeinsame Gespräche mit Schüler/innen und/oder deren Eltern, sie veränderten und erweiterten ihre Umgangswei-sen mit den Kindern und Jugendlichen oder stimm-ten Sanktionen mit den Sozialpädagog/innen ab.

In diesen Kooperationsgelegenheiten wird eine Hal-tung kenntlich, die sich als gemeinsame Verantwort-lichkeit für die Begleitung der Schüler/innen fassen lässt: Im Hinblick auf die Klärung von Unterstüt-zungsbedarfen (Früherkennung, rechtzeitige Inter-vention, Weitervermittlung) und im Hinblick auf die Verständigung über eventuell differente Interpreta-tionen (z. B. in der Abklärung der Vorgehensweisen bei Unterrichtsstörungen). In ersten Ansätzen wur-den gemeinsame Überlegungen über die Wirksam-keit von Unterstützungen angestellt und dann fort-laufend Feinjustierungen solcher Hilfeprozesse vor-genommen und in klare Absprachen ‚übersetzt’, an die sich auch Lehrer/innen gewissermaßen ‚ver-tragsähnlich’ halten mussten. Eine wichtige Rolle spielten dabei Verständigungen darüber, ab wann die Schulsozialarbeit Einzelfallunterstützungen all-eine übernehmen sollte. Dies stellte sich von Schule zu Schule unterschiedlich dar und war Ergebnis ei-nes standortspezifischen Aushandlungsprozesses zwischen der Schule und der Schulsozialarbeit (z. T.

flankiert im Rahmen einer Projektlenkungsgruppe oder als Absprache zwischen Schulleitungen und Fachkräften). Im Feld der wechselseitigen Bezugnah-me agierten mithin die Schulleitung, das gesamte Kollegium und in spezifischeren Kooperationen ein-zelne Lehrer/innen gemeinsam mit der Schulsozial-arbeit.

In diesem zweiten Feld sind also solche Bereiche des Handelns, Planens und Kooperierens verortet, die die Fachkraft nicht alleine sondern nur gemeinsam mit der Schule erbringen kann. Dazu gehören selbstre-dend all die Gespräche, die zwischen Schule und Schulsozialarbeit zu führen sind, um Einzelfallhilfen fachlich angemessen umsetzen zu können. Hierher gehört erneut die Verständigung über den Umgang mit Informationen von Schüler/innen, die die Fach-kräfte unter dem Siegel der Verschwiegenheit erhal-ten haben, die Klärungen also über Schweigepflicht

sowie der Zeitpunkt und die Intensität des Einbe-zugs von Schulsozialarbeit in schulische Sanktions-maßnahmen.

Im Hinblick auf eine angemessene Qualität von Schulsozialarbeit kann hier folgendes verdeutlicht werden: Schulsozialarbeit kann ein Selbstverständ-nis vertreten, nach dem sie die Einzelhilfen primär als ihre Angelegenheit begreift und als ihr ‚Territori-um’ absteckt. Das Pendant zu dieser Isolierung des Arbeitsgebiets fände sich dann in der Haltung der schulischen Akteure, dass Lehrer/innen ‚nur’ abge-ben an die Schulsozialarbeit, also durchaus nicht in der Perspektive eines als gemeinsam verstandenen Auftrags handeln. Dennoch wären beide Seiten auf ein Mindestniveau an kommunikativen Abstim-mung angewiesen. Entscheidend ist also, dass beide Fachkräfte ohne kommunikative Verweisun-gen und basale KooperationsbeziehunVerweisun-gen in quali-tativer Hinsicht nicht alleine vorgehen können.

Aus diesen Überlegungen heraus unterscheiden wir im Kontext der Einzelhilfen zwei Felder des Arbeits-auftrags und der sich daraus ergebenden Hand-lungserfordernisse:

• das Feld des eigenständigen Handelns und Pla-nens der Schulsozialarbeit und

• das Feld des gemeinsamen Handelns und Planens von Schule und Schulsozialarbeit.

In der folgenden Abbildung haben wir diese beiden Ebenen für das Handlungsfeld der Einzelfallunter-stützungen graphisch aufbereitet:

(c) Feld der sozialräumlichen Kooperationen und Ver-ankerung

Im ‚Stuttgarter Modell’ wurden im Zuge von Einzel-fallhilfen von Beginn an nicht nur die schulischen Binnenverhältnisse bedacht. Vielmehr wurde der Sozialraum konstitutiv in die Konzeption einbezo-gen (vgl. Kap. 1) und als weiteres Qualitätsmoment sichtbar: In der Kooperation mit dem ASD, im Rück-griff auf die Stadtteil-Teams, wenn zum Beispiel eine andersgeschlechtliche Ansprechperson sinnvoll er-schien, im Hinblick auf den möglichen fachlichen Rückhalt, als Informationsquelle oder als zusätzliche Anlaufstelle für Schüler/innen. Erinnert sei auch an die Möglichkeiten einer sozialräumlichen Ressour-cenbalance, insbesondere der flexiblen Ressourcen-verlagerung (vgl. Kap. 3).

Hier kristallisiert sich aus unserer Sicht ein dritter Verweisungszusammenhang für die Schulsozialar-beit heraus: Die sozialräumliche Perspektive des ge-meinsamen Handelns von Jugendhilfe und Schule – der Sozialraumbezug. Dieser spielte, wie dargestellt, im ‚Stuttgarter Modell’ eine konstitutive Rolle, und nimmt in anderen Konzepten oder Ausprägungen von Schulsozialarbeit zunächst eine weniger promi-nente Rolle ein. In einer anderen Untersuchung hat-ten wir herausgearbeitet, dass die Erschließung des außerschulischen Unterstützungsnetzes meist erst zu einem späteren Zeitpunkt als Arbeitsebene hin-zukommt, als dies im ‚Stuttgarter Modell’ der Fall war, dann aber ebenfalls als Ergänzungsverhältnis und Ineinandergreifen verschiedener Angebote wirksam werden kann (vgl. Bolay u. a. 1999: 90 ff.;

117 ff.). Versteht man den Sozialraumbezug als ein eigenständiges Handlungsfeld, dann wird die wech-selseitige Verantwortung von Jugendhilfeträger(n) und Schule(n) für die Ausgestaltung und Weiterent-wicklung einer schulbezogenen Jugendhilfe klarer greifbar.

(d) Feld der Konzeptionsentwicklung auf regionaler Ebene

Dies verweist zugleich auf die vierte Ebene: Dass Überlegungen zu Form, Verfahren und Umfang von Einzelfallhilfen auf den Fachtagen immer wieder Thema waren; dass sie häufig zum Gegenstand von Beratungen in der Projektlenkung wurden; dass sei-tens des Jugendamtes Erhebungsinstrumente ent-wickelt wurden, um die Bedeutung dieses Bereichs arbeitszeitlich erfassen zu können; dass weiterge-hende Arbeitsansätze in die nachschulische Lebens-phase der Jugendlichen hin entwickelt wurden (Übergangsbegleitung: Modellprojekt ‚Türöffner‘),

um die spezifischen Begrenzungen der Schulsozial-arbeit kompensieren zu können; all dies weist über das dritte Feld der sozialräumlichen Ebene hinaus in einen weiteren Zusammenhang, den der regio-nalen Planung.

In diesem vierten Feld geht es mithin um die Wei-terentwicklung des dritten Felds, um die Abstim-mung des dort verhandelten Bedarfs, um die Ein-bindung übergeordneter Entscheidungsgremien, um eine Kooperation der verschiedenen Funktionen und Professionen, um Planung von Fortbildungsan-geboten und den Transport der Anliegen in die poli-tischen Gremien.

Zu den bereits eingeführten Feldern kommen also zwingend zwei weitere Felder hinzu, die auf die Qua-lität von Schulsozialarbeit maßgeblichen Einfluss haben:

• das Feld der Sozialraumorientierung oder der re-gionalen sozialräumlichen Kooperation von Ju-gendhilfe und Schule

• das Feld der Rahmenkonstellation oder der sys-tematischen Kooperation der regionalen System-zusammenhänge

Umgesetzt in die Grafik stellt sich nun die Feldmatrix im Handlungsbereich der Einzelfallhilfen folgen-dermaßen dar:

5.3.2 Plausibilisierung der Vier-Felder-Matrix am